Das russische Säbelrasseln an der Grenze zur Ukraine hat sich längst zu einer euro-atlantischen Sicherheitsfrage ausgewachsen. In den letzten Tagen hat US-Präsident Biden sowohl mit Russlands Präsident Putin wie auch mit dem ukrainischen Präsidenten Selensky telefoniert. Von Russland forderte Biden Deeskalation, dem ukrainischen Präsidenten versicherte er, dass die USA im Fall eines russischen Angriffs der Ukraine „entschlossen“ reagieren würden. Unterdessen drohte der Kreml im Fall von Sanktionen mit dem vollständigen Abbruch der Beziehungen. Moskau dementiert Angriffspläne und wirft vielmehr der NATO und der Ukraine Provokationen vor. In einem Mitte Dezember veröffentlichten Abkommensentwurf forderte Moskau, dass die NATO von einer Osterweiterung absehe, Waffen aus der Region abziehe und Manöver dort beende.
Diese Forderungen Russlands analysiert Alexander Baunow, Chefredakteur von Carnegie, in einem Facebook-Post – und auch, wie mit solcher „undiplomatischen Diplomatie“ am besten umzugehen sei.
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1. Nicht nur großes Geld, sondern auch Diplomatie liebt die Stille. Das russische Außenministerium hat Washington per Internet ein Abkommen zur Unterzeichnung geschickt. Das ist ungewöhnlich.
2. In diesem Abkommen sind nötige Zugeständnisse der Gegenseite aufgelistet, aber keine, die Russland einzugehen bereit wäre. Dabei liegt der Unterschied zwischen Diplomatie und militärischen Siegen gerade darin, dass alle Zugeständnisse machen.
3. Bis auf wenige Ausnahmen braucht Diplomatie Zeit. Fristen setzt man nur dann, wenn man Taten folgen lassen möchte. Und enge Fristen mit harten Konditionen nur dann, wenn man es gleich doppelt möchte. Oder wenn man sicher ist, dass die gegnerische Seite keine Wahl hat.
Das neue Abkommen bemängelt keine Einzelheiten, sondern das gesamte Agieren des Westens
4. Neben den ungewöhnlich direkten und übertriebenen/unerfüllbaren Forderungen in dem von Moskau vorgelegten Entwurf, steht darin auch noch alles, womit Russland unzufrieden ist und was es ändern möchte.
5. In den vergangenen Jahren versuchte Russland immer wieder, über einzelne Punkte der westlichen Politik zu verhandeln, die Moskau missfielen: NATO-Osterweiterung, Militärstützpunkte, Austritt aus dem ABM-Vertrag und demzufolge Stationierung einer Raketenabwehr in Osteuropa, Unterstützung von Regierungswechseln und so weiter. Das neue Abkommen bemängelt keine Einzelheiten, sondern das gesamte Agieren des Westens und fordert, es als Ganzes zu ändern.
6. Diese Forderungen sind für das Russland, das wir seit dem Ende der 1980er Jahre kennen, unmöglich, unerfüllbar, überhöht … Für ein Zeitalter der Konfrontation von Supermächten sind sie jedoch durchaus denkbar.
7. Was veranlasst Russland wie eine Supermacht zu handeln? Wladimir Putin verweist immer nachdrücklicher auf die Ergebnisse seiner Regierungszeit, der sogenannten Putinära, für die russische Geschichte. In dieser Gesamtschau ist nicht nur der Status Quo der Ukraine, sondern auch der auf der Weltbühne nicht hinnehmbar.
Was veranlasst Russland wie eine Supermacht zu handeln?
8. Wir stecken in einer globalen Perspektive fest, in der das postsowjetische Russland eines Gorbatschow und Jelzin als Norm gilt, Putins Russland hingegen als Abweichung, als Anomalie. Doch Putin ist schon länger an der Macht als Gorbatschow und Jelzin zusammen, und wird es (auch im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl 2024) vielleicht noch länger bleiben.
