Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio wird es wohl keine Athleten unter russischer Flagge geben. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hat Russland wegen Doping für vier Jahre gesperrt. Damit hielt sich die WADA an die Empfehlung der unabhängigen Prüfkommission CRC. Einzelne russische Sportler können unter bestimmten Voraussetzungen allerdings unter neutraler Flagge an den Spielen teilnehmen. Auch die Fußball-EM 2020 wird weiterhin mit der russischen Mannschaft und teilweise in Russland stattfinden, da die UEFA den WADA-Code nicht unterzeichnet hat und die EM zudem als „kontinentales“ Sportereignis gilt.
Hintergrund der Sperre ist, dass Russland die Manipulation von Dopingtests nachgewiesen wurde. Der russische Sportminister bestritt die Vorwürfe. Premierminister Medwedew räumte zwar Probleme mit Doping ein, sprach angesichts der vierjährigen Sperre allerdings von „antirussischer Hysterie“. Russland will nun beim Internationalen Sportgerichtshof Einspruch einlegen.
Nicht nur kremlnahe, sondern auch liberale Stimmen äußern sich kritisch über die WADA-Entscheidung. Die vierjährige Sperre Russlands: Ausdruck einer antirussischen Haltung? Werden die Falschen bestraft? Oder ist es eine gerechtfertigte Maßnahme? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte in russischen Medien.
Facebook / Sergej Medwedew: Je schlimmer, desto schlimmer
Der Schlag, den die WADA Russland verpasst hat, sei viel schwerer als all die politischen Sanktionen. Das meint der kremlkritische Historiker und Publizist Sergej Medwedew auf Facebook:
Und es soll bitte niemand sagen, es sei eine politische Entscheidung gewesen – ja, sie hat enorme politische Wirkung, aber zunächst einmal ist das Ganze rein technisch: Russland (beziehungsweise der, der die Datenbank frisiert hat) hat WADA überhaupt keine Chance gelassen.
Fehl am Platz ist auch das typische russische „Je schlimmer, desto besser“. Nein: je schlimmer, desto schlimmer – der russische Sport hat voll eins in die Fresse bekommen [...] und damit wir alle: Ein Schlag gegen das Humankapital, die Soft Power, die Gesundheit und Freude der Nation, oder was auch immer noch von diesen Begriffen übrig ist. Sport ist das, wo Russland bislang zumindest ein bisschen (und verdientermaßen) stark war.
И не надо говорить, что это решение политическое — да, оно имеет огромные политические последствия, но в основе своей оно чисто техническое: Россия (вернее, те, кто зачищал базу данных) не оставила ВАДА никакого выбора.
И не надо тут типично русской Schadenfreude, «чем хуже, тем лучше». Нет, чем хуже, тем хуже — нанесен зубодробительный удар по российскому спорту и в итоге — по нам всем, по человеческому капиталу, мягкой силе, здоровью и радости нации, что бы там от этих понятий ни оставалось. Спорт — то немногое, в чем Россия до сих пор была хоть немного (и заслуженно) сильна.
Original, veröffentlicht am 09.12.2019
Facebook / Wladislaw Inosemzew: Neues Schäbigkeits-Level
Der Ökonom und Publizist Wladislaw Inosemzew fragt auf Facebook nach den strukturellen Ursachen der russischen Doping-Politik:
Das schäbige Bild des modernen Russlands nach der Entscheidung der WADA spiegelt in erster Linie wider, wie unangemessen diese veralteten politischen Interessen sind sowie ihre Kollision mit den Interessen der Sportler. Diese müssen mit Fans und Zuschauern die einzigen wichtigen Akteure des globalen Sports sein.
Original, veröffentlicht am 09.12.2019
Facebook / Iwan Preobrashenski: Geiseln der Drecksäcke
Auch für den liberalen Politikwissenschaftler Iwan Preobrashenski werden die russischen Sportler zu Opfern des Systems:
Original, veröffentlicht am 09.12.2019
Erster Kanal: Unangemessen, unlogisch und unverhältnismäßig
Der Vorsitzende des Russischen Olympischen Komitees Stanislaw Posdnjakow protestiert auf dem staatlichen Ersten Kanal gegen den Olympia-Ausschluss:
Original, veröffentlicht am 09.12.2019
Kremlin.ru: Gesetzeswidrige Kollektivhaftung
Auf seiner Pressekonferenz nach dem Gipfel im Normandie-Format in Paris äußerte sich Wladimir Putin auch zu der WADA-Entscheidung:
Original, veröffentlicht am 10.12.2019
Vedomosti: Zweite Chance für Russland
Bei den Olympischen Winterspielen 2018 sind russische Sportler bereits unter neutraler Flagge angetreten. Auch diesmal sind die WADA-Sanktionen ähnlich. Die Redaktion der Tageszeitung Vedomosti fragt, ob die zweite Chance denn verdient sei:
Original, veröffentlicht am 09.12.2019
Republic: Die grünen Männchen des Sports
Zwischen den beiden Möglichkeiten „Lass dich nicht erwischen“ und „Löffel die Suppe aus, die du dir eingebrockt hast“ wird Russland nun eine dritte wählen – prognostiziert Andrej Sinitsyn auf Republic:
Original, veröffentlicht am 10.12.2019
dekoder-Redaktion