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Abschied von der Garage

Wer in der Sowjetunion aufgewachsen ist, dem ist seine Garage heilig – besonders den Männern. Hier wird nicht nur das Auto untergestellt: Die Garage dient bis heute als Lager für Kartoffeln und Eingemachtes, den Samowar, die alte Waschmaschine, das Rad des „Desna“-Fahrrads, das Töpfchen des ersten Sohns und die Halbliterflasche Stolitschnaja-Wodka, die man vor 40 Jahren vor seiner Frau versteckt hat – also ausschließlich für dringend benötigte Dinge.  

In der Garage feierte man Geburtstage und die Geburt eines Kindes, die erfolgreiche Autoreparatur, den Verkauf des Autos und den Kauf eines neuen. In Garagen wurden Kfz-Werkstätten eröffnet, Freundschaften geschlossen, nützliche Beziehungen geknüpft, und die Garagennachbarn waren im Freundeskreis eine Gruppe für sich. Die Jüngeren können das nicht mehr nachvollziehen, aber auch sie halten an ihren Garagen fest – das genetische Gedächtnis ist stark.  

Einen Eindruck davon, was eine Garage in Russland alles sein kann, vermittelt das Fotoprojekt Zweckentfremdet der Fotografin Oksana Ozgur. Die Berliner Dokumentarfilmerin Natalija Yefimkina hat den Garagenbewohnern 2020 ihren wunderbaren Film Garagenvolk gewidmet. Aufnahmen aus Yefimkinas Film illustrieren auch diesen Text. 

 

Trailer zu Garagenvolk von Natalija Yefimkina / YouTube 

Doch die große Zeit der Garagenkultur geht zu Ende. In vielen Städten werden Grundstücke, auf denen einst Garagenkooperativen ihre Bauten errichteten, zu Bauland für moderne Wohn- und Geschäftsgebäude umgewidmet. Viele Besitzer wehren sich erbittert gegen die Räumung ihrer Garagen. Sie sind für sie Rückzugsort und Heiligtum, an dem sie fern von Staat und Ehefrau ihre ganz persönlichen Träume verwirklichen konnten. 

Werksstatt, Rückzugsort und Heiligtum: Das Garagenvolk hat seine Türen für die Dokumentarfilmerin Natalija Yefimkinas geöffnet / Foto © Axel Schneppat / Tamtam Film

 

Quelle Goworit Nemoskwa

Die Sicht der Menschen   

Unweit von meinem Haus liegt ein Teich. Noch vor etwa zehn Jahren hat darin die halbe Nachbarschaft gebadet. An der Straße, die zu ihm führte, standen ein paar Behelfsgaragen, auch Rakuschki [rus. Muscheln)] genannt. Kaum wurden die Tage wärmer, versammelten sich die Garagenbesitzer, reparierten oder ersetzten den Steg, erneuerten die Seilschaukel, legten am Zugang zum Wasser Reifen aus, mähten den Rasen und verscheuchten die ganze Saison über die Ruhestörer, die laute Zechgelage veranstalteten und ihre Flaschen zerschmetterten. Dann ließ die Gemeinde die Garagen abräumen, weil sie angeblich schwarz errichtet worden seien – obwohl ein ortsansässiger Betrieb das Gelände 60 Jahre zuvor seinen Mitarbeitern dafür zugeteilt hatte. Wenige Jahre darauf war es auch mit dem Teich vorbei: Die Brücke stürzte ein, die Reifen wurden fortgeschwemmt, und das Ufer verwandelte sich in eine Müllkippe. So verschwand mit der „Garagen“-Gemeinschaft auch ein wichtiger Ort für die ganze Siedlung.

Ein Treffpunkt für die ganze Siedlung / Foto © Axel Schneppat / Tamtam Film

Laut der russischen Wikipedia ist „eine Garage (frz. garage, vom nautischen Begriff gare ‚Schiffsanleger, Liegestelle‘) [...] ein Raum zum Abstellen und manchmal zum Reparieren von Autos, Motorrädern und anderen Fahrzeugen. Das Wort ‚Garage‘, das 1902 im Englischen auftauchte, leitet sich vom französischen Wort garer ab, das ‚Schutzraum‘ bedeutet“.  

Dem kann man nur zustimmen:  In der Sowjetunion und dann auch in der Russischen Föderation war die Garage ein echtes Refugium. Sie bot Zuflucht vor Ehestreit, Problemen auf der Arbeit, der Enge der Wohnung. Eine Garage hat Raum genug für praktisch alles, was man braucht oder auch nicht: Man kann dort ein Kinderfahrrad reparieren, Bretter zuschneiden und ein Regal bauen, sogar ein Unternehmen starten. Einer meiner Bekannten hat zwei benachbarte Garagen gekauft und betreibt dort eine Autowerkstatt, ein anderer nutzt sie als Warenlager – er hat eine Verkaufsstelle für Haushaltsbedarf. Eine Freundin ist eine hervorragende Tierärztin mit eigener Klinik. Was das mit Garagen zu tun hat?  Sie durfte als Kind kein Haustier haben. Deshalb ging sie zu den Garagen in der Nähe des Hauses, wo immer Straßenhunde nach Futter lungerten. Sie desinfizierte ihre Wunden mit Brillantgrün und bat die erwachsenen Männer, ihr zu helfen, die Meute von Grind, Flöhen und anderen Plagen zu heilen. Wenn man ihr heute Komplimente für ihr profundes Fachwissen macht, erwidert sie lachend: „Ich habe eben schon als Drittklässlerin angefangen, in Garagen zu praktizieren!“.   

