Nach tausenden Nachrufen, die verfasst worden waren, nach Trauer und Entsetzen über die Ermordung des russischen Journalisten, kam die Nachricht: Arkadi Babtschenko lebt. Der Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU hatte am 30. Mai auf einer Pressekonferenz in Kiew zunächst erklärt, der Fall sei gelöst. Dann trat Arkadi Babtschenko vor die verblüfften Journalisten. Die Ermordung sei inszeniert gewesen, so die Nachricht. Dies sei nötig gewesen, um den Drahtzieher eines tatsächlich geplanten Mordanschlags auf Babtschenko zu ermitteln. Ein Hintermann sei gefasst worden, ein ukrainischer Staatsbürger G., dem die russischen Geheimdienste insgesamt 40.000 Dollar angeboten hätten, damit er die Ermordung Babtschenkos veranlasse. Daraufhin habe er einen Auftragsmörder angeheuert. Den Hintermann G. habe man identifiziert und festgenommen.
Neben allgemeiner Freude darüber, dass Arkadi Babtschenko lebt, waren die internationalen Reaktionen auf die Spezialoperation des SBU gespalten. Der OSZE-Medienbeauftragte Hamid Désir bedauerte „die Entscheidung, falsche Informationen über das Leben eines Journalisten zu verbreiten. Es ist Pflicht eines Staates, korrekte Informationen an die Öffentlichkeit zu geben“. Auch die internationale Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen äußerte sich kritisch darüber, dass „die Kiewer Polizei mit der Wahrheit gespielt hat“. Das Atlantic Council veröffentlichte ein Q&A unterschiedlicher Meinungen internationaler Ukraine-Experten.
Die Spezialoperation des SBU – ein grandioser Coup? Oder gefährliches Spiel mit der Wahrheit? dekoder bringt Ausschnitte aus den Debatten in russischen und ukrainischen Medien.
Facebook / Arkadi Babtschenko: Nerviges Gesterbe
In die allgemeine Aufregung nach der Kiewer Pressekonferenz hinein postete Arkadi Babtschenko auf Facebook:
Mein Gott, dieses Gesterbe ist doch völlig nervig ©.
Guten Morgen.
Видимо планида такая, воскресать каждые четыре года.
Господи, как же умирать-то надоело (с).
Доброе утро.
erschienen am 30.05.2018
Facebook / Anton Geraschtschenko: Einzigartige Spezialoperation
Auf Facebook zeigt sich der ukrainische Abgeordnete Anton Geraschtschenko von der Spezialoperation des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU begeistert:
Einzigartig ist auch, dass es bei dieser Spezialoperation keinerlei Informationslecks gab, weder vor der Mordinszenierung an Arkadi Babtschenko noch danach. Das spricht dafür, dass wir gelernt haben, auch an der unsichtbaren Konfrontationsfront mit den russischen Sicherheitsdiensten zu kämpfen.
Уникальным также является тот факт, что не было утечки информации об этой спецоперации ни до инсценировки убийства Аркадия Бабченко, ни после. Это говорит о том, что мы научились воевать и на невидимом фронте противостояния российским спецслужбам.
erschienen am 30.05.2018
Facebook / Ivan Yakovina: Irgendein G.
Der Journalist Ivan Yakovina arbeitete einst bei Lenta.ru, lebt und arbeitet seit 2014 in der Ukraine. Er kommentiert auf Facebook weit weniger euphorisch:
Wobei dieser, wenn ich das richtig verstanden hab, bloß Geld von den Auftraggebern an den Vollzieher übergeben hat. Er war also, einfach gesagt, ein Bote.
Ich verstehe, wenn sie ein riesiges, verzweigtes Netz aufgedeckt hätten, mit Illegalen, Agenten, Informanten. Dann wäre es das wert gewesen. Aber wir haben hier nur irgendeinen G.
Was soll das bitteschön?
Причем, если я правильно все понял, он лишь передавал деньги от заказчиков исполнителю. Проще говоря, был курьером.
Мне кажется, цена больно уж высока.
Я понимаю, если бы вскрыли огромную, разветвленную сеть - с нелегалами, агентами и резидентами. Тогда оно того бы стоило. А тут какое-то Г!
Ну как так?
erschienen am 30.05.2018
Facebook / Mustafa Najem: Eins hinter die Löffel!
