Sila Sibiri (dt. Kraft Sibiriens) ist der offizielle Name einer Pipeline, die seit Dezember 2019 Erdgas aus der Republik Jakutien und der Region Irkutsk in die Länder des pazifischen Raums transportiert. Das Pipelineprojekt wurde im Jahr 2012 im Auftrag des Präsidenten Wladimir Putin vom staatlichen Gasmonopolisten Gazprom initiiert. Nach dem geplanten Ausbau aller Stufen soll die Pipeline insgesamt rund 61 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr über eine Gesamtlänge von 4000 Kilometern transportieren.
Ein wesentlicher Teil der Lieferungen ist für den chinesischen Energiemarkt bestimmt. Laut dem Liefervertrag, den Gazprom und der chinesische Energiekonzern CNPC im Mai 2014 mit einer Laufzeit von 30 Jahren abschlossen, wird Gazprom jährlich bis zu 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach China pumpen. Die Gesamtkosten der Sila Sibiri bezifferte Gazprom zunächst auf 55, später auf bis zu 70 Milliarden US-Dollar. Anlässlich des offiziellen Baustarts am 1. September 2014 nannte Putin das Vorhaben „das größte Bauprojekt der Welt“. Und die staatsnahen Medien Russlands lobten das Vorhaben auch, weil es die Abhängigkeit Russlands von den Gaslieferungen in den Westen verringere.
Die Inbetriebnahme der Pipeline war ursprünglich für 2018 vorgesehen. Allerdings gingen die Bauarbeiten nur sehr schleppend voran. Gazprom fehlten die notwendigen finanziellen Mittel sowohl für die Förderung in schwer zugänglichen Gasfeldern als auch für die Durchführung des eigentlichen Pipeline-Projekts. Die im Zuge des Ukraine-Konflikts beschlossenen westlichen Sanktionen gegen Gazprom erschwerten zudem den Zugang zu westlichen Krediten und verhinderten die Teilnahme westlicher Investoren am Projekt. Aus diesen Gründen verzögerte sich die Inbetriebnahme bis Dezember 2019. Volle Leistung soll die Pipeline 2025 entwickeln, außerdem plant Gazprom einen Ausbau des Leitungsnetzes.
Doch stellen die derzeit relativ niedrigen Gaspreise die Rentabilität der Pipeline infrage. Laut Gazproms Berechnungen sollte der Konzern für die Gaslieferungen nach China insgesamt 400 Milliarden US-Dollar erhalten. Der Preis, den die chinesische Firma für das russische Gas zahlen muss, ist dabei an den aktuellen Ölpreis gebunden. Infolge der fallenden Ölpreise schrumpfen die erwarteten Einnahmen jedoch zusammen, allein die anfangs anberaumten Investitionen in Höhe von 55 Milliarden US-Dollar würden sich laut Schätzungen erst bei einem Ölpreis von 100 US-Dollar je Barrel amortisieren.1 Da der Rubel-Kurs zum US-Dollar in den folgenden Jahren allerdings massiv abgesackt ist, verringerten sich die in US-Dollar berechneten Investitionen. Doch bleibt unklar, welche Anteile der Investitionen in Rubel und welche in US-Dollar getätigt wurden. Auch aus diesem Grund glauben einige Kritiker, dass Sila Sibiri erst 30 Jahre nach Inbetriebnahme die Kosten einspielen werde.2
Derzeit fehlen außerdem noch große Teile der geplanten Infrastruktur, die die Gasfelder in West- und Nordsibirien miteinander und mit der Sila Sibiri verbinden soll. Ebenso in der Schublade ist noch der Plan, Sila Sibiri bis nach Chabarowsk zu verlängern, von wo das Erdgas anschließend zu Gasverflüssigungsanlagen in Wladiwostok und auf der Pazifikinsel Sachalin transportiert werden sollte. Während der Bau einer Verflüssigungsanlage in Wladiwostok erst für 2020 geplant ist, sind die Kapazitäten auf Sachalin noch viel zu klein, um LNG (Flüssigerdgas) wie geplant exportieren zu können. Außerdem verteuert eine Verflüssigung das Endprodukt zusätzlich.
Finanzieller Erfolg von Sila Sibiri wird somit auch weiterhin vom Ölpreis, westlichen Sanktionen sowie von der Entwicklung der geopolitischen Lage im pazifischen Raum abhängen. Dasselbe gilt für das Gesamtvorhaben Gazproms, seine Abhängigkeit von Exporten in den Westen zu verringern.
Stand: 02.12.2019
1.Vedomosti: Vvod gazoprovoda Sila Sibiri sdvigaetsja minimum na polgoda ↑
2.vgl. news.ru: „Gazprom“ počti dostroil „Silu Sibiri“ Postavki gaza po magistral'nomu puti v Kitaj načnutsja v dekabre.↑