Medien

„Sie hat ihr Leben für unsere und eure Freiheit gegeben”

Die Stirn ist blutverschmiert, Blut läuft aus einer Wunde am Ohr den Hals herab. „Was ist passiert, was mache ich hier“, scheint der Blick der jungen Frau zu sagen. Am ersten Tag der Massenproteste von 2020 wurde die damals 19-jährige Maryja Saizawa durch Splitter einer Blendgranate getroffen, die das belarussische OMON gegen die Demonstranten einsetzte. Das Foto von der verletzten Maryja wurde zum Symbol für die Proteste in Belarus. Dieser Tag veränderte das Leben der jungen Studentin so sehr, dass sie sich schließlich auch dem Kampf der Ukraine anschloss. Anfang 2025 verlor sie ihr Leben. 

Was bringt eine junge Frau dazu, in den Krieg zu ziehen und letztlich ihr Leben aufs Spiel zu setzen? Die Redaktion des TV-Senders Nastojaschtscheje Wremja erzählt die Geschichte von Maryja Saizawa, deren Schicksal Belarussen und Ukrainer gleichermaßen bewegt.  

Quelle Nastojaschtscheje Wremja

Am 9. August 2020 wurde die damals 19-jährige Maryja Saizawa durch Gummigeschosse und Splitter einer Blendgranate verletzt. Sie war nach Minsk gekommen, um zu protestieren. Das Foto der jungen Frau ging durch zahlreiche belarussische und internationale Medien. 

„Ich bereue nicht, dass ich zu den Protesten nach Minsk gefahren bin, wenigstens habe ich versucht, etwas zu tun. Und ich hoffe sehr, dass alle erbrachten Opfer – meine und die der anderen – nicht umsonst waren. Was da auf den Straßen passiert, hilft mir wirklich, nicht den Kampfgeist zu verlieren“, sagte Saizawa in einem Interview, das sie der belarussischen Redaktion von Radio Svaboda noch im Krankenhaus gab. 

Unter anderem wurde bei ihr ein gerissenes Trommelfell, eine Dislokation des Innenohrs und eine Fraktur des seitlichen Stirnbeins diagnostiziert. Noch in Belarus wurde Maryja mehrfach operiert, bevor sie mithilfe des medizinischen Hilfsprogramms Medevac nach Tschechien überführt werden konnte. 

Maryja Saizawa, nachdem sie durch eine Blendgranate am 9. August 2020 in Minsk verwundet wurde. / Foto © Radio Svaboda (RFE/RL)

„Bis zu unserem Treffen in Tschechien wusste ich nicht, dass Maryja das Mädchen auf dem Foto war“, erzählt die Koordinatorin des Programms und Leiterin des Büros der belarussischen demokratischen Kräfte in Tschechien, Kryszina Schyjanok. Im Laufe der Behandlung freundeten sich die beiden Frauen an. „Trotz Maryjas Alter – damals war sie 20 – nahm ich den Altersunterschied kaum wahr. Sie war eine sehr reife Persönlichkeit“, berichtet Schyjanok. 

In ihrem Antrag auf Hilfe zählte Maryja eine lange Liste von Verletzungen auf und schrieb, dass sie eine weitere Operation am Ohr benötige. Leider konnte ihr Gehör jedoch nicht mehr wiederhergestellt werden. Maryja blieb auf ihrem rechten Ohr fast taub. 

„Es war frustrierend, dass die Ärzte mein Ohr nicht retten konnten, obwohl sie es versprochen hatten. Ich musste einsehen, dass ich etwas geopfert hatte, das ich nie mehr zurückbekommen würde. Jetzt habe ich gelernt, damit zu leben. Ich habe nie ein Hörgerät bekommen. Ich wollte wissen, wie sich mein Ohr erholt. Sehr tiefe oder sehr hohe Töne kann ich hören“, erzählte Maryja. 

Ihre Angehörigen erinnern sich, wie schlimm der Verlust des Gehörs für Maryja war: „Musik war ein wichtiger Teil von Maschas Leben“, sagt Lana, eine enge Freundin. „Es ist den Wenigsten aufgefallen, aber auf dem Foto von den Protesten trägt Mascha ein T-Shirt von Guns N’ Roses. Später hat ihr ein junger Mann aus der Slowakei, der die Belarussen 2020 aktiv unterstützte, ein Ticket für ein Konzert von ihnen geschenkt. Er wollte Mascha einfach irgendwie helfen“, erzählt Kryszina. „Leider konnten sie sich nicht mehr kennenlernen.“ 

Maryja meldete sich beim Kastus-Kalinouski-Regiment 

Nach der Überführung aus Belarus blieb Maryja Saizawa in Tschechien, wo sie Sprachkurse besuchte und sich auf die Aufnahmeprüfungen an der Universität vorbereitete. Parallel gab sie Interviews und erzählte Journalisten ihre Geschichte. „Das Thema Belarus war in aller Munde, und sie wollte der Sache dienen, so gut sie konnte“, erinnert sich Lana. „Aber irgendwann war sie es leid, alles zum millionsten Mal zu erzählen. Zumal sie kein Ergebnis sehen konnte.“ 

Nach der vollumfänglichen Invasion Russlands in die Ukraine 2022 verschrieb sich Maryja mit Haut und Haar der Flüchtlingshilfe in Tschechien. Aber es war hart, mit den Ereignissen fertigzuwerden: Einige ihrer Freunde, die ebenfalls von Belarus nach Tschechien gekommen waren, entschlossen sich, an die Front zu gehen. 

