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Ded Putin – „Der Großvater der Nation“

Ein per internationalem Haftbefehl gesuchter mutmaßlicher Kriegsverbrecher im Propaganda-Gewand eines fürsorglichen Opas: Die sogenannten Imagemakery des russischen Präsidenten inszenieren ihn zunehmend als „gütigen Opa der Nation“. Die Philologin Xenja Turkowa beschreibt auf Holod, weshalb sie dieses Bild gebastelt haben – obwohl „Opa“ anfangs noch eine hämische Diffamierung war.

Source Holod
Wann wurde aus dem Macho Putin der „gute Opa der Nation“? / Foto © Mikhail Klimentyev/Russian Presidential Press and Information Office/ITAR-Tass/imago-images

Am 8. Juli ließ der stellvertretende Chef des russischen Sicherheitsrats, Dimitri Medwedew, wieder einmal eines seiner patriotischen Postings vom Stapel, in dem er wie üblich nicht mit heftigen Ausdrücken geizte. Er nannte US-Präsident Joe Biden einen „verschlafenen Volltrottel“ und „kranken, dementen alten Mann“ und schloss mit der Vermutung: „Vielleicht ist aber auch alles ganz anders. Vielleicht hat der von kranken Fantasien geplagte sterbende Alte einfach beschlossen, einen schönen Abgang hinzulegen – das nukleare Armageddon auszulösen und die halbe Menschheit mit ins Jenseits zu nehmen ...“ 

Medwedews Bild vom alten Biden, der die nukleare Keule schwingt

Medwedews Äußerung über „den Alten“ wurde prompt überall in den sozialen Netzwerken zitiert, allerdings aus dem Zusammenhang gerissen und umgedeutet. Bei dem Bild eines sterbenden alten Mannes, der die nukleare Keule schwingt und die halbe Welt mit in den Abgrund reißen will, dachten die Menschen an jemanden ganz anderen, als der Autor wohl beabsichtigt hatte. 

Medwedews Worte sind schon die zweite öffentliche Äußerung in den letzten Monaten, bei der das Bild des Großvaters oder Opas als Anspielung auf Putin verstanden wird. Die erste hatte es in einem Monolog von Jewgeni Prigoshin gegeben, in dem der Chef der Wagner-Gruppe nach Kräften einen gewissen „Opi“ beschimpfte: „Opi ist glücklich und glaubt, dass es ihm gut geht. [...] Aber was soll das Land tun, wenn sich, nur mal angenommen, plötzlich herausstellt, dass dieser Großvater eigentlich ein Flachwichser ist?“

Mit dem glücklichen Opi sei keinesfalls Putin gemeint, so Prigoshin

Prigoshin selbst erklärte dann, mit „Opi“ sei keinesfalls Putin gemeint gewesen, und bot drei Alternativen zur Auswahl an: Michail Misinzew, ehemaliger stellvertretender russischer Verteidigungsminister, Waleri Gerassimow, Chef des Generalstabs der russischen Armee, sowie Natalja Chim, ehemalige Teilnehmerin der Reality-Show Dom 2, die in den sozialen Netzwerken Kisten mit Munition feilgeboten hatte. Weshalb er für die Rolle des mysteriösen „Opas“ auch eine Frau aufführte, blieb Prigoshins Geheimnis. 

Wen auch immer Prigoshin gemeint haben mag, sein Monolog und Medwedews Telegram-Post haben gezeigt, wie stark das Bild des Opas mittlerweile mit Wladimir Putin assoziiert wird. 

Lange Zeit war er ein echter Superman und Macho

Der russische Präsident hat sich lange als echter Superman, Macho und Sexsymbol inszeniert: Er schwang sich mit nacktem Oberkörper aufs Pferd, tauchte nach antiken Amphoren, flog mit Kranichen, und Frauen besangen ihn und machten ihm Liebeserklärungen in den sozialen Medien. 

Wann wurde aus dem Macho der „gute Opa der Nation“, und ab wann genau wurde „Großvater“ zum bevorzugten Spitznamen für Putin? 

Dem Newsletter Signal zufolge verdankt er diese Bezeichnung dem Meme „Opa, nimm deine Tabletten, sonst kriegste nen Tritt in den Arsch“, das nach Alexej Nawalnys Verhaftung im Januar 2021 als Parole bei Unterstützungsaktionen verwendet wurde. 

Wann wurde aus dem Macho der „gute Opa der Nation“?