9. Der schlichte Vergleich der historischen Zeiträume (sogar ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung, der Modernisierung des Militärs und so weiter) erlaubt ihm, seine Regierungszeit als Norm und jene seiner Vorgänger als kurze Abweichung in der Geschichte Russlands zu betrachten, als eine Seite im Geschichtsbuch, die es möglichst schnell umzublättern gilt.
10. Innerhalb dieses Koordinatensystems sind die Ergebnisse der 1980er und 1990er Jahre nicht unumkehrbar. Neben den oben genannten Forderungen enthält der Entwurf für das Abkommen erstmals eine öffentliche Forderung der russischen Regierung, die gesamten Ergebnisse der 1980er und 1990er Jahre neu zu bewerten, nicht nur bestimmte Details.
Revision der gegenwärtigen Ordnung
11. Die neuesten Aktionen zielen darauf ab, der Welt mit allen Mitteln zu demonstrieren und ihr klarzumachen, dass Russland die gegenwärtige Weltordnung nicht als Norm betrachtet. Und ehe man es sich versieht, kann man dann – nach einigen Jahren nicht öffentlicher Gespräche, die ganz öffentlich mit überhöhten Forderungen eingeläutet wurden – zur Revision der gegenwärtigen Ordnung schreiten. Das wäre noch die glimpflichste Entwicklung der Ereignisse.
12. Das Abkommen, das man dem Westen zur Unterzeichnung vorlegt, wurde aufs Geratewohl erstellt. So eine Diplomatie ist nur zu bemühen, wenn man den diplomatischen Rahmen möglichst bald verlassen möchte, quasi: Wir haben es versucht, alle haben es gesehen (maximale Öffentlichkeit), wir haben die diplomatischen Mittel ausgeschöpft, nun schreiten wir zur Tat. Kampfhandlungen wären die härteste Fortsetzung dieser undiplomatischen Diplomatie. Der stellvertretende Außenminister Sergej Rjabkow hat bereits erklärt, dass Russland mit der Reaktion des Westens auf seine Vorschläge unzufrieden sei.
13. Dennoch könnte das alles auch eine Diplomatie in Zeiten einer neuen Direktheit darstellen, neuer Formen und kategorischer Gesten. Das Antwort-Repertoire des Westens ist nicht allzu groß. Es gibt die Wahl zwischen dem Furchtbaren für alle und dem wenig Überzeugenden. Beides möchte man nicht. Deshalb bemüht man sich, das von Russland in ungewohnter Manier begonnene Gespräch vorerst nicht durch eine harsche Antwort abbrechen zu lassen. Denn die harsche Antwort könnte genau das sein, worauf Russland aus ist.
Wegen der russischen Truppenkonzentration an der ukrainischen Grenze treffen sich heute die NATO-Außenminister in Riga. In der Novaya Gazeta meint Julia Latynina: Russland geht es nicht um die Ukraine, sondern um die USA.
Biden ruft Putin an, Russland will anschließend die Truppen von der ukrainischen Grenze abziehen – also alles wieder gut? Politikwissenschaftlerin Lilija Schewzowa warnt: Moskau in die Schranken weisen und gleichzeitig mit Moskau kooperieren – dieses Geschaukel endet jedes Mal mit einer Eskalation.
Eiskalter Krieg?! Die Sanktionspolitik nimmt wahrscheinlich nie ein Ende, meint Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inosemzew. Doch es sei die russische Außenpolitik, der es derzeit an Rationalität fehle.
Ist Russland nur Abklatsch westlicher Vorbilder oder aber erlösendes Vorbild für ein fehlgeleitetes Europa? Ulrich Schmid über kontroverse Debatten und ein Fenster, das zeitweilig auf und wieder zugeht.
Zum ersten Mal treffen sich Wladimir Putin und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selensky heute persönlich in Paris. Thema ist der Krieg im Osten der Ukraine, der trotz internationaler Friedensbemühungen seit April 2014 anhält. Er kostete bereits rund 13.000 Menschen das Leben. Steffen Halling zeichnet die Ereignisse nach.