Einer von ihnen war Timur Mizkewitsch. Der damals 16-jährige Timur war 2020 nach Tschechien gebracht worden, nachdem er während der Massenproteste von den Silowiki geschlagen und gefoltert worden war. Seine Verletzungen waren so gravierend, dass er ins Koma fiel. Während er im Koma lag, starb seine Mutter, und Timur blieb als Waise zurück. Kurz nach seinem 18. Geburtstag beschloss Timur, sich der ukrainischen Armee anzuschließen. 

„Ich weiß noch, wie Mascha und ich bei Timur zu Hause sitzen, und er fängt an, seine Sachen zu packen. Ich versuchte, ihn aufzuhalten. Aber als ich seinen Blick sah, wusste ich, dass ihn nichts und niemand davon abbringen würde. Hier gab es nichts, was ihn hielt“, erinnert sich Lana. 

Kurz nach Timurs Abreise fasste auch Maryja den Entschluss, an die Front zu gehen. Sie wollte etwas tun, dass sie einer Rückkehr nach Belarus näherbringen würde. Ihren Freunden zufolge hatte Maryja sich zwar gut in die tschechische Gesellschaft integriert, aber wirklich zugehörig habe sie sich nie gefühlt. Die Freiheit ihres Landes war für sie verbunden mit der Freiheit der Ukraine. „Auf Seiten der Ukrainischen Armee zu kämpfen war für Mascha ein Weg, für ein unabhängiges Belarus zu kämpfen“, sagt Schyjanok. 

Maryja meldete sich beim Kastus-Kalinouski-Regiment, in dem Belarussen auf der Seite der Ukrainischen Armee kämpfen. Einige Zeit später wurde sie aufgenommen. „Ich flehte sie an, nicht zu gehen, ich bekniete sie buchstäblich. Ich aktivierte ihre Freunde, wir versuchten alle, sie davon abzubringen“, sagt Lana. Aber alle Versuche liefen ins Leere. Im Frühjahr 2023 verabschiedeten ihre Freunde Maryja an die Front. 

Porträt von Maryja Saizawa aus dem Fotoprojekt Narben des Protests / Foto © Violetta Savchits

„Ich verstehe, dass sie sich rächen wollte” 

Bei ihrer Ankunft in der Ukraine wurde Maryja Saizawa der 2. Internationalen Legion der Territorialverteidigung zugeteilt. Noch in Belarus hatte Maryja Vetrinärmedizin studiert. Aufgrund ihrer medizinischen Kenntnisse schickten ihre Vorgesetzten sie zunächst zum Dienst in eine Sanitätsstation. Später war sie für die Evakuierung von Kämpfern von der Frontlinie zuständig. Wie einer der Kommandeure dem belarussischen Radio Svaboda erzählte, übersetzte Maryja auch für andere ausländische Soldaten. 

Während erbitterter Kämpfe, wenn es an der Frontlinie an medizinischem Personal mangelte, leistete sie freiwillig Hilfe in den Schützengräben, berichten Maryjas Dienstgenossen. Ruslan Miroschnytschenko, der ehemalige Kommandeur der Einheit, in der Saizawa gedient hatte, erinnert sich, dass es sie immer dorthin zog, wo „es brennt”. „Sie hat so manches Leben gerettet“, sagt Miroschnytschenko. 

Ein anderer Kommandeur, Maryjas Mitstreiter Ruslan Romaschnytschenko, erinnerte sich in einem Interview mit der Deutschen Welle, dass sie trotz ihres jungen Alters und der gefährlichen Lage auf dem Schlachtfeld immer die Ruhe bewahrte. „Was mich erstaunte, war ihre Entschlossenheit und ihr Fokus bei der Arbeit, ihr Wissensdurst, ihr ausgeglichener Charakter. Äußerlich wirkte sie wie ein Fels: ruhig, kühl. Gleichzeitig war sie ein sehr offener und wohlmeinender Mensch“, erzählt er. 

Dann wurde sie verletzt: Eine Leuchtrakete explodierte in ihrer linken Hand. Sie erlitt schwere Verbrennungen, mehrere Knochen in ihrem Handgelenk waren zertrümmert. Aufgrund der Verwundung kehrte Maryja Saizawa zur Behandlung und Reha nach Tschechien zurück. Aber sie wollte nicht zurück in ihr altes Leben, erinnern sich ihre Freunde. Bald erklärte sie, dass sie wieder an die Front will. Kryszina Schyjanok versuchte mit allen Kräften, ihre Freundin davon abzuhalten: Sie vermittelte ihr eine Arbeitsstelle in Prag, die ihr erlaubt hätte, die Ukraine weiterhin aus der Ferne zu unterstützen. Aber Maryja wollte nichts davon wissen. 