In Wirklichkeit begann Putins Metamorphose jedoch schon lange davor. Anfang September 2017 erschien im Magazin The New Times die Kolumne Putin als Großvater der Nation. Der Journalist Andrej Kolesnikow verglich darin den russischen Präsidenten mit Lenin: 

„Auch Putin trifft sich in letzter Zeit oft mit der Jugend – jedenfalls öfter als mit den Vertretern anderer Altersgruppen. Wladimir Iljitsch wurde „Großväterchen Lenin“ genannt, obwohl er in einem Alter war, in dem ein ordentlicher Staatsoligarch heute gerade mal seine alte Frau gegen eine neue austauscht, die besser zu seiner eben erworbenen Yacht passt. Und ja, auch Putin verwandelt sich im Lauf seiner Direkten Drähte, Tauriden und Offenen Unterrichtsstunden nach und nach vom Vater der Nation zu ihrem Opa. Die Jugend unterhält er größtenteils mit fantastischen Erzählungen über Drohnen, Marsflüge, künstliche Intelligenz und die Passionarität des russischen Volkes, dank derer es seine Souveränität für tausend Jahre sichern und ausweiten, die eigenen Stiefel im Pazifik sauber- und alle anderen im Scheißhaus kaltmachen wird.“ 

Tatsächlich wurden damals, 2017, einige Zusammentreffen Putins mit Studierenden und Schülern organisiert. Grund dafür war vermutlich die wachsende Popularität Nawalnys, der sich schon immer darauf verstand, eine gemeinsame Sprache mit der Jugend zu finden. Damals gab es überall im Land Kundgebungen seiner Anhänger gegen die Korruption. Laut der Politologin Maria Snegowaja „versuchten die Imagemacher des Kreml, als sie Nawalnys Popularität unter jungen Leuten bemerkten, zunächst auch Putin ein für diese Altersgruppe attraktives Image zu verleihen“. Dies habe jedoch nicht funktioniert und deshalb habe der Kreml auf das Bild des „Großvaters der Nation“ zurückgreifen müssen. 

Selbst sein Markenzeichen, die politisch unkorrekten Scherze, sind schon veraltet 

Die bekannte Linguistin Jelena Schmeljowa, die die rhetorischen Profile von Politikern untersucht, stellte schon 2018 in einem Interview mit dem Radiosender Golos Ameriki (Voice of America) fest, dass sich der Wandel von Putins Image vom Macho zum Großvater bereits vollzogen habe. Die Treffen mit den Schülern hätten nicht die (vom Kreml) erwünschte Wirkung gehabt, sondern Putins Unfähigkeit, die Sprache der heutigen Jugend zu sprechen, nur noch offensichtlicher werden lassen. 

„Selbst sein Markenzeichen, die politisch unkorrekten Scherze, sind schon veraltet. Sie finden bei dieser Zielgruppe keinerlei Anklang. Bei einem Treffen mit Schülern des Sirius-Zentrums für hochbegabte Kinder in Sotschi stellte ein Junge eine Frage – eine sehr kluge übrigens: Er nannte seinen Familiennamen, der armenisch war, und sagte, er sei aus Tjumen. Darauf sagte Putin (ich erinnere mich nicht genau an den Familiennamen des Jungen, sagen wir Aslamasjan): ‚Aslamasjan aus Tjumen? Ist es da nicht ein bisschen zu kalt für dich?‘ Dem Jungen kippte die Kinnlade runter, er verstand das einfach nicht. Denn das ist nicht die Art von Scherzen, die bei der Jugend heute gut ankommt.“ 

Putin bekam das Image des drögen Großvaters verpasst

Laut Schmeljowa habe man wohl nach diesem Vorfall beschlossen, Putin das Image des redlichen, langweiligen Großvaters zu verpassen, der durch Erfahrung lebensklug ist und sich um alle kümmert. 

Etwas später bestätigte auch Putin selbst, dass er sich dieses Image zu eigen gemacht hatte. Auf seiner traditionellen Pressekonferenz bemerkte er eine Journalistin, die ein Plakat mit der Aufschrift „Putin bye-bye“ hielt, und ließ ihr das Wort erteilen. Wie sich herausstellte, stand auf dem Plakat in Wirklichkeit „Putin – babai“. Die Journalistin, die aus Tatarstan kam, erklärte, dass „babai“ das tatarische Wort für „Großvater“ sei. Putin tat die Sache mit einem Scherz ab: Im Alter habe eben seine Sehkraft nachgelassen. 

Beim Wettbewerb Wort des Jahres 2021 war „Bunker-Opa“ einer der Hauptkandidaten

Kurz, das Image Putins als Opa kam schon lange vor 2021 in Umlauf. Massenhafte Verbreitung, später dann noch mit dem Beiwort „Bunker-“, hat dieser Spitzname jedoch tatsächlich durch Nawalny und seine Anhänger gefunden. Beim unabhängigen russischen Wettbewerb Wort des Jahres 2021 war „Bunker-Opa“ einer der drei Hauptkandidaten. 

