Die UEFA hat durchgegriffen: Nachdem russische Fans am Samstag beim EM-Fußballspiel Russland gegen England randaliert und englische Fans heftig attackiert hatten, verhängte die UEFA nun eine Geldstrafe von 150.000 Euro. Kommt es erneut zu Zwischenfällen, wird die russische Mannschaft disqualifiziert.
Etwa 150 russische Hooligans hatten nach dem EM-Spiel englische Fans im Stadion von Marseille attackiert, schon vor dem Spiel kam es zu Ausschreitungen. Ein Engländer schwebte danach in Lebensgefahr.
In russischen Medien war nach den Hooligan-Attacken vor allem über die Äußerungen des stellvertretenden Duma-Vorsitzenden und Vorstandsmitglieds des Allrussischen Fußballverbands RFS Igor Lebedew diskutiert worden. Еr hatte die Hooligans auf Twitter in Schutz genommen: „Ich kann nichts Schlimmes an kämpfenden Fans finden. Im Gegenteil, gut gemacht, Jungs. Weiter so!“
So gab es auch Stimmen, die die Schuld nicht bei den gewalttätigen Hooligans, sondern bei westlichen Provokateuren sahen. Debattiert wurde auch, ob die Randalierer vom russischen Staat gesteuert seien – oder eben einfach Hooligans wie deutsche, britische oder polnische auch.
Echo Moskvy: Immer gegen Russland!
Der einstige Fußballprofi und Trainer Alexander Tschugunow empfindet die Strafe der UEFA als ungerecht, wie er auf Echo Moskvy schreibt:
Komsomolskaja Prawda: Feinde des Vaterlands
Die Boulevard-Zeitung Komsomolskaja Prawda dagegen lässt nach dem Urteil weniger Milde mit den gewalttätigen Fans und ihren Unterstützern walten:
Natürlich wissen wir, wer Schuld hat. Wussten es schon vorher: Die Feinde des Vaterlands, die englischen Provokateure, die Polizisten von Marseille … In Wirklichkeit (können wir uns das eingestehen?) wird bei uns gegen die Hooligans nichts unternommen. Im Gegenteil, man unterstützt sie in jeder Weise, streichelt ihnen über die Köpfe, bespaßt sie.
Конечно, мы уже знаем кто виноват. Заранее. Враги Отечества, английские провокаторы, марсельские полицейские... На самом деле (сами себе-то мы можем признаться?) с футбольными хулиганами у нас не борются. Наоборот, всячески поддерживают, гладят по голове, организуют досуг.
Grani.ru: Kreml managt die Ultras
Unmittelbar vor der UEFA-Strafe reagiert Journalist Ilja Milstein auf dem oppositionellen Portal grani.ru auf die Worte von Igor Lebedew, der der Sohn des rechtspopulistischen LDPR-Chefs Wladimir Shirinowski ist. Dabei bringt Milstein organisierte Hooligans in direkte Verbindung zum Kreml:
Ähnlich wie die Traktoristen und Bergarbeiter im Donbass, sind die russischen Fußballfans seit einiger Zeit Figuren im großen politischen Spiel. Zunächst im innenpolitischen, und jetzt, bittesehr, auch in der internationalen Arena. Deswegen haben sie, umhegt von staatlicher Fürsorge, kurz vor der Europameisterschaft in Frankreich vermutlich auch trainiert – wie die Fußballer. Nur eben auf ihrem Gebiet.
Подобно трактористам и шахтерам в Донбассе, российские футбольные фанаты с некоторых пор стали фигурами в большой политической игре. Сперва в игре внутриполитической, а теперь вот и на международной арене. Поэтому они, окруженные государственной заботой, незадолго до чемпионата Европы во Франции тоже наверняка тренировались, подобно футболистам. Только на свой лад.
Novaya Gazeta: Vollpfosten haben keine Nationalität
Eine solche Verbindungslinie zum Kreml sieht Wladimir Rodionow in der unabhängigen Novaya Gazeta dagegen nicht und wundert sich, wer die Ausschreitungen gutheißt:
[...] Doch diese traurige, für einige auch tragische Geschichte wurde auf Facebook zum Anlass für Stolz. Den Stolz bekunden dabei nicht mal die Fußball-Hooligans, die aus irgendwelchen Gründen zuhause geblieben waren, sondern die denkbar intelligentesten Leute. Oder zumindest Leute, die sich als solche ausgeben.
[...] Но эта грустная, а для кого-то и трагичная история стала поводом для гордости в Facebook. Причем эту гордость выражали не футбольные хулиганы, по каким-то причинам оставшиеся дома, а самые что ни на есть интеллигентные люди. Ну или, по крайней мере, позиционирующие себя таковыми.
Rossijskaja Gaseta: Die brüllenden Engländer auseinander gejagt
Die offizielle Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta nimmt die russischen Hooligans kurz nach dem Spiel in Schutz – und lobt ihre Taten:
Prügeleien, an denen Engländer beteiligt waren, gab es schon drei Tage lang mehr als genug, die Russen traten erst unmittelbar vor dem Spiel auf den Plan. Und innerhalb von ein paar Minuten gelang ihnen, was weder Polizei noch einheimische Fans geschafft hatten: Sie jagten diese brüllende Menge hunderter Engländer einfach auseinander.
Драк с участием англичан за три дня происходило достаточно, а вот русские вышли на авансцену уже непосредственно перед игрой. И за несколько минут сделали то, чего не смогла ни полиция, ни местные ребята - попросту разогнали эту орущую английскую толпу из нескольких сотен человек.
dekoder-Redaktion