In ihrer Garage können Männer unter sich sein. Foto © Axel Schneppat / Tamtam Film

Für meinen 74-jährigen Vater ist der Gang zur Garage ein Ritual. Er zieht seine spezielle „Garagen-Kleidung“ an, die bedenkenlos schmutzig werden kann, packt Gurkengläser, Zucchinikaviar und ein paar Kilo Kartoffeln in die „Garagen-Tasche“ mit dem großen roten Karomuster und holt das Fresspaket für die Garagenhunde aus dem Kühlschrank: Knochen, Sardellenhaut, Brei- und Bulettenreste. Die bunt zusammengewürfelte Hundemeute wirft ihn zur Begrüßung fast um. Mein Vater ist Rentner; der Gang zur Garage ist das, was ihn noch im Lebensalltag verankert. Schrauben und Nägel müssen in die passenden Dosen sortiert, Wände getüncht, der Keller aufgeräumt werden. Meine Mutter hatte gegen Vaters „Garagentage“ nie etwas einzuwenden: Ihm die Garage zu nehmen, hieße, ihm das Leben zu nehmen.  

Das Gelände der Garagengenossenschaft befindet sich in einer guten Lage, fast im Stadtzentrum, auch wenn es an eine Bahnstrecke grenzt, auf deren anderer Seite sich eine Erosionsrinne auftut. Als über einen bevorstehenden Abriss von Garagenbauten berichtet wurde, trieb mich der Teufel, meinen Vater zu fragen, ob in seiner Genossenschaft Gerüchte über eine Abwicklung kursierten.  

„Was? Land und Gebäude gehören doch uns. Ich habe die Garage doch mit eigenen Händen gebaut, ich habe alles auf meinen Buckel genommen und dann mit gebrochenem Rücken im Krankenhaus gelegen“, erregte er sich. „Ich habe im Auto übernachtet und die Ziegelsteine bewacht. Später haben wir Männer uns dabei abgelöst. Und was wird aus den Kartoffeln, der Marmelade, dem eingelegten Gemüse? Wohin damit? Sollen wir dann vielleicht gleich auch noch die Datscha aufgeben? Hier sind Ersatzteile für drei Autos gelagert, die ich ein Leben lang gesammelt habe. Ich habe gelernt, ein Auto zu zerlegen und blind wieder zusammenzubauen. Erinnerst du dich noch an meinen Freund, Onkel Ljowa? Er hatte die Nachbargarage, ich war 50 Jahre lang mit ihm... zusammen. Vor drei Jahren ist er gestorben. Jetzt begleite ich seine Frau auf den Friedhof. Was soll das denn – die Garagen abreißen? Also praktisch mein ganzes Leben entsorgen? Ich werde für die Garage... Mit meinen eigenen Händen... Und scheiß drauf, wenn ich mein Leben im Knast beende!“  

Hier kann man Freunde für’s Leben finden / Foto © Axel Schneppat / Tamtam Film

In vielen Regionen werden Garagen jedoch tatsächlich abgerissen oder sind zum Abriss vorgesehen – sowohl die blechernen „Rakuschki“ als auch die festen Bauten.  

 

Die Sicht der Stadtverwaltung  

Schon vor 20 Jahren begann man Garagen abzutragen – weil man eine neue Straße oder Wohnungen bauen wollte, und mancherorts auch einfach nur, damit ihr unansehnliches Äußeres das Auge nicht beleidige. Einige Garagenkomplexe werden zum Abriss freigegeben, weil es sich angeblich um Schwarzbauten handle. Das läuft ganz einfach: Das Land wurde den Besitzern zu Sowjetzeiten für den Garagenbau zugewiesen, doch die neue Stadtverwaltung weigert sich, es als Eigentum auf sie zu überschreiben und erklärt dann die Bauten für widerrechtlich. Das geschah zum Beispiel in Astrachan, wo 1.200 „schwarz errichtete“ Garagen auf einen Schlag abgerissen wurden. Hier drängt sich die Frage auf, seit wann es sich eigentlich um Schwarzbauten handeln soll: Von Anfang an? Wie konnten dann die Behörden jahrelang die Augen davor verschließen? Eine andere Methode besteht darin, dass der Vorsitzende der Garagengenossenschaft – aus eigenem Antrieb oder auf Wunsch von Dritten – den Pachtbetrag für das Gelände nicht zahlt. Aber dies sind Einzelfälle, so schmerzhaft sie für die Betroffenen auch sein mögen. Mit dem Aufkommen einer neuen Bebauungsstrategie hat sich das jetzt geändert: Durch den Ansatz der „komplexen Gebietsentwicklung“ (KGE) sind Tausende von Garagen vom Abriss bedroht.  

In Rjasan wurden 2016 etwa 700 Garagen der „Tscheresowski“-Genossenschaft abgerissen. Ein großer Bauträger sollte dort kurzfristig eine Uferstraße errichten, die es bis heute nicht gibt. Er bot den Besitzern 12.000 Rubel [damals etwa 185 Euro – dek] je Blechgarage.  

