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Die kurze Geschichte der Demokratischen Koalition

Im April 2015 war sie angetreten, um bei den Dumawahlen 2016 eine geeinte, breite Front gegen die Kreml-Partei Einiges Russland zu bilden. Doch nur knapp ein Jahr nach ihrem Entstehen zerbrach Russlands Demokratische Koalition wieder. Zu der hatten sich Parteien der nicht-systemischen Opposition zusammengeschlossen – also diejenigen Oppositionsparteien, die nicht in der Duma vertreten sind. Darunter waren auch einige Gruppen, denen bereits bei der offiziellen Registrierung als politische Partei immer wieder Steine in den Weg gelegt werden.

Iwan Dawydow analysiert die Hintergründe in The New Times.

Quelle The New Times

Da lachen sie noch – Vertreter der Demokratischen Koalition im Dezember 2015. Am Mikrofon Alexej Nawalny, links daneben Michail Kassjanow (PARNAS), ganz links Wladimir Milow (Demokratische Wahl). Foto © Juri Martjanow/Kommersant

Anfang Mai hat sich endgültig gezeigt: Die Demokratische Koalition um die Partei PARNAS ist gescheitert. Und daran sind keineswegs nur Intrigen des hinterlistigen Kreml schuld.

Das Scheitern dieser Koalition hat natürlich Folgen: vermindertes Vertrauen der potentiellen Wähler in die nicht-systemische Opposition; verlorene Zeit, die die Kandidaten, die behindert worden waren, nun aufholen müssen, wenn sie im Wahlkampf noch irgendwie in Erscheinung treten wollen; schwindende Chancen, dass Abgeordnete mit einer vom Kreml unabhängigen Position in die siebte Staatsduma einziehen werden.

Der Start

Am 27. Februar 2015 wurde in Moskau Boris Nemzow, der Ko-Vorsitzende der Partei PARNAS, ermordet. Daraufhin unternahmen zahlreiche Oppositionspolitiker den Versuch, vor der anstehenden großen Wahlperiode die kremlkritischen Bewegungen in einer Koalition zu vereinen. Im Herbst 2015 standen Wahlen in elf Regionen an, im Herbst 2016 folgen nun die Wahlen zur Staatsduma.

Als die Oppositionellen mit den Verhandlungen über die Bildung einer Koalition begannen, waren sie in einer Krisensituation: Die Demonstrationen in den Städten, die den Kreml 2011/12 so beunruhigt hatten, waren komplett abgeflaut. Putins Beliebtheitswerte wuchsen dank der Krim-Euphorie und weiterer „geopolitischer Erfolge“ unablässig.

EINE CHANCE, DIE KRISE ZU ÜBERWINDEN

Lässt man einmal die systemischen Oppositionsparteien außer Acht und auch die Partei Jabloko, die den Ruf hat, notorisch kompromissunfähig zu sein, dann hatte die Opposition „außerhalb des Systems“ Folgendes zu bieten: Parteien, bei deren Namen und Programmen selbst ihre Anhänger durcheinanderkamen sowie eine Handvoll landesweit bekannter Politiker.

Die Bildung einer Koalition war eine Chance, die Krise zu überwinden. Und – allen russischen politischen Traditionen zum Trotz – gelang es den Oppositionellen, sich zu einigen.

Am 17. April 2015 unterzeichneten die Partei PARNAS, mit Michail Kassjanow an der Spitze, und Nawalnys Fortschrittspartei ein Koalitionsabkommen. Am 20. April schlossen sich ihnen die Parteien Demokratische Wahl (Wladimir Milow), Bürgerinitiative (Andrej Netschajew) und auch die nicht-registrierte Partei des 5. Dezember und die Libertäre Partei an. Michail Chodorkowskis Offenes Russland gab seine Unterstützung der Demokratischen Koalition bekannt.

Dabei sein ist alles?

Unter den mit der Demokratischen Koalition sympathisierenden Politologen und Journalisten begann ein Streit: Sollten die Oppositionellen überhaupt an den Wahlen teilnehmen?

Die Argumente derer, die gegen eine Teilnahme sind, brachte Fjodor Krascheninnikow für The New Times auf den Punkt: „An Wahlen sollte man nur teilnehmen, wenn eine Chance auf Erfolg besteht und wenn man Vertrauen in die Wahlkommission hat. Andernfalls spielt die Opposition durch die Teilnahme an den Wahlen nur den Machthabern in die Hände – sie legitimiert sowohl die Wahlen als auch das gewählte Machtorgan.

