Im Verhältnis zwischen Russland und den USA ist ein neuer Tiefpunkt erreicht. Im Streit um das Scheitern einer Feuerpause und die Eskalation der Kämpfe in Syrien geben sich beide Seiten gegenseitig die Schuld. Russland steht in der Kritik, gemeinsam mit der syrischen Regierung, weiter Luftangriffe zu fliegen – es waren die schlimmsten Bombardements seit Beginn des Bürgerkriegs. Die russische Seite beschuldigt die USA, nichts dagegen unternommen zu haben, dass sich Kämpfer neu formieren. Die USA haben am Montagabend die Syrien-Gespräche über eine Waffenruhe abgebrochen.
Zugleich hat Russland am Montag das bilaterale Abkommen zur Vernichtung waffenfähigen Plutoniums mit den USA ausgesetzt und will nach russischen Medienberichten harsche Bedingungen an eine mögliche Rückkehr zu der Vereinbarung knüpfen. Dazu gehört die Forderung, eine Truppenstationierung in denjenigen Mitgliedstaaten der NATO zu reduzieren, die seit der Jahrtausendwende beigetreten sind. Außerdem das sogenannte Magnitski-Gesetz aufzuheben, das Russland wirtschaftliche und politische Sanktionen auferlegt. Russland fordert darüber hinaus eine Kompensation für durch die Sanktionen sowie durch – von Präsident Putin selbst erlassene – Gegensanktionen entstandene Schäden.
Die meisten Kommentatoren nehmen für ihre Beleuchtung der angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern das Plutonium-Abkommen zum Anlass, während der Syrien-Krieg in den Meinungsspalten in den Hintergrund rückt.
Gazeta.ru: Auftreten wie Herren einer Großmacht
Für Andrej Kolesnikow, den ehemaligen Chefredakteur der kritischen Novaya Gazeta, bedeutet Russlands einseitiges Aufkündigen des Plutonium-Abkommens das Überschreiten einer weiteren roten Linie. Auf dem Nachrichten-Portal Gazeta.ru erklärt er, warum er das für einen Vorwand hält.
Deutsch
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Um Plutonium geht es hier gar nicht. Wegen dieses silbernen radioaktiven Metalls hätte Russland nicht gefordert, dass die NATO in den verhältnismäßig neuen Mitgliedstaaten ihr Militärkontingent reduziert. In der ehemaligen sowjetischen Einflusszone, wenn man es beim Namen nennen will. Die russische Regierung ist in dieser ganzen Geschichte, was Stil und Inhalt angeht, aufgetreten wie die Herren einer Großmacht. Das Signal, das da über den Atlantik geschickt wurde, bedeutet: Die russische Seite setzt die Beziehungen mit den USA, wie man so sagt, auf hold – bis dort ein neuer Präsident eingesetzt ist, wie auch immer sein Name lauten wird. Die Message ist leicht zu entschlüsseln: Es geht um die Bestrafung eines NATO-Schlüsselstaates für den BUK-Bericht und für die Verschärfung der Beziehungen in Syrien. Und in der Gesamtheit – für alles, was passiert ist, angefangen nicht nur beim Maidan, sondern auch beim Arabischen Frühling.
И дело вовсе не в плутонии. Ради этого радиоактивного серебристого металла Россия не стала бы требовать сокращения своего военного контингента в относительно новых странах НАТО. Бывшей зоне влияния СССР, если называть вещи своими именами. Вообще в этой истории по стилю и по содержанию российские руководители выступили в роли хозяев сверхдержавы. Этот сигнал, посланный через Атлантический океан, означает: российская власть ставит, что называется, на hold отношения с США до появления нового президента Америки, какую бы фамилию он (или она) ни носил. Месседж легко расшифровывается: это «наказание» ключевой евроатлантической страны за доклад по «Буку» и обострение отношений в Сирии. А по совокупности заслуг — за все, что происходило не только начиная с «майдана», но и с «арабской весны».
Komsomolskaja Prawda: Russland bleibt standhaft
Beim regierungsfreundlichen Boulevardblatt Komsolmolskaja Prawda bewertet Iwan Gratschew Russlands Standpunkt in puncto des ausgesetzten Plutonium-Abkommens als zu Recht unnachgiebig: Eine Rückkehr zu diesem Abkommen könne nur möglich sein, wenn die USA zeigten, dass sie für Russland keine Bedrohung seien.