„Sie schrieb mir: ‚Was sollen sie ohne mich? Man wird sie alle erschießen.‘ Ich versuchte ihr zu erklären: ‚Du kannst diese Verantwortung nicht auf dich nehmen‘“, erinnert sich Kryszina. „Sie litt seit Belarus eindeutig unter PTBS, jetzt kam noch das Trauma aus der Ukraine hinzu. Du fährst weg vom Krieg und nimmst den Krieg mit. Hier muss man sich auch fragen, ob sie ohne die traumatische Erfahrung in Belarus überhaupt an die Front gegangen wäre.“ 

Ich verstehe, dass sie sich rächen wollte: für Minsk und für ‚Minsk‘ 

Als Maryja Saizawa sich 2020 an die Evakuierungsorganisation Medevac wandte, lehnte sie jede psychologische Hilfe ab. Dabei erwähnte sie in einem Interview gegenüber Schtosden einmal, dass sie mit Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung kämpft. „Wir können niemanden dazu zwingen, mit einem Psychologen zu arbeiten. Aber meine Schuldgefühle blieben: Ich hatte sie hergebracht, also hätte ich sie beschützen müssen“, sagt Schyjanok. „Der Verstand sagt: ‚Es war ihre freie Entscheidung, in die Ukraine zu fahren, du kannst nicht die Verantwortung für anderer Leute Entscheidungen übernehmen.‘ Und trotzdem bleibt das Gefühl zurück, dass ich nicht ernst genug genommen habe, wie labil sie war.“ 

Nach der Reha kehrte Maryja in die Ukraine zurück. Trotz der Einwände ihrer Vorgesetzten und aller Versuche, sie davon abzubringen, beharrte die junge Frau fest auf ihrer Entscheidung, sich erneut dem Kampf anzuschließen. Ihren Kampfgenossen zufolge hatte ihr Wunsch, an die Front zurückzukehren – diesmal als Soldatin –, mit dem Verlust von Kameraden zu tun, die im Kampf gefallen waren. Im Sommer 2023 hatte sie ihren Freund mit dem Kampfnamen „Minsk“ verloren. Nach mehreren Monaten im Ausbildungslager wurde sie im November 2024 als Scharfschützin an die Front in der Oblast Donezk geschickt. 

„Ich verstehe, dass sie sich rächen wollte: für Minsk und für ‚Minsk‘“, sagt [ein Kamerad mit dem Kampfnamen] „Santa“. Ihren letzten Geburtstag feierte Maryja an der Front: Am 16. Januar 2025 wurde sie 24 Jahre alt. Am Tag darauf fiel sie im Kampf gegen die russische Armee. „In jener Nacht bei Pokrowsk hat sie hervorragende Arbeit geleistet. Aber die Artillerie tut ihr Werk“, erinnert sich „Santa“. 

„Mascha hatte die Fähigkeit, andere zu inspirieren” 

Die mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit spielte eine große Rolle in Maryjas Selbstwahrnehmung und bei den Zielen, die sie sich steckte, meinen ihr nahestehende Menschen. „Wenn die Medien ständig über dich als Opfer des Regimes schreiben, wächst der Wunsch, allen zu beweisen, dass du kein Opfer bist, sondern ein Subjekt, dass du etwas bewegen kannst“, sagt Schyjanok. „Wir hatten ja auch Menschen bei uns im Programm, die verletzt waren, auf denen aber nicht die Last der Öffentlichkeit lag. Sie können weiterhin ihr Leben leben, sonntags auf den Bauernmarkt gehen und montags bis freitags zu ihrer Arbeit, Geld verdienen. Aber bei Mascha war es anders. Sie fragte sich, was man über sie schreiben und wie lange sie noch als Opfer gelten würde.“ 

Der Wunsch, aktiv zu sein und anderen zu helfen, war ein Leitmotiv für alles, was Maryja tat. Ihre Bewerbungen begann sie nicht mit ihren Arbeitserfahrungen und Qualifikationen, sondern mit den Worten, dass sie eine Arbeit sucht, die „der Gesellschaft echten Nutzen bringt und die Chance bietet, Menschen in Not zu helfen“. 

Ich kann mein Leben nicht mehr unabhängig von Belarus betrachten 

„Wenn jemand gezwungen ist, in der Emigration zu leben, sucht er normalerweise nach jeder Art von Arbeit. Aber für sie war es wichtig, dass die Arbeit sinnstiftend und nützlich für die tschechische Gesellschaft war“, erklärt Schyjanok. Maryjas Freunde erwähnen ihre vielfältigen Interessen. Sie sprach nicht nur sechs Sprachen, sie malte auch, spielte Football und begeisterte sich fürs Fechten. 

Seit den Protesten 2020 nahm die belarussische Identität einen wichtigen Platz in ihrem Leben ein. Auch in der Emigration nahm sie weiter an Protesten gegen Lukaschenkos Regime teil. Sie thematisierte das oft im Freundeskreis und gegenüber Journalisten. „Ich kann mein Leben nicht mehr unabhängig von Belarus betrachten. Wenn nicht Belarus, was dann? Ich habe immerhin meine Gesundheit dafür geopfert. Und ich habe wirklich an unsere Idee geglaubt, ich will unbedingt, dass mein Land das schafft. Ich will das sehen und dorthin zurückkehren“, sagte Saizawa in einem Interview. 

Ihre Freunde erinnern sich, wie sie in ihrer Zeit in Prag traditionelle belarussische Gerichte und Getränke für sich entdeckte, wie Draniki und Krambambulja. Irgendwann entschied sie sich, nur noch Belarussisch zu sprechen. „Nach ihrem Tod zeigte man mir ihre Nachrichten in den Kriegs-Chats: Sie schrieb in Taraschkewiza [das ist die klassische belarussische Rechtschreibung]“, erzählt Schyjanok. 