Der Ausdruck entstand ursprünglich während der Pandemie, als viel von Putins Selbstisolierung, seiner Angst vor Ansteckung und den strikten Quarantänevorschriften für alle die Rede war, die öffentlich mit ihm zusammentrafen. Im Juni 2020 sagte Alexej Nawalny über Putin und die ungeheuren Ausgaben für die Siegesparade in Moskau

„Kauft mit dem Geld doch Medikamente für Rentner. [...] An die Parade denken die als Letztes. Aber der Bunker-Opa will seine Parade, er muss sich ja auf der Tribüne inszenieren.“ 

Dieser Spitzname etablierte sich später durch den Enthüllungsfilm des Nawalny-Teams zu Putins Palast in Gelendshik, in dem ein riesiger Bunker erwähnt wird. 

Im Februar 2021 fügte Nawalny ihm bei seinem Schlusswort vor dem Stadtgericht in Chimki ein weiteres Beiwort an: „Der langfingrige Bunker-Opa“. 

Yandex blockiert das Anzeigen von Putin-Bildern beim Suchbegriff Bunker-Opa

Im Januar 2023, auf dem Höhepunkt des Kriegs gegen die Ukraine, brachte ein großes Datenleck des Quellcodes der Yandex-Dienste an den Tag, dass die Suchmaschine das Anzeigen von Putin-Bildern blockiert, wenn der Suchbegriff „Bunker-Opa“ (bunkerny ded) eingegeben wird. 
Die Wörter „Ded“ und „Deduschka“ haben auf Russisch unterschiedliche Konnotationen. Inzwischen hat der Kreml jedoch offenbar mit beiden Probleme – sowohl mit dem Begriff „Ded“, der mit der Armee bzw. dem kriminellen Milieu assoziiert wird, als auch mit dem drolligen „Deduschka“ (dem Opa in Pantoffeln, der vergessen hat, seine Tabletten zu nehmen). Nach Informationen von Journalisten der Moscow Times wurde sofort nach Prigoshins Meuterei und seinen Anspielungen auf den „glücklichen Opi“ damit begonnen, auf schnellstem Weg ein neues Image für Putin zu kreieren. 

Ein neuer Putin?

Der neue Putin soll nicht mehr im Bunker hocken, sondern für alle zugänglich sein – ein Präsident zum Anfassen, dem man sogar einen Kuss geben kann. Was bei Putins dritter Metamorphose nach dem Macho und dem Großvater herauskommen wird, ist noch offen. Doch es wird sicher nicht leicht werden, das neue Image durchzusetzen – gerade, weil der Spitzname schon ziemlich fest haftet. Um es mit Andrej Kolesnikows Worten aus der letztjährigen Kolumne zu sagen: „Man kann den Opa aus dem Bunker herausholen, aber nie den Bunker aus dem Opa.“  

Diese Übersetzung wurde gefördert von: 

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Attribute der Macht

Seit Mitte der 2000er Jahre strahlt das russische Fernsehen eine „visuelle Konstante“ aus, die man „öfter sieht als den Wetterbericht“.1 Auf diese Pointe brachte es der russische Politologe Alexander Elin. Gemeint ist Wladimir Putin.
Dabei ist der Präsident nicht nur in staatsnahen Medien allgegenwärtig: Viele russische Souvenirläden bieten entsprechende Devotionalien feil, T-Shirts mit Putins Konterfei kann man an Moskauer Flughäfen sogar im Automaten kaufen, und auf YouTube findet man rund ein Dutzend Loblieder auf den Leader

Worin besteht der so oft in unabhängigen Medien kolportierte Persönlichkeitskult um Putin? Welche Attribute werden dem Leader zugeschrieben? Und auf welche Kraft setzt der Kreml bei den Bildern?  

Putin-Ikonen aus der Bildersuche von Yandex. Solche Devotionalien bekommt man auch in manchen russischen Souvenirshops / Bild © Screenshot aus der Yandex-Bildersuche nach „Putin Ikona“

Charisma und Verdienste

In autoritären Systemen sollen das Charisma sowie die Verdienste des Herrschers den Glauben an die Rechtmäßigkeit von Herrschaftsbeziehungen hervorrufen.2 Manche russischen Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang vom Imagemaking, der Russland-Experte Richard Sakwa von der „Arbeit am Charisma“ des nationalen Leaders. Laut Sakwa hat der Aufbau der sogenannten Machtvertikale Anfang der 2000er Jahre eine Legitimitätskrise ausgelöst: Die Aushöhlung demokratischer Mechanismen erforderte demnach eine neue Legitimationsstrategie, und diese sei seit der Mitte der 2000er Jahre auch durch die ständigen „mobilisierenden Bemühungen für die Unterstützung seines [Putins] Images“3 entstanden. 