Wenn man sich einverstanden zeigt, beim Hütchenspiel mitzumachen, macht man damit nicht nur den Hütchenspieler reich, sondern führt auch zufällige Passanten in die Irre: Sie sehen, dass da ein anständiger Mensch mitspielt, und schließen daraus, dass wohl alles rechtens zugeht.“

DIE WAHLEN ALS HÜTCHENSPIEL

Es gibt aber auch starke Argumente für eine Teilnahme an den Wahlen. Denn die Machthaber brauchen nicht nur einfach Oppositionelle, die an den Wahlen teilnehmen. Sie brauchen Oppositionelle, die verlieren.

Und das bedeutet, dass die Machthaber während des Wahlkampfs alle nur denkbaren Verstöße zulassen werden, um eine Niederlage der Opposition sicherzustellen, einfach weil sie nicht anders handeln können.

Ob nun aber solche Skandale dazu beitragen, den Wahlprozess zu legitimieren, darüber ließe sich streiten. Wichtiger ist, dass man selbst bei aussichtslosen Wahlen die Gelegenheit bekommt, größere Bekanntheit zu erlangen und das eigene Wahlprogramm an diejenigen Wähler heranzutragen, die nicht lesen, was die Opposition in den sozialen Netzwerken schreibt.

VORWAHLEN: KOMPLIZIERTES PROZEDERE

Unterdessen hat sich gezeigt, dass das Prozedere von Vorwahlen kompliziert und selbst für treue Wähler wenig attraktiv ist. Außerdem greift die Antikorruptionsagenda in den Regionen einfach nicht: Wie Ilja Jaschin, der stellvertretende Vorsitzende von PARNAS, nach mehr als einem Dutzend Treffen mit Bewohnern von Kostroma erzählt, hörten die Omas in den Höfen seinen Erzählungen über die Mehreinnahmen der Osero-Mitglieder zwar interessiert zu. Aber die Nachricht, dass Beamte und der Machtelite nahestehende Bürger in Russland stehlen, ist für Bürger, deren Leben sich fern der Machtzirkel abspielt, keine große oder besonders erschütternde Nachricht.

Der Weg zum Scheitern

Für die Mitglieder der Demokratischen Koalition selbst stellte sich die Frage nicht, ob sie an den Wahlen teilnehmen sollten oder nicht. Sie konzentrierten sich auf die Vorbereitung des Wahlkampfs.

Ihre Listen sollten mit Hilfe von Vorwahlen aufgestellt werden. Im Dezember 2015 wurde bekannt, dass die ersten drei Plätze auf der Liste schon vergeben waren. Den ersten bekam der Vorsitzende von PARNAS, Michail Kassjanow, der zweite und dritte waren für „russlandweit bekannte Leute“ reserviert, deren Namen nicht genannt wurden.

Ilja Jaschin verkündete damals, das sei eine „bewusste Entscheidung der ganzen Koalition“. Die Vorwahlen hätten am 23. und 24. April stattfinden sollen. Später verschob man sie „aus technischen Gründen“ auf Ende Mai.

Ziemlich schnell stellte sich heraus, dass das Problem nicht Störungen auf der Vorwahlen-Website waren. Es war das geringe Interesse am Verfahren, auf das die Vertreter von PARNAS bestürzt reagierten.

Man hatte in der Koalition damit gerechnet, dass rund 100.000 Personen an den Vorwahlen teilnehmen würden, doch nach Informationen, die The New Times vorliegen, hatten sich zwei Wochen vor Abstimmung nur rund 6000 Wähler auf der Website registriert.

Es gab Gerüchte, PARNAS erwäge, die Liste doch nicht auf der Grundlage von Vorwahlen aufzustellen. Damals sagte Alexej Nawalny gegenüber The New Times: „Die Fortschrittspartei kann im Falle einer Nichtanerkennung der Vorwahlen nicht in der Koalition verbleiben.“

Der letzte Schlag war der Film Kassjanows Tag, den NTW am 1. April ausstrahlte: Dass kompromittierendes Material über sie verbreitet und in ihrem Privatleben herumgeschnüffelt wird – daran sind Oppositionelle ja gewöhnt, sollte man meinen. Doch durch die scharfen Bemerkungen, die Natalja Pelewina, eine Parteigenossin Michail Kassjanows, in dem Film über andere Mitstreiter aus dem Bündnis machte, fühlten sich manche Mitglieder der Demokratischen Koalition ernsthaft vor den Kopf gestoßen.

