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Russland und der Kolonialismus

Kolonialimperien – das sind immer die anderen. Und doch hat Russland über eine Vielzahl an Völkern geherrscht und sein Territorium seit dem 16. Jahrhundert auf das 22-Fache vergrößert. Von der Eroberung Sibiriens bis zur angeblichen „Brüderlichkeit der Sowjetvölker“ wird die Kontinuität des russischen Kolonialismus im Krieg gegen die Ukraine besonders deutlich. Die vor diesem Hintergrund erstarkende Idee einer Dekolonisierung Russlands versucht der Kreml mit allen Mitteln zu unterdrücken. 

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Olga Skabejewa

Zweimal täglich erklärt die Moderatorin im Staatsfernsehen die Welt aus Moskauer Sicht. An manchen Tagen ist sie bis zu fünf Stunden mit Desinformation und Kriegshetze nach Vorgaben des Kreml auf Sendung. Skabejewas Spezialgebiet ist der Vollkontakt: Je nach Bedarf werden Gegner provoziert oder niedergebrüllt. 

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Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Schwarzmeerflotte

Die Schwarzmeerflotte ist eine der vier Flotten der russischen Marine. Sie operiert im Schwarzen und im Asowschen Meer.1 Das Hauptquartier befindet sich in Sewastopol auf der ukrainischen, von Russland annektierten, Halbinsel Krim. Die strategische Bedeutung der Schwarzmeerflotte hat sich parallel zu historisch-geopolitischen Entwicklungen stark gewandelt. Ihre Symbolkraft ist in Russland nach wie vor hoch.

Die Schwarzmeerflotte entstand gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Sie spielte eine wichtige Rolle im Ausbau der russischen Vorherrschaft im Schwarzmeerraum gegenüber dem mehr und mehr weichenden Einfluss des Osmanischen Reiches. Die Flotte war dabei an zahlreichen Russisch-Osmanischen Kriegen beteiligt (so etwa 1787–1792, 1828–1829 und 1877–1878).

Russland versuchte im 19. und 20. Jahrhundert kontinuierlich, die Kontrolle über die Dardanellen-Meerenge zwischen dem Schwarzen und dem Mittelmeer zu erlangen, um Verbindungslinien zu sichern und der Schwarzmeerflotte einen größeren Wirkungsbereich zu verschaffen. Das schwächere Osmanische Reich widersetzte sich und wurde dabei im Laufe der Zeit von verschiedenen Großmächten unterstützt, die ein Interesse an der Eindämmung des russischen Einflusses hatten. Dies galt beispielsweise für Großbritannien und Frankreich im Krimkrieg (1853–1856) und für Deutschland im Ersten Weltkrieg (1914–1918).

Dieses Muster setzte sich bis nach dem Zweiten Weltkrieg fort, als die siegreiche und militärisch übermächtige Sowjetunion verstärkt auf die Kontrolle der Dardanellen drängte. Dies trug zur Entwicklung der Truman-Doktrin, dem Beginn des Kalten Krieges und zum Nato-Beitritt der Türkei 1952 bei. Das westliche Bündnis verwehrte hierdurch der Sowjetunion den strategischen Zugang zum Mittelmeer und verringerte die militärische Bedeutung der Schwarzmeerflotte.

Mit dem Zerfall der Sowjetunion und der neuen Unabhängigkeit der Ukraine seit 1991 wurden die Schwarzmeerflotte und insbesondere die in Sewastopol stationierten russischen Soldaten zu einem wichtigen Einflussfaktor Russlands in der Ukraine.2 In den 1990ern rangen beide Seiten um die Kontrolle über das alte sowjetische Militär. Die Flotte wurde 1997 aufgeteilt. Die Ukraine erhielt einen deutlich kleineren Teil der Schiffe, und Russland pachtete die Stützpunkte auf der Krim bis 2017. Die russisch-ukrainischen Beziehungen verschlechterten sich seit den frühen 2000ern zunehmend. Die Schwarzmeerflotte war dabei Mittel und Zweck einer russischen Politik der Einflussnahme und der Verhinderung ukrainischer Nato-Ambitionen.3

