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Der Physiker und später weltbekannte sowjetische Dissident Andrej Sacharow ist der Vater der sowjetischen Wasserstoffbombe. Nach einer inneren Kehrtwende engagierte er sich zunehmend gegen atomare Aufrüstung und für die Wahrung der Menschenrechte. 1975 wurde er für sein Schaffen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Der Moskauer Andrej Sacharow (1921–1989) trat nach der Schule in die Fußstapfen seines Vaters, der als Physiklehrer arbeitete, und begann ebenfalls ein Studium der Physik an der Moskauer Staatlichen Universität. Da er aufgrund seines schwachen Herzens von der Einberufung in den Großen Vaterländischen Krieg verschont blieb, arbeitete Sacharow von 1942 bis 1944 als Ingenieur in der örtlichen Munitionsfabrik in Uljanowsk.
Nach dem Krieg ging er zurück nach Moskau und promovierte am berühmten Lebedew-Institut, das mehrere Physik-Nobelpreisträger hervorbrachte. In Jahr 1953 wurde er mit erst 32 Jahren zum jüngsten Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt und erhielt den Stalinpreis, die höchste zivile Auszeichnung der Sowjetunion.
Seit seiner Promotion arbeitete Sacharow am Kernwaffenprogramm der Sowjetunion, die sich im Wettrüsten mit den USA befand. 1953 wurde auf sowjetischer Seite die erste Wasserstoffbombe getestet, an deren Bau Sacharow wesentlich beteiligt war und die etwa das 20-fache der Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe besaß. Mitte der 1950er Jahre allerdings wandte sich Sacharow, der den größten Garanten für Frieden im strategischen Gleichgewicht der beiden Atommächte Sowjetunion und USA sah, von der Kernforschung ab. Der eigenwillige Wissenschaftler – er hatte sich bereits geweigert, in die Kommunistische Partei einzutreten – setzte sich immer stärker für nukleare Abrüstung und Menschenrechte ein. Im Hintergrund stand, dass nach einem erneuten Wasserstoffbombentest 1955 erstmals menschliche Opfer zu beklagen waren, darunter ein zweijähriges Mädchen, was den Humanisten Sacharow stark belastete. Später schrieb er dazu: „Die Gedanken und Gefühle, die sich damals herausbildeten und bis heute […] nicht schwächer geworden sind, führten in den folgenden Jahren dazu, dass sich meine gesamte Einstellung änderte.”1
Sacharow versuchte, Chruschtschow auf die langfristigen Folgen von freigesetzter Strahlung aufmerksam zu machen und so von weiteren Atomtests abzubringen, was schließlich 1963 gelang, als die Sowjetunion, die USA und Großbritannien einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffentests unterschrieben. Der zunehmend politisierte Physiker kam mit der Dissidentenbewegung in Kontakt und nahm 1966 an einer Schweigedemonstration zum Schutz politischer Häftlinge teil. 1968 kritisierte er die gewaltsame Niederschlagung des Prager Frühlings und veröffentlichte im Samisdat sein Memorandum Gedanken über Fortschritt, friedliche Koexistenz und geistige Freiheit, in dem er vor den Risiken eines Nuklearkriegs warnte, sich für Abrüstung und Kernwaffenkontrolle sowie für die Demokratisierung der Sowjetunion einsetzte.
Die konsequente Kritik an den Lebensbedingungen in der Sowjetunion und die Abkehr von sozialistischen Ideen führten Sacharow immer stärker in die sowjetische Menschenrechtsbewegung. 1970 war er Mitbegründer des Komitees für Menschenrechte der UdSSR. Er forderte die internationale Abrüstung und wies auf die nukleare Überrüstung der Sowjetunion hin, was ihm bei Teilen der deutschen Friedensbewegung Ablehnung einbrachte.2
Aus dem Kritiker Sacharow wurde zunehmend ein Regimegegner und die Machthaber, die ihm die Ausreise verboten und ihn von seiner Forschungstätigkeit entbanden, erklärten ihn zum Staatsfeind Nr. 1.3 Für sein unermüdliches Engagement wurde Sacharow 1975 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, konnte den Preis jedoch aufgrund eines Verbots der Regierung nicht selbst entgegennehmen, so dass er seiner zweiten Ehefrau, der bekannten Dissidentin Jelena Bonner, überreicht wurde.
Nachdem er 1980 den sowjetischen Einmarsch nach Afghanistan offen kritisiert hatte, wurde er in die geschlossene Stadt Nishni Nowgorod (damals: Gorki) verbannt; seine Frau ereilte 1984 dasselbe Schicksal. Erst unter der Perestroika-Politik wurde ihm – von Gorbatschow persönlich – gestattet, nach Moskau zurückzukehren und sich politisch zu betätigen. 1989 wurde Sacharow in den Volksdeputiertenkongress gewählt, wo er sich den radikalen Reformern anschloss, sich für eine Verfassungsreform einsetzte und sogar einen eigenen Entwurf verfasste.
Kurz vor seinem Tod am 14. Dezember 1989 war er Gründungsmitglied der Menschenrechtsorganisation Memorial, die bis heute die Geschichte der sowjetischen Gulag-Straflager aufarbeitet. Das Europäische Parlament verleiht seit 1988 den Sacharow-Preis für geistige Freiheit, mit dem 2009 auch die Organisation Memorial ausgezeichnet wurde, die selbst zunehmend unter politischen Druck der russischen Regierung gerät.