KLEINLICHER ZANK UND SCHULDZUWEISUNGEN

Zunächst machte Ilja Jaschin von PARNAS Kassjanow den Vorschlag, er möge auf seinen ersten Listenplatz verzichten und gleichberechtigt mit allen anderen an den Vorwahlen teilnehmen. Kassjanow lehnte ab. „Als Zeichen des Protests“ zog Jaschin seine Kandidatur für die Vorwahlen zurück.

Später wiederholte Alexej Nawalny die Forderung Jaschins. Darauf folgten lange und offenbar selbst für die Mitglieder der Koalition uninteressante Streitereien darüber, wer als erster welche Abmachungen verletzt hat. Demokratische Wahl und die Fortschrittspartei verließen die Koalition, die dann aufhörte auf zu existieren.

Der vergessene Wähler

Was bleibt übrig statt einem Wahlbündnis der Opposition? Kleinlicher Zank und eine Reihe gegenseitiger Schuldzuweisungen.

Die Kleinlichkeit ist das Traurigste an der ganzen Geschichte. Es ist ja für niemanden ein Geheimnis, dass die PARNAS-Liste ohnehin nicht durchkommen wird. Falls jemand Chancen hatte, waren es die Abgeordneten aus einzelnen Einerwahlkreisen mit einer vornehmlich gebildeten städtischen Bevölkerung.

Doch die Koalitionsmitglieder interessierten sich nicht für die Einerwahlkreise, sondern konzentrierten sich auf das Gefeilsche um die Listenplätze. Sie kämpften, als hätten sie bereits die Duma-Mehrheit inne, als wäre ihnen bei den kommenden Wahlen der Sieg sicher und es ginge nur noch darum, wie man die Mandate aufteilen soll.

WAS ERFÄHRT DER WÄHLER DENN ÜBER DIE OPPOSITION?

Was hat ein potentieller Wähler letztlich über die Opposition erfahren? Ein neuer Wähler, kein treuer, der ergeben die Blogs der Koalitionsleader liest? Nur das, was Pelewina in dem NTW-Film über ihre Kollegen gesagt hat und was man lieber nicht laut wiederholt.

Die Mitglieder der Koalition, die beschlossen hatten, mit der Regierung Wahlen zu spielen, haben die wichtigsten Teilnehmer an diesem Spiel übersehen: die Wähler. Sie haben sich mit Fragen zur Vorgehensweise herumgeschlagen, statt den Wählern zu erklären, warum man eigentlich für die Opposition stimmen soll. Und zwar sowohl bei den Vorwahlen als auch bei den Dumawahlen.

Dem Wähler ist doch egal, wer wen hintergangen hat und wer immer noch mit weißer Weste und stolzem Blick dasteht. Den Wähler interessiert, was ihm die Leute, die „in der realen Politik“ mitmischen wollen, neben Schockmeldungen über die Reichtümer der Brüder Rotenberg tatsächlich anzubieten haben.

Der offizielle Wahlkampf hat noch nicht begonnen, noch bleibt Zeit, die Fehler auszubügeln. Aber dazu gilt es über den eigenen Schatten zu springen, die eigene Makellosigkeit in Frage zu stellen, den schmachvollen Erfahrungen Rechnung zu tragen.  

Und es ist überhaupt nicht gesagt, dass das für die Anführer der nicht-systemischen Opposition eine lösbare Aufgabe ist.

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Nicht-System-Opposition

Die Unterscheidung zwischen systemischer und nicht-systemischer Opposition soll verdeutlichen, dass manche oppositionelle Parteien den Kurs des Präsidenten tragen und somit zum „System Putin“ gehören. Dagegen ist der gemeinsame Nenner der nicht-systemischen Opposition die Ablehnung dieses Systems. Zu der Nicht-System-Opposition zählen liberale oder sozialdemokratische Parteien, die die demokratische Verfassung anerkennen, genauso wie marginalisierte rechts- oder linksradikale Gruppen.

