Medien
Gnose

Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

Gnosen
en

Nikolaj Nekrassow

Nikolaj Alexejewitsch Nekrassow war ein Autor, Kritiker und einflussreicher Publizist, der insbesondere in politisch-revolutionär gesinnten Kreisen eine breite Anhängerschaft fand. Im westlichen Ausland kaum bekannt, gilt Nekrassow in Russland als Nationalheld der Literatur des 19. Jahrhunderts und als moralische Instanz der Kulturgeschichte. Nekrassow begriff Literatur in erster Linie als Medium zum Ausdruck sozialer und politischer Belange.

Nekrassow (1821–1878), der einer adligen Familie entstammte und gegen den Willen seines Vaters  1838 zum Philologiestudium nach Sankt Petersburg ging, musste sich zunächst durch Privatstunden und kleinere literarische und publizistische Tätigkeiten über Wasser halten. Erst die Bekanntschaft mit Wissarion Belinski im Jahr 1843, dem Nestor der russischen Literatur und Förderer junger Autoren, verhalf ihm zu ersten Erfolgen. Mitte der 40er Jahre gab Nekrassow „physiologische Skizzen“ heraus, Sozialreportagen, die sich teils kritisch, teils sentimentalistisch und nicht selten unfreiwillig komisch mit den Petersburger Armenvierteln und den vielfältigen Nöten ihrer Bewohner auseinandersetzen. Sie versammelten jene klassischen Autoren, die später als Vertreter der Natürlichen Schule in die russische Literaturgeschichte Eingang fanden.

Nekrassow erwarb durch seine vielfältigen redaktionellen Tätigkeiten eine vorzügliche publizistische Reputation und konnte so 1846 die renommierte Zeitschrift Der Zeitgenosse kaufen, die er schrittweise zu einem der wichtigsten Publikationsorgane für politische und ästhetische Debatten umbaute und profitabel machte. Ab Mitte der 50er Jahre driftete der Zeitgenosse unter dem Einfluss radikaler Kräfte wie Nikolaj Tschernyschewski immer stärker in Richtung eines politisch-revolutionären Extremismus , so dass die Zeitschrift in Konflikt mit den zaristischen Behörden geriet und 1866 schließen musste. Nekrassow übernahm daraufhin mit den Vaterländischen Annalen eine andere zentrale