Eine reine News-Seite sollte dekoder.org nie sein. Zwar informieren wir auch über aktuelle Entwicklungen in und um Russland: über die gemischten Gefühle ob des gigantischen Umsiedlungsprogramms in Moskau etwa, oder die Diskussionen um die ukrainischen Internetsperren. Doch übersetzen wir ebenso sowjetische Familienschicksale aus dem Zweiten Weltkrieg und andere zeitlose Geschichten. dekoder ist auch „so etwas wie ein Buch über Russland“: ein Buch, das – ganz wie das Land selbst – einlädt zum Stöbern, Staunen und Sich-Verlieren.
Damit dabei die Übersicht nicht verloren geht (das Buch wird immer dicker, inzwischen finden sich über 500 Artikelübersetzungen, Debattenschauen und Gnosen darin!), haben wir damit begonnen, alte, aber nach wie vor höchst lesenswerte Texte in Dossiers zu bündeln. Themen, die immer wieder eine Rolle spielen, sind zum Beispiel der Große Vaterländische Krieg 1941–1945 oder die Medienlandschaft in Russland – während der mittlerweile bald zwei Jahre dekoder sind dazu eine Vielzahl unterschiedlichster Materialien zusammengekommen. Weitere Dossiers folgen in Kürze.
Das virtuelle Russland-Buch wird nicht nur sortierter, sondern auch bunter. Als der gerade freigelassene Ildar Dadin von Foltererlebnissen während seiner Haft berichtete oder als der russische Diplomat Wladimir Safronkow neulich im UN-Sicherheitsrat mit einem wenig diplomatischen Tonfall für Empörung sorgte, stand für uns fest: Das lässt sich nicht in Texten beschreiben, das muss man sehen. Nun freuen wir uns, mit den Videobotschaften des Oligarchen Alischer Usmanow unser erstes untertiteltes dekoder-Video präsentieren zu können. Auch das soll kein Einzelfall bleiben – Anlässe gibt es ja genug: bewegte Bilder für bewegte Zeiten.
Wer kein Kapitel verpassen möchte, der kann sich bequem jeden Freitag über die neuesten Zuwächse im dekoder-Buch informieren lassen – über unseren Newsletter.
Als Oligarchen werden Großunternehmer bezeichnet, die starken Einfluss auf die Politik nehmen. In Russland, aber auch in anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion, in denen Wirtschaft und Politik sehr eng verwoben sind, stellen sie ein zentrales Charakteristikum des politischen Systems dar.
Der Begriff „Oligarchen“ (vom griech. oligoi = weniger und archon = Herrscher, Führer) bezieht sich in der Regel auf einen kleinen Kreis von Personen, die Herrschaft zu ihren eignen Gunsten ausüben. Um Oligarchen von politischen Eliten abzugrenzen, sind ihre materiellen Machtgrundlagen hervorzuheben.1 Der Wirtschaftswissenschaftler Anders Åslund verweist daher auf den Terminus „Plutokraten“2 (griech. Reichtumsherrscher) als die eigentlich treffendere Bezeichnung. Heute findet der Begriff Verwendung mit Blick auf Südamerika, Südostasien sowie insbesondere den postsowjetischen Raum. Dort hat sich die Bezeichnung „Oligarchen“ Mitte der 1990er Jahre zunächst in der Politik und Öffentlichkeit Russlands durchgesetzt.3
Die Karrieren der ersten Oligarchen in Russland setzten Anfang der 1990er Jahre im Zuge der Reformpolitik unter Präsident Jelzin ein. Den aufstrebenden Oligarchen gelang es zu dieser Zeit, Privatbanken zu gründen, die vor allem auf den Finanzmärkten Geld verdienten. Dieses Startkapital nutzten sie, um im Zuge der Voucher-Privatisierungen erste Unternehmensbeteiligungen zu erlangen. Aus den Banken entwickelten sich Holdinggesellschaften, die in der zweiten Privatisierungsphase ab 1995 im Rahmen des von den Oligarchen selbst initiierten und maßgeblich beeinflussten Aktien-für-Kredite-Programms weitere Staatsunternehmen – vor allem im Energiesektor und der Metallurgie – weit unter Wert unter ihre Kontrolle bringen konnten. Der klamme Staat erhoffte sich, durch das Kapital der Oligarchen seine leeren Kassen zu füllen. Die Oligarchen nahmen nicht nur auf die Privatisierungen starken informellen Einfluss, um bei Verkäufen von Staatsbetrieben die Auktionen für sich zu entscheiden, sondern erzielten über Korruption und Netzwerke in Ministerien auch enorme Vorteile im Finanz- und Steuerwesen.4
