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Russland und der Kolonialismus

Kolonialimperien – das sind immer die anderen. Und doch hat Russland über eine Vielzahl an Völkern geherrscht und sein Territorium seit dem 16. Jahrhundert auf das 22-Fache vergrößert. Von der Eroberung Sibiriens bis zur angeblichen „Brüderlichkeit der Sowjetvölker“ wird die Kontinuität des russischen Kolonialismus im Krieg gegen die Ukraine besonders deutlich. Die vor diesem Hintergrund erstarkende Idee einer Dekolonisierung Russlands versucht der Kreml mit allen Mitteln zu unterdrücken. 

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Olga Skabejewa

Zweimal täglich erklärt die Moderatorin im Staatsfernsehen die Welt aus Moskauer Sicht. An manchen Tagen ist sie bis zu fünf Stunden mit Desinformation und Kriegshetze nach Vorgaben des Kreml auf Sendung. Skabejewas Spezialgebiet ist der Vollkontakt: Je nach Bedarf werden Gegner provoziert oder niedergebrüllt. 

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Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Kurilenkonflikt

Von Norden nach Süden verbinden die wie auf einer über eintausend Kilometer langen Perlenkette aufgereihten Kurilen die russische Kamtschatka-Halbinsel mit der japanischen Nordinsel Hokkaido. Dabei trennt die Inselkette das Ochotskische Meer vom Pazifik. Etorofu, Kunashiri, Shikotan und Habomai heißen die vier südlichsten der insgesamt 22 Hauptinseln, daneben gibt es 34 weitere, kleinere Inseln. Die sich auf etwa dreihundert Kilometer erstreckenden vier Südinseln sind der Zankapfel, um den Moskau und Tokio erbittert streiten.

Zuerst siedelte das indigene Volk der Ainu auf den Inseln. Seit dem 17. Jahrhundert begannen auch Japaner und Russen auf den Kurilen zu leben. Doch bis heute sind die meisten der Inseln des insgesamt 15.600 Quadratkilometer messenden Archipels unbewohnt. Aktuell leben nur rund 20.000 Russen auf den Kurilen. Dennoch sind die Inseln vor allem aus strategischen und ökonomischen Gründen bedeutend. Ihr Besitz verheißt Fischerei- und andere exklusive Wirtschaftsrechte in den umliegenden Seegebieten. Seit der Entscheidung der UN-Kommission für das Seerechtsübereinkommen vom März 2014 gehört nämlich der überwiegende Großteil des Ochotskischen Meeres, mit Ausnahme des Kontinentalschelfs um die japanische Insel Hokkaido, zum Festlandsockel Russlands. Damit ist der Großteil des Meeres ausschließliche Wirtschaftszone Russlands: Diese Hoheit verhindert das Eindringen von Schiffen anderer Staaten in das Ochotskische Meer und sichert Russland den Zugang zu allen potentiellen Bodenschätzen auf und unter dem Meeresboden.1

Kein Friedensvertrag seit 1945

Im September 1945 unterzeichnete Japan die Kapitulationserklärung gegenüber den Siegermächten. Trotz einiger Bemühungen ist aber auch bis 2019 kein Friedensvertrag zwischen Japan und Russland zustande gekommen. Die Unterzeichnung wird vor allem von dem Streit um die vier Pazifikinseln verhindert. Dieser Disput hemmt letztlich aber auch eine enge strategische Partnerschaft und ökonomische Kooperation beider Länder, deren Potential als sehr hoch eingeschätzt wird.2