Die Beziehungen der NATO zu Russland standen von Anfang an unter keinem guten Stern. Der erste Generalsekretär der NATO, Hastings Ismay, brachte die Aufgabe der transatlantischen Militärallianz in den 1950er Jahren auf die kurze Formel: „to keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down“. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in Osteuropa schien es zunächst, die NATO habe ihre Existenzberechtigung verloren. Allerdings zeigte sich bald, dass nach 1989 vor allem Polen und die baltischen Länder unter den Schutzschirm der NATO drängten. Zeitweise stand sogar eine russische NATO-Mitgliedschaft im Raum. Die frühen 1990er Jahre waren von schwierigen Diskussionen innerhalb der NATO geprägt, bei denen einerseits Beitrittswünsche osteuropäischer Staaten und andererseits russische Empfindlichkeiten berücksichtigt werden mussten. Letztlich setzte sich die Linie des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton durch, der eine Osterweiterung der NATO befürwortete.
Immer mehr nahmen beide Seiten in den folgenden Jahren einander als Bedrohung wahr. Wie ein Refrain zog sich die Klage über die NATO-Osterweiterung durch die Reden führender russischer Politiker. Der Kreml hatte die NATO-Osterweiterung schon in der nationalen Sicherheitsstrategie von 2009 als „inakzeptabel“ bezeichnet und diese Formulierung 2015 noch einmal bekräftigt.
Auf dem NATO-Gipfel im Juni 2021 sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, das Verhältnis sei „auf dem tiefsten Punkt seit dem Kalten Krieg“. Im Dezember 2021 trat Russland mit Maximalforderungen an die NATO heran, wobei es um einen Stopp der NATO-Osterweiterung, um den Rückzug der USA aus Osteuropa und den Abzug von amerikanischen Nuklearwaffen aus Europa ging. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 wollte Russland offiziell auch gegen die Ausdehnung der NATO vorgehen. Erreicht hat es damit allerdings das Gegenteil: Mitte Mai haben auch Schweden und Finnland die Mitgliedschaft in dem Bündnis beantragt.
Die Frage der NATO-Osterweiterung stellte sich zunächst im Kontext der deutschen Einheit. Am 26. Januar 1990 fiel im Kreml in einem Geheimtreffen die Entscheidung für die Ermöglichung der Wiedervereinigung. Zunächst ging der Westen davon aus, dass weder die neuen Bundesländer noch andere osteuropäische Staaten Teil der NATO sein würden.
„Not one inch eastward“ – die Frage der NATO-Osterweiterung
Auf einer Pressekonferenz am 2. Februar 1990 bekräftigten der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher und sein US-Amtskollege James Baker diese Absicht. Allerdings revidierte James Baker schon eine Woche später seine Position und fragte Gorbatschow, ob er sich ein Gesamtdeutschland innerhalb der NATO vorstellen könne, wenn die NATO sich darüber hinaus „not one inch eastward“ bewegen würde. Hier stellte sich ein erstes Missverständnis ein: Bakers Aussage wurde von amerikanischer Seite als Verhandlungsposition und von russischer Seite als Zusicherung aufgefasst.1
Die Forschung ist sich einig, dass es bei den Verhandlungen über die deutsche Einheit nie schriftliche Zusagen gegenüber der sowjetischen Führung gegeben habe, dass sich die NATO nicht weiter ostwärts ausdehnen werde. Helmut Kohl musste zwischen dem amerikanischen Insistieren auf der NATO und der sowjetischen Vision einer europäischen Friedensordnung vermitteln. Der Bundeskanzler wusste auch ganz genau, dass die deutsche Wiedervereinigung weder in Frankreich noch in Großbritannien Begeisterungsstürme auslösen würde. Die amerikanische Regierung befürchtete zudem, dass Bonn einen separaten Deal mit Moskau abschließen und dabei die eigene NATO-Mitgliedschaft in die Verhandlungsmasse einbringen könnte. Deshalb bekräftigte James Baker bei einem Gespräch am 18. Mai 1990 in Moskau die amerikanische Forderung nach einer gesamtdeutschen NATO-Mitgliedschaft. Gorbatschow erwiderte darauf ironisch, in einem solchen Fall würde auch die Sowjetunion ein NATO-Beitrittsgesuch stellen. Im endgültigen 2+4-Vertrag über die deutsche Einheit ist die freie militärische Bündniswahl des vereinten Deutschland verbrieft. Letztlich wurde das Einverständnis des Kreml schlicht gekauft: Bonn und Moskau verständigten sich kurz vor der Unterzeichnung des 2+4-Vertrags auf eine deutsche Zahlung von 15 Milliarden D-Mark für den Abzug der Roten Armee.2 Der damalige stellvertretende nationale Sicherheitsberater Robert Gates brachte die Methode später unverfroren auf den Punkt: „to bribe the Soviets out“.3