Im Präsidentschaftswahlkampf 1996 stellten sich die Oligarchen hinter Jelzin, der viele von ihnen schon vorher begünstigt hatte, und förderten dessen Wiederwahl durch Wahlkampfspenden sowie durch von ihnen kontrollierte Massenmedien. Nach dem Amtsantritt Putins 2000 wurde ihr politischer Einfluss dann nachhaltig beschränkt, nachdem sie bereits geschwächt aus der Rubelkrise von 1998 hervorgegangen waren. Insbesondere jene Oligarchen, die sich als illoyal gegenüber der Putin-Administration erwiesen, sahen sich nun der Verfolgung durch die Justizorgane ausgesetzt.5 Mit Boris BeresowskiBoris Beresowski (1946–2013) gelangte während der Privatisierungen der 1990er Jahre durch Verbindungen in die Politik zu enormem Reichtum. Er besaß mehrere Medien – darunter große Anteile am staatlichen Ersten Kanal – die er auch zur politischen Einflussnahme nutzte. Zunächst ein enger Vertrauter Jelzins und Unterstützer Putins, kritisierte er Putin ab dem Jahr 2000 für autoritäre Tendenzen. Er entging der eingeleiteten Strafverfolgung durch politisches Asyl in Großbritannien. Von dort aus kritisierte er weiter Wladimir Putin und sein Umfeld. 2013 wurde er erhängt in seinem Badezimmer gefunden. und Wladimir Gusinski traten zwei Oligarchen mit starkem Einfluss in den Massenmedien die Flucht ins Exil an. Das Exempel des neuen Verhältnisses zwischen Politik und Wirtschaft wurde einstweilen jedoch in der sogenannten Jukos-Affäre mit Michail Chodorkowski statuiert.6 Chodorkowski, damals der reichste russische Oligarch, übte öffentlich Kritik an Putin, agierte politisch und unterstützte offen oppositionelle Kräfte. 2003 wurde er wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verhaftet und später zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Der von ihm geführte Erdölkonzern Jukos wurde kurze Zeit später für bankrott erklärt, die lukrativsten Unternehmensanteile gingen in das Staatsunternehmen RosneftAls staatliche Energiegesellschaft Anfang der 1990er Jahre gegründet, stieg Rosneft in den 2000er Jahren zu einem zentralen Akteur des russischen Energiesektors auf. Das Unternehmen war Hauptprofiteur der Zerschlagung des YUKOS-Konzerns und wurde durch weitere Zukäufe zu einem der mächtigsten Unternehmen Russlands. Der niedrige Ölpreis und die westlichen Sanktionen machen dem Giganten jedoch zu schaffen. Ende September 2017 wurde Altkanzler Gerhard Schröder zum Vorsitzenden des Direktorenrats von Rosneft berufen. undefined über. Der Prozess gegen ihn wurde international als politisch motiviert aufgefasst.7
Zwar wurden die Oligarchen unter Putin in den Hintergrund gedrängt. Verschwunden sind sie jedoch nicht – bis heute gibt es eine Reihe von Oligarchen, darunter beispielsweise Wladimir Potanin und Michail FridmanMichail Fridman (geb. 1964) ist ein russischer Unternehmer und Milliardär. Er ist Vorstandsvorsitzender der Alfa Group, die unter anderem Anteile in Öl-, Banken-, Telekommunikations- und Lebensmittelindustrie hält. Fridman, der auch die israelische Staatsbürgerschaft besitzt, lebt seit 2015 in London. Er ist Vizevorsitzender des Russischen Jüdischen Kongresses und Großspender des European Jewish Fund. , die mit einem geschätzten Vermögen von jeweils rund 15 Mrd. US-Dollar die gegenwärtig reichsten Personen in Russland sind.8 Besonders enge Beziehungen zu Putin soll unter anderem Gennadi TimtschenkoGennadi Timtschenko (geb. 1952) ist ein russischer Unternehmer, die Milliardärsliste des US-Magazins Forbes führt ihn 2023 auf Platz 7 der reichsten