Diese Bemühungen schlugen sich nieder in Symbolen und in Diskursen. Dazu gehört vor allem die Erzählung über das Russland der 2000er Jahre.

Gotteswunder 

Die postsowjetische Gesellschaft Russlands versank in den 1990er Jahren in Chaos und Kriminalität, die Privatisierung der Betriebe bot ein Schlachtfeld, das rücksichtslose Oligarchen plünderten. Als lichie 1990e – „verrückte“ oder „wilde 1990er“ – sind diese Jahre der Gesellschaft bis heute im Gedächtnis, oder auch als prokljatije, „verfluchte 1990er“. 

Patriarch Kirill zog hier gar Parallelen zur Smuta – die Zeit der Wirren zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Das Ende dieser „Smuta“ der 1990er Jahre verglich der Patriarch entsprechend mit einem „Gotteswunder“, das aufs Engste mit Putin verknüpft sei.4 Demnach sei es Putin binnen weniger Jahre gelungen, das Land „von den Knien zu erheben“. Wie ein Phönix aus der Asche sei Russland emporgestiegen und endlich wieder auf Augenhöhe mit anderen Mächten. 

Wladislaw Surkow soll bei der Feier des ersten Wahlerfolgs Putins im Jahr 2000 das Glas erhoben und dazu aufgerufen haben, „auf die Vergöttlichung der Macht!“ zu trinken.5 Viele russische Politologen sehen heute in dem Trinkspruch Programm. Hier steht Putin auf dem byzantinischen Thron in der orthodoxen Mönchsrepublik Athos. / Foto © kremlin.ru

Handsteuerung (mit starker Hand)

In diesem Zusammenhang ist auch immer wieder die Rede von der Handsteuerung (russ. „Reshim rutschnogo Uprawlenija“) oder der „starken Hand“ (russ. „silnaja Ruka“). Als politisches Symbol tauchen diese Begriffe vor allem im Kontext damit auf, dass Putin die Lösung bestimmter Probleme „zur Chefsache mache“ beziehungsweise sie „selbst in die Hand nehme“. Viele Politikwissenschaftler erklären die Handsteuerung auch mit dem Phänomen der Machtvertikale – die autoritäre Konsolidierung des Landes und Machtkonzentration in einer Hand. 

So bemüht die „Arbeit am Charisma“ neben einer gewissen Art der Sakralisierung also auch das Motiv der Stärke. Musterhaft dafür steht Putins allererste Amtshandlung als Interimspräsident: Am 31. Dezember 1999 besuchte er russische Soldaten an der Front in Tschetschenien und schenkte ihnen Jagdmesser. Laut manchen Polittechnologen war es eine PR-Aktion, die darauf bedacht war, Putins Profil mit dem Attribut der Stärke zu füllen und gleichzeitig an die Popularität der Armee anzuknüpfen.6 

Putins allererste Amtshandlung als Interimspräsident: Am 31. Dezember 1999 besuchte er russische Soldaten an der Front in Tschetschenien und schenkte ihnen Jagdmesser. / Foto © kremlin.ru

Tatkraft und Gesundheit

Schon einige Tage zuvor hatte Putin versprochen, „gnadenlos“ gegen die „Feinde Russlands“ vorzugehen. Als solche markierte er den tschetschenischen Separatismus, die Massenarmut und die Oligarchie.7 Diese Triade der Feinde wiederholte er auch nach seiner Amtsübernahme sehr oft, dabei sparte er auch nicht mit martialischem Vokabular: Russland müsse gegenüber seinen Feinden „tyrannisch“ sein, die Feinde seien „Ratten“, die „vernichtet“ gehören, wenn es sein muss, dann müsse man sie auch „im Scheißhaus kaltmachen“.8
Mit dieser Wortwahl gab sich Putin einerseits als ein tatkräftiger Politiker, der „hart durchgreift“ und „Klartext“ spricht, andererseits setzte er sich aber auch von seinem Vorgänger Jelzin ab: Dieser galt vor allem zum Ende seiner Präsidentschaft als ein siecher Alkoholiker, der viele Menschen an die Epoche der sowjetischen Gerontokraten erinnerte. Auch die im Westen so oft belächelten Bilder von Putin mit freiem Oberkörper schlagen in dieselbe Kerbe: Einer Umfrage aus dem Jahr 2012 zufolge schätzten die Menschen in Russland an ihrem Präsidenten vor allem seine Tatkraft und seine Gesundheit.9 Mit diesen Eigenschaften setzte sich der Präsident nicht nur von Boris Jelzin ab, sondern auch von dessen Epoche – dem Chaos der 1990er Jahre10.  

