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Bystro #32: RT DE und Deutsche Welle – worum genau geht es?

Am 2. Februar 2022 sprach die deutsche Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) ein Sendeverbot für den Fernsehkanal RT DE aus. Am Tag darauf kündigte das russische Außenministerium „Gegenmaßnahmen“ an – die Schließung des Senders Deutsche Welle in Russland. Hintergründe dazu im Bystro von Daria Zakharova – in acht Fragen und Antworten.

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1. Anfang Februar sprach die Rundfunkkommission ZAK ein Sendeverbot für RT DE aus. Wie hat alles angefangen?

RT DE war seit 2014 – zunächst unter dem Namen RT Deutsch – mit einer deutschsprachigen Newsseite und einzelnen Sendungen im Internet präsent. Im Sommer 2021 kündigte RT DE an, im deutschen Fernsehen senden zu wollen – und zwar über einen deutschsprachigen Kanal. Dazu – und auch für Live-Sendungen in Rundfunk, Fernsehen, Internet und in einer App – ist in Deutschland eine Sendelizenz nötig, das gilt für jedes Medium. Im Juni 2021 beantragte der Sender eine Sendelizenz in Luxemburg, der Antrag wurde jedoch abgelehnt. Die luxemburgische Medienaufsichtsbehörde verwies auf die Zuständigkeit Deutschlands, da man ja dort senden wolle. Daraufhin wandte sich RT DE an die Medienaufsicht in Serbien und erhielt im Dezember 2021 erfolgreich eine Sendelizenz. Unter Berufung auf diese serbische Genehmigung wollte RT DE den Sender in Deutschland betreiben: In der offiziellen Stellungnahme von RT DE heißt es, das Europäische Übereinkommen über den grenzüberschreitenden Rundfunk, das unter anderem auch von Deutschland und Serbien unterzeichnet wurde, gebe dem Sender das Recht, in beiden Ländern zu arbeiten. 

2. Ende Dezember ging der Fernsehsender RT DE in Deutschland an den Start. Was geschah dann?

Bereits eine Woche nach dem Sendestart forderte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) den Satellitenbetreiber Eutelsat auf, die Ausstrahlung von RT DE einzustellen.
Die MABB war der Ansicht, dass der Besitz einer serbischen Lizenz für RT DE eben „keine ausreichende Grundlage für die Ausstrahlung in Deutschland darstellt“, da der Produktionsstandort in Deutschland sei. 
Da es bei der Entscheidung um einen bundesweiten Sachverhalt ging, hat die Kommission zur Zulassung und Aufsicht (ZAK) den Fall geprüft und ihren Beschluss Anfang Februar mitgeteilt: RT DE muss sein Fernsehprogramm einstellen, und zwar über App, Internet und Satellit.

3. Nun hat RT DE aber eine serbische Lizenz – und verweist auf ein entsprechendes Abkommen zwischen Serbien und Deutschland. Warum hält die ZAK diese Lizenz nicht für ausreichend?

Die Rundfunkkommission ZAK geht davon aus, dass RT DE von Berlin aus sendet, wo es einen großen Standort mit mehr als 200 Mitarbeitern aufgebaut hat. Demnach müsste es eine deutsche Lizenz beantragen und diese innehaben, um senden zu dürfen.
Da RT DE sein Impressum erst im Juni 2021 geändert hat und damals die Produktionsfirma in Berlin durch die TV Novosti in Moskau ersetzte, bestehen zumindest Zweifel am genauen Produktionsstandort.

RT DE wird zudem offiziell von der russischen Regierung finanziert. In Deutschland gilt aber das Prinzip der Staatsferne, das nach den Erfahrungen im Nationalsozialismus etabliert wurde: Laut Medienstaatsvertrag darf eine Zulassung nicht an staatliche Stellen im In- und Ausland gehen. 

Sollte dieses Vorgehen über Serbien allerdings bewusst gewählt worden sein, um das im Medienstaatsvertrag geregelte Kriterium der Staatsferne zu umgehen, könnte es sich sogar um Rechtsmissbrauch handeln.
RT DE widerspricht dem Umstand, vor allem aus Berlin-Adlershof zu senden, und hat nun die Möglichkeit, gerichtlich gegen die Entscheidung der ZAK vorzugehen.

4. Was genau sind denn die Unterschiede zwischen RT und der Deutschen Welle – die Sender sind doch beide aus Staatshaushalten finanziert?

Die Finanzierung beider Sender kommt jeweils aus dem Staatshaushalt, das ist richtig. Es gibt allerdings bedeutende strukturelle Unterschiede: Die Deutsche Welle ist kein staatlicher, sondern ein öffentlich-rechtlicher Auslandsssender, deswegen gibt es beispielsweise Aufsichtsgremien aus Zivilgesellschaft und Politik – während RT direkt dem Kreml unterstellt ist. Das hat Auswirkungen auf das operative Geschäft. Und es steht auch jeweils ein unterschiedliches journalistisches Selbstverständnis dahinter: RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan nannte RT in einem Interview mit lenta.ru von 2013 ein „Verteidigungsministerium“ des Kreml, „eine Waffe wie jede andere auch“. Die DW dagegen betont die journalistische Unabhängigkeit und Objektivität. Solche Unterschiede in der Haltung schlagen sich auch auf Inhalte nieder.