Russen. Der Oligarch wird zu den engsten Freunden Putins gezählt. Da Timtschenko auch direkte geschäftliche Kontakte zum Präsidenten nachgesagt werden, wurde er im Zuge der Krim-Annexion mit US-Sanktionen belegt. haben. Аuch hat sich unter Putin eine eigene Oligarchen-Generation herausgebildet. Hierzu gehören etwa die Brüder Boris und Arkadi Rotenberg, Juri KowaltschukJuri Kowaltschuk (geb. 1951) gilt als ein enger Vertrauter Putins. Der Milliardär und Mehrheitseigner der Bank Rossija wurde im Zuge der Krim-Annexion mit EU- und US-Sanktionen belegt. und Alischer UsmanowAlischer Usmanow (geb. 1953) ist ein russischer Unternehmer. Er verfügt über ein breitgefächertes Firmen-Portfolio, das Investments im Bereich der Metallurgie, der Medien und des Sports umfasst. Er ist außerdem Anteilseigner bei zahlreichen Unternehmen, darunter Metalloinvest, Mail.ru, VKontakte und MUZ-TV, und unter anderem der Besitzer des russischen Verlagshauses Kommersant. Der Geschäftsmann wird den sogenannten russischen Oligarchen zugerechnet, deren unternehmerische und ökonomische Erfolge an Akzeptanz und Unterstützung des politischen Systems Putin gebunden ist.. Die Rolle und der politische Einfluss der heutigen Oligarchen sind jedoch umstritten. Unklar ist insbesondere, ob sie neben den SilowikiSilowiki ist ein Sammelbegriff für Amtspersonen aus Sicherheitsorganen des Staates. Seit den späten 1990er Jahren hat ihr Einfluss stetig zugenommen. Unter Putin gehören sie zu den einflussreichsten Akteuren innerhalb der russischen Elite. undefined zentrale Träger des Regimes sind oder jeweils eigene, untereinander konkurrierende Akteure darstellen, zwischen denen der Präsident als Moderator fungiert.
8.Insgesamt führt die sogenannte Forbesliste für das Jahr 2015 88 russische Dollar-Milliardäre auf. Weltweit gibt es lediglich in Indien mit 90 Personen mehr Milliardäre, vgl. hierzu: Russland-Analysen: Russische Milliardäre in der Forbesliste 2015
Die Präsidialadministration(PA) ist ein Staatsorgan, das die Tätigkeit des Präsidenten sicherstellt und die Implementierung seiner Anweisungen kontrolliert. Sie ist mit beträchtlichen Ressourcen ausgestattet und macht ihren Steuerungs- und Kontrollanspruch in der politischen Praxis geltend.
Dimitri Medwedew ist seit Januar 2020 stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrates. Er war von 2012 bis 2020 Premierminister und bekleidete von 2008 bis 2012 das Amt des Präsidenten der Russischen Föderation. Medwedew gehört zu den engsten Vertrauten von Präsident Putin und nimmt, nicht zuletzt als Vorsitzender der Regierungspartei Einiges Russland, eine wichtige Rolle im politischen Systems Russlands ein.
Die Russische Zentralbank ist die Hüterin der Währungsstabilität. War die vorrangige Aufgabe der Zentralbank in den 1990ern, die Inflation des Rubels zu begrenzen,so konnte sie im letzten Jahrzehnt dank steigender Rohstoffexporte große Währungsreserven anhäufen. Ende 2014 musste die Zentralbank einen Teil der Reserven jedoch verkaufen, um den drastischen Kursverfall des Rubels zu verhindern.
Die Allrussische Staatliche Fernseh- und RadiogesellschaftWGTRK ist eine staatlich kontrollierte Medienholding. Sie besitzt mehrere landesweit empfangbare Fernseh- und Radiosender sowie Internetmedien, außerdem knapp 100 regionale Medienanstalten in den Föderationssubjekten der Russischen Föderation.
Der Journalist Dimitri Kisseljow spielt im gelenkten russischen Staatsjournalismus eine zentrale Rolle. 2008 wurde er Vizedirektor der staatlichen Medienholding WGTRK. Seit 2014 leitet er die staatliche Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja.
more gnoses
In order to constantly improve our website, we use cookies. More about this in our privacy policy. Do you agree with the use of cookies?