In Ufa fielen schon vor sechs Jahren 500 Blechgaragen der Räumung zum Opfer, und vor einem Jahr wurden im Rahmen der KGE der Abriss von 300 festen Garagenbauten sowie die Rodung des benachbarten Waldes angekündigt.   

Die Stadtverwaltung von Nowosibirsk hat in drei Jahren 8.700 Blechgaragen beseitigt, und bald sollen 9.400 weitere verschwinden. Das private Eigentum musste neuen Wohnhäusern weichen, von denen einige bereits stehen und andere noch in Planung sind.  

In Tjumen wurden infolge der KGE 200 Garagen in der Jelisarowa-Straße und weitere 42 in der Daudelnaja-Straße beschlagnahmt.  

In Samara wurden vor zwei Jahren im Zuge des Baus der Autobahn „Zentralnaja“ Rakuschka-Behelfsgaragen abgerissen, obwohl man versprochen hatte, sie bis 2025 nicht anzurühren. Die Aufkäufer der Blechabfälle zahlten 15.000 Rubel [etwa 210 Euro – dek] pro Garage.  

Für die einen ein Ort zum Träumen, für andere nur ein Haufen Metallschrot / Foto © Axel Schneppat / Tamtam Film

In Moskau werden im Rahmen der KGE nicht nur Garagen, sondern auch mehrstöckige Parkhäuser abgerissen.  

Die Beseitigung tausender Garagen in Nowosibirsk galt im Vorjahr als das landesweit umfassendste derartige Projekt. In diesem Jahr stellt Twer den Negativrekord auf. Bezeichnenderweise fanden dort bereits öffentliche Anhörungen zur Frage der Übertragung von Grundstücken für die Wohnbebauung statt, bevor von einem Abriss des Garagenbestands überhaupt konkret die Rede war. Auf dem größten Teil des betreffenden Grundstücks befinden sich über 2000 Backsteingaragen.  

Die Autokooperative Nr. 9 ist eine der größten Garagengenossenschaften in Twer. Sie umfasst 2.050 Backsteingaragen, die sich zum großen Teil im Privatbesitz ihrer Nutzer befinden. Ringsum liegen die Kläranlagen des „Twerwodokanals“, die Strafkolonie Nr. 1, die Chemiemülldeponie „Chimwolokna“ und zwei Friedhöfe. Dieses Gelände möchte die Stadtverwaltung im Rahmen der KGE zur Bebauung bereitstellen. 

Stilles Zwiegespräch zwischen Axt und Säge / Foto © Axel Schneppat / Tamtam Film

 

Die Garagenwirtschaft  

Eine beliebte satirische Tragikomödie des sowjetischen Filmregisseurs Eldar Rjasanow heißt Die Garage. Das „Garagenleben“ wird wissenschaftlich erforscht und es werden sogar Bücher darüber geschrieben.  

Eldar Rjasanows satirische Komödie „Die Garage“ erschien im Jahr 1979. Die Mitglieder einer Garagenbaugenossenschaft stellen fest, dass eine Garage weniger gebaut wird, als Mitglieder in der Genossenschaft sind. Wer muss verzichten? Ein Kammerspiel über demokratische Entscheidungsfindung im realexistierenden Sozialismus / YouTube 

Der erste, der sich aus wissenschaftlicher Sicht mit diesem Thema befasst hat, ist der Soziologe Simon Kordonski, Inhaber des Lehrstuhls für lokale Selbstverwaltung an der Higher School of Economics in Moskau. Die Garagen – so sein Befund – bilden einen eigenen, vorwiegend handwerklich geprägten Wirtschaftssektor, der es armen Familien erleichtert, ihre Existenz zu sichern. Kordonski vergleicht die Tätigkeit in den Garagenwerkstätten mit der Datschenwirtschaft und der industriellen Saisonarbeit der Landbevölkerung. Die „Garagentätigkeit“ ist keine industrielle Serienfertigung; sie produziert Unikate. Ein Beispiel ist der Meistertüftler Nail Poroschin, der in seiner Garage Vergaser so gekonnt umrüstet und verbessert, dass ihn Kunden aus ganz Russland aufsuchen. Sein YouTube-Kanal erlangte schon vor zehn Jahren große Beliebtheit und hat über 600.000 Abonnenten.  

Gekleidet in sommerliche Garagen-Kluft gibt der Vergaser-Spezialist Nail Poroschin eine Lektion über Zündkerzen. Mehr als 1,8 Millionen Aufrufe hat das Video / YouTube 

„Die Gewerbetreibenden in den Provinzen setzen auf Selbstversorgung. Der Staat ist ihnen gleichgültig, sie sind nicht von ihm abhängig“, sagt Kordonski. „Er versucht zwar, sie aus dem Schatten zu holen, durch Gesetze einzuengen und Steuern einzutreiben. Aber letztlich ist es schlicht nicht möglich, sie in normative Vorschriften zu zwängen. Sie werden immer Schlupflöcher finden, um ihr Geschäft weiter zu betreiben, auch wenn sie gewisse Verluste in Kauf nehmen müssen.“  

Im Sektor der „Garagenwirtschaft“, wie Kordonski sie nennt, sind in den großen, aber armen Städten Russlands im Durchschnitt 15 % der arbeitsfähigen Bevölkerung tätig.  