5. In Reaktion auf die Entscheidung hat Russland nun den deutschen Auslandssender Deutsche Welle verboten. Welche Sendemöglichkeiten genau hat die Deutsche Welle in Russland noch? 

Laut der Pressemitteilung auf der Webseite des russischen Außenministeriums umfassen die Maßnahmen einen „Sendestopp der Deutschen Welle über Satellit und andere Mittel in der Russischen Föderation“,  die „Annullierung der Akkreditierung für alle Mitarbeiter“ und die „Schließung der Korrespondentenstelle“ in Moskau. Zudem werde man prüfen, ob die Deutsche Welle die Funktion eines „ausländischen Agenten“ erfülle.
Die Deutsche Welle hat kein russischsprachiges Satellitenprogramm, ein entsprechender Kanal ist nur per Stream und auf Youtube verfügbar. Allerdings werden die deutsch- und englischsprachigen Sendungen der Deutschen Welle von einigen russischen Satellitenbetreibern ausgestrahlt. Dies werden die Betreiber vermutlich einstellen. Auf ähnliche Weise wurde 2014 auf Druck des Kremls auch der unabhängige russische Fernsehsender Doshd vom Netz genommen.

6. Wie „symmetrisch“ sind diese Maßnahmen seitens Russlands?

Indem das russische Außenministerium die Schließung als „Gegenmaßnahme“ bezeichnet, legitimiert es RT DE gewissermaßen als Teil des russischen Staatsapparats. Wenn „Gegenmaßnahmen“ auf Ebene des Außenministeriums erfolgen, dann in der Regel im diplomatischen Bereich, etwa in Form von Ausweisung von Diplomaten, Gegensanktionen usw.
Zweitens werden Journalisten von RT DE nicht daran gehindert, in Deutschland zu arbeiten – sie werden weiterhin an Veranstaltungen teilnehmen und vor Ort berichten können. Die Mitarbeiter der Deutschen Welle in Moskau dagegen verlieren ihre Akkreditierung – die in Russland notwendige Erlaubnis, um überhaupt als Journalisten zu arbeiten. 
Drittens wurde die Entscheidung in Deutschland von einer Regulierungsbehörde getroffen, in Russland jedoch von einem übergeordneten Ministerium. 
Viertens hatte RT DE tatsächlich keine deutsche Sendelizenz, während die Deutsche Welle seit 2015 ganz legal in Russland arbeitet.
Und man darf auch den grundsätzlichen qualitativen Unterschied zwischen diesen beiden Sendern nicht vergessen: RT ist ein unmittelbar durch den Kreml finanzierter und kontrollierter Staatssender, während die Deutsche Welle, wie oben dargelegt, trotz staatlicher Finanzierung redaktionell unabhängig agiert.

7. Die RT-Journalistin Margo Zvereva sagte in der Pressekonferenz von Sergej Lawrow und Annalena Baerbock im Januar 2022 , dass russische Journalisten in Deutschland „massivem Druck und massiver Diskriminierung ausgesetzt“ seien. Ist das so?

RT DE hatte tatsächlich gewisse Probleme, in Deutschland zu senden. Bereits vor dem jetzigen Ausstrahlungsverbot aufgrund der fehlenden Lizenz wurde der Youtube-Kanal von RT DE wegen der „Verbreitung von Falschnachrichten zur Coronaviruspandemie“ gesperrt. Diese Sperrung war allerdings eine Entscheidung des US-Konzerns und nicht der deutschen Rechtsprechung.
Solche Maßnahmen hindern die Journalisten von RT DE außerdem nicht daran, sich grundsätzlich frei im Land zu bewegen, an Veranstaltungen und auch an Pressekonferenzen teilzunehmen und darüber zu berichten – etwa auf der Website des Senders. Im Unterschied dazu musste die Deutsche Welle nun ihr Büro in Moskau komplett schließen und die Journalisten verloren ihre Akkreditierung.

8. Es wird immer wieder davor gewarnt, dass über RT DE gerade in der deutschen Querdenker-Szene großen Anklang fände. Wie groß ist der Einfluss von RT DE tatsächlich?

