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Russland und der Kolonialismus

Kolonialimperien – das sind immer die anderen. Und doch hat Russland über eine Vielzahl an Völkern geherrscht und sein Territorium seit dem 16. Jahrhundert auf das 22-Fache vergrößert. Von der Eroberung Sibiriens bis zur angeblichen „Brüderlichkeit der Sowjetvölker“ wird die Kontinuität des russischen Kolonialismus im Krieg gegen die Ukraine besonders deutlich. Die vor diesem Hintergrund erstarkende Idee einer Dekolonisierung Russlands versucht der Kreml mit allen Mitteln zu unterdrücken. 

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Olga Skabejewa

Zweimal täglich erklärt die Moderatorin im Staatsfernsehen die Welt aus Moskauer Sicht. An manchen Tagen ist sie bis zu fünf Stunden mit Desinformation und Kriegshetze nach Vorgaben des Kreml auf Sendung. Skabejewas Spezialgebiet ist der Vollkontakt: Je nach Bedarf werden Gegner provoziert oder niedergebrüllt. 

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Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Kollektivierung der Landwirtschaft

Als die Lebensmittelversorgung in der noch jungen und bürgerkriegsgebeutelten Sowjetunion immer kritischer wird, beschließt Stalin 1929 die Kollektivierung der Landwirtschaft: Die Bauern werden enteignet und ihr Besitz in staatlichen Kolchosen zusammengeschlossen. In der Folge kam es insbesondere ab 1932/33 zu einer der größten europäischen Hungersnöte mit bis zu sechs Millionen Opfern.

Eine der Errungenschaften der Revolution von 1917 war, dass den Bauern erstmals in der russischen Geschichte ihr Boden gehörte. Die sowjetische Gesellschaft bestand zu dieser Zeit zu etwa 80 Prozent aus Bauern, die auf dem Land lebten und Subsistenzwirtschaft betrieben. 1921/22 wurde in der von Bürgerkrieg, Inflation und Bauernaufständen geplagten Sowjetunion (SU) die Neue Ökonomische Politik (Nowaja Ekonomitscheskaja Politika – NEP) ausgerufen, die zur wirtschaftlichen Konsolidierung der SU beitragen sollte. Bis zum Ende der NEP 1928 ermöglichte diese den Bauern, überschüssige Erzeugnisse frei zu verkaufen.

1927 kam es wetterbedingt zu einer schlechten Ernte und Grundnahrungsmittel wurden knapp. Verschärft wurde die Lage noch dadurch, dass viele Bauern sich weigerten, ihre Erträge zu den staatlich festgesetzten, niedrigen Preisen an die staatlichen Händler zu verkaufen. Stattdessen horteten sie die Ernten oder verkauften sie auf privaten Märkten, sodass im Vergleich zum Vorjahr nur die Hälfte der Ernte in den Wirtschaftskreislauf gelangte. Die massiv forcierte Industrialisierung schien aufgrund der hungrigen und unzufriedenen städtischen Industriearbeiter in Gefahr.

Stalin war der Ansicht, die Bauern sabotierten den Staat. Dafür machte er in erster Linie die Kulaken, relativ wohlhabende Großbauern, verantwortlich und beschloss 1928 „außerordentliche Maßnahmen“, um diese „inneren Feinde“ zu bekämpfen: Die Geheimpolizei und spezielle Beschaffungsbrigaden durchsuchten das ganze Land und beschlagnahmten die zurückgehaltenen Ernten. Der Widerstand seitens der Bauern gegen die Kollektivierung war groß und da die Überzeugungsarbeit der sowjetischen Agitatoren, sich freiwillig zu Kolchosen zusammenzuschließen, nicht wirkte, wurde zunehmend Gewalt angewendet. Ende 1929 sagte Stalin den Kulaken offen den Krieg an und erklärte, sie müssten als Klasse liquidiert werden: 60.000 „konterrevolutionäre Kulaken“ sollten ins Arbeitslager geschickt oder hingerichtet werden, 150.000 „Halbkulaken“ verbannt und 500.000 regimetreue Kulaken auf schlechtere Böden in ihrer Region umgesiedelt werden.1

In den folgenden zwei Jahren wurde die Kollektivierung rigoros und gewaltsam durchgesetzt; die Bauern wurden enteignet und ihr gesamter Besitz verstaatlicht, auch Kulturgüter wie zum Beispiel Kirchen wurden dabei häufig zerstört oder als Kornspeicher zweckentfremdet. Überall im Land entstanden Kolchosen als real existierendes, sozialistisches Zukunftsideal.

Die Bauern rebellierten dagegen, in dem sie zum Beispiel Millionen Tiere lieber schlachteten, als den Beschaffungsbrigaden zu übergeben. Im März 1930 waren bereits 60 Prozent der bäuerlichen Haushalte kollektiviert, gegen die übrigen ging das Regime brutaler denn je vor: Tausende Menschen wurden durch Sondergerichte zum Tode verurteilt, bis 1931 wurden fast zwei Millionen in Arbeitslager deportiert oder in entlegene Regionen verbannt.

Die Kollektivierung wurde letztlich jedoch der gesamten Bevölkerung zum Verhängnis. Die kollektivisierten Bauern weigerten sich nicht nur, Land, dass nicht ihnen gehörte, zu bewirtschaften, sie waren auch durch die Verluste der letzten Jahre zermürbt und ausgezehrt; viele hatten kaum genug Nahrung zum Überleben. Im Zuge des Überlebenskampfes nahm der Diebstahl von Nahrungsmitteln zu und wurde zu solch einem Problem, dass er in einem Erlass des Politbüros im August 1932 unter Todesstrafe gestellt beziehungsweise mit zehn Jahren Arbeitslager bestraft wurde. Die Produktivität der Landwirtschaft war durch das rigorose Vorgehen der Sowjets zu diesem Zeitpunkt bereits so sehr gesunken, dass es im Winter 1932/33 zu einer schrecklichen Hungerkatastrophe kam, die fünf bis sechs Millionen Menschen das Leben kostete. In der Ukraine, die als Kornkammer der Sowjetunion besonders stark von der Zwangskollektivierung betroffen war und in der vermutlich 3,5 Millionen Menschen verhungert sind, wird auch vom Holodomor gesprochen.  

1935 schließlich hatte Stalin sein Ziel erreicht, 98 Prozent der Bauern waren in Kolchosen organisiert. Dies ging jedoch so sehr zu Lasten der Bauern, dass das Produktivitätsniveau der Landwirtschaft erst wieder in den 1950er Jahren über demjenigen der Zeit vor der Kollektivierung lag.



1.Büchse, Nicolas (2009): Der Krieg gegen die Bauern, in: GEO Epoche 38, Stalin, S. 69
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