In der Perestroikazeit wurden ganze Industriezweige in Garagen geboren – etwa die moderne Möbelproduktion in Kusnezk, das heute als Möbelhauptstadt Russlands gilt. Die einen stellten in ihren Garagen Tischplatten her, andere Tischbeine, wieder andere Hocker. Heute sind in der Stadt etwa 150 offiziell eingetragene Möbelunternehmen ansässig; die inoffiziellen eingerechnet sind es ungefähr 300.  Damit kommt auf 266 Kusnezker Bürger, einschließlich der Kinder und Rentner, ein Möbelunternehmen. Inzwischen sind die Betriebe in modernen Werkhallen untergebracht.  

Heute, wo die Kosten für das Kaufen oder Mieten einer Wohnung ins Unvorstellbare gestiegen sind, werden Garagen auch in Wohn- und Unterhaltungsräume umgewandelt. Wer sich dringend am Meer erholen möchte, aber nur wenig Geld hat, kann Unterschlupf in einer preiswerten Garage – oder besser gesagt, Bude – finden, wie sie in großer Zahl inseriert werden. So kann man etwa in Sotschi schon ab 10.000 Rubel [100 Euro] monatlich einen Garagenraum von 30 Quadratmetern in Strandnähe mieten.  

Garagen sind zu Fotostudios, Ferienapartments, Festsälen und sogar zu Saunas umgebaut worden.  

Sergej Selejew und Alexander Pawlow haben in ihrem Buch Garaschniki [Die Garagenbesitzer (PDF)] die Evolutionsgeschichte der Garagen beschrieben: Zunächst waren sie Standardbauten für das Abstellen von Autos. Dann wurden sie angepasst, um Gemüse darin lagern zu können. Als nächstes folgten die Unterkellerung und die Aufstockung mit einer Etage zum Ausspannen. Später wurden die Garagen zu Handels- und Gewerberäumen und schließlich zu Wohnungen.  

Kaffeepause in der Keimzelle der russischen Privatwirtschaft / Foto © Axel Schneppat / Tamtam Film

Nach der Überzeugung einiger Fachleute geht die Ära der Garagen ihrem Ende entgegen; sie würden zum einen durch Parkplätze im Hof der Wohnhäuser, zum anderen durch Kfz-Werkstätten ersetzt. Aus Daten, die die Onlineplattform Avito 2022 veröffentlichte, geht jedoch hervor, dass die Zahl der Kaufinteressenten für Garagen in Russland zum Ende des dritten Quartals um 8 Prozent höher lag als im Vorjahreszeitraum. Im Vergleich zum vorherigen Quartal war die Nachfrage nach Garagen sogar um 15 Prozent gestiegen.  

 

Die Sicht der Stadtforschung  

Die Sympathie für die Garagen wird nicht von allen geteilt. Die moderne Stadtforschung betrachtet die Garagengenossenschaften unter dem Gesichtspunkt der effizienten Flächennutzung.  

Lew Wladow, der bis zum Februar 2022 das Stadtplanungsprojekt Tscheljabinskij Urbanist leitete, ist überzeugt, dass Garagengenossenschaften in Stadtlage heute nicht mehr vonnöten sind:   

„Eine typische Stadt in Russland unterscheidet sich von europäischen Städten durch ihre geringe Bebauungsdichte. Garagengenossenschaften, die zu Sowjetzeiten auf Brachflächen und am Stadtrand bauten, befinden sich heute oft in einer relativ zentralen, für die Stadtentwicklung relevanten Lage, weil die Städte weiter gewachsen sind.  

Für die Stadt (und die Bürger) ist eine Garage ein äußerst ineffizientes und unattraktives Gebäude, das in keiner Weise zur städtischen Wirtschaft beiträgt und dem Haushalt nichts einbringt. Sie belegt nur wertvolle Fläche, auf der Stadtbewohner leben und arbeiten könnten, ohne ein Auto zu brauchen, weil sich die gesamte soziale Infrastruktur in der Nähe befindet.  

 

Braucht es Garagen in der Stadt?  

Garagen belegen heute wertvolle Flächen, die zur Stadtverdichtung genutzt werden könnten, was dringend nötig wäre, um die Attraktivität der Straßen in den Städten Russlands zu erhöhen. Stattdessen werden neue Stadtteile am Stadtrand und auf Brachflächen errichtet, was wiederum dazu führt, dass neue Straßen und Autobahnen gebaut werden und der Bedarf an Parkplätzen weiter zunimmt. Dadurch werden Lebensqualität und Lebensfreude in der Stadt systematisch beeinträchtigt.  

Deshalb sollten die Regeln für Garagenbesitz revidiert werden. Das Ziel sollte sein, den Verkauf von Garagen zu fördern, damit die Flächen effizienter genutzt werden können, und dafür zu sorgen, dass von dem durchaus hinterfragbaren Recht einer Privatperson, 30 Quadratmeter Land im Stadtzentrum zu besitzen, für die sie praktisch nichts bezahlt hat, auch die Stadtbewohner profitieren. Zu diesem Zweck könnte die Grundsteuer auf Garageneigentum auf den in der Stadt allgemein geltenden Satz erhöht werden.  