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Nicht-System-Opposition

Das Verhältnis der verschiedenen oppositionellen Gruppen in Russland zueinander und zum politischen System ist kompliziert - und eng mit der Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen unter Präsident Putin verbunden. Entscheidend sind die Jahre von 2000 bis 2007: In dieser Zeit wurden Parteien- und Wahlgesetze reformiert und das Parteiensystem insgesamt wurde stabiler. Mit anderen Worten: Es erstarrte – zu einem hierarchischen Gebilde aus der dominanten Regierungspartei Einiges Russland und drei weiteren Parteien, die sich mit ihrem nachgeordneten Platz im System weitgehend arrangierten.

Diese Umbildung lässt sich auch durch den Bedeutungswandel des Begriffs der „systemischen“ beziehungsweise „nicht-systemischen“ Opposition nachvollziehen. Während er zunächst Gruppen bezeichnete, die die formalen demokratischen Regeln ablehnten, wird er jetzt für Akteure verwendet, die im „System Putin” keine Rolle spielen und daher nur am Rande des politischen Prozesses vorkommen.

Noch in den 1990er Jahren wurden in Russland diejenigen Parteien als nicht-systemische oder extrasystemische Opposition bezeichnet, die die „Spielregeln und die normative Begründung”1 des politischen Systems nicht anerkannten – also die demokratische Verfassung selbst von Grund auf ablehnten.2 Dazu zählten unter anderem die 1993 gegründete Nationalbolschewistische Partei sowie zahlreiche rechtsextreme und kommunistische Splittergruppen.

In den 2000er Jahren bildete sich dann nach und nach eine klare Parteienhierarchie heraus. Die Regierungspartei Einiges Russland konnte sich mit viel Unterstützung des Kreml auf allen Ebenen als dominante politische Kraft etablieren – bis zu dem Punkt, an dem Wahlergebnisse vollkommen vorhersehbar wurden. Mit dem Wandel des Parteiensystems wandelte sich auch der Begriff der sistemnaja/nesistemnaja opposizija, der systemischen und der nicht-systemischen Opposition.

ZWEI LAGER(?)

Klassischerweise werden zwei Lager unterschieden: Da ist zunächst die so genannte Systemopposition. Sie besteht aus der KPRF, der LDPR und der Partei Gerechtes Russland (gelegentlich wird auch noch die liberale Kleinpartei Rechte Sache dazugezählt).

Diese Parteien nehmen regelmäßig an Wahlen teil und erringen Mandate – wenn auch nie eine Mehrheit. Für dieses Privileg mussten sie den Preis reduzierter Unabhängigkeit zahlen: Kritische Rhetorik wird geduldet, weitergehende Handlungen dagegen – wie etwa Bündnisse mit radikalen Oppositionsgruppen – ziehen Repressionen nach sich.

Auf der anderen Seite steht die Nicht-System-Opposition. Anders als noch in den 1990er Jahren umfasst der Begriff dabei heute auch viele Gruppen, die ausdrücklich die parlamentarische Demokratie als Organisationsform von Politik unterstützen. Auch was ihre wirtschaftspolitische Ausrichtung betrifft, unterscheiden sich einige dieser Gruppen nicht besonders von der eher zentristisch positionierten Regierungspartei.

Doch was eint dann überhaupt die Nicht-System-Opposition, der heute so verschiedene Gruppen wie die Partei PARNAS von Kassjanow und die Fortschrittspartei Alexej Nawalnys einerseits und die Nationalbolschewisten von Eduard Limonow andererseits zugerechnet werden?

Das einfachste Erkennungsmerkmal ist die Nicht-Teilnahme an Wahlen. Die meisten Gruppen, die der Nicht-System-Opposition zugerechnet werden, sind von der Teilnahme an den formalen Institutionen ausgeschlossen: Sei es, weil ihnen die Registrierung als Partei aufgrund der restriktiven Regeln oder vermeintlicher formaler Fehler versagt wurde, oder weil sie (wie etwa Garri Kasparows Anderes Russland) eine Registrierung ablehnen – da eine solche aus ihrer Sicht die nichtdemokratischen Institutionen legitimieren würde.3

KEINE FUNKTION IM „SYSTEM PUTIN”

Der Begriff nicht-systemisch macht dabei noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: Die marginalisierten Parteien der Nicht-System-Opposition sind für das Funktionieren des hierarchischen Modells unerheblich. Man kann sagen,sie haben im „System Putin” keine Funktion. Dagegen werden die parlamentarischen Oppostionsparteien oft als Stützen des Regimes betrachtet, weil sie unzufriedene Wähler auffangen, die andernfalls zu umstürzlerischen Alternativen abwandern könnten.