Ihre Freunde heben Maryjas moralische Standhaftigkeit, ihre Prinzipientreue und innere Freiheit hervor. Besonders ehrfürchtig erinnern sie sich an die Warmherzigkeit und Aufrichtigkeit, mit denen sie sich ihrer Umwelt mitteilte. „Sie konnte es nicht ertragen, wenn jemand Fehler machte oder sein Wort nicht hielt. Weil sie selbst mit dem besten Beispiel voranging, wie man sein sollte“, sagt Lana. „Das führte dazu, dass sie oft enttäuscht wurde und sich einsam fühlte. Nach außen hin strahlte sie stets Wärme und Licht aus, aber deshalb blieb vieles in ihrem Inneren verborgen.“ 

An dem Tag, als die Nachricht von Maryjas Tod kam, begannen viele spontan, Erinnerungen daran zu teilen, wie sie ihre Leben beeinflusst hatte. „Mascha hatte die Fähigkeit andere zu inspirieren. Sie veränderte die Menschen um sich herum zum Besseren, als würde sie ihre innere Stärke auf sie übertragen“, erzählt Schyjanok. Und ihre Freundin Lana ergänzt: „Mascha lebt in den Herzen der Menschen weiter.“ 

Zur Trauerfeier kamen Dutzende von Maryjas Kampfgenossen 

Maryja war die erste belarussische Freiwillige, die im Kampf für die Ukraine gefallen ist. Die Trauerfeier fand am 4. Februar 2025 statt. Maryja hatte ihre Vorstellungen von der Bestattung in schriftlicher Form Kryszina Schyjanok hinterlassen – ihrem Notfallkontakt. Diese reiste in die Ukraine, um sich von Maryja zu verabschieden und bei der Ausrichtung der Zeremonie zu helfen. Ihr zufolge habe die Militärkommandantur die Entscheidung über die Feuerbestattung getroffen. Erst wenige Stunden vor der Einäscherung erfuhr Schyjanok davon und schritt ein – denn Maryja hatte sich gewünscht, dass ihr Körper nicht verbrannt würde. Sie wollte neben ihrem Feund „Minsk“ beerdigt werden, in dem Teil des Kyjiwer Friedhofs, in dem die belarussischen Soldaten ruhen. 

Als Schyjanok von der bevorstehenden Kremierung erfuhr, setzte sie sich sofort mit Swjatlana Zichanouskaja in Verbindung, die sich wiederum an die Verwaltung des Kyjiwer Bürgermeisters Vitali Klitschko wandte. Die Entscheidung, Maryja Saizawa an dem von ihr gewählten Ort beizusetzen, wurde nur wenige Minuten vor der Einäscherung getroffen. 

„Das war eine dramatische Situation. Wir bekamen die Zustimmung von der Verwaltung genau in dem Moment, als die Trauerfeier vorbei war und der Sarg in den Ofen geschoben werden sollte. Die Zeremonie wurde unterbrochen“, erzählt Schyjanok. „Dank Swjatlana Zichanouskaja konnten wir Maschas letzten Willen erfüllen.“ 

Maryjas Eltern konnten nicht in die Ukraine kommen, um sich von ihrer Tochter zu verabschieden, aber Kryszina Schyjanok sagt, sie sei ihren Wünschen nachgekommen. „Mascha war Atheistin und wollte weder religiöse Rituale noch ein Kreuz auf ihrem Grab. Aber ich wollte gleichzeitig die Wünsche ihrer Eltern erfüllen“, erzählt Schyjanok. „Ihre Mutter bat mich, eine kleine Ikone mit der Jungfrau Maria ins Grab zu legen, nach der ihre Tochter benannt wurde. Der Vater wünschte sich weiße Rosen dazu.“ 

Das Grab von Maryja Saizawa auf dem Kyjiwer Friedhof am Tag ihrer Beerdigung, 7. Februar 2025. / Foto © Radio Svaboda (RFE/RL)

Zur Trauerfeier kamen Dutzende von Maryjas Kampfgenossen. Später übergaben sie Maryjas persönliche Gegenstände dem Museum Swobodnaja Belarus s Ukrainoi w serdze (dt. Das freie Belarus mit der Ukraine im Herzen, Wanderausstellung in der Ukraine - dek). 

„Das ganze Bataillon ist in Trauer. Sie war unser Liebling. Maryja war eine der wenigen Veteranen, die erbitterte Kämpfe überstanden und dabeigeblieben waren. Wir haben einen Teil unserer Familie verloren, einen Teil von uns selbst“, sagte der Kommandeur Ruslan Miroschnytschenko in einem Interview mit Radio Svaboda. „Sie ist eine starke Kriegerin“, fügt Miroschnytschenko hinzu. „Sie hat ihr Leben für unsere und eure Freiheit gegeben. Für ein freies Belarus und für eine freie Ukraine.“ 

dekoder unterstützen

Weitere Themen

Gnose Belarus

Alexander Lukaschenko

Vor 30 Jahren trat Alexander Lukaschenko nach gewonnener Wahl sein Amt als Präsident der Republik Belarus an. Er schaffte demokratische Freiheiten ab und errichtete ein autokratisches System. Waleri Karbalewitsch über Lukaschenkos Machtwillen und Gründe für die Beständigkeit der Diktatur.  

Gnose Belarus

Die moderne belarussische Sprache

In den vergangenen 200 Jahren hinderten unterschiedliche Herrschaftsbereiche und politische Systeme die moderne belarussische Sprache daran, sich durchzusetzen. Sie wurde unterdrückt und an den Rand gedrängt. Heute ist sie eine der beiden Amtssprachen der Republik Belarus. Dennoch wird sie nur von wenigen Menschen im Alltag gesprochen. Warum ist das so? Eine Gnose von Jan Patrick Zeller über eine Sprache mit bewegter Vergangenheit und großem aktuellen Symbolwert.

