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Russland und der Kolonialismus

Kolonialimperien – das sind immer die anderen. Und doch hat Russland über eine Vielzahl an Völkern geherrscht und sein Territorium seit dem 16. Jahrhundert auf das 22-Fache vergrößert. Von der Eroberung Sibiriens bis zur angeblichen „Brüderlichkeit der Sowjetvölker“ wird die Kontinuität des russischen Kolonialismus im Krieg gegen die Ukraine besonders deutlich. Die vor diesem Hintergrund erstarkende Idee einer Dekolonisierung Russlands versucht der Kreml mit allen Mitteln zu unterdrücken. 

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Olga Skabejewa

Zweimal täglich erklärt die Moderatorin im Staatsfernsehen die Welt aus Moskauer Sicht. An manchen Tagen ist sie bis zu fünf Stunden mit Desinformation und Kriegshetze nach Vorgaben des Kreml auf Sendung. Skabejewas Spezialgebiet ist der Vollkontakt: Je nach Bedarf werden Gegner provoziert oder niedergebrüllt. 

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Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Wjatscheslaw Wolodin

Wjatscheslaw Wolodin war von Dezember 2011 bis Oktober 2016 erster stellvertretender Leiter der Präsidialadministration, in der er nach langjähriger regional- und parteipolitischer Karriere für Innenpolitik verantwortlich war. In dieser Eigenschaft war Wolodin bestrebt, Russland nach außen als nicht-westliche Demokratie zu legitimieren, nach innen – nach den Protesten 2011/12 – auf föderaler und regionaler Ebene das Parteiensystem um die Exekutive zu konsolidieren und oppositionelle Akteure zu marginalisieren. Im Oktober 2016 wurde Wolodin zum Vorsitzenden der Staatsduma gewählt.

Der 1964 im Saratower Gebiet geborene Wolodin begann nach Ausbildung und Promotion zum Landwirtschaftsingenieur seine politische Karriere 1990 in der Wolgastadt Saratow in diversen Ämtern in Stadt und Gebiet. Parallel erlangte er an der Russischen Akademie für Staatsdienst eine weitere Ausbildung als Jurist.

Parteikarriere

Im Parlamentswahlkampf 1999 trat er erstmals auf föderaler Ebene bei Vaterland - Ganz Russland (russ. Otetschestwo – wsja Rossija – OWR) in Erscheinung und wurde in die Duma gewählt. OWR war ein Bündnis von Ex-Premier Jewgeni Primakow, dem damaligen Moskauer Bürgermeister Juri Lushkow und einigen politischen Schwergewichten aus den russischen Regionen. Das Bündnis galt als Hauptkonkurrent der von der Jelzin-Familie und dem damaligen Premier Putin unterstützten Partei Einheit. Putin inkorporierte die OWR in die ursprünglich nur als Wahlkampfvehikel geplante Einheit, wodurch die Partei Einiges Russland (russ. Jedinaja Rossija – ER) entstand1.

Wolodin wurde stellvertretender Fraktionsführer in der Duma und Mitglied des Parteipräsidiums. Nach einjähriger Zwischenstation als Vize-Premierminister wurde Wolodin 2011 vom amtierenden Präsidenten Dimitri Medwedew zum Stellvertretenden Leiter der Präsidialadministration ernannt und löste somit die „Graue Eminenz“ und den Meister „politisch-administrativer Technologie“2 Wladislaw Surkow ab.

Berufung in die Präsidialadministration

Wolodins Parteikarriere ist insofern von Bedeutung, als dass Einiges Russland eben nicht nur die dominante Partei in der Staatsduma ist, sondern auch eine Kaderreserve für hochrangige Posten in der Staatsverwaltung darstellt, wobei Wechsel von Einiges Russland zur Präsidialadministration  und von dort wieder zurück zu den Hochzeiten der Partei keine Seltenheit waren.

Obwohl anfangs spöttisch Slawa II.3 genannt, baute Wolodin seine Machtposition schnell aus, indem er zügig eigene Weggefährten aus OWR, ER und der 2011 neugegründeten All-Russischen Volksfront (russ. Obschtscherossiski narodni Front – ONF) in seiner Abteilung platzierte. Seine inoffizell auch als „Ministerium für Politik“ bezeichnete Abteilung in der Präsidialadministration ist mit circa 200 Mitarbeitern für Regionalpolitik und -wahlen, das Parlament und Gesetzgebung, Parteien, öffentliche Organisationen sowie nationale und religiöse Gemeinschaften verantwortlich. Sogenannte „Kuratoren“ sorgen für informelle Kontrolle und Steuerung bestimmter Politikbereiche.

Das von Alexej Nawalny aufgedeckte Datschenkooperativ Sosny4 deutet nicht nur auf bedeutendes privates Vermögen, sondern auch beste Vernetzung Wolodins in der Partei Einiges Russland und Regierung hin.

Wolodin an der Seite von Wladimir Putin während einer Sitzung des Menschenrechtsrates beim russischen Präsidenten 2015 -  Foto © Dimitri Asarow/Kommersant

Mit seinem Statement „Ohne Putin gibt es heute kein Russland“ auf dem Waldai-Forum im Oktober 2014 erklärte er den Persönlichkeitskult um Präsident Putin zur inoffiziellen Staatsideologie. Wolodin war zudem als Dozent am Lehrstuhl für Staatsverwaltung der Moskauer Staatlichen Universität tätig, organisierte in der Präsidialadministration Konferenzen für Lehrstuhlinhaber sozialwissenschaftlicher Fakultäten und lancierte (und finanzierte indirekt) den von dem renommierten Politikwissenschaftler Adam Przeworski5 herausgegebenen Sammelband Democracy in a Russian Mirror, in dem internationale und russische Autoren nicht-westliche, nicht-liberale Formen von Demokratie theoretisieren. Wolodin ist somit vielleicht noch ambitionierter als sein Vorgänger Slawa I.3, der den Begriff souveräne Demokratie prägte und den ideologischen Grundstein für Russlands Ablehnung westlich geprägter Demokratiemodelle legte.


1.Hale, H. E. (2004): The Origins of United Russia and the Putin Presidency: The Role of Contingency in Party-System Development, in: Demokratizatsiya, 12(2), S. 169-194
2.Wilson, A. (2005): Virtual politics: faking democracy in the post-Soviet world, Chicago, S. 85-86
3.Slawa wird als Kurzform sowohl für Wjatscheslaw als auch für Wladislaw verwendet  dem Vornamen von Wolodins Vorgänger Surkow.
4.Nawalny Livejournal: From Cottage Co-operative "Ozero" to Cottage Co-Operative "Sosny"
5.The Wilf Family – Department of Politics: Adam Przeworski
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