Diese Unterscheidung von zwei „Klassen“ russischer Opposition ist allerdings etwas simpel. Es gibt immer wieder Versuche einzelner Gruppierungen an Wahlen teilzunehmen, obwohl sie sie für undemokratisch halten. Beispielhaft steht dafür das Ergebnis Alexej Nawalnys bei den Moskauer Bürgermeisterwahlen im Jahr 2013, als er aus dem Stand 27 % der Stimmen erhielt.

Zudem ist der Übergang zwischen Regimeeliten und Anführern der Nicht-System-Opposition fließender als es die begriffliche Darstellung vermuten lässt. Michail Kassjanow, der heute der höchst putinkritischen Partei PARNAS vorsteht, war unter Putin Ministerpräsident – bevor er 2003 wegen seiner abweichenden Position in der YUKOS-Affäre in Ungnade fiel und 2004 entlassen wurde.

EHER KRITIKER PUTINS ALS KRITIKER DES SYSTEMS

Der Begriff der Nicht-System-Opposition ist aus diesen Gründen nur bedingt tauglich, zu einer differenzierten Beschreibung des russischen politischen Lebens beizutragen. Er suggeriert eine Distanz zum politischen System, die nicht auf alle Beteiligten zutrifft. Zahlreiche Akteure, die mit diesem Begriff erfasst werden, sind weniger Kritiker des politischen Systems als vielmehr Kritiker Wladimir Putins. Sie mit Gruppen zusammenzufassen, die eine wie auch immer geartete Revolution anstreben, erscheint kaum sinnvoll. Zumindest aber zeigen der Begriff und sein Bedeutungswandel anschaulich, wie fundamental sich die politische Landschaft Russlands in den vergangenen 15 Jahren verändert hat – obwohl die Institutionen größtenteils die gleichen geblieben sind.


1. Schmidt, Manfred G. (2010): Anti-System-Partei, in: Wörterbuch zur Politik, Stuttgart, S. 35
2. Bolshakov, Ivan (2012): The Nonsystemic Opposition. In: Russian Politics and Law 50(3): 82–92
3. Kasparov.ru: Oppozicija: Novaja Sistema Koordinat
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Die russische Parteienlandschaft wird seit Mitte der 2000er von der Regierungspartei Einiges Russland dominiert. Dabei wurde durch restriktive Gesetze das Angebot an Parteien dezimiert, die übrigen verloren an Bedeutung. Diese autoritäre Umstrukturierung wurde allerdings dadurch erleichtert, dass die politischen Institutionen die Entwicklung starker Parteien seit den 1990ern gehemmt hatten und Parteien kaum in der Gesellschaft verankert waren.

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Ihr Ko-Vorsitzender Boris Nemzow wurde im Februar 2015 in der Nähe des Kreml erschossen. Seitdem wird die oppositionelle Republikanische Partei Russlands – Partei der Volksfreiheit, kurz RPR-PARNAS, nur von Michail Kassjanow geleitet. Eduard Klein über eine der wenigen liberal-demokratischen Parteien Russlands.

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Ist ein Oppositionspolitiker und Putinkritiker. Von Mai 1999 bis Mai 2000 war er Finanzminister, bevor er unter Präsident Putin zum Ministerpräsidenten aufstieg. 2003 kritisierte er die Festnahme des Yukos-Miteigentümers Platon Lebedew. Mitsamt seinem Kabinett wurde er im Februar 2004 von Putin des Amtes enthoben. Seit 2005 engagiert er sich in der Opposition, seit 2012 ist er im Vorstand der liberalen Partei der Volksfreiheit (RPR-PARNAS).

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Die KPRF ist die Kommunistische Partei der Russischen Föderation. Sie ist die direkte Nachfolgeorganisation der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und orientiert sich politisch an einem sozialistischen Kurs, unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht jedoch auch von ihrer Vorgängerin. Bei den letzten Parlamentswahlen 2016 erreichte die KPRF 13,3 Prozent der Wählerstimmen und bleibt damit die größte Oppositionspartei im Parlament.

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