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Editorial: Unser erstes jubilej – wir sind jetzt 5!

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Unser erstes jubilej – wir sind jetzt 5!

Da werden wir 5 und schon fühlt es sich an, als wären wir richtig groß. Unbeschwertes Feiern erinnern wir aus Kindertagen: Heißa, war das eine Freude, als wir 2016 – nach einem Jahr – frei von Erwartungen nach Köln zur Grimme-Gala fuhren und preisgekrönt und durchgefeiert wiederkamen.
 
Der nächste große Meilenstein war mit 3, als wir selbstständig wurden. Unser Gründer Martin Krohs machte uns zu Gesellschaftern der Dekoder gGmbh und sagte, „Nun macht mal, ihr Teufel“ – ohne uns je Zuneigung, Zuwendung und Kooperation zu entziehen. Das war auch die Geburtsstunde des dekoder-Klubs, der uns seitdem einen stabilen mentalen Hintergrund gibt in der volatilen Online-Welt. Unterdessen haben wir unser erstes Buch produziert, entschlüsseln Deutschland und Europa für russischsprachige Leserinnen und Leser und sind auf dem Weg, die Multimedia-Wissenschaftskommunikationswelt mit Specials aus dem dekoder-Lab zum Leuchten zu bringen.

Es gibt derzeit nichts zu beschönigen: Die Vergiftung eines Oppositionellen mit heftigem diplomatischem Schock zwischen Deutschland und Russland, das passt nicht zu Geburtstagsfeiern. Und doch zeigen uns die Entwicklungen einmal mehr, wie wichtig das gegenseitige Dekodieren und Entschlüsseln ist. 

Wir sind jetzt 5 Jahre alt. Das erste Jubiläum! Als uns das bewusst wurde, hatten wir die Idee, uns beschenken zu lassen. Und so haben uns Wegbegleiter, Freunde und Förderer ihre Glückwünsche zugesandt. Und ganz ehrlich: Was kann es Schöneres geben, als sich gemütlich in den Sessel zu setzen und einem Chor der Freude zu lauschen – der Freude über das, was wir seit 5 Jahren tun. Dankbar dafür, in dieser schwierigen Zeit eventuell einen kleinen Beitrag zu leisten, und dankbar, vielen Menschen damit eine Freude zu machen, etwas zu geben, was ihnen wichtig ist. Dieses Gefühl ist ein großes Geschenk. 

Danke und auf die nächsten 115!
eure dekoderщiki
 
Falls ihr uns noch was Kleines oder Großes schenken wollt, wir freuen uns – jede Geburtstagsspende wird von der Konvert-Stiftung verdoppelt!


 

https://www.youtube.com/watch?v=zAgrOS63PTY

„Ich kenne kein anderes Portal, wo man sich über den Osten Europas so intensiv, so facettenreich informieren kann. Ich bin ständig auf eurem Portal und ich unterstütze es, soweit es geht!”
Thomas Wiedling, Wiedling Literary Agency
 

https://www.youtube.com/watch?v=ideVEICT304

„Die Wirklichkeit ist nicht immer so, wie sie erscheint. Danke, lieber dekoder, dass du seit 5 Jahren Russland für uns entschlüsselst“
Ulrich Schmid, Slawist und Buchautor („Technologien der Seele. Vom Verfertigen der Wahrheit in der russischen Gegenwartskultur“)

 

https://www.youtube.com/watch?v=RYzVnVlkRs4

„Hi dekoder, ich finde toll, dass ich bei komplexen Zusammenhängen oft einfach einen Text von dekoder verlinken kann. Ich danke euch für eure tolle Arbeit.“
Denis Trubetskoy, Journalist, Kiew
 

https://www.youtube.com/watch?v=PkHlJKcFI_k

„Cheppi Börsdej"
n-ost border crossing journalism
 

https://www.youtube.com/watch?v=Zp5TQZTC1hw

„Die Matrix des Putinismus wird von Geheimdienstlern geschrieben. Umso wertvoller die Arbeit des dekoder-Teams, Eindrücke, Hintergründe, Fundstücke für die mühevolle Spurensuche. Danke dafür und herzlichen Glückwunsch.“
Udo Lielischkies, Journalist und Buchautor („Im Schatten des Kreml“)

