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Putin und das Offshore-Kettensägenmassaker

Panama Papers und keinen interessiert’s: Obwohl die Leaks darauf hinweisen, dass zahlreiche enge Mitstreiter Putins und höchste Regierungsmitarbeiter über Briefkastenfirmen in dubiose Offshoregeschäfte verwickelt sind – der Kreml hatte sich nach der Veröffentlichung betont gelassen gegeben. Zwar will die Staatsanwaltschaft den Vorwürfen nachgehen, Präsidentensprecher Peskow sprach jedoch von „Spekulationen“ und davon, dass die beteiligten Journalisten von „ehemaligen Angehörigen des amerikanischen Außenministeriums und der CIA“ finanziert würden. Andrej Kostin, Chef der staatlichen Großbank VTB, bezeichnete eine Verstrickung Putins in Offshore-Strukturen als „Blödsinn“.

Ausführlich berichteten etwa die renommierte Wirtschaftszeitung Vedomosti, die unabhängige Novaya Gazeta oder der unabhängige Online-Fernsehsender Doschd. Regierungsnahe Medien oder auch das reichweitenstarke Staatsfernsehen hatten den Fall zunächst nicht aufgegriffen. Doch selbst wenn es eine breitere mediale Berichterstattung dazu gäbe: Korrupte Politiker überraschen in Russland niemanden, schreibt die renommierte Politologin Ekaterina Schulmann in ihrem Blog auf Snob.ru. Für den globalen Kampf gegen die Korruption machen die Leaks ihr aber dennoch Hoffnung.

Source Snob

Man muss sich klarmachen, dass der Adressat dieser Enthüllungen nicht das russische Publikum war, sondern die Länder des Westens: ihre Wähler, ihre Medien und ihre Eliten. Die Bürger der Russischen Föderation sind nicht einmal die wichtigsten Protagonisten der Enthüllungen. Der wahre Protagonist ist das weltweite Netz der Geldwäsche, die Internationale der Korruption.

Im Staatswesen eines gesunden Menschen (im Unterschied zum Staatswesen eines Rauchers) kann es in solchen Situationen zwei verschiedene Konsequenzen geben – oder eine Mischung aus beiden: ethische und juristische.

ZWEI VERSCHIEDENE REAKTIONEN

Hier zwei lebhafte Beispiele der einen oder anderen Art: Der Premierminister von Island kündigt seinen Rücktritt an, in Panama leitet die Staatsanwaltschaft eigene Ermittlungen gegen die Offshore-Firmen ein. Wir können sehen, wie ein Land der ersten und ein Land der dritten Welt durchaus konsequent auf die Enthüllungen reagieren.

Island hat eine ethische Reaktion gezeigt – noch vor der Eröffnung von Strafverfahren: Dem Politiker ist klar, dass diese Art von Veröffentlichungen das Vertrauen in ihn untergräbt, und ohne Vertrauen kann er nicht weiter arbeiten. Panama hat mit rechtlichen Schritten reagiert: Das Land erklärt, dass es sich selbst um das kümmern werde, was auf seinem Territorium stattfindet, und dass es die Recherche der Journalisten genau prüfen werde.

WIR SIND NICHT DIE ADRESSATEN

In Russland werden wir weder das eine noch das andere erleben. Die einen Amtsträger werden überhaupt keine Stellungnahmen abgeben, die anderen werden sagen, dass man uns den Informationskrieg erklärt habe und es nichts zu diskutieren gebe. Und eigene Untersuchungen – obwohl wir ja mit Rosfinmonitoring und der Staatsanwaltschaft über entsprechende Dienste verfügen – wird höchstwahrscheinlich niemand einleiten.

Und genau darum sind wir nicht die Adressaten dieser Enthüllungen. Wir denken immer, dass uns jemand ein bisschen aufschrecken will, so als würden wir im Theater sitzen und uns langweilen – es sei denn, man serviert uns ein Kettensägenmassaker. Aber es ist nicht das Ziel dieser Publikationen, den Leser emotional aufzurütteln. Wichtig ist nicht das Himmelschreiende der Veröffentlichungen, sondern ihre schlagende Beweiskraft. Gerade diese wühlt die Menschen in jenen Ländern auf, in denen es Recht, Gesetz und funktionierende Institutionen gibt.

DER BEGINN EINER NEUEN ÄRA

Inwiefern der Beweis erbracht ist, dass russische Staatsangestellte in Offshore-Geschäfte verstrickt sind, kann ich nicht beurteilen: Die schiere Anzahl der Dokumente ist sehr groß, und für eine differenzierte Analyse benötigt man die entsprechende Qualifikation und Kompetenz.

Aber was ich sehe, ist die enorme, mehrere Jahre dauernde Arbeit eines großen Netzwerks von Autoren aus mehreren Dutzend Ländern. Das übertrifft jedes Vorstellungsvermögen. Derartigen horizontalen Vernetzungsstrukturen gehört die Zukunft, und nicht den vertikalen und gleichgeschalteten.

