Neue Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission ist seit Anfang der Woche die Menschenrechtlerin Ella Pamfilowa – eine Besetzung, die mit Blick auf die Parlamentswahlen im September für Gesprächsstoff sorgte. Thematisiert wurde in den Medien außerdem die Rückeroberung der Stadt Palmyra sowie die westliche Berichterstattung über Russland und den russischen Präsidenten.
Transparentere Wahlen. Ein halbes Jahr ist es noch bis zu den nächsten Dumawahlen im September und die Politiker beginnen, sich dafür in Stellung zu bringen. Parteien werden gegründet, parteiinterne Listen vorbereitet, Kandidaten präsentiert. Anfang der Woche wurde nun der Vorsitz der Zentralen Wahlkommission (ZIK) neu gewählt. Das Gremium, das Referenden, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vorbereitet und durchführt, wird neu von Ella Pamfilowa präsidiert. Die Menschen müssten Vertrauen in die Wahlen zurückgewinnen und glauben, mit ihrer Stimme einen Unterschied bewirken zu können; an der Arbeit der Komission müsste Grundlegendes geändert werden, sagte die ehemalige Menschenrechtsbeauftragte des russischen Präsidenten nach ihrer ersten Sitzung als Kommissionsvorsitzende. Die 62-Jährige ist eine der bekanntesten Frauen in der russischen Politik, die auch in Oppositionskreisen Respekt genießt. In den 90er Jahren war sie kurzzeitig Sozialministerin und kandidierte 2000 als erste Frau für das Präsidentenamt.
Wladimir Tschurow, der Vorgänger von Pamfilowa an der Spitze der ZIK, war eine äußerst kontroverse Figur. Die Entlassung des „Zauberers“ gehörte zu den wichtigsten Forderungen der Protestbewegung nach den letzten Parlamentswahlen 2011, die von massiven Fälschungsvorwürfen begleitet wurden. Immer wieder war Тschurows Gesicht auf Plakaten der Demonstranten zu sehen.
Trotzdem wird Pamfilowas Wahl nicht als Zugeständnis an die Opposition interpretiert. Globale Veränderungen bei der Führung der ZIK seien unter ihr nicht zu erwarten, schreibt die kremlkritische Novaya Gazeta. Zwar organisiere das Gremium die Wahlen, doch durchgeführt würden sie eigentlich vor Ort in den Regionen und hier würden die lokalen Machthaber alles daran setzen, dass die Kandidaten der Regierungspartei Einiges Russland gewinnen würden. Fair oder nicht – das sei egal, einzig das Resultat zählt, heißt es in der Zeitung weiter.
Der Kreml habe es gar nicht mehr nötig, Wahlresultate an der Urne zu frisieren, schreibt Andrej Pertsew, Journalist beim Kommersant in einem Kommentar für Carnegie. Einschüchterungstaktiken und strenge Registrierungsregeln für Kandidaten würden dazu führen, dass das „passende“ Resultat bereits lange vor dem tatsächlichen Urnengang feststeht. Einen möglichen Vorgeschmack lieferten bereits die Regionalwahlen vom vergangenen Herbst. Einzig in Kostroma wurde der Opposition die Registrierung gestattet, trotzdem sahen sich die Kandidaten dort einer heftigen Diffamierungskampagne ausgesetzt.
Rettung von Kulturgütern. Begleitet von Peinigem Pomp hat Moskau vor zwei Wochen den Teilabzug seiner Streitkräfte aus Syrien verkündet. Russische Kampfjets fliegen allerdings nach wie vor Einsätze im Kriegsgebiet und unterstützten die Truppen von Präsident Bashar al-Assad bei der Rückeroberung der Stadt Palmyra. Kriegsberichterstatter des Staatsfernsehens versicherten, der militärische Erfolg des syrischen Regimes wäre ohne die russische Luftwaffe nicht möglich gewesen. Terroristen des Islamischen Staates hätten sich in den antiken Theatern und Tempeln verschanzt, da sie genau gewusst hätten, dass weder die russische noch die syrische Armee die wertvollen Kulturgüter zerstören würden, berichtete der Reporter weiter.
Nur wenige Stunden nach der „strategisch wichtigen Befreiung Palmyras“ zeigten die Medien Bilder der antiken Denkmäler, welche auch auf der Weltkulturerbe-Liste der UNESCO stehen, und versuchten den Grad der Zerstörung durch den IS abzuschätzen. Russische Experten beeilten sich, Hilfe beim Wiederaufbau und der Entminierung der Stadt zuzusichern. Für den Westen dagegen sei Palmyra uninteressant, so Maria Sacharowa, Sprecherin des Außenministeriums. Ein entsprechender russischer Vorstoß im UNO-Sicherheitsrat sei blockiert worden. Ausschließlich geopolitische Interessen stünden hinter dem Handeln westlicher Länder. Weder an der Befreiung Syriens von Terroristen noch an einer Zusammenarbeit beim Friedensprozess und dem Schutz kultureller Werte seien diese interessiert, sagte Sacharowa weiter.
Vom Militäreinsatz in Syrien profitiert jedoch nicht zuletzt auch die russische Waffenindustrie. Vor allem die Nachfrage nach dem Boden-Luft-Raketen-System S-400 sei stark gestiegen. Wie die Internetzeitung gazeta.ru berichtet, seien deswegen beim Hersteller Almaz-Antey die freien Tage gestrichen worden. Aufträge im Wert von 56 Milliarden Dollar stehen in den Büchern der russischen Waffenschmieden, das ist Rekord seit 1992, sagte Präsident Wladimir Putin unlängst. Laut Kommersant war Indien 2015 der größte Kunde und gilt neben China als größter Zukunftsmarkt für Rüstungsexporte aus Russland.
Freund und Feind. Immer wieder kursierten in den letzten Tagen Gerüchte, westliche Medien planten ein Kompromat, eine Kampagne gegen Präsident Putin, um ihm zu schaden. Allzu unverblümt hätten ausländische Journalisten bei Pressekonferenzen nach der Familie des Präsidenten und Freunden aus Putins Jugend gefragt, was Putins Sprecher Dmitri Peskow als Indiz hierfür wertete. Wer allerdings intime Details erwartet hat, wurde bis jetzt enttäuscht. Für russische Experten hat dies jedoch System. Mehrere anti-russischen Kampagnen seien in den vergangenen Monaten in ausländischen Medien lanciert worden, heisst es im Vorwort zum „Antirussischen-Vektor“ des Instituts für Strategische Forschung (RISS) in Moskau. Mit persönlichen Attacken werde beispielloser Druck auf den russischen Präsidenten ausgeübt. All dies deute darauf hin, dass der Informationskrieg gegen Russland eine neue Qualität erreicht habe, heißt es in dem Text weiter.
Die Studie des Thinktanks, welcher unter anderem für die Präsidialabteilung arbeitet, reiht Länder, Publikationen und Journalisten nach der Intensität ihrer negativen Berichterstattung über Russland. Auffallend: In den deutschen Medien wurde 2015 die Berichterstattung milder. Im Jahr zuvor belegte Deutschland noch den ersten Platz, 2015 hinter Tschechien und Polen den dritten. Positive Tendenzen dominieren dagegen in Syrien und Kuba. Nach welchen Kriterien der „Agressivitätsindex“ erstellt wurde, bleibt allerdings unklar.
Beatrice Bösiger aus Moskau für dekoder.org