 

https://www.youtube.com/watch?v=nCbrjxZIGUU

„dekoder hat sich zur Aufgabe gemacht, die Themen und Diskurse aus Russland heute nach Deutschland zu bringen. Das Goethe-Institut versucht auf dem Gebiet der Kultur und Sprache etwas sehr Ähnliches. Heute, im Sommer 2020, ist das vielleicht wichtiger denn je!“
Günther Hasenkamp, Goethe-Institut Sankt Petersburg

 

https://www.youtube.com/watch?v=R5n_rzTuslQ

„Fünf Jahre, in denen ihr alle Tage für Aufmerksamkeit gesorgt habt, für Verständnis gesorgt habt, für Genauigkeit und Entschlüsselung …  Eine großartige und hochachtbare Arbeit, die ihr täglich tut, für viele, die ihr habt gewinnen können, sich darüber Gedanken zu machen, wie unsere Länder funktionieren, was dort geschieht, wie sie sich verstehen und verständigen können – man kann es nämlich auch, anders als das berühmte russische Zitat sagt, mit dem Verstand begreifen, durch Lesen und durch Gucken. Wir wünschen euch, dass ihr selbst begeistert bleibt, dass ihr uns weiter so begeistert, dass ihr diese differenzierte Betrachtung für uns weiter schafft.“
Stefan Melle, Deutsch-Russischer Austausch

 

https://www.youtube.com/watch?v=4BUT1PJJb2A

„Ich weiß gar nicht, was ich die ganzen Jahre ohne euch gemacht habe – dekoder ist mittlerweile unverzichtbar in der deutschen Medienlandschaft und ein unverzichtbarer Brückenbauer zwischen Russland und Deutschland.“
Christian Mihr, Reporter ohne Grenzen

 

https://www.youtube.com/watch?v=JA0_x3gFCOw

„Ihr schafft auch für jemanden wie mich, der in der alten Gutenberg-Welt zu Hause ist, viele neue Zugänge und Informationen, die mir ganz unentbehrlich sind. Also vorwärts im Kampf, ihr wisst schon!“
Gerd Koenen, Historiker und Buchautor („Die Farbe Rot“)

 

https://www.youtube.com/watch?v=HibuGnPq_D0

„Alle Bücher hinter mir beschäftigen sich mit der alten Sowjetunion und mit Russland. Das war meine Vergangenheit. Heute ist dekoder meine Zukunft, denn dekoder informiert, dekoder orientiert und dekoder hilft zu verstehen, was Russland betrifft.”
Johannes Grotzky, Journalist und Buchautor („Lenins Albtraum“)

 

https://www.youtube.com/watch?v=3Umcf6NdaeA

„Happy birthday, dekoder“
Julia Spiering, Musikerin

 

https://www.youtube.com/watch?v=3iWhs_TUVyw

„S prasdnikom. Ich freue mich sehr, dass es euch gibt und dass ich euch kenne. Nicht nur wegen eurer Leidenschaft für Osteuropa, den freien Journalismus und das Dekodieren, sondern weil ihr mir auch die Möglichkeit gebt, dazuzulernen und zu teilen. Und an Wunder zu glauben. Wsego choroschego. Do 120!”
Irina Bondas, Dolmetscherin und Übersetzerin

 

https://www.youtube.com/watch?v=jsJhWmRR8Mk

„Ihr berichtet ohne rosarote Brille, aber auch nicht schwarzweiß, sondern spendet Durchblick. Die Beschenkten sind wir. Dafür vielen Dank!“
Henrike Schmidt, Slawistin und dekoder-Gnosistin

 

https://www.youtube.com/watch?v=Y_Qbr-bAAI8

Löwenmäulchen Geburtstagsgruß
Ruth Altenhofer, Übersetzerin

 

https://www.youtube.com/watch?v=OwIDtf304Oo

„Ich bin russischer Cellist und wohne in Hamburg. Ich lese euch regelmäßig, ihr seid Teil meines Alltags. Ihr macht eine unglaublich wichtige und tolle Arbeit“
Alexey Stadler, Cellist

 

https://www.youtube.com/watch?v=CYB7mrzuyEc

„Eure Arbeit ist eine Bereicherung! Ich habe durch eure Aufsätze und Hintergrundberichte so viel hinzulernen dürfen, dass ich nur sagen kann: Macht weiter so!“
Dirk Wiese, Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft der Bundesregierung bis August 2020

 