Jelzin: Russischer NATO-Beitritt als Ziel
Auch Gorbatschows Rivale Boris Jelzin versuchte das NATO-Dossier aktiv zu gestalten. Kurz vor dem offiziellen Ende der Sowjetunion, am 20. Dezember 1991, weckte er hohe Erwartungen, als er einen russischen NATO-Beitritt zum „langfristigen politischen Ziel“ erhob. Diese Vision hielt sich erstaunlich lange: Noch im Jahr 2000 soll Putin Präsident Clinton gefragt haben, was er über diesen Plan denke. Die Administration Clinton hätte eine Aufnahme Russlands in die NATO unter der Bedingung unterstützt, falls es sich zu einer marktwirtschaftlichen Demokratie entwickeln würde.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion drangen zahlreiche osteuropäische Staaten auf eine Mitgliedschaft im westlichen Verteidigungsbündnis. Bezeichnend ist die Rede, die der tschechoslowakische Präsident Václav Havel im März 1991 im NATO-Hauptquartier in Brüssel hielt. Er wies darauf hin, dass er mit der offiziellen Botschaft aufgewachsen sei, die NATO stelle eine „Bastion des Imperialismus“ und die „Inkarnation des Teufels“ dar. Heute wisse er, dass die NATO auf demokratische Weise die Freiheit und die Werte der westlichen Zivilisation verteidige.4
„Partnership for Peace“
Die NATO war sich allerdings uneinig. Im Sommer 1993 wurden in Washington intensive Diskussionen geführt. Das Pentagon war gegen eine NATO-Osterweiterung, das Weiße Haus dafür. Am Ende stand ein Kompromiss, in dem den osteuropäischen Ländern eine „Partnership for Peace“ angeboten wurde. Am 22. Oktober 1993 löste US-Außenminister Christopher Warren bei Jelzin eine enthusiastische Reaktion aus, als er das „Partnership for Peace“-Programm vorstellte. Allerdings hatte Jelzin den NATO-Vorschlag so verstanden, dass „Partnership for Peace“ nicht eine Vorbereitung, sondern ein Ersatz für eine NATO-Osterweiterung sei.5 Präsident Clinton präzisierte bereits im Januar 1994, dass der Beitritt der osteuropäischen NATO-Kandidaten nur eine „Frage des Wann und Wie“ sei. Eine entscheidende Rolle spielte in Washington, London und Paris der Jugoslawien-Krieg, der allen die Notwendigkeit eines starken Militärbündnisses in Europa klar vor Augen führte. Man wusste um Moskaus Empfindlichkeiten, war aber bereit, eine Abkühlung der Beziehungen in Kauf zu nehmen. Clinton bezeichnete Russland als „unglaubliches Chaos“: Der Kreml hatte gerade eine tiefe Verfassungskrise durchgestanden, in Tschetschenien kündigte sich ein separatistischer Krieg an, die Wirtschaft befand sich im freien Fall.
Rivalitäten zwischen den westlichen Bündnispartnern
In der Frage der NATO-Osterweiterung spielten auch Rivalitäten zwischen den westlichen Bündnispartnern eine Rolle: Großbritannien blickte skeptisch auf eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland, Frankreich hielt überhaupt vorsichtige Distanz zur NATO und Deutschland wollte seine östlichen Nachbarn nicht verärgern. Auf beiden Seiten des Atlantiks war man sich einig, dass das schwankende Russland „kostengünstig“ stabilisiert werden müsse.6
Die sicherheitspolitischen Vorstellungen des Kremls gingen in eine andere Richtung. Schon im Oktober 1993 machte der russische Präsident Jelzin seinem Unmut Luft und wies Präsident Clinton in einem Brief darauf hin, dass der „Geist“ des 2+4-Vertrags, der explizit eine Stationierung fremder NATO-Truppen in den neuen Bundesländern verbiete, gleichzeitig eine NATO-Osterweiterung ausschließe.