Gnose Belarus

Swetlana Tichanowskaja

Faire freie Wahlen – mit diesem Ziel ging das Wahlbündnis um Swetlana Tichanowskaja in den politischen Kampf gegen den belarussischen Machthaber Lukaschenko. Seit sie ins Exil musste, entwickelte sich Tichanowskaja zur wichtigsten politischen Stimme ihres Landes. Anfang März 2023 wurde sie in Abwesenheit zu 15 Jahren Straflager verurteilt. Das Porträt einer Politikerin, die nie eine sein wollte.

Gnosen
en

Die moderne belarussische Sprache

Eine Fahrt mit der Minsker Metro verrät einiges über die sprachliche Situation in der Belarus. Die Fahrgäste unterhalten sich auf Russisch. In dieser Sprache sind auch die Bücher und Zeitschriften in ihren Händen, genau wie die Werbeanzeigen an den Wänden. Und gibt es einmal Störungen im Betriebsablauf, so erfolgt die entsprechende Durchsage ebenfalls auf Russisch. Wird jedoch ein planmäßiger Halt angekündigt, hört man aus den Lautsprechern plötzlich eine andere Sprache: das Belarusische.

Wären auf dem Gebiet der heutigen Belarus vor 200 Jahren auch schon Metros gefahren, hätte sich ein anderes Bild geboten. Russisch wäre kaum zu hören gewesen, denn die Gebiete der heutigen Belarus sind zu Beginn des 19. Jahrhunderts erst seit kurzer Zeit Teil des Russischen Zarenreichs. Zuvor hatten sie jahrhundertelang zur Adelsrepublik Polen-Litauen gehört, und deswegen wären auch zu jener Zeit die offiziellen Durchsagen der nächsten Station wohl noch auf Polnisch erfolgt. Auch die Namen der Stationen hätte man auf Polnisch ausgeschildert. Zwar hatte es im 16. und 17. Jahrhundert auf den Gebieten der Belarus bereits eine autochthone, ostslawische Schriftsprache1 gegeben, diese war aber längst vom westslawischen Polnischen verdrängt worden. Unterhalten hätten sich die Fahrgäste des 19. Jahrhunderts in unterschiedlichen Sprachen: Einige auf Polnisch, der Sprache des Adels, andere auf Jiddisch, und wieder andere in unterschiedlichen dialektalen Formen des ostslawischen Belarusischen, der Sprache der breiten Bevölkerung.

Das moderne Belarusische

Im 19. Jahrhundert setzte sich in Europa der Glaube an die Einheit von Volk, Nation und Sprache und damit das Bedürfnis nach einheitlichen Standardsprachen durch. Für die drei modernen ostslawischen Standardsprachen, für das Russische, das Ukrainische und das Belarusische, war dieses Jahrhundert das entscheidende. Auch die Idee einer belarusischen Identität gewann nun an Bedeutung und damit der Wunsch nach einer einheitlichen belarusischen Sprache. Anfang des 19. Jahrhunderts standen beide allerdings in Konkurrenz zur polnischen Sprache und Identität. Exemplarisch zeigt sich das in Biographie, Werk und Wahrnehmung der beiden befreundeten Schriftsteller Adam Mickiewicz und Jan Tschatschot. Obwohl beide am Ende des 18. Jahrhunderts unweit des heute belarusischen Nawahrudak geboren wurden, avancierte der erste zum Nationaldichter Polens, während der zweite zu einem der Gründer der belarusischen Wiedergeburtsbewegung wurde. „Von nahezu identischen Ausgangspunkten“ schlugen sie Bahnen ein, „wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten“2.

Das Polnische verlor im späteren 19. Jahrhundert in den „Nordwestprovinzen“ des Zarenreiches zunehmend seine Bedeutung. In Reaktion auf zwei Aufstände, die 1830/31 und 1863 auf den Gebieten des ehemaligen Polen-Litauens ausbrachen, nahm stattdessen der Einfluss des Russischen zu. Die westlichen Ostslawen wurden als „Teil des russischen Volkes“ betrachtet, der durch polnische Einflussnahme von diesem „entfremdet“ worden sei.3 Eine belarusische Standardsprache hatte in dieser Logik keinen Platz und wurde dementsprechend in ihrer Entwicklung behindert. Trotz dieser ungünstigen politischen Situation bildete sich bis zum Anfang des 20. Jahrhundert eine Literatur heraus, deren Sprache auf den damaligen belarusischen Dialekten aufbaute. Im Zuge der politischen Teilliberalisierung, die auf die Russische Revolution 1905 folgte, konnte das Belarusische schließlich auch in publizistischen Bereichen verwendet und stilistisch ausgebaut werden. Maßgeblich für diesen Prozess war die zwischen 1906 und 1915 herausgegebene Zeitung Nascha Niwa, das wichtigste Publikationsorgan der belarusischsprachigen Schriftsteller und Publizisten jener Zeit. 1918 wurden die orthographischen und grammatischen Regeln des Belarusischen durch Branislau Taraschkewitsch kodifiziert. Diese erste, aber nicht letzte Norm der belarusischen Standardsprache wurde nach ihrem Schöpfer als Taraschkewiza bekannt und war auf Abstand zum Russischen bedacht.