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Viktor Zoi

Als am 6. August 2020, kurz vor der Präsidentschaftswahl in Belarus, hunderte Einwohner von Minsk – Familien, Alte und Jugendliche – zu dem Platz kamen, auf dem ein staatlich organisiertes Familienfest stattfand, geschah plötzlich etwas Außergewöhnliches: Ein bekanntes, unverwechselbares Gitarrenriff dröhnte aus den Boxen, viele Menschen streckten die Fäuste gen Himmel und spätestens beim Refrain stimmten fast alle auf dem Platz mit ein: „Peremen, my shdjom peremen“ („Wandel, wir warten auf den Wandel!“). Die Besucher der Veranstaltung waren hauptsächlich Anhänger der Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja, die sonst keinen Platz für eine geplante Kundgebung erhalten haben: All die wenigen Plätze, die in Minsk für politische Aktionen vorgesehen sind, wurden von ähnlichen staatlich organisierten Veranstaltungen besetzt. Die beiden DJs des Familienfestes drückten ihre Solidarität mit den Anhängern Tichanowskajas aus, indem sie dieses Lied auflegten: Chotschu peremen (dt. Ich will den Wandel) von Kino stammt aus dem Jahr 1986 und gilt vielfach als Hymne der Perestroika. Und Viktor Zoi, Sänger der Kultband, galt schon damals als Idol der sowjetischen Jugend. Nachdem er am 15. August 1990 durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen war, nahmen sich Dutzende Jugendliche das Leben. Sein früher Tod leistete der Legendenbildung Vorschub: Bis heute hält sich um den Sänger ein Erinnerungskult, der von Jugendgeneration zu Jugendgeneration weitergegeben wird. Und seine Lieder sind mehr als nur ein Denkmal ihrer Zeit. Sie sind zum Symbol politischer Veränderungen im postsowjetischen Raum geworden. Die beiden DJs, die das Lied in Minsk im Vorfeld der Präsidentschaftswahl abspielten, wurden jeweils zu zehn Tagen Haft verurteilt.

Heute lassen sich die Lieder Zois als akustisches Symbol für eine Zeit hören, in der Veränderungen möglich schienen. Das gilt vor allem für sein Lied Chotschu peremen, das 1986 im Leningrader Rock-Klubmit seiner Wut wie eine Bombe“ (Olga Caspers) einschlug. Zwar gibt es vereinzelte Stimmen, die die Bedeutung Zois eher in seiner Beschreibung des Kriegs „als dem natürlichen Zustand der Menschheit“ (Iwan Martynenko) sehen. Dazu passt, dass Zoi als Jugendlicher Bruce Lee bewunderte und asiatischen Kampfsport betrieb. Doch nichtsdestoweniger gilt auch für Popmusik die Feststellung, dass ihre Bedeutung vor allem darin liegt, wie sie vom Publikum wahrgenommen wird – und nicht so sehr darin, was sie vielleicht aussagen wollte. Daher nimmt das Lied Chotschu peremen im überschaubaren, gut 100 Lieder umfassenden Schaffen von Zoi eine Sonderstellung ein. Im übrigen gibt es einige andere Lieder, die aus diesem Themenbecken schöpfen.  

Generation der Straßenfeger und Wächter

Viktor Zoi wurde am 21. Juni 1962 in Leningrad als Sohn eines koreanischstämmigen Ingenieurs und einer russischen Sportlehrerin geboren. Künstlerisch inspirierten ihn englische Bands wie die Beatles und die Rolling Stones, aber auch sowjetische Sänger und Schauspieler wie Michail Bojarski und Wladimir Wyssozki. Bereits als Jugendlicher spielte Zoi in einer Schülerband, etwas später auch in einer der ersten sowjetischen Punk-Bands mit. Seine Schullaufbahn verlief entsprechend den Bedingungen im Sowjetstaat: Aufgrund eines Konflikts mit einem Lehrer über die Geschichte der Kommunistischen Partei musste Zoi die Schule verlassen und den Beruf eines Holzschnitzers erlernen. Später übte Zoi lange Jahre den Beruf eines Heizers aus, selbst als er bereits ein Star in der Sowjetunion war. Wie viele andere Rockmusiker der „Generation der Straßenfeger und Wächter“, wie sie Grebenschtschikow in einem Lied nannte, konnte er unter den Bedingungen des Kommunismus von seiner Kunst nicht leben. 