Der russische Staatskanal ist allgemein beliebt bei verschiedenen rechten und linken Kreisen in Deutschland. Abgeordnete der AfD und – seltener – der Linken erscheinen oft auf den Seiten und Bildschirmen staatlicher und regierungsnaher russischer Medien. In den Beiträgen unterstützen sie in der Regel die Politik Putins und die Annexion der Krim. RT DE äußert sich oft skandalös und populistisch-propagandistisch. Diese Sprache findet bei vielen radikalen und marginalisierten Kreisen in Deutschland Anklang. Der Youtube-Kanal von RT DE scheint sich relativ großer Beliebtheit zu erfreuen. Zum Zeitpunkt der Sperrung im September 2021 wurden die meisten Videos mehr als 100.000 angeschaut. Es ist jedoch schwierig, die Popularität von RT DE objektiv zu bewerten – dem Sender wird oft vorgeworfen, die Zahlen künstlich nach oben zu schrauben. So veröffentlichte das Team von Alexej Nawalny eine detaillierte Untersuchung über die große Anzahl von Bots in den Kommentaren und Zuschauerzahlen der RT-Kanäle.

 

*Das französische Wort Bistro stammt angeblich vom russischen Wort bystro (dt. schnell). Während der napoleonischen Kriege sollen die hungrigen Kosaken in Paris den Kellnern zugerufen haben: „Bystro, bystro!“ (dt. „Schnell, schnell!“) Eine etymologische Herleitung, die leider nicht belegt ist. Aber eine schöne Geschichte.

Text: Daria Zakharova​
Veröffentlicht am: 9. Februar 2022

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Der Journalist Dimitri Kisseljow spielt im gelenkten russischen Staatsjournalismus eine zentrale Rolle. 2008 wurde er Vizedirektor der staatlichen Medienholding WGTRK. Seit 2014 leitet er die staatliche Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja.

Nach seinem Studium der Skandinavistik an der Universität Leningrad begann Dimitri Kisseljow (geb. 1954) seine journalistische Karriere beim sowjetischen Staatsfernsehen. In den 1990er Jahren galt er als Sprachrohr der liberalen Post-Perestroika-Bewegung und moderierte die populäre Talkshow Tschas Pik (Rushhour). Wie viele andere enttäuschte Liberale auch, wandte er sich nach den wilden 1990ern zunehmend von der Vorstellung eines demokratischen Russlands ab. Inzwischen vertritt er eine konservative, orthodoxe und autokratische Ideologie.

Seine patriotische Weltanschauung trägt Kisseljow vor allem über den Sender Rossija 1 ins Volk, wo er seit 2012 den sonntäglichen Nachrichtenrückblick Westi nedeli moderiert. Dort verkörpert Kisseljow die neue Art der schrillen Propaganda: Er steht für Aussagen wie die, dass man die Herzen von Homosexuellen „vergraben und verbrennen“ solle, oder die Drohung, dass Russland die USA jederzeit in „radioaktive Asche verwandeln“ könne. Die russische Opposition diskreditiert er ebenso regelmäßig wie die ukrainische Maidan-Bewegung, die er als faschistische Verschwörung des Westens darstellt.

 

https://www.youtube.com/watch?v=JBMXcQxrBH8

 

Über Ethik im Journalismus: Kisseljow in den 1990er Jahren.

Gleichzeitig lobt Kisseljow besonders Wladimir Putin: So hielt er zum Beispiel an dessen Geburtstag 2012 eine zwölfminütige Eloge auf den Präsidenten, in der er Putin positiv mit Stalin verglich1. Kisseljow beurteilte bei einem Treffen mit den Mitarbeitern der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti die Idee der Objektivität im Journalismus als einen „Mythos“ und stellte dem entgegen, dass gerade staatliche Medienagenturen und ihre Redaktionspolitik der „Liebe zum Vaterland“ verpflichtet sein müssten.2

Nach der Angliederung der Krim und der Eskalation des Ukraine-Konflikts, hat die EU Kisseljow, als einzigen Journalisten, auf ihre Sanktionsliste gesetzt.

Kisseljow in der Sendung „Der direkte Draht mit Wladimir Putin“ 2014 - Foto © Kremlin.ru

Der einst mit Kisseljow befreundete Schriftsteller Viktor Jerofejew schrieb Ende 2013: „Kisseljow hatte sich in letzter Zeit hervorgetan durch schonungslose und bewusst provokative Kritik an allem, was der Kreml bekämpft.“3 Im Jahr 2014 wurde Kisseljow zum Leiter der staatlichen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja ernannt, die für eine kremlfreundliche Medienberichterstattung auch über Russlands Grenzen hinaus sorgen soll. Somit ist Kisseljow nicht nur zu einem der bekanntesten Fernsehgesichter in Russland geworden, sondern auch zu einem der einflussreichsten Akteure in der kreml-finanzierten Berichterstattung. Deswegen und aufgrund seiner umstrittenen Aussagen wird Kisseljow in westlichen Medien oft als „Chefpropagandist des Kreml“ bezeichnet.


1.Kommersant: Vladimira Putina pozdravili po televizoru
2.Rbk: D. Kisseljėv naučit Rossiju segodnja ljubit Rodinu
3.Frankfurter Allgemeine Zeitung: Russland in der Offensive
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