Das Belarusische in der Sowjetunion

Anfang des 20. Jahrhunderts stand die belarusische Sprache also gewissermaßen bereit, in einem künftigen belarusischen Staat die Funktionen einer Standardsprache zu erfüllen. Durchsetzen sollte sie sich jedoch letztlich nie, auch wenn es nach dem ersten Weltkrieg zunächst ganz danach aussah. Zwar gingen die westlichen Gebiete der heutigen Belarus an das neu entstandene Polen, wo eine Polonisierung der ostslawischen Bevölkerung angestrebt wurde. Im östlichen Teil, der nun als Belarusische Sozialistische Sowjetrepublik (BSSR) Teil der Sowjetunion war, erfuhr das Belarusische jedoch im Zuge der sogenannten Belarussisazyja eine nie dagewesene Förderung. Insbesondere wurde das Belarusische als Schul- und Verwaltungssprache eingeführt und auch in beträchtlichem Maße durchgesetzt.

Doch die liberale Sprachenpolitik der frühen Sowjetunion, die das Ziel verfolgte, nationale Minderheiten und ihre Eliten in den neuen Staat und die neue Ideologie einzubinden, sollte nicht lange andauern. Unter Stalin wurde 1934 das Russische zur alleinigen Sprache der innersowjetischen Kommunikation erklärt, bereits ein Jahr zuvor war es die alleinige Sprache der Armee geworden. 1938 wurde es Pflichtfach in den Schulen aller Sowjetrepubliken. Ein neues Regelwerk, die nach dem Volkskommissariat (narodny kamissaryjat) benannte Narkamauka, ersetzte 1933 die Taraschkewiza. Sie nähert das Belarusische in Grammatik, Wortbildung und Orthographie dem Russischen an. Diese Maßnahmen lesen sich heute recht nüchtern. Gleichzeitig fiel aber dem Großen Terror der 1930er Jahre auch fast die gesamte belarusischsprachige Intelligenz zum Opfer. Sich für das Belarusische einzusetzen oder lediglich Belarusisch zu sprechen, während der Kampf gegen „nationale Abweichler“ wütete, erforderte beträchtlichen Mut.

Doch nicht nur die Sowjetisierung, sondern auch der Zweite Weltkrieg hatte Folgen für die Stellung der belarusischen Standardsprache. Zwar gingen mit der sowjetischen Annexion Ostpolens 1939 große Teile des in der Zwischenkriegszeit zu Polen gehörenden belarusischen Sprachgebiets an die BSSR. Der Umstand, dass die deutschen Besatzer die belarusische Sprache im Zweiten Weltkrieg – wie auch schon im Ersten Weltkrieg – in gewissem Umfang für ihre Zwecke gefördert hatten, trug jedoch dazu bei, das Belarusische in der Sowjetunion zu diskreditieren. Vor allem aber verlor die belarusische Standardsprache ihren stärksten Trumpf gegenüber dem Russischen, nämlich die größere Nähe zur Alltagssprache der breiten Bevölkerung. Denn mit der Ermordung von Millionen Menschen und der vollständigen Vernichtung von etwa 9000 Dörfern durch die Deutschen war auch die dialektale Landschaft zu großen Teilen zerstört worden. Nach dem Krieg wurden Städte im Zuge einer raschen Industrialisierung schneller wiederaufgebaut als Dörfer. Zahlreiche junge Sprecher*innen belarusischer Dialekte zogen daher als dringend benötigte Arbeitskräfte vom Land in die rasant wachsenden Städte, wo sie sich der sozial dominanten russischen Sprache zuwandten. Hieraus resultiert die weite Verbreitung der sogenannte Trassjanka im Lande, einer gemischten Rede, die Elemente des Belarusischen und des Russischen aufweist.

Dass insbesondere in den Städten das Russische dominierte, lag einerseits daran, dass nach dem Krieg viele Russ*innen und Sprecher*innen des Russischen aus anderen Teilen der Sowjetunion in die belarusischen Städte gezogen waren, um dort Führungspositionen einzunehmen. Vor allem blieb aber auch unter Stalins Nachfolgern das Russische die Sprache des ideellen Wegs zum Kommunismus – und damit auch die Sprache des individuellen Wegs nach oben auf jedweder Karriereleiter. Seinem Ärger über eine belarusischsprachige Rede, die er wohlgemerkt auf dem 40. Jahrestag der BSSR hatte hören müssen, soll Chruschtschow mit den Worten Luft gemacht haben: „Je eher wir alle Russisch sprechen, desto eher haben wir den Kommunismus aufgebaut“.4 Das Russische hatte nun die „zweite Muttersprache“ aller nicht-russischen Ethnien zu sein. Trotz allem war das Belarusische als Unterrichtssprache bis in die Nachkriegszeit hinein aber noch recht gut vertreten. Als Eltern ab 1958 jedoch die Unterrichtssprache ihrer Kinder frei wählen durften, optierten die meisten für das in der Sowjetunion unverzichtbare Russische, nicht für das verzichtbare Belarusische.

Belarusisch im unabhängigen Belarus

Zum Ende der Sowjetzeit sah es für das Belarusische düster aus. Erst in der Perestroika-Stimmung der 1980er Jahre konnten sich national orientierte Intellektuelle für das Belarusische stark machen. Als alleinige Staatssprache der nun unabhängigen Republik Belarus erlebte es dann Anfang der 1990er Jahre einen vorerst letzten Aufschwung. Insbesondere der Anteil der Schüler*innen, die auf Belarusisch unterrichtet wurden, stieg stark an. Der Rückhalt in der Bevölkerung für die allgemeine Durchsetzung einer Sprache, die von vielen kaum benutzt und eher mittelmäßig beherrscht wurde, war jedoch nicht allzu groß. Vielen ging es zumindest zu schnell und in der postsowjetischen Wirtschaftskrise waren vielen Belarus*innen andere Probleme dringlicher. Auf diese Stimmung bauend ließ Präsident Alexander Lukaschenko kurz nach seinem Antritt im Mai 1995 ein in seiner Rechtmäßigkeit umstrittenes Referendum durchführen, das unter anderem auch auf die Staatssprache abzielte. Die entsprechende Frage war geschickt formuliert: Es ging nicht etwa darum, die Förderung des Belarusischen zurückzunehmen oder es gar zurückzudrängen, sondern darum, „dem Russischen den gleichen Status wie dem Belarusischen“ einzuräumen. Offiziell 87 Prozent der gültigen Stimmen zeigten sich damit einverstanden.