So setzte Russland 2008 die Schwarzmeerflotte im Zuge des Georgienkriegs ein – gegen den ausdrücklichen Willen der ukrainischen Regierung. Im folgenden Jahr kündigte die Ukraine unter Präsident Viktor Juschtschenko und Ministerpräsidentin Julia Timoschenko an, den Pachtvertrag nicht über 2017 hinaus zu verlängern. Daraufhin verschärfte Russland seine Position im andauernden Konflikt über ukrainische Gaspreise, Gastransitgebühren und ukrainische Schulden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Ukraine in einer schweren Wirtschaftskrise. Als 2010 Viktor Janukowitsch zum Präsidenten gewählt wurde, verlängerte er den Stationierungsvertrag bis 2042 im Austausch gegen eine erhöhte Pacht und verringerte Gaspreise.4 Noch im selben Jahr zog die Ukraine ihren Nato-Beitrittsantrag zurück.5

2014 nutzte Russland die auf der Krim stationierten Truppen um die dortige Regionalregierung zu unterwandern, das ukrainische Militär zu neutralisieren und die Krim zu annektieren.6 Beim Einsatz des russischen Militärs in Syrien wird die Schwarzmeerflotte zur Unterstützung des Assad-Regimes und im Kampf gegen syrische Rebellen eingesetzt.7

Neben ihrer strategischen Bedeutung spielt die Schwarzmeerflotte auch seit jeher eine Rolle in der Vermittlung politisch gewünschter Interpretationen der Geschichte. Sergej Eisensteins berühmter Film Panzerkreuzer Potemkin (1925) bezieht sich beispielsweise auf eine reale Meuterei auf einem Schiff der Schwarzmeerflotte im Zuge der gescheiterten russischen Revolution von 1905. Die Hafenstadt Sewastopol, in der ein Großteil der Flotte stationiert ist, gilt zudem in der dominanten Geschichtsauffassung des heutigen Russlands als Symbol für Heroismus und historische Größe. Neuere offizielle Darstellungen in Russland deuten Sewastopol und den dortigen Einsatz russischer Soldaten bei der Angliederung der Krim als Zeichen der Wiedererstarkung Russlands.


1.Details zur heutigen russischen und ukrainischen Marine, inklusive der Stützpunkte sowie der Zahl, Zusammensetzung und geographischen Position von Truppen und Kriegsgerät sind zu finden in: International Institute for Strategic Studies (Hrsg.): The Military Balance 2015, London, S. 159-206
2.hier und im Folgenden: Donaldson, Robert H. / Nogee, Joseph L. / Nadrakarni, Vidya (2014): The Foreign Policy of Russia: Changing Systems, enduring Interests, New York, S. 172-175 und S. 179; Mankoff, Jeffrey (2012): Russian Foreign Policy: The Return of Great Power Politics (2nd edition), Lanham, S. 23
3.vgl. Driedger, Jonas J. (2015): Fear and power as main drivers of Russo-Ukrainian relations 1990-2014, Natolin / Warschau; Subtelny, Orest (2014): Ukraine: A History (4th edition), Toronto, S. 601
4.Chyong, Chi Kong (2014): Why Europe should support Reform of the Ukrainian Gas Market – or risk a Cut-off, in: European Council on Foreign Relations ECFR Policy Brief, No. 113; Gvosdev, Nikolas K. / Marsh, Christopher (2014): Russian Foreign Policy: Interests, Vectors, and Sectors, Washington DC, S. 192-193;  Mankoff, Jeffrey (2012): Russian Foreign Policy: The Return of Great Power Politics (2nd edition), Lanham, S. 234
5.Mankoff, Jeffrey (2012): Russian Foreign Policy: The Return of Great Power Politics (2nd edition), Lanham, S. 228
6.Putin erklärte 2015 in einem öffentlichen Interview, dass im Kreml die Entscheidung zur Krimannektion vier Tage vor dem Tag getroffen wurde, an dem das Parlament der Krim von professionellen Truppen besetzt und ein neuer Ministerpräsident von der bis dato marginalen Russischen Einheitspartei eingesetzt wurde, vgl. The Guardian: Vladimir Putin describes secret meeting when Russia decided to seize Crimea
Einen Überblick über die Konfliktereignisse liefern Driedger, Jonas J. (2015): Russia – Ukraine, in: Heidelberg Institute for International Conflict Reserach (Hrsg.): Conflict Barometer 2014, Heidelberg, S. 37-38; Driedger, Jonas J. (2015): Fear and power as main drivers of Russo-Ukrainian relations 1990-2014, Natolin / Warsaw, S. 61-62 und  International Institute for Strategic Studies (Hrsg.) (2015): The Military Balance 2015, London, S. 159-206, S. 169-170
7.Brookings.edu: Russia’s military is proving Western punditry wrong
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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)