Das erste Konzert mit einer neugegründeten Band spielte Viktor Zoi im Sommer 1981 auf der Krim. Im Winter 1981/82 erhielt seine neue Gruppe den Namen Kino, den sie bis zu Zois Tod und der darauf folgenden Auflösung der Gruppe behielt. Kino wurde Teil des legendären Leningrader Rock-Klubs, in dem die Gruppe 1982 ihr erstes Konzert gab. Bei diesem spielte unter anderem Boris Grebenschtschikow mit, der mit seiner Gruppe Aquarium vermutlich wichtigste Protagonist der alternativen Pop- und Rockmusik

Ausdruck der sowjetischen Jugend

In dieser Zeit nahm Zoi mit Kino sein erstes Kassettenalbum auf. Es erhielt den Titel 45, weil es genau 45 Minuten lang war. Grebenschtschikow und Musiker von Aquarium beteiligten sich an diesem Album. In den Liedern von 45 drückte Zoi ganz unmittelbar und neuartig das Empfinden sowjetischer Jugendlicher aus. Das Stück Elektritschka lässt sich zum Beispiel als Metapher auf den Sowjetkommunismus lesen und ironisiert dabei die eng mit dem Glauben an den technischen Fortschritt verknüpften ideologischen Schablonen des Sowjetkommunismus: „Die Elektritschka bringt dich dorthin, wo du gar nicht hin möchtest.“  

Aber auch alltägliche, die Langeweile und zeitweilige Trostlosigkeit der Jugend widerspiegelnde Situationen werden auf dem Album beschrieben: 

Deutsch
Original
Du gehst allein die Straße entlang.  
Du gehst zu irgendeinem von deinen Freunden.  
Ohne Grund besuchst du jemanden  
und fragst nach Neuigkeiten.
Du willst einfach nur wissen, wo und was gerade so los ist. 
Идешь по улице один.
Идешь к кому-то из друзей.
Заходишь в гости без причин
И просишь свежих новостей.

Langeweile und Ziellosigkeit – das waren Kategorien, die im hergebrachten sowjetischen Unterhaltungsgenre Estrada bis dahin keinen Platz hatten.

Auch wenn die musikalische Qualität des mit einfachen Mitteln aufgenommenen Albums etwas zu wünschen übrig lässt: Die Einfachheit der Aufnahme macht ihren Charme und ihre Unmittelbarkeit aus. 45 ist eines der ersten sowjetischen Alben, auf dem ein Drum-Computer eingesetzt wurde, und zwar aus reiner Not: für die Aufnahmen fehlte ein Schlagzeuger. In der Folge wurde die Nutzung des Drum-Computers stilbildend für die Gruppe und machte den besonderen Klang der Band aus, der zwischen Punk, New Wave, Rock'n'Roll und Synthie-Pop schwankt. Prägend für die Songs von Kino war zudem der ganz eigene Charakter des Gesangs von Viktor Zoi, der zugleich melancholisch und klar war.   

Auf dem Höhepunkt der Popularität 

Die Lieder der Gruppe wurden in der Mitte der 1980er Jahre immer politischer: Beim zweiten Leningrader Rock-Festival 1984 spielte die Gruppe das Antikriegslied Ja objawljaju swoi dom mit der Textzeile „Ich erkläre mein Haus zur atomfreien Zone“. Damit gewann Kino den Preis des Rock-Klubs. 

Die Perestroika-Politik der zweiten Hälfte der 1980er Jahre ermöglichte Zoi, sein Schaffen nun auch einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren: An seinem Album Natschalnik Kamtschatki (dt. Der Kommandeur von Kamtschatka) wirkte erneut Boris Grebenschtschikow mit. Die Lieder wurden politischer, die Texte aber auch komplexer. Die Lieder besangen das einsame Individuum – eine neue Note im sowjetischen Zusammenhang. Rasch erschienen weitere Alben mit Hits wie Mama – anarchija (dt. Mama ist die Anarchie). 