Der Bürgerrechtler Denis Galizki aus Perm hat sich in seinem Blog mit dem „sowjetischen Garagenerbe“ befasst. Seiner Meinung nach hängt es von der Situation vor Ort ab, ob Garagen nötig sind oder nicht. Während Autobesitzer ihr Auto früher nur nutzten, um aufs Land oder auf ihre Datscha zu fahren, und auch das nur in der warmen Jahreszeit, steht es heute vor der Haustür und wird täglich genutzt. Und es kommt auch weit seltener vor, dass Garagen als Kfz-Werkstätten dienen, weil Autos heute viel komplexer konstruiert sind als früher.  

 

Die zweite Meinung: Braucht es Garagen in der Stadt?  

„Das Schicksal der Garagengenossenschaften hängt von ihrer Lage ab – davon, ob sie sich in einer Kleinstadt oder Großstadt, im Zentrum oder am Stadtrand befinden. Je größer die Stadt und je zentraler die Lage, desto teurer sind die Grundstücke. Das macht es wirtschaftlich unrentabel, die Garagen stehen zu lassen. Sie werden früher oder später durch eine geeignetere Wohn- oder Gewerbebebauung ersetzt. In kleinen Ortschaften und am Stadtrand kommt es hingegen durchaus vor, dass die Garagen ähnlich weitergenutzt werden wie schon zu Sowjetzeiten.“  

Selbst wenn eine Garagengenossenschaft seit langem einen anderen Zweck verfolgt, darf die Gemeinde sie nicht einfach auflösen, sondern muss ihr ein Ausweichgelände anbieten, etwa am Stadtrand. „Genau das macht Stadtplanungspolitik aus“, erklärt der Stadtforscher Galizki. Es sei wichtig, aktiv mit der Bevölkerung zu kommunizieren und dafür zu sorgen, dass für die Garagen ein angemessener Kaufpreis gezahlt wird, damit die Besitzer sich nicht betrogen fühlen. 

Wer sein Auto vor der Türe parkt, hat einen Proberaum für’s Schlagzeug gewonnen / Foto © Axel Schneppat / Tamtam Film

„Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten“, lautet Galizkis Fazit. „Die Garagen werden verschwinden. Aber das muss auf organische Weise geschehen. ohne Tragödien und ohne dass es als Verletzung des Rechts auf Eigentum empfunden wird.“  

Der pensionierte Architekt Alexej Kisselew (Name auf Wunsch des Betroffenen geändert) ist überzeugt, dass der Abriss der Garagen sich weiter beschleunigen wird: Der Stadtverwaltung sei es gleichgültig, ob die Leute ihre Garagen brauchen; sie sei genauso wie die Bauträger nur am Profit interessiert.  

„Ich habe dem Stadtbaudirektor schon 2007 gesagt, dass wir bei der Planung von Stadtvierteln die Anzahl der Parkplätze berücksichtigen müssen, weil hier schon fast auf jede Familie ein Auto kommt. Wenn in der Stadt also zweihunderttausend Familien wohnen, braucht es auch ebenso viele Parkplätze. Er hat mich ausgelacht: ‚Wie sollen wir das denn durchsetzen?‘ Einerseits wird Falschparken bestraft, andererseits gibt es keine legalen Parkplätze. Erst heißt es: ‚Ohne Garage brauchst du dir gar nicht erst ein Auto zu kaufen‘ und dann werden die Garagen einfach abgerissen. Wo bleibt da die Logik?“  

 

Die dritte Meinung: Garagen sind notwendig  

Garagenkomplexe sind für die Bevölkerung nützlich, für Bauträger und Lobby hingegen nicht, weil sie zu viel Fläche einnehmen, auf der Geschäftsbauten errichtet werden könnten.  

Statt nur über die Garagen sollte man besser allgemein über Stadtplanungspolitik sprechen. Ganz banal gesagt: Diese Politik ist insgesamt falsch, wenn nicht sogar kriminell. Russland hat Raum genug, eine verdichtende Bebauung ist hier nicht üblich. Psychologen haben gezeigt, dass sie sich ungünstig auf die menschliche Psyche auswirkt. Der Platz reicht aus, um sowohl Garagen als auch hohe und weniger hohe Häuser zu bauen, ohne dass sie sich gegenseitig im Weg sind. Aber unser „nationaler Leader“ hat angeordnet, Milliarden Quadratmeter Wohnfläche zu schaffen – und seine Untergebenen haben aufs Geratewohl losgebaut. Nicht, wo und wie es für die Menschen am passendsten war, sondern um des Profits willen. Inzwischen ist man schon so weit, Eigentum zu „expropriieren“.  

 

Die „Räumung“ der Garagen  

Die ersten Garagen in Russland wurden nach jetzigem Kenntnisstand im Jahr 1907 errichtet. Später gab es jahrzehntelang nur staatliche Autohöfe. In den 1960er Jahren wurde ein Dekret über die Gründung von Garagenbaugenossenschaften erlassen. Die Garagen hatten quasi den Status von Eigentum, das jedoch gemeinsam, genossenschaftlich organisiert war. In den 1980er Jahren kamen dann die Rakuschki auf – behelfsmäßige Garagen, die offiziell als Unterstände für Autos galten. Sie wurden zu Tausenden gekauft und auf Flächen aufgestellt, wo dies genehmigt wurde. Seit 2006 gelten sie als illegal und es heißt, sie würden „das Stadtbild verschandeln“.