Fachmann am Steuer

Seine Tatkraft stilisierte Putin auch, indem er sich am Steuer zeigte: Im Rennauto, im Kampfjet, im U-Boot, oder auf einem Mähdrescher – der Präsident schien stets darum bemüht, sich so darzustellen, als habe er fest die „Zügel (oder das Steuer) in der Hand“. Unter etwas anderen Vorzeichen ist das Motiv des „Politikers als Steuermann“ bereits bei Platon zu finden. In Politeia wandte sich der Philosoph mit diesem Gleichnis sowohl gegen Demokratie als auch gegen Oligarchie und Tyrannis: Im „idealen Staat“ solle der „echte“ Steuermann-Politiker ein Fachmann sein, nur so könne laut Platon Gerechtigkeit walten.11

Gangster

Der Fotograf namens Platon verewigte Putin dagegen in einem Bild, an dem sich immer noch die Geister scheiden. Das Time Magazine hatte Putin 2007 zum Mann des Jahres gewählt und schickte den Fotografen nach Moskau zu einem Shooting. Laut Platon mochte Putin das Ergebnis, „weil es ihn als harten Kerl zeigt“.12 Die politische Ikonografie der Putin-Gegner benutzt das Bild dagegen oft bei Protestveranstaltungen, als Schreckbild. 

Laut Fotograf Platon mochte Putin das Bild, „weil es ihn als harten Kerl zeigt“. Für Kreml-Kritiker spricht das Foto jedoch Bände. / Bild © Screenshot aus der Yandex-Bildersuche nach „Putin Proteste“

1.zit. nach/vgl.: Sartorti, Rosalinde (2007): Politiker in der russischen Ikonographie: Die mediale Inszenierung Vladimir Putins, in: Pietrow-Ennker (Hrsg.): Kultur in der Geschichte Russlands, S. 333-348, hier S. 333 
2.vgl. Albrecht, Holger/Frankenberger, Rolf (2010): Autoritarismus Reloaded: Konzeptionelle Anmerkungen zur vergleichenden Analyse politischer Systeme, in: Albrecht, Holger/Frankenberger, Rolf (Hrsg.): Autoritarismus Reloaded, S. 37-60, hier S. 57f. 
3.vgl. Sakwa, Richard (2008): Putin i vlast' protivorečij, in: RAN. INION: Dva prezidentskich sroka V.V. Putina: dinamika peremen: Sbornik naučnych trudov, S. 10-31, hier S. 30 und Engelfried, Alexandra (2012): Zar und Star: Vladimir Putins Medienimage, in: OSTEUROPA, 62. Jg., 5/2012, S. 47-67, hier S. 60ff. 
4.zit. nach: stoletie.ru: Cerkov’ vsegda byla s narodom 
5.zit. nach: Pavlovskij, Gleb (2014): Sistema RF v vojne 2014 goda: De Principatu Debili, S. 69 
6.vgl. novayagazeta.ru: Pobedit' na vyborach ili stat' prezidentom 
7.vgl. Ščerbinina, Nina (2010): Mifo-geroičeskoe konstruirovanie političeskoj real'nosti Rossii, S. 204 
8.vgl. ebd. S. 203ff. und Fleischmann, Eberhard (2010):  Das Phänomen Putin. Der sprachliche Hintergrund, S. 313 
9.vgl. romir (2012): Neotvratimaja neotrazimost': 50 % rossijan po-prežnemu sčitaet, čto Vladimir Putin ne imeet nedostatkov, S. 1. und Fleischmann, Eberhard (2010):  Das Phänomen Putin. Der sprachliche Hintergrund, S. 30 
10.vgl. Engelfried, Alexandra (2012): Zar und Star: Vladimir Putins Medienimage, in: OSTEUROPA, 62. Jg., 5/2012,  S. 47-67, hier S.  48 
11.vgl. Platon (2000): Der Staat, Sechstes Buch, III. und IV. sowie Münkler, Herfried (1994): Arzt und Steuermann: Metaphern des Politikers, in: ders.: Politische Bilder: Politik der Metaphern, S. 125-140 
12.vgl. zeit.de: Putin-Fotograf Platon. „Ich spürte die kalte Autorität“ 
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