Viktor Zoi, Sänger der Band Kino, galt schon vor seinem frühen Tod als Symbol der sowjetischen Jugend / Foto © Galina Kmit / Sputnik

Zoi beschränkte sich nicht auf die Musik. Als Schauspieler wirkte er 1988 unter anderem an den Filmen Assa von Sergei Solowjow und Igla (dt. Die Nadel) von Raschid Nugmanow mit. Teil des Soundtracks von Assa war das Lied Chotschu peremen. Der Film Igla und das ebenfalls 1988 erschienene Album Gruppa krowi (dt. Blutgruppe), das auch im Ausland auf den Markt kam, erzeugten in der Sowjetunion eine regelrechte Kinomanie. Die Band trat nun auch in Ländern des Westens auf, in Dänemark, Frankreich und Italien. 

Die Auftritte der Gruppe wurden immer größer – Viktor Zoi war zum Star geworden. Am 24. Juni 1990 gaben Kino im Moskauer Stadion Lushniki vor 62.000 Zuschauern ihr bis dahin größtes und zugleich letztes Konzert. Im Anschluss an diesen Triumph machte sich Zoi mit dem Gitarristen Juri Kasparjan auf einer Datscha bei Jurmala (Lettland) an die Arbeit an einem neuen Album. 

Früher Tod und Legendenbildung

Am 15. August 1990 kam Viktor Zoi bei einem Autounfall in der Nähe des lettischen Tukums mit nur 28 Jahren ums Leben. Der Unfall bildete unter anderem auch den Anlass für Verschwörungstheorien: Noch heute gibt es Gerüchte, Zoi sei nicht verunglückt, sondern ermordet worden – eine angesichts anderer Operationen östlicher Geheimdienste nicht unwahrscheinlich anmutende Version des Todes. Zur Legende gehört auch die Erzählung, das Band mit der Aufnahme des Gesangs von Zoi habe den Unfall unversehrt überstanden, obgleich das Auto ansonsten völlig zerstört gewesen sei. Der Gitarrist Juri Kasparjan korrigierte diesen Mythos jedoch bereits 2002 in einem Interview.3 Postum erschien das Tschorny Albom (dt. Schwarzes Album), dessen Gesangsspur Zoi bereits eingesungen hatte. 

Vielleicht stimmt die Auffassung, gerade der frühe Tod Zois habe bewirkt, dass der Sänger nachhaltig zur Legende wurde – Viktor Zoi also gleichsam als russischer James Dean. Andrej Tropillo, der als Toningenieur unter anderem das erste Album von Kino aufgenommen hatte, meinte im Nachhinein, Zoi sei gerade „rechtzeitig“ gestorben: Der Zenit seines Schaffens sei bereits überschritten gewesen, die letzten Alben seien künstlerisch bereits schwächer geraten als die ersten.4 Ganz gleich, ob diese etwas zynisch anmutende Sicht der Wirklichkeit nahekommt, in einem Punkt hat Tropillo zweifellos recht: Die Legendenbildung um Zoi hat der frühe Tod des Sängers erst ermöglicht. 

Erinnerungskult

Noch heute wird Zoi in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nahezu kultisch verehrt. Symbolhaft steht er für die Zeit der Perestroika, in der Veränderungen nicht nur wünschenswert, sondern auch – anders als vielleicht heute – möglich schienen. Das Gedenken trägt besondere Züge, und es hält bis heute an: Der Regisseur Kirill Serebrennikow verarbeitete das Leben Zois 2018 in dem biographischen Spielfilm Leto (dt. Sommer), der mit einem Europäischen Filmpreis gewürdigt wurde. Die Preisübergabe in Cannes konnte allerdings nicht stattfinden, weil sich Serebrennikow damals in Moskau in Hausarrest befand. 

Auf dem Moskauer Arbat etwa gibt es eine inoffizielle Zoi-Gedenkmauer mit Graffitis, die an den Sänger erinnern. Auch in anderen Städten der früheren Sowjetunion sind ähnliche Mauern zu finden. Den Status eines Naturdenkmals erhielt im Februar 2020 eine Zoi-Trauerweide in Kiew. Am Unfallort selbst, aber auch an anderen Plätzen in den Ländern der früheren Sowjetunion, erinnern Denkmale an Viktor Zoi, den sein Tod gleichsam unsterblich machte.


1.Zvezda po imeni Viktor Zoj: Interv'ju s Juriem Kasparjanom, in: Tinejdžer, № 54, 21. bis 27. Juni 2002 
2.topdialog.ru: «Vovremja ujti — eto pravil'no. Russkij narod očen' ljubit mertwecov»: Andrej Tropillo o Viktore Coe 
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