Ähnlich kritisch sieht es auf Facebook auch der ukrainische Investigativjournalist und Politiker Mustafa Najem, der einst den Maidan angestoßen hatte:
erschienen am 30.05.2018
Novaya Gazeta: Russische Methoden
Das Investigativmedium The Insider veröffentlichte einzelne Beispiele, in denen russische Geheimdienste Mordfälle inszeniert hatten. Entsprechend macht die kremlkritische Novaya Gazeta im Fall Babtschenko „russische Methoden“ aus:
erschienen am 30.05.2018
Rosbalt: Enttäuscht von Arkadi
Der prominente kremlkritische Publizist Stanislaw Belkowski zeigt sich auf Rosbalt persönlich enttäuscht:
Mir stößt es schwer auf, dass mein Freund Arkadi Babtschenko da mitmacht. [...] Auch ich bin auf meine Art ukrainischer Patriot, aber das, was hier geschieht, eine solche Häme im Stil Viktor Janukowitschs, nur noch schlimmer, ist für mich äußerst bitter, und ich bin höchst enttäuscht über das, was da geschieht.
Поэтому ищутся странные способы, придумываются политтехнологические комбинации для того, чтобы поднять рейтинг Петра Порошенко. [...]
Для меня очень обидно, что в этом участвует мой друг Аркадий Бабченко. [...] И я по-своему патриот Украины, а то, что происходит, такое издевательство в стиле Виктора Януковича, только еще хуже, для меня крайне горько и я весьма разочарован в происходящем.
erschienen am 30.05.2018
Facebook / Gleb Morew: Merkwürdige Meinungslage
Gleb Morew, Chefredakteur des unabhängigen Kulturmagazins Colta.ru, kann dagegen solche Vorwürfe gegen Babtschenko nicht verstehen. Auf Facebook schreibt er:
erschienen am 30.05.2018
Komsomolskaja Prawda: Neuer Boden für neue Zweifel
Alexander Kotz schreibt im kremlnahen Boulevardblatt Komsomolskaja Prawda, dass der Fall zu neuen Zweifel auch bei anderen Themen führen wird:
Und ein weiteres Mal konnte ich mich davon überzeugen, dass die Welt keinerlei Beweise braucht, um Russland schreckliche Verbrechen anzuhängen. Ein adäquates Verhältnis zu meinem Land zu erwarten, ist sinnlos. Und so habe ich gesehen, dass die ukrainischen Geheimdienste in ihren Diskreditierungs- und Diffamierungs-Bemühungen gegenüber Russland keine Grenzen kennen.
Das heißt, dass viele nun weniger daran zweifeln werden, dass die Ukraine beispielsweise die MH17 abgeschossen hat. Auch Eduard Limonows Version, dass die Skripals von Mitarbeitern des SBUs vergiftet wurden, wirkt nun nicht mehr exotisch.
erschienen am 30.05.2018
Facebook / Sergej Medwedew: Was bleibt
Für den kremlkritischen Historiker und Publizisten Sergej Medwedew ändert sich dagegen in gewisser Hinsicht nichts, wie er auf Facebook schreibt:
Ich werde meine Postings der letzten 24 Stunden nicht löschen, alles, was ich denke über den toxischen Zerfall des Imperiums und die vergiftete Luft des Krieges, über die Boeing, Nemzow und Politkowskaja, über die sinnlosen Hoffnungen auf das mythische Haag und die göttliche Gerechtigkeit, all das bleibt – und Gott sei Dank ist das Martyrologium nicht noch um einen Namen erweitert.
erschienen am 31.05.2018
Facebook / Roman Schraik: Ein Happy End?
Der ukrainische Blogger Roman Schraik fasst auf Facebook die unterschiedlichen Sichtweisen folgendermaßen zusammen:
Wie sich der SBU ein Happy End vorstellt: Der Mord an Babtschenko wurde verhindert, der Organisator des Mordes verhaftet, die Verbindung zum Auftraggeber wurde aufgedeckt.
Wie sich internationale Journalistenverbände ein Happy End vorstellen: Babtschenko ist tot, Journalisten fordern, den Vollstrecker zu finden, sind entrüstet und stellen Fragen.
хэппи-энд в представлении сбу - убийство бабченко предотвращено, организатор убийств задержан, связь с заказчиком обнаружена
хэппи-энд в представлении международных журналистских организаций - бабченко мертв, журналисты требуют найти исполнителя, негодуют и вопрошают
erschienen am 31.05.2018
Facebook / Jakow Ochonko: Neues Zeitalter
Jakow Ochonko, Dozent an der Moskauer Higher School of Economis und Chef vom Dienst der Philosophie-Zeitschrift Logos, sieht auf Facebook gar ein neues Zeitalter angebrochen:
erschienen am 30.05.2018
dekoder-Redaktion