Heute sind Belarusisch und Russisch rechtlich gleichberechtigte Staatssprachen der Republik Belarus. Personen, die sich für eine stärkere Position des Belarusischen einsetzen, kann die offizielle Seite entgegnen, dass man das Belarusische ja keinesfalls zurückdränge. Man sei – so etwa Lukaschenko – lediglich dagegen, eine der beiden Sprachen mit Zwang durchzusetzen.5 Ganz ähnlich wie bei der freien Wahl der Unterrichtssprache in den 1950er Jahren ist das Belarusische ohne eine positive Diskriminierung jedoch chancenlos. Denn ob im alltäglichen Gebrauch, im öffentlichen Leben, den Medien, dem Bildungswesen, dem Buchmarkt, bei Regierungs- und Verwaltungsorganen, im Geschäftswesen, in der Wissenschaft – überall dominiert das Russische, das Belarusische spielt allenfalls eine marginale Rolle.
So gab im Zensus von 2019 zwar immerhin ein gutes Viertel der knapp acht Millionen ethnischer Belarus*innen6 an, zu Hause für gewöhnlich das Belarusische zu benutzen. Dass sich dahinter aber nicht die Standardsprache verbirgt, wird in anderen Umfragen deutlich. Können die Befragten nicht nur Belarusisch oder Russisch ankreuzen, sondern auch „Trassjanka“ oder „belarusisch-russisch gemischt“, dann sinkt der Anteil der Belarusischsprecher*innen auf unter fünf Prozent.7
 

Die Daten wurden in sieben belarusischen Städten erhoben, 1230 Menschen wurden befragt.8

Der zweifellos marginale Status des Belarusischen im Gebrauch wird zuweilen sogar in ein Argument gegen dessen Förderung umgemünzt: Dass niemand es im Alltag benutze, zeige, dass diese „Sprache der Schriftsteller“ nicht für den Alltag tauge. Das verkennt allerdings, dass das Belarusische für einige, wenn auch wenige, durchaus die praktikable und normale Alltagssprache ist. Bei dieser Gruppe handelt es sich um eine national gesinnte Minderheit, oft mit einer Vorliebe für die erste, nicht-russifizierte Norm des Belarusischen, die Taraschkewiza. Der Gebrauch des Belarusischen in der Öffentlichkeit ist ungewöhnlich und damit als Statement zu verstehen. Umgekehrt ist es jedoch keineswegs so, dass der Gebrauch des Russischen auf eine regierungstreue Haltung oder die Ablehnung einer belarusischen Eigenständigkeit schließen lässt. Die Sprachenfrage ist entsprechend auch in den gegenwärtigen Protesten „seltsam abwesend“9


Die Daten wurden in einer landesweiten Umfrage erhoben, 882 Menschen wurden befragt.10

Die Situation des Belarusischen ist heute von vielen Widersprüchen geprägt. So betrachten etwa viele Belarus*innen das Belarusische als ihre Muttersprache11, obwohl sie es kaum sprechen. Auch sehen viele die Sprache noch als wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Belarus*innen zu den Russ*innen, stimmen jedoch der Aussage zu, dass man auch Belarus*in sein könne, ohne die Sprache zu sprechen. Grundsätzlich beherrschen solle man sie jedoch schon, auch wenn für die allermeisten das Belarusische heute eine lediglich im Klassenzimmer erlernte und auf schulische Kontexte beschränkte Sprache ist. Nach wie vor hegen aber viele junge Belarus*innen den Wunsch, dass ihre eigenen Kinder einmal nicht nur das Russische, den jasyk, beherrschen, sondern auch: die belarusische mowa.12 Ob den Belarus*innen in ihrer Mehrheit die symbolischen, aber letztlich homöopathischen Dosen des Belarusischen in Metro, Schule und anderswo ausreichen, wird sich zeigen müssen.


Anmerkung der Redaktion:

Weißrussland oder Belarus? Belarussisch oder belarusisch? Die Belarus oder das Belarus? Nicht ganz leicht zu beantworten. Da es im Deutschen keine einheitlich kodifizierten Schreibweisen für diese Bezeichnungen und deren Adjektive gibt, überlassen wir es den Autorinnen und Autoren der Gnosen, welche Schreibweise sie verwenden. Die Schreibweise in redaktionellen Inhalten (wie Titel und Erklärtexte) wird von der dekoder-Redaktion verantwortet.

