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Russland und der Kolonialismus

Kolonialimperien – das sind immer die anderen. Und doch hat Russland über eine Vielzahl an Völkern geherrscht und sein Territorium seit dem 16. Jahrhundert auf das 22-Fache vergrößert. Von der Eroberung Sibiriens bis zur angeblichen „Brüderlichkeit der Sowjetvölker“ wird die Kontinuität des russischen Kolonialismus im Krieg gegen die Ukraine besonders deutlich. Die vor diesem Hintergrund erstarkende Idee einer Dekolonisierung Russlands versucht der Kreml mit allen Mitteln zu unterdrücken. 

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Olga Skabejewa

Zweimal täglich erklärt die Moderatorin im Staatsfernsehen die Welt aus Moskauer Sicht. An manchen Tagen ist sie bis zu fünf Stunden mit Desinformation und Kriegshetze nach Vorgaben des Kreml auf Sendung. Skabejewas Spezialgebiet ist der Vollkontakt: Je nach Bedarf werden Gegner provoziert oder niedergebrüllt. 

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Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Nikolaj Leskow

Maxim Gorki hielt seine Bücher für geschriebene Ikonen, Tolstoi sah in ihm den russischsten aller Autoren. Seine Geschichten hörte er dem Volk ab und verarbeitete sie in kühnen, mitunter schwer verständlichen Sprachexperimenten. Von vielen Zeitgenossen angefeindet, ist Nikolaj Leskow (1831–95) der vielleicht eigentümlichste Schriftsteller unter den großen russischen Realisten. Seine Biographie erschütterten literarische Skandale.

Serow-Portrait von 1894 © GemeinfreiLeskows Ahnentafel war bunt gemischt: die Mutter aus verarmtem Adel, der Vater Untersuchungsbeamter zu Gericht und der Großvater ein Priester. Nikolaj ging in Orjol zur Schule, 1849 folgte der Umzug nach Kiew. Jahre später nahm er einen Reisejob in der Handelsfirma seines Onkels an, der ihn in viele Regionen des Reiches führte. Leskows Biographen betonen, dass die Eindrücke dieser Fahrten auf ihn wie ethnographische Studien wirkten und er dort mit den Sitten des Volkes und den sozialen Realitäten vertraut wurde: Eine Erfahrung, die sein literarisches Werk entscheidend stimulieren sollte.

Leskow schrieb im verfänglichen intellektuellen Milieu der zweiten Jahrhunderthälfte, als erbitterte politische Konflikte mithilfe von Literatur ausgetragen wurden. Autoren und Kritik waren hier zu politischen Positionierungen gezwungen, und Leskow, der sich weder auf die Seite der radikalen Demokraten noch auf die der Konservativen schlagen mochte, fand sich in diesem radikalisierten Klima schnell isoliert.

Er begann 1860 als Journalist und veröffentlichte nach dem Umzug nach St. Petersburg auch literarische Texte. Im März 1862 kam es zu einem ersten Konflikt mit der politischen Linken: Nachdem auf zwei Märkten Feuer ausgebrochen waren, entstanden Gerüchte, dass radikale Studenten dafür verantwortlich seien. In einem Artikel wollte Leskow die Studenten gegen diesen Vorwurf verteidigen und forderte eine Aufklärung der Vorkommnisse. Die Linke interpretierte dies jedoch als Angriff gegen sich und brandmarkte ihn als Reaktionär. Leskow verarbeitete diese Anschuldigungen 1864 in seinem ersten Roman Nekuda (dt. Ohne Ausweg), einer Polemik auf die radikale Bewegung der 60er Jahre, doch galt er nun als Persona non grata unter den Radikalen.

Waren die frühen Erzähltexte stärker sozialkritisch, so rückten mit dem Roman Soborjane (dt. Die Klerisei) zu Beginn der 1870er Jahre religiöse und moralische Themen ins Zentrum. Leskow war jedoch kein Anhänger der orthodoxen Kirche, sondern vertrat ein moralisches Christentum und warb besonders in seinen späten Werken für religiöse Toleranz. Er verfasste Satiren auf die offizielle Kirche und nutzte religiöse Motive, um Themen der nationalen Identität und des Russischseins zu entfalten. Davon zeugt etwa die Erzählung um die Ikonen einer Gruppe Altgläubiger Zapetschatljonny angel (dt. Der versiegelte Engel) von 1873.

Eine wichtige Quelle war die Volksdichtung: Die legendenhafte Erzählung Otscharowanny strannik (dt. Der verzauberte Pilger) oder etwa Lewscha (dt. Der Linkshänder, 1881) imitieren mündliche Erzähltraditionen und wurden als folkloristische Loblieder auf die Stärke Russlands und die moralischen Tugenden des einfachen Volkes patriotisch interpretiert.