Die jetzigen Enthüllungen sollte man deshalb als Beginn einer neuen Ära betrachten. Vor unseren Augen entstehen neue Werte, Strukturen und Praktiken jener Epoche, in der wir leben werden. Egal, ob wir das anerkennen oder nicht. Man muss schon ein sehr beschränkter Mensch sein, wenn man diese Geschichte als Versuch begreift, „etwas Schlechtes über Putin zu sagen”.

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Dimitri Peskow

Dimitri Peskow ist seit dem Machtantritt Putins für dessen Pressearbeit zuständig und gilt als offizielles Sprachrohr des Kreml. Üblicherweise für die Krisen-PR verantwortlich, sorgte er mehrfach selbst für negative Schlagzeigen, unter anderem im Rahmen der Panama Papers.

Peskow (geb. 1967) stammt aus einer Diplomatenfamilie und war nach seinem Abschluss an der Moskauer Lomonossow-Universität zunächst ebenfalls als Diplomat an der russischen Botschaft in der Türkei tätig. Anschließend wechselte er in den Kreml. Peskows politische Karriere ist eng mit der Person Wladimir Putins verbunden, der ihn 2000 als Leiter der Presseabteilung engagierte. Bei seiner zweiten Präsidentschaft 2004 ernannte Putin ihn zu seinem ersten stellvertretenden Pressesekretär. Peskow war zuständig für die Pressearbeit beim G8-Gipfel im Herbst 2006 in St. Petersburg und beauftragte in diesem Zusammenhang die New Yorker PR-Agentur Ketchum, die von da an in der internationalen Presse das Russland-Image aufbessern sollte.1 Nach Putins Wechsel in das Amt des Ministerpräsidenten folgte ihm Peskow und wurde Pressesprecher der Regierung.

Sprachrohr des Präsidenten

Foto © Barwenkowski

Aufgrund seiner Funktion und engen Zusammenarbeit mit Putin gilt Peskow als das Sprachrohr des Präsidenten. Er kommt besonders häufig in Krisenzeiten oder bei heiklen Themen zu Wort, weshalb er manchmal auch „Pressesekretär der schlechten Nachrichten“ genannt wird. Ende 2006 wurde er einer größeren internationalen Öffentlichkeit bekannt, als er dementierte, dass Russland in die Ermordung des ehemaligen russischen FSB-Offiziers Alexander Litwinenko verwickelt sei, der durch eine radioaktive Substanz starb. Als Putin im Herbst 2011, nachdem bereits Gerüchte über seine erneuten Präsidentschaftsambitionen aufkamen, bei einer Boxveranstaltung erstmals in der russischen Öffentlichkeit vor laufender Kamera ausgebuht wurde, versuchte Peskow zu beschwichtigen, indem er erklärte, die Schmähungen hätten dem Verlierer des Boxkampfes gegolten. Nach der Machtrochade 2012 folgte Peskow Putin erneut in den Kreml und ist seither als sein Sprecher für die Pressearbeit zuständig. Außerdem koordiniert er die Medienarbeit der Präsidialadministration.

Korruptionsvorwürfe gegen den Pressesprecher

Im Sommer 2015 sorgte Peskow selbst für Schlagzeilen: Der Antikorruptionsaktivist Alexej Nawalny bezichtigte Peskow der Korruption, da dieser bei seiner Hochzeit mit der bekannten Eistänzerin Tatjana Nawka eine 565.000 Dollar teure Uhr trug, die das Fünffache seines Jahresgehalts kostete und die sich der Staatsdiener, der laut offizieller Deklaration keine sonstigen Einkünfte besitzt, unmöglich leisten konnte.2  Wie Nawalny aufdeckte, soll Peskow zudem die anschließenden Flitterwochen auf einer Luxusyacht verbracht haben, deren Charterkosten 400.000 Euro pro Woche betrugen.3

Im April 2016 wurde bekannt, dass Peskows jetzige Ehefrau Tatjana Nawka im Januar 2014 als Besitzerin einer auf den British Virgin Islands registrierten Offshore-Firma eingetragen war. Das Gesetz verbietet es den Ehepartnern hoher Beamter, länger als drei Monate nach der Hochzeit Anteile an ausländischen Finanzinstrumenten zu halten. Die Firma wurde im November 2015 aufgelöst. Da das Datum der Hochzeit Peskows mit Tatjana Nawka nicht genau bekannt ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob diese sich an die gesetzliche Frist gehalten hat.


1.Meedia: Wegen internationaler Spannungen: PR-Agentur Ketchum beendet Arbeit für russische Regierung
2.Frankfurter Allgemeine Zeitung: Putin Sprecher Peskow. Eine Uhr für eine halbe Million
3.Die Welt: Nach Totenkopfuhr. Putins Sprecher hat ein neues Luxus-Problem
 
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Wladimir Markin

Wladimir Markin (1956–2021) war lange Zeit Leiter der Presseabteilung und als solcher ein prägnantes Gesicht des einflussreichen Ermittlungskomitees, einer mit dem US-amerikanischen FBI vergleichbaren Behörde. Er gab besonders zu prominenten Ermittlungsfällen Auskunft und wurde oft als inoffizielles „Sprachrohr des Kreml“ bezeichnet.

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