Die Abteilungen zur Bekämpfung des Extremismus sind eigenständige Polizeieinheiten in allen Regionen Russlands. Sie arbeiten mit einem sehr großzügig interpretierten Extremismusbegriff. Neben Rechtsradikalen überwachen sie auch außerparlamentarische Oppositionelle und Demonstrierende jeglicher Couleur. Dafür besitzen sie weitreichende Befugnisse. Die Mitarbeiter sind an Verhaftungen beteiligt und wenden Medienberichten zufolge brutale Verhörmethoden an.
Die so genannten Extremismuszentren in den russischen Regionen werden von einem Hauptsitz am Innenministerium in Moskau aus koordiniert. Sie wurden im Jahr 2008 auf Grundlage der regionalen Verwaltungen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und des Terrorismus (RUBOP, seit 2001 UBOP) geschaffen. Letztere wurden in der spätsowjetischen Zeit und den frühen 1990ern etabliert, um der wachsenden Kriminalität Herr zu werden, galten aber selbst als besonders korruptionsanfällig und waren auch bei anderen Mitarbeitern des Gewaltapparats oft unbeliebt.
Diese Umstrukturierung markierte zugleich auch einen Prioritätenwechsel staatlicherseits: Unter Putin waren kriminelle Banden zu großen Teilen zerschlagen oder aber in den Staatsapparat integriert worden, sie wurden jetzt nicht mehr als Bedrohung der öffentlichen Ordnung angesehen. Der Kampf gegen Oppositionelle jeglicher Couleur hingegen hatte seit 2003 eine immer größere Bedeutung bekommen, ebenso der Wunsch, politisierte Jugendszenen, von Neonazis bis hin zu Anarchisten, unter Kontrolle zu bekommen.
Wie auch im Westeuropa der Nachkriegszeit wurde in Russland in den 2000ern der Extremismusbegriff sehr weit interpretiert. Er wurde mehr und mehr zu einem politischen Kontrollinstrument, das sowohl gegen gewaltbereite Radikale als auch gegen ein buntes Spektrum ideologischer Strömungen angewandt werden konnte. Im russischen Fall gehören dazu neben Neonazis und anderen Rechtsradikalen auch diverse religiöse Gruppen, die als „nichttraditionell“ eingestuft werden, aber auch Künstler, politische Aktivisten und Regimekritiker. Die Grundlage dafür bildet oft ein im Jahr 2002 verabschiedetes Gesetz, das „Anstiftung zu Hass oder Feindschaft sowie die Verletzung der Würde“ unter Strafe stellt und in der Praxis sehr großzügig interpretiert wird.1
Die Extremismuszentren haben sich hierfür als ein durchaus schlagkräftiges Mittel erwiesen. Sie trugen unter anderem dazu bei, dass seit 2008 die vormals recht große und verzweigte Nazi-Skinhead-Szene durch Verhaftungs- und Verbotswellen dezimiert wurde. Heute agieren rechtsradikale Gruppierungen praktisch nur noch unter staatlicher Aufsicht. Auch andere Gruppen werden von E-Zentren überwacht: Deren Mitarbeiter sammeln Informationen zu Regimegegnern und Protestierenden jeder Art, darunter Liberale, Antifaschisten oder Friedensaktivisten. Sie haben Zugang zu Datenbanken anderer Behörden, auch auf die persönlichen Daten aller Steuerzahler. Neben Polizisten, Sondereinsatzkräften und Geheimdienstmitarbeitern sind die Vertreter der E-Zentren regelmäßig – meist in Zivil – auf Demonstrationen und anderen Protestaktionen präsent und oft an Verhaftungen beteiligt. Aus mehreren Städten gibt es Berichte über brutale Verhörmethoden einschließlich solcher, die in den Bereich der Folter fallen.2 Zudem gibt es Hinweise darauf, dass von den E-Zentren extremistische Aktionen gezielt erfunden werden, um – durch deren „Bekämpfung“ – die eigene Statistik aufzubessern.3