Generationen junger Russen lernten in dieser Welt Zauberworte wie „Jawa“, „Vergaser“ oder „Aufhängung“  / Foto © Axel Schneppat / Tamtam Film

In den festen Garagenbauten wie in den blechernen Rakuschki sind Jungen an der Seite ihrer Väter groß geworden. Sie nahmen Zauberworte wie „Jawa “, „Vergaser“, „Aufhängung“, „Lager“ oder „Motor“ auf, wuchsen heran und erlernten einen Beruf. Ist das nicht genau die Kontinuität der Generationen, das Erbe der Väter, von dem die Propagandisten in einem fort sprechen? Heut versuchen diese längst erwachsenen Jungen an verschiedenen Orten, ihr Eigentum, das mit der Änderung der Staatsordnung legalisiert wurde, zu verteidigen. Denn auf einmal stellt sich heraus, dass Eigentum nur so lange Eigentum ist, wie es vom Staat nicht benötigt wird. Die Medien begannen den Abbau von Garagen sogar als „Säuberung“ zu bezeichnen, so wie man im Krieg das Gelände vom Feind säubert.   

In Deutschland ist hingegen bis heute die Anekdote von Friedrich dem Großen lebendig, der sich beim Anlegen eines Parks an einer Mühle störte, die „die Umgebung verschandelte“. Er machte dem Müller ein Kaufangebot. Dieser lehnte ohne zu zögern ab, denn die Mühle war das Erbe seiner Vorfahren, sein Handwerk, sein Leben. Der König sagte erstaunt: „Weiß Er wohl dass ich Ihm seine Mühle nehmen kann, ohne einen Groschen dafür zu geben?“ Worauf der Müller erwiderte: „Ja, Euer Majestät, wenn das Kammergericht in Berlin nicht wäre.“  

Schätzungen zufolge gibt es in Russland mindestens 5,5 Millionen Garagen. Der Staat ist mächtig genug, um sie alle zu „räumen“. Aber auch die Millionen „Garagenjungen“ sind womöglich stark genug, um ihren Besitz zu verteidigen. 

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Während der Staat keine Ahnung hat, womit diese Menschen ihr Auskommen finden, tun sie von ihrer Seite aus alles dafür, um sich von ihm fernzuhalten: die Garashniki. Sergej Selejew über die Garagenwirtschaft in Russland und die Gründe für das Abtauchen in diese Welt – die ein ganz eigenes System informeller Regeln hat.

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Larissa arbeitet als Zuschneiderin bei einem halblegalen Möbelhersteller, der sich in Uljanowsk in einer Garage befindet. Sie sagt, sie arbeite hier, weil es woanders keine Arbeit gebe. „Und sie zahlen anständig – zwischen 25.000 und 40.000 Rubel [umgerechnet 290 bis 580 Euro] kommen dabei raus. [...] Es ist schlecht, dass ich nur schwarz arbeite, es werden keinerlei Sozialabgaben gezahlt, Urlaub geht auch nur schwarz und ohne Lohnfortzahlung. Aber wo ist es schon besser momentan?‟1 Larissa ist eine von mehr als 80.000 Uljanowskern, die im sogenannten „Garagensektor“ arbeiten, so genannte Garashniki. Ein wirtschaftliches Feld, das nach eigenen Gesetzen existiert und vielen in Russland ein Auskommen bietet. Mit dieser Garagenökonomie haben sich kleine und mittelständische Unternehmer eine Nische gesucht, um nicht im Blickfeld der Behörden zu sein. Vizepremierministerin Olga Golodez sprach einmal davon, dass dem Staat bei 38 von 86 Millionen Erwerbsfähigen völlig unklar sei, „wo sie beschäftigt sind, womit sie beschäftigt sind und wie sie beschäftigt sind‟.2 Während der Staat keine Ahnung hat, was diese Menschen tun, weiß die Soziologie, dass sich mindestens fünf Millionen von ihnen eine Existenz als Garashniki aufgebaut haben – und von ihrer Seite alles dafür tun, um sich gerade vom Staat fernzuhalten.

Der Garashnik setzt nicht auf soziale Institutionen des Staates und erwartet auch keine Rente / Foto © Max Sher

Es gab kaum eine Stadt, wo sie ab den 1960-er Jahren nicht wuchsen: riesige Garagenviertel, die sich über viele Quadratkilometer erstrecken und von 400 bis zu 5000 Garagen beherbergen. Von Jahr zu Jahr entstanden neue solcher Gegenden und die Garagen wurden zu einem untrennbaren Teil der sowjetischen und später der postsowjetischen Stadtlandschaft. Auch soziokulturell gesehen. Damals wurden die Garagen meist ihrer Bestimmung nach verwendet – für Autos. Das Auto, so schreibt der Historiker Kirill Kobrin, lieferte Männern „den idealen Grund, um sich aus dem Haus zu verdrücken, wo die Ehefrau nach der Arbeit eine Suppe kochte und darauf Acht gab, dass der Sohn seine Mathehausaufgaben macht, wo es [für den Mann] im Grunde nichts zu tun gab.“ Die Garage wurde zum „Männerklub“, zu „einem der wichtigsten Orte des spätsowjetischen, informellen, horizontalen Soziallebens.“3

Bereits in den 1960er Jahren wurde die sogenannte „Garagenökonomie“ geboren – ein soziales und wirtschaftliches Leben, das sich in der Garagenwelt abspielt. Schon bald tauchten die ersten Meister auf, die private Autoreparaturen anboten oder eigene handwerkliche Produkte fertigten, was zu der Zeit verboten war. In den Folgejahren dehnte sich der Sektor immer weiter aus: Die Gesetzgebung über unternehmerische Tätigkeiten und Eigentumsrechte wurde seit Beginn der Perestroika zunehmend gelockert, parallel dazu wuchs die Anzahl der Garagen, der Garashniki und ihrer Tätigkeitsbereiche.