Deutsch
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Es ist völlig klar, dass es für die Amerikaner nicht leicht sein wird, all diese Bedingungen zu erfüllen. Ja, nahezu unmöglich. Zumindest unter dem derzeitigen Präsidenten Obama. Außerdem verlangt das Abkommen den Beteiligten viel ab. Moskau stellt Washington also vor die Wahl – entweder, ihr kehrt zurück zur Zusammenarbeit mit Russland und zur atomaren Abrüstung oder ihr bleibt bei euren Sanktionen, der Freiheit der Ukraine und den Bataillonen in Polen, Rumänien und dem Baltikum. Überlegt, was euch wichtiger ist.
Aber nachgeben wird Russland nicht.
Понятно, что пойти на все эти условия американцам будет непросто. Почти невозможно. По крайней мере, при сегодняшнем президенте Бараке Обаме. Но и ставки этого договора высоки. Получается, Москва ставит Вашингтон перед выбором — или вы возвращаетесь к сотрудничеству с Россией и ядерному разоружению или остаетесь со своими санкциями, «свободой» на Украине и батальонами в Польше, Прибалтике, Румынии. Выбирайте — что вам важнее.
Но играть в поддавки Россия не хочет.
Vedomosti: Atomwaffen nicht als Zankapfel nutzen
Das unabhängige Wirtschaftsblatt Vedomosti beschäftigt sich in seinem Kommentar der Redaktion vor allem mit der Frage, warum Russland ausgerechnet dieses Abkommen ausgesetzt habe und meint, ein Bezug zu atomaren Gefahren sei gerade das, was Russland für seine Propaganda brauche.
Deutsch
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Am Dienstag beginnt zum wiederholten Mal das
Allrussische Zivilschutztraining, einen Tag nach der Aussetzung des bilateralen Abkommens mit den USA [...] Dass beide Ereignisse etwa zur selben Zeit stattfinden, ist Zufall, aber sie stehen, was die allgemeinen Propaganda angeht, in einem Zusammenhang. [...]
Das Gesetz müsste „Sanktnimmerlein“ heißen. Die Amerikaner werden nichts aufkündigen, für sie ist die Nutzbarmachung von Plutonium kein brennendes Thema – ebenso wenig wie für Russland. Aber es klingt schön und bedrohlich, nach über allem schwebenden Gefahren.
Traurig ist vor allem eins: Das Thema Atomwaffen ist das letzte, um das gestritten werden und das als Zankapfel herhalten sollte. Ein Gesetzentwurf des Präsidenten – das ist kein Platz für Witze über dieses Thema. So etwas ist nur in Nordkorea kein Scherz.
Очередная Всероссийская тренировка по гражданской обороне начинается во вторник, на следующий день после приостановки Россией двустороннего соглашения с США об утилизации плутония и внесения аналогичного законопроекта в Госдуму. Совпадение двух событий случайно, но они связаны общим пропагандистским смыслом. [...] Этот проект надо назвать «закон рака на горе». Конечно, американцы ничего отменять не будут, тема утилизации плутония для них не самая больная – как и для России. Но звучит красиво и страшно, туманно напоминает об угрозах.
Печально вот что. Тема ядерного оружия – последнее, вокруг чего надо спорить и что использовать как аргумент. Президентский законопроект – не место для шуток на эту тему. Не шутки это только в Северной Корее.
TV Zvezda: USA provozieren Russland
Der TV-Sender Zvezda, der dem Verteidigungsministerium nahesteht, stellte schon vor einiger Zeit Rechnungen auf, wonach die russische Armee der US-amerikanischen bei Weitem überlegen sei und einen etwaigen Krieg souverän gewinnen könne. Die Schuld für die jüngste Eskalation sieht der militärisch-patriotische Sender eindeutig bei den USA und der NATO.
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Die Sache ist, dass die USA in letzter Zeit insgesamt Schritte unternehmen, die zu einer Veränderung der strategischen Stabilität führen. Unter anderem geht es um die militärische Aufrüstung in Osteuropa, darunter in Staaten, die nach dem Jahr 2000 in die NATO aufgenommen wurden.