 

 

Zum Weiterlesen
Bieder, H. (2001): Der Kampf um die Sprachen im 20. Jahrhundert, in: Beyrau, D./Lindner, R. (Hrsg.): Handbuch der Geschichte Weißrusslands, Göttingen, S. 451–471
Hentschel, G./Kittel, B. (2011): Zur weißrussisch-russischen Zweisprachigkeit in Weißrussland – nicht zuletzt aus der Sicht der Weißrussen, in: Bohn, Th. et al. (Hrsg.): Ein weißer Fleck in Europa ... Die Imagination der Belarus als Kontaktzone zwischen Ost und West, Bielefeld, S. 49–67
Woolhiser, Curt (2013): New speakers of Belarusian: Metalinguistic Discourse, Social Identity, and Language Use, in Bethea, David M./Bethin, Christina Y.  (Hrsg.): American Contributions to the 15th International Congress of Slavists, Minsk, August 2013, Bloomington, S. 63–115
Zaprudski, S. (2007): In the grip of replacive bilingualism: The Belarusian language in contact with Russian, in: International Journal of the Sociology of Language 183, S. 97–118

1.Moser, M. (2005): Mittelruthenisch (Mittelweißrussisch und Mittelukrainisch): Ein Überblick, in: Studia Slavica Academiae Scientiarum Hungaricae 50, S. 125–142; Bunčić, D. (2006): Die ruthenische Schriftsprache bei Ivan Uževyč unter besonderer Berücksichtigung der Lexik seines Gesprächsbuchs Rozmova/Besěda, München 
2.Kohler, G.-B. (2014): Selbst, Anderes Selbst und das Intime Andere: Adam Mickiewicz und Jan Čačot, in: Studia Białorutenistyczne 8, S. 79–94, hier S. 83 
3.Brüggemann, M. (2014): Zwischen Anlehnung an Russland und Eigenständigkeit: Zur Sprachpolitik in Belarus', in: Europa ethnica 3-4/2014, S. 88–93, hier S. 89 
4.zit. nach: Korjakov, Ju. B. (2002): Jazykovaja situacija v Belorussii i tipologija jazykovych situacij, Moskva, hier S. 39 
5.nach Brüggemann, M. (2014): Die weißrussische und die russische Sprache in ihrem Verhältnis zur weißrussischen Gesellschaft und Nation: Ideologisch-programmatische Standpunkte politischer Akteure und Intellektueller 1994–2010, Oldenburg, hier S. 112 
6.Mit ethnischen Belarus*innen sind dabei belarusische Staatsbürger*innen gemeint, die sich nicht als Russ*innen, Pol*innen, Ukrainer*innen etc. identifizierten. 
7.Kittel, B./Lindner, D./Brüggemann, M./Zeller, J. P./Hentschel, G. (2018): Sprachkontakt – Sprachmischung – Sprachwahl – Sprachwechsel: Eine sprachsoziologische Untersuchung der weißrussisch-russisch gemischten Rede „Trassjanka“ in Weißrussland, Berlin, hier S. 180; Informacionno-analitičeskij centr pri Administracii Prezidenta Respubliki Belarus’ (Hrsg.) (2018): Respublika Belarus’ v zerkale sociologii: Sbornik materialov sociologičeskich issledovanij, Minsk, hier S. 46 
8.Die Daten wurden in sieben belarusischen Städten erhoben, 1230 Menschen wurden befragt. Vgl. Kittel et al. 2018, S. 180 
9.Brüggemann, M. (2020): Demokratie nur auf Belarusisch? Eine Reise in die sprachpolitischen „Befindlichkeiten“ der Belarus, in: Bohn, T./Rutz, M. (Hrsg.): Belarus-Reisen: Empfehlungen aus der deutschen Wissenschaft, Wiesbaden, S. 53–69, hier S. 69 
10.Die Daten wurden in einer landesweiten Umfrage erhoben, 882 Menschen wurden befragt. Vgl. Hentschel, G./Brüggemann, M./Geiger, H./Zeller, J. P. (2015): The linguistic and political orientation of young Belarusian adults between East and West or Russian and Belarusian, in: International Journal of the Sociology of Language 2015/236, S. 133–154, hier S. 151 
11.In der Entsprechung zum deutschen Wort „Muttersprache“ ist weder im Belarusischen noch im Russischen von „Mutter“ die Rede. Im Belarusischen ist es „rodnaja mova“, im Russischen „rodnoj jazyk“. Das Attribut „rodnaja“ bzw. „rodnoj“ ist am ehesten vergleichbar mit dem englischen „native“. In anderen Kontexten kann es mit „leiblich verwandt“, „Heimat‑“ oder „angeboren“ übersetzt werden. Abgeleitet ist es von der Wurzel „rod“, zu übersetzen unter anderem mit „Stamm, Geschlecht“, die auch im Wort „narod“ „Volk“ vorkommt. Vgl dazu: Zeller, J. P./Levikin, D. (2016): Die Muttersprachen junger Weißrussen: Ihr symbolischer Gehalt und ihr Zusammenhang mit sozialen Faktoren und dem Sprachgebrauch in der Familie, in: Wiener Slavistisches Jahrbuch (Neue Folge) 4, S. 114–144 
12.Hentschel, G et al. 2018, S. 151 
dekoder unterstützen
Weitere Themen
Gnose Belarus

Janka Kupala

Vor 80 Jahren starb die Ikone der belarusischen Literatur Janka Kupala (1882–1942). Ob es Selbstmord war oder ob der Geheimdienst beteiligt war, wurde nie richtig aufgeklärt. Seine Werke sind Klassiker, die mit dem Protestsommer von 2020 wieder brandaktuell wurden. Gun-Britt Kohler in einer Gnose über den Nationaldichter Kupala, der mit seinem Werk wie kein anderer für die schwierige Suche der Belarusen nach einem nationalen Selbstverständnis steht.

weitere Gnosen
Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)