Im gegenwärtigen Russland finden sich in den Garagen alle möglichen Gewerbearten, oft auch ganz unerwartete. Reparaturwerkstätten, Lackierereien, Soundsystem-Installateure und Reifendienste sind überall verbreitet. In den Garagen werden zum Beispiel Möbel,4 Eisenwaren, Maschendraht, Pflastersteine, Betonblöcke und alle möglichen Baumaterialien hergestellt. Insbesondere im Süden Russlands wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Garagen zu mietbaren Wohngebäuden umgebaut.5 Außerdem werden in den Garagen Lebensmittel produziert und für den Verkauf abgepackt (unter anderem Beljaschi, Pelmeni, Brot, Salat). Anzutreffen sind auch Geschäfte, Cafés, Apotheken, Hundepensionen, Tierärzte, Banjas, Anwaltskanzleien, Inkasso-Unternehmen und vieles mehr. Teilweise bekommt man in einem einzigen Garagenviertel alle Dienstleistungen, die für eine autonome Existenz notwendig sind, was zu einer regelrechten Abschottung von der Außenwelt führen kann.

Der Garashnik

Der typische Garashnik ist ein Mann mittleren Alters, der gar nicht oder nur wenig trinkt („keine Zeit“ oder auch „kein Grund zum Trinken“) und, meist mit Familie, in einer Wohnung in der Stadt lebt. Er fährt einen günstigen Wagen und kleidet sich außerhalb der Garage gewöhnlich sehr anständig. Er hat handwerkliches Geschick und bezeichnet sich selbst in der Regel als Meister. Er arbeitet entweder allein oder in einem Kleinbetrieb mit drei bis fünf Mitarbeitern (häufig sind das Verwandte oder enge Freunde). Normalerweise hat er keine festen Arbeitszeiten. Wenn es viel zu tun gibt, arbeitet er hin und wieder mehr als zehn Stunden täglich und auch am Wochenende. Der Garashnik hat ein ausgeprägtes Sozialleben und pflegt verschiedene Beziehungen, die er für sein Geschäft als relevant sieht. Fragen klärt er für gewöhnlich auf informellem Wege und hat eine genaue Vorstellung davon, mit wem man wie sprechen muss. Der Garashnik besitzt in der Regel keinen Hochschulabschluss. Selbst wenn, besteht kein klarer Zusammenhang zwischen seinem Bildungsabschluss und der ausgeübten Tätigkeit. Als weitaus wichtiger erweisen sich Arbeits- und Lebenserfahrung.

Eine große Rolle beim Abtauchen in die Garagenwelt spielt der Wunsch, unabhängig zu arbeiten, die eigenen Fähigkeiten in angemessener Weise einsetzen zu können, sich als Spezialist selbst zu verwirklichen und Anerkennung aus dem Umfeld zu erfahren. Viele Garashniki sprechen von der Motivation, anderen helfen zu können – wobei sie im Gegenzug erwarten, dass man ihr Handwerk und ihre Professionalität schätzt.

Garashniki und der Staat

„Alle sind halt in den Garagen, weil die Steuern hoch sind, und keiner auffallen will. Dann gibt es diese ganzen Inspektionen, jeden muss man schmieren und jeder will dir in die Tasche greifen‟, so beschreibt der Besitzer einer Autowerkstatt in einer der Hochburgen der Garagenökonomie, Toljatti, seine Lage. Die Garashniki berichten oft von Druck seitens der Behörden auf mittelständische Betriebe. Daher tauchen viele Unternehmer in die Garagenwelt ab, weil sie dort „im Schatten“ ihr Geschäft weiterführen können. Die Garashniki melden für ihre Tätigkeit gewöhnlich kein Gewerbe an oder begrenzen sich auf den Status eines selbstständigen Unternehmers. Doch auch in dem Fall bewerben sie ihre reale Tätigkeit nicht. Der Garashnik setzt nicht auf soziale Institutionen des Staates und erwartet deshalb auch nicht, eine Rente zu bekommen, sondern baut in erster Linie auf sich selbst und sein eigenes Umfeld. Zum Staat verhält er sich wie zu etwas von ihm völlig Losgelösten, das kein besonderes Interesse bei ihm hervorruft, es sei denn, es betrifft direkt sein Leben und seine Arbeit.

So bestimmt im Prinzip weniger geltendes Gesetz das soziale und wirtschaftliche Miteinander in den Garagen, sondern vielmehr ein System informeller Regeln und Normen, nach dem sich die Garashniki streng richten. Die Instanz, die Streitigkeiten löst und Strafen erteilt, ist hier kein Gericht, sondern eine respektierte Person. Das kann der Vorsitzende der Garagenkooperative sein, oder der sogenannte Smotrjaschtschi (etwa „Aufseher“; informeller Chef einer Gemeinschaft) oder der Poloshenez (informeller Chef einer Region).