In einer Reihe von Staaten wurden bereits militärische Einsatzzentralen stationiert – von Bulgarien bis Estland. Auf dem Gebiet der Baltischen Länder wurden Einheiten der amerikanischen Armee stationiert, hier wurde auch die Menge der NATO-Flugzeuge aufgestockt. In der Ukraine führen amerikanische Ausbilder nahezu demonstrativ Schulungen für Kämpfer des Rechten Sektors durch (einer in Russland verbotenen Organisation). Wenn das keine Provokation ist!
Дело в том, что США в последнее время в целом предпринимают шаги, ведущие к изменению ситуации в области стратегической стабильности. В частности, речь идет о наращивании военного присутствия в Восточной Европе, в том числе в государствах, принятых в НАТО после 2000 года.
Передовые пункты управления войсками уже размещены в целом ряде стран - от Болгарии до Эстонии, подразделения американской армии введены на территорию Прибалтики, увеличено и число базирующихся здесь самолетов НАТО. На Украине штатовские инструкторы чуть ли не демонстративно проводят обучение боевиков «Правый сектор» (запрещенной в России организации). Что это, как не вызов?
Alexander Morosow (facebook): Ohne Kompromiss eigene Forderungen stellen
Alexander Morosow, unabhängiger Journalist und Politologe, meint, dass Putin die bald neu gewählte US-Regierung in Zugzwang bringen wolle. Auf seiner facebook-Seite schreibt er, es gehe nicht um das Abkommen selbst, sondern darum, im Voraus das Signal zu versenden: kein Kompromiss.
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Putin wollte einfach vorweg greifen und zeigen, dass er auf den Kurs, den die neue US-Regierung vorlegen wird, vorbereitet ist und zu einem nachfolgenden kompromisslosen Konflikt bereit. In seiner Erklärung [...] geht es um zwei Themen: Zahlungen und Plutonium. Es ist dabei egal, wie ernst beide Themen für sich genommen sind. Eine Schlüsselrolle spielt hier allein, dass diese beiden Themen zum Einsatz kommen: Zahlungen – als Antwort darauf, dass Moskau für die Krim nicht zahlen, nicht den Weg einschlagen wird, über den liberale Moskauer Politiker häufig sprechen als „Lösung des Problems“. Vielmehr umgekehrt: Putin selbst fordert eine Zahlung.
Путин просто сделал шаг с опережением, показывая, что готов к тому курсу, который будет проводит новая администрация США и к дальнейшему бескомпромиссному конфликту. В его заявлении (и законопроекте) две темы: платежи и плутоний. Не имеет значения, насколько обе темы "серьезны" сами по себе. Ключевым тут является само использование этих двух тем. "Платежи" - это ответ на то, что Москва не будет платить за Крым, не пойдет по пути, о котором иногда говорят "либеральные" московские политики, как о "решении проблемы" (Хакамада, Д.Гудков). Наоборот: Путин требует еще и доплатить ему.
Slon: Vorwürfe gehören zur Strategie des Kreml
Sergej Medwedew geht auf dem liberalen Portal Slon.ru als einer der wenigen ganz intensiv auf die gescheiterten Syrien-Gespräche ein, um sie in den Kontext aller diplomatischen Verwicklungen in diesen Tagen zu stellen, die das Verhältnis mit dem Westen belasten. Der Journalist und Historiker sieht Russland als globalen Störenfried, der ein gefährliches Spiel spiele.
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Die jüngsten Beschuldigungen des Westens fügen sich in die langfristige Strategie des Kreml ein, das Bild eines unvorhersehbaren und gefährlichen Akteurs zu erwecken, der die globalen Regeln bricht und den alle zu fürchten haben. Offensichtlich waren weder der Abschuss der Malaysischen Boeing noch die Bombardierungen ziviler Objekte in Syrien bewusste Handlungen seitens Russland, doch entspringen sie jener Hochrisikosphäre, die Moskau auf postsowjetischem Gebiet und im Nahen Osten erschaffen hat [...]
Последние обвинения Запада вписываются в долгосрочную стратегию Кремля по созданию образа непредсказуемого и опасного игрока, нарушителя глобальных правил, которого всем следует бояться. Очевидно, ни уничтожение малайзийского «Боинга», ни бомбежка гражданских объектов в Сирии не были сознательными акциями России, но они произрастают из той высокорисковой среды, которую Москва создает на постсоветском пространстве и на Ближнем Востоке, [...]
dekoder-Team