Den roten Faden für die Presseschau in dieser Woche bilden die Medien selbst: Von den russischen Staatsmedien wird der Militäreinsatz in Syrien mit allen ästhetischen Mitteln in Szene gesetzt, außerdem verlieren viele unabhängige Medien aufgrund eines neuen Gesetzes weiter an Handlungsspielraum. Zwei Schlüsselfiguren der russischen Medienszene sind bereits von ihren Ämtern zurückgetreten.
Die Kamera fliegt über eine zerstörte Stadt. Panzer feuern, Geschosse schlagen in Gebäude ein. Menschen versuchen sich vor den Gefechten in Sicherheit zu bringen. Unterlegt ist die Szene mit harten Elektroklängen. Die postapokalyptisch anmutenden Bilder aus der Vogelperspektive erinnern an ein Videospiel, an einen Hollywood-Blockbuster. Doch der knapp vier Minuten lange Film zeigt keine Fiktion, sondern soll eine Offensive der syrischen Armee in Jobar, einem Vorort von Damaskus, zeigen. Auf YouTube ist der Clip wegen Verletzungen des Copyrights inzwischen gesperrt. Vorher wurde er aber mehr als 2 Millionen mal angeklickt.
Gefilmt wurden die Bilder von russischen Kriegskorrespondenten mit einer Drohnen-Kamera. Die russische Propaganda zeigt die Luftschläge als präzise und technisch bestens organisiert, als sauberen und einfachen Krieg, wie Andrej Perzew von der Denkfabrik Carnegie in Moskau schreibt. Eigene Crews der Staatsmedien begleiten die russische und syrische Armee. Berichtet wird von militärischen Erfolgen, Korrespondent und Kamera scheinen stets hautnah mit dabei zu sein. Gezeigt werden die Bilder unter anderem in der TV-Sendung Wojna (Krieg) im staatlichen Nachrichtenkanal Rossija 24. Hier berichtet Kriegskorrespondent Ewgeni Podduby regelmäßig von Kriegsschauplätzen. Untermalt von dramatisch klingender Musik beschränkt sich die Sendung meist auf das Zeigen angeblich militärischer Erfolge und den Einsatz modernen Kriegsgeräts, Kritik am russischen Vorgehen kommt nicht vor. Gefilmt wird gerne direkt im Schützengraben, in kugelsicherer Weste, mit Helm oder in Nachtsichtoptik für mehr Authentizität – vor einigen Monaten noch aus der Ostukraine, nun aus Syrien.
Ob die Beiträge dem TV-Publikum ein deutlicheres Bild von der Militäroperation und der Lage in Syrien vermitteln, ist fraglich. Von einer PR-Kampagne eigens für die Generation Putin schreibt Slon. Die Pressearbeit des russischen Verteidigungsministeriums ist Militärexperten zufolge in der Tat neu. Man gibt sich transparent, wohl auch, um von Berichten diverser Menschenrechtsorganisationen abzulenken, die von zivilen Opfern russischer Luftschläge berichten. Kritische Experten werden wiederum in den Abendnachrichten diskreditiert. Die Militärs veröffentlichen hochauflösende Bilder und Videos von anscheinend hochpräzisen Bombenabwürfen und verbreiten diese in sozialen Netzwerken. Deren Videospiel-Ästhetik führte wohl auch dazu, dass ein TV-Moderator in Ägypten gleich Bilder zeigte, die aus einem Videospiel stammen, um den Erfolg russischer Angriffe zu zeigen.