Ringen um Meeresgrenzen

Nicht erst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ringen Russland und Japan um die Kurilen und andere Inseln im Nordpazifik. Schon seit rund zwei Jahrhunderten wandern zwischen beiden Ländern die Meeresgrenzen hin und her. Als Russland dort im 18. Jahrhundert erstmals militärisch Präsenz zeigte, hatte Japan bereits mit der Vermessung und Erschließung der südlichen Kurilen begonnen. Der Vertrag von Shimoda bestätigte 1855 den Grenzverlauf zwischen den Inseln Etorofu und Uruppu – die vier südlichen Inseln waren also Teil Japans. Zwei Jahrzehnte später einigten sich Sankt Petersburg und Tokio auf einen Gebietstausch: Das Russische Kaiserreich erhielt die Insel Sachalin (Karafuto), die bis dahin offiziell weder zu Japan noch zu Russland gehörte, im Tausch gegen die übrigen 18 Kurilen-Inseln. Ein halbes Jahrhundert verging, bis Russland 1905 seine Niederlage im Japankrieg besiegelte und damit einen Teil Sachalins südlich des 50. Breitengrades vertraglich abtrat. Im August und September 1945 eroberte die Rote Armee Südsachalin zurück. Hinzu kamen die Kurilen, inklusive der vier südlichsten Inseln. Moskau deportierte in den Folgejahren über 300.000 Japaner von Sachalin und den Kurilen nach Japan.

Kaum Bewegung seit 1956

Der heutige Streit um die vier Südkurilen basiert auf der widersprüchlichen Auslegung verschiedener Verträge, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossen wurden. Im Oktober 1955 nahmen beide Länder ihre diplomatischen Beziehungen wieder auf. Im Oktober 1956 unterzeichneten sie eine Absichtserklärung, mit der die Sowjetunion im Falle eines Friedensvertrages erstmals die Rückgabe von Shikotan und der Habomai-Gruppe zusicherte, der zwei südlichsten der vier Inseln.

Seit dieser gemeinsamen Erklärung von 1956 haben sich die Positionen der beiden Seiten kaum verändert. 2006 bot die russische Regierung unter Wladimir Putin Japan erneut die Rückgabe von Shikotan und Habomai an, unter der Bedingung, dass Japan im Gegenzug seine Ansprüche auf die beiden anderen Inseln aufgibt.

Seither sind die Entwicklungen widersprüchlich. Insgesamt hat die Bereitschaft Moskaus zur Aushandlung eines Friedensvertrags jedoch abgenommen. So besuchte der damalige russische Präsident Dimitri Medwedew im November 2010 ungeachtet heftiger Proteste aus Tokio als erstes russisches Staatsoberhaupt überhaupt eine der südlichen Kurilen-Inseln. Seither verstärkt Moskau dort seine militärische Präsenz, zuletzt durch die Stationierung moderner Raketensysteme und Drohnen.

Im September 2018 trafen sich Wladimir Putin und Shinzo Abe auf dem Eastern Economic Forum in Wladiwostok. Dort bot der russische Präsident dem japanischen Premierminister einen Friedensvertrag „ohne Vorbedingungen“ an. Auf dem ASEAN-Gipfel, der zwei Monate später in Singapur stattfand, ging Abe auf Putins Vorschlag ein. Dabei betonte Abe, dass beide Staaten einen Friedensvertrag zu den Bedingungen der Sowjetisch-Japanischen Erklärung von 1956 anstreben würden. Der Friedensvertrag würde also nach der Rückgabe von Shikotan und der Habomai-Gruppe an Japan geschlossen. Diplomatisch spitzfindig stimmte Putin mit Abe indes soweit überein, dass die Erfüllung des Abkommens von 1956 nur Teil eines bilateralen Friedensvertrages sein könne. Nach einem Treffen der Außenminister beider Staaten Mitte Januar 2019 in Moskau erklärte Sergej Lawrow, dass es weiterhin ernsthafte Unterschiede zwischen den russischen und japanischen Positionen gebe. Vorbedingung für Verhandlungen sei, dass Japan alle Kurilen-Inseln zunächst als souveränes russisches Territorium anerkennen müsse.

 

1.In den russischen Medien wird das Ochotskische Meer oft als ein Binnenmeer bezeichnet. Da ein kleiner Teil davon wegen des Festlandsockels von Hokkaido zu Japan gehört, ist diese Definition jedoch falsch, vgl. Commission on the Limits of the Continental Shelf (CLCS): Outer limits of the continental shelf beyond 200 nautical miles from the baselines: Submissions to the Commission: Partial revised Submission by the Russian Federation (SC/13/203), März 2014 
2.vgl. Guo, Yuqi (2013): Rossijsko-japonskie otnošenija s točki zrenija geopolitiki, S. 20 
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