Leskows stilistische Experimente bestanden oft in virtuosen Imitationen von mündlichen Redestilen einzelner Sprechertypen, nicht selten Figuren aus dem einfachen Volk wie Bauern, Soldaten oder Geistliche: Er schuf in diesem skaz genannten Verfahren eine radikale Vielstimmigkeit, die er mitunter bis zur Künstlichkeit übersteigerte.

Im Spätwerk rückte der Aspekt der moralischen Erziehung durch Kunst in den Blick Leskows. Er näherte sich hier – wie auch in der Ablehnung von Staat und orthodoxer Kirche – den Positionen Lew Tolstois an, dem er 1887 begegnete und den er als Persönlichkeit verehrte. Zermürbt von Zensur und enttäuscht vom autoritären zaristischen Staatsregime am Jahrhundertende waren seine letzten Texte von Pessimismus und Verbitterung gekennzeichnet. Er starb vereinsamt in Moskau an den Folgen einer jahrelangen Herzerkrankung.

Wenngleich Leskow ein Opfer der politischen Grabenkämpfe seiner Zeit war, galt er doch bereits zu Lebzeiten als einer der wichtigsten Prosaautoren des 19. Jahrhunderts, der insbesondere auf moderne Autoren wie Tschechow oder Remissow großen Einfluss ausübte. In der Sowjetunion wegen der Vielzahl an religiösen Themen suspekt beäugt, erschienen dort seine Werkausgaben nur unvollständig und gekürzt. Erst seit Mitte der 1990er Jahre wird in Russland an einer vollständigen Gesamtausgabe gearbeitet.

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Nikolaj Nekrassow

Nikolaj Alexejewitsch Nekrassow war ein Autor, Kritiker und einflussreicher Publizist, der insbesondere in politisch-revolutionär gesinnten Kreisen eine breite Anhängerschaft fand. Im westlichen Ausland kaum bekannt, gilt Nekrassow in Russland als Nationalheld der Literatur des 19. Jahrhunderts und als moralische Instanz der Kulturgeschichte. Nekrassow begriff Literatur in erster Linie als Medium zum Ausdruck sozialer und politischer Belange.

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Wissarion Belinski

Wissarion Belinski (1811–1848) war der Erfinder der modernen Literaturkritik in Russland. Er lag im Dauerclinch mit dem zaristischen Regime und war der geistige Vater der Radikalen der 1860er Jahre. Literatur sah er als ein Vehikel politischer Agitation, er kämpfte für soziale Veränderungen und schrieb mit unbändiger Leidenschaft über Literatur. In der Sowjetunion als Vordenker eines utopischen Sozialismus beispiellos glorifiziert, sind noch heute Hunderte von Plätzen und Straßen nach ihm benannt.

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Akademie der Künste in St. Petersburg

Nach europäischem Vorbild wurde 1757 in St. Petersburg die Kaiserliche Akademie der Künste gegründet. Die langjährige Ausbildung der Maler, Bildhauer, Graphiker und Bildhauer folgte strengen formalen und thematischen Vorgaben. Der Akademie war die wichtigste Instanz für Geschmack und ästhetisches Empfinden. Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ihre Monopolstellung in künstlerischen Belangen aufgebrochen.

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Nikolaj Berdjajew (1874–1948) war ein russischer Philosoph mit weltweiter Wirkung. Zunächst marxistisch beeinflusst, stellte er sich noch vor der Oktoberrevolution gegen den Atheismus der Kommunisten und wurde 1922 ausgewiesen. Seine christlich-existenzialistische Philosophie stellt die Freiheit des einzelnen Menschen in den Mittelpunkt, zielt dabei aber auf eine geistige Erneuerung der Gemeinschaft. Die religiöse Rückbesinnung in Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beruft sich vielfach auf Berdjajews Denken.

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Konstantin Stanislawski (1863–1938) ist eine Kultfigur des russischen Theaters. Als Schauspieler, Regisseur, Theatergründer, Schauspiellehrer und Schauspieltheoretiker spielte er eine prägende Rolle nicht nur für die Theaterszene in Russland. Seine Überlegungen zur Schauspielkunst werden weltweit an Schauspielschulen gelehrt und insbesondere am Broadway und in Hollywood wurden sie stilbildend. In Russland gilt das sogenannte „Stanislawski-System“ bis heute als das Einmaleins der Bühnenkunst.

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Russisch-Orthodoxe Kirche

Die Russisch-Orthodoxe Kirche ist die christliche Kirche mit der größten Glaubensgemeinschaft in Russland. Prägend für ihr Verhältnis zum russischen Staat ist das von der byzantinischen Mutterkirche übernommene Ideal der Symphonie, das heißt einer harmonischen Beziehung zwischen Staat und Kirche. Vor 1917 galt die Orthodoxie neben der Autokratie und dem „Volk“, genauer: einem volksverbundenen Patriotismus, als eine der wichtigsten Stützen des russischen Staates und des Zarenreichs – eine Traditionslinie, die heute wieder wirksam scheint.

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)