Beispielsweise muss für jede Garage ein Mitgliedsbeitrag an die Kooperative bezahlt werden (etwa 3000 bis 5000 Rubel im Jahr [umgerechnet 45 bis 75 Euro]), was viele jedoch nicht tun. Statt die Schulden gerichtlich einzufordern, geht man in der Garagenwelt meist anders vor: Zum Beispiel wird dem Schuldner das Garagentor verschweißt, der Strom abgeschaltet oder ein Umzug in eine andere Garage mit schlechteren Konditionen erzwungen – und das, selbst wenn der Schuldner Eigentümer der ursprünglichen Garage war. Zwar gäbe es offizielle Lösungsmechanismen für solche Fälle, sie würden jedoch Kontakt mit dem Staat bedeuten, den aber wollen Garashniki meiden - selbst bei solchen Konflikten.


1.Zitat aus dem unveröffentlichten Interview, das im Rahmen des Forschungsprojektes „Die Garagenökonomie in der russischen Provinz“ geführt wurde.
2.Interfax.ru: Wice-premjer Golodec: 40 mln rossijan zanaty „neponjatno gde i čem‟
3.Kobrin, K. (2016): Sowetskij garaž: istorija, gender i melancholija, in Neprikosnowennyj zapas, Nr. 3 (107)
4.Besonders verbreitet ist die Möbelproduktion in Uljanowsk, wo nach Schätzungen des Regionalchefs der Möbelhersteller bis zu 40.000 Menschen in „Möbelgaragen“ beschäftigt sind.
5.Hauptgrund dafür sind Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt in diesen Städten und eine gesteigerte Nachfrage durch Gäste. Aktuell werden in Anapa beispielsweise 50 % der Garagen als Wohnraum für den Eigenbedarf oder für Touristen benutzt. Eine vergleichbare Situation bietet sich in Sotschi, Noworossijsk und anderen Kurorten. Diese Entwicklung beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Süden Russlands: Auch in Chanty-Mansijsk und seit Kurzem ebenso in Moskau werden ähnliche Tendenzen beobachtet.
6.Selejev, S., Pavlov, A. (2016): Garažniki, Moskau, S. 80

 

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Russische Wirtschaftskrise 2015/16

Die Wirtschaftskrise im Herbst 2014 hatte Russland ökonomisch vor eine unsichere Zukunft gestellt. Drei unabhängige Entwicklungen setzten die russische Wirtschaft gleichzeitig unter Druck: der Einbruch des Ölpreises, wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland sowie strukturelle Probleme, das heißt fehlende Anreize zu Investitionen und zur Steigerung der Produktivität. Erst mit der Erholung des Ölpreises 2017 kam es wieder zu einem leichten Wirtschaftswachstum.

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Samogon

Als Samogon bezeichnet man einen in häuslicher Eigenproduktion und für den Eigenbedarf hergestellten Schnaps. Grundlage bildet eine Maische, die in der Regel aus Kartoffeln, Früchten, Zucker oder Getreideprodukten besteht und in selbstgebauten Anlagen destilliert wird. Vor allem in den Übergangsphasen vom Zarenreich zur Sowjetunion und später während der Perestroika war der Samogon, der inzwischen fest zur russischen Alltagskultur zählt, weit verbreitet.

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Sozialprotest

Weit verbreitet sind in Russland Proteste zu Sozialthemen wie Lohnrückstände, Sozialabbau oder LKW-Maut. Im Gegensatz zu Protestaktionen der Oppositionellen und Aktionskünstler wird jedoch über sie gerade von den westlichen Medien selten berichtet. Die Aktionsformen reichen vom Bummelstreik bis zur Selbstverbrennung. Von einigen Beobachtern als unpolitisch abgetan, gilt der Sozialprotest anderen als der wahrhaft politische, da es um konkrete Interessen statt eines abstrakten Wandels geht.

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Zentralbank

Die Russische Zentralbank ist die Hüterin der Währungsstabilität. War die vorrangige Aufgabe der Zentralbank in den 1990ern, die Inflation des Rubels zu begrenzen,so konnte sie im letzten Jahrzehnt dank steigender Rohstoffexporte große Währungsreserven anhäufen. Ende 2014 musste die Zentralbank einen Teil der Reserven jedoch verkaufen, um den drastischen Kursverfall des Rubels zu verhindern.

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Lewada-Zentrum

Kurz vor der Dumawahl 2016 war es soweit: Das Lewada-Zentrum, das als das einzige unabhängige Meinungsforschungsinstitut Russlands gilt, wurde als ausländischer Agent registriert. Dem international renommierten Institut droht nun die Schließung. Weshalb das Lewada-Zentrum den russischen Behörden schon seit Jahren offenbar ein Dorn im Auge ist, erklärt Eduard Klein.

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Walenki

Walenki sind nahtlose, in einem Stück gefertigte Filzstiefel aus Schafswolle. Sie halten auch bei großer Kälte warm und gelten deshalb als ideales Winterschuhwerk für die trockenen russischen Winter. Walenki werden als ein Symbol traditioneller russischer Kultur betrachtet, heute aber in erster Linie mit dem Landleben assoziiert.

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)