Unabhängige Berichterstattung dürfte in Russland künftig noch schwieriger werden, nicht nur in Bezug auf bewaffnete Konflikte. Der Kreml hat in den vergangenen Monaten die Kontrolle der Medienbranche verstärkt. Anfang 2016 tritt ein Gesetz in Kraft, welches ausländischen Unternehmen verbietet, mehr als 20 Prozent an russischen Medien zu halten. Bereits haben erste Medienunternehmen ihre Anteile verkauft und sich aus Russland zurückgezogen, darunter Edipresse aus der Schweiz und Axel Springer aus Deutschland. Zu Diskussionen Anlass gab insbesondere die Zukunft der Zeitschrift Forbes, die Axel Springer Russland als Lizenzausgabe der amerikanischen Forbes herausgab. Mit ihrer Liste der reichsten Oligarchen und Beamten erregte die Zeitschrift immer wieder Aufsehen, der mächtige Rosneft-Chef Igor Setschin gewann wegen der geschätzten Höhe seiner angeblichen Einkünfte, die das Magazin veröffentlichte, gar einen Prozess gegen Forbes. Übernommen wurde das Tochterunternehmen des deutschen Verlagshauses nun von Alexander Fedotow, Besitzer von Artcom Media. Bereits in seinem ersten Interview versprach der neue Besitzer zwar, sich nicht in die redaktionellen Belange einmischen zu wollen, machte jedoch klar, was er ändern will. Forbes sei in Russland zu politisch. Politik und Gehälter von Beamten seien aber nicht Themen, die die Leser in erster Linie interessieren würden, wie er auch in einem Interview mit der Moderatorin Xenija Sobtschak bekräftigte. Als Folge scheiterte der geplante Verkauf von 20 Prozent an Regina von Flemming. Die bisherige Vorstandsvorsitzende von Axel Springer Russland trat daraufhin zurück. Fedotow kündigte zudem an, Geo, Gala-Biographie und die Kinderversion von Geo einstellen zu wollen.
Bereits im Mai verkaufte die finnische Mediengruppe Sanoma ihren Anteil an der Moscow Times, der einzigen englischsprachigen Zeitung in der russischen Kapitale, an Demian Kudrjawzew, bis 2012 CEO des Verlagshauses Kommersant. Kudrjawzew verneinte einen Einfluss des Kremls auf den Kauf und kündigte an, Geld für die Modernisierung der notorisch unterfinanzierten Zeitung in die Hand zu nehmen. Wohl nicht genug, wie sich nun zeigt. Kommenden Monat stellt das Blatt auf wöchentliche Erscheinungsweise um. Nun hat auch Chefredakteur Nabi Abdullaew seinen Rücktritt angekündigt. In einem Interview nannte er Unstimmigkeiten mit dem neuen Besitzer bezüglich der künftigen Aufteilung der Zuständigkeiten über die Redaktion als Grund.
Unklar ist bislang, wie sich die Situation um die renommierte Wirtschaftszeitung Wedomosti weiter entwickelt. Sanomoa, verkaufte seinen 33-prozentigen Anteil ebenfalls an Kudrjawtsew. Die Besitzer der Financial Times und des Wall Street Journals, welche die restlichen Anteile halten, müssen nun bis Jahresende jeweils ebenfalls auf höchstens 20 Prozent reduzieren. Der stärkere Griff der Politik nach der Medienbranche hatte sich angekündigt: Bereits bei der Parlamentsdebatte im vergangenen Jahr war die Rede vom Kampf gegen eine Fünfte Kolonne. Das Ausland habe einen Informationskrieg angezettelt, dem es zu begegnen gelte. Der Schutz der nationalen Souveränität, von der der Vorsitzende der Staatsduma Sergej Naryschkin damals sprach, geht gewissen Politikern allerdings noch nicht weit genug. Diskutiert wird zurzeit ein Gesetzesvorschlag, laut dem Medien jegliche Art von ausländischer Unterstützung melden müssen, ähnlich dem Gesetz, laut welchem NGOs mit ausländischer Finanzierung unter das Register ausländischer Agent fallen.
A propos NGOs: Diese Woche wurde die Liste mit den russischen NGOs veröffentlicht, die finanzielle Unterstützung vom Kreml erhalten. Am meisten Geld erhalten patriotische Projekte und Organisationen, etwa die Biker von den Nachtwölfen oder die Bewegung Antimaidan. Unterstützt werden aber auch ausländische Agenten, darunter etwa Memorial oder die St. Petersburger Soldatenmütter. Gerade für viele kleinere NGOs kompensieren die Kreml-Gelder den Wegfall der ausländischen Finanzierung jedoch nicht. Das Beispiel einer Hotline in Moskau, die Opfern sexueller Gewalt hilft, zeigt, dass die Zivilgesellschaft immer stärker auch unter finanziellem Druck steht.
Beatrice Bösiger aus Moskau für dekoder.org