NATO-Russland-Grundakte
Im Januar 1994 schlug Jelzin seinem Amtskollegen Clinton „eine Art Kartell zwischen USA, Europa und Russland“ vor, das die Weltsicherheit garantieren würde. Als eine mögliche Strategie schwebte ihm dabei eine Aufwertung der KSZE vor. Der Kreml fühlte sogar vor, ob für die Europäer ein Sicherheitssystem denkbar wäre, in dem die USA „nicht notwendigerweise“ vertreten sind. Russland kündigte an, in diesem Fall seine Streitkräfte zu reduzieren. Am Ende fiel die Entscheidung in einem kurzen Zeitfenster: Die NATO-Osterweiterung wurde nicht vor der russischen Präsidentschaftswahl im Juli 1996 publik gemacht, um Jelzins Bestätigung im Amt nicht zu gefährden. Umgekehrt wollte Clinton mit genau diesem Punkt seine eigene Wiederwahl im November 1996 stützen. Um Russland zu beschwichtigen, gab die NATO im Dezember 1996 ein Statement ab, dass die Allianz „keine Absicht, keinen Plan und keinen Grund“ habe, Atomwaffen in den neuen Mitgliedsländern zu stationieren. 1997 unterzeichneten die NATO und Russland eine Grundakte zur Stärkung des gegenseitigen Vertrauens.7 Federführend war dabei der US-Vizeaußenminister Strobe Talbott, der sich eng mit dem NATO-Generalsekretär Javier Solana abstimmte. Allerdings gerieten dabei die europäischen Alliierten ins Hintertreffen. Solana versuchte die Situation zu entschärfen, indem er den amerikanischen Formulierungsvorschlag für die Grundakte als seinen eigenen ausgab. Allerdings merkte ein britischer Vertreter maliziös an, dass Solana wenigstens die Rechtschreibung anpassen müsse, wenn er seine transatlantischen Ghostwriter verbergen wolle.8
1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn dem Militärbündnis bei, 2004 Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien, 2009 Albanien und Kroatien. In der jüngsten Vergangenheit wurden noch Montenegro (2017) und Nordmazedonien (2020) in die NATO aufgenommen. Georgien und der Ukraine wurde auf dem NATO-Gipfel in Bukarest 2008 zwar ein Beitritt versprochen, allerdings ohne jeglichen Zeitplan. Wegen der Kriege in Georgien (2008) und in der Ukraine (2014) ist die NATO-Mitgliedschaft dieser beiden Länder allerdings in weite Ferne gerückt.
Der NATO-Russland-Rat
Wie in der NATO-Russland Grundakte angekündigt, wurde 2002 ein NATO-Russland Rat eingerichtet, der aber zu wenig substanziellen Erfolgen führte. Im Gegenteil: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 formulierte Präsident Putin in harschen Worten seine Enttäuschung über das angebliche Nichteinhalten westlicher Sicherheitsgarantien. Er verwies dabei auf ein Votum des NATO-Generalsekretärs Manfred Wörner, der am 17. Mai 1990 bestätigt hatte, dass keine NATO-Truppen östlich der Grenzen Deutschlands eingesetzt würden.9
Nach der Annexion der Krim und dem verdeckten russischen Angriffskrieg in der Ostukraine trug die NATO im Jahr 2016 den Sicherheitsbedenken Polens und der baltischen Länder Rechnung, indem sie im Rahmen der „Enhanced Forward Presence“ je etwa 1000 Soldaten aus verschiedenen NATO-Mitgliedsländern auf Rotationsbasis in diesen vier Ländern einsetzte. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Bestimmungen der NATO-Russland Grundakte nicht verletzt werden. In diesem Abkommen wurde bekräftigt, es solle keine permanente Stationierung von ausländischen NATO-Truppen in den osteuropäischen Mitgliedstaaten geben.
Moskau schloss 2021 seine NATO-Vertretung in Brüssel. Das Militärbündnis betonte dennoch, offen für einen Austausch zu bleiben. Allerdings bleibt das Verhältnis höchst angespannt, auch weil die USA als NATO-Führungsmacht zuoberst auf der offiziellen russischen Liste „unfreundlicher“ Staaten standen.10
Im Dezember 2021 trat Russland mit Maximalforderungen an die NATO heran, in denen es nicht nur einen Stopp der NATO-Osterweiterung forderte, sondern auch den militärischen Rückzug aus osteuropäischen Bündnisstaaten. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 wollte Russland offiziell auch gegen die Ausdehnung der NATO vorgehen. Erreicht hat es damit allerdings das Gegenteil: Mitte Mai haben auch Schweden und Finnland die Mitgliedschaft in dem Militärbündnis beantragt. Dem voran ging nicht nur die russische Invasion in die Ukraine, sondern auch eine noch vor dem Angriffskrieg begonnene russische Politik der Nadelstiche mit gezielten Luftraum- und Hoheitsgewässerverletzungen der NATO-Staaten.
6.Liviu Horovitz, Liviu (2021): A “Great Prize,” But Not the Main Prize: British Internal Deliberations on Not-Losing Russia, 1993–1995, in Schmies, Oxana (Hrsg..): NATO’s Enlargement and Russia: A Strategic Challenge in the Past and Future With a Foreword by Vladimir Kara-Murza, Stuttgart, S. 85-112, hier S. 92 ↑
8.Pifer, Steven (2021): The Clinton Administration and Reshaping Europe, in: Oxana Schmies (Hrsg.): NATO’s Enlargement and Russia: A Strategic Challenge in the Past and Future With a Foreword by Vladimir Kara-Murza, Stuttgart, S. 113-142, hier S. 131 ↑
„Die Mauer muss weg!“ – vor 30 Jahren fiel die Berliner Mauer, rückblickend war es der Anfang vom Ende der deutschen Teilung. dekoder bringt eine historische deutsch-deutsch-sowjetische Presseschau zum 9. November 1989.
Ein neues Russland, das sich dem Westen nicht mehr angleicht, trifft neue USA, die sich auf die gemeinsamen Interessen fokussieren wollen – der Elefant im Raum: China. Eine schöne neue Welt, mit durchaus restaurativem Charakter – so bewertet zumindest Alexander Baunow auf Carnegie.ru das Treffen zwischen Putin und Biden.
Russische Trolle! Russische Hacker! Ja, die gibt es. Der Hysterie darum kann Michail Korostikow allerdings nichts abgewinnen. Er findet, Russlands Außenpolitik hätte den Namen Honigdachs-Doktrin verdient. Das Tier zeichnet sich vor allem durch eine für seine Größe unglaubliche Kraft, Zähigkeit und Rachsucht aus.
„Kreml-Chefideologe" Wladislaw Surkow sorgt derzeit mit einem Text für Aufsehen, in dem er den Putinismus als globalen politischen Lifehack bezeichnet. Was er damit meint, hat er bereits in seinem programmatischen Artikel vom Februar gesagt: dekoder stellt einzelne Textabschnitte daraus in einen größeren Kontext und bringt Ausschnitte aus der Debatte russischer Liberaler. (Archiv-Text)
Die internationale Rüstungskontrolle steckt in der Krise: Der jüngst angekündigte US-Ausstieg aus dem Open Skies Vertrag bedeutet einen weiteren Schlag gegen die Vertrauensbildung zwischen NATO und Russland. Und bringt die EU-Staaten in eine Zwickmühle.
Wie war das eigentlich Anfang der 1990er Jahre? Welche Fehler der Westen damals in Russland begangen hat und was er heute zusammen mit Russland tun kann, um sie zumindest ein bisschen zu korrigieren, kommentiert der Historiker und Spezialist für russisch-amerikanische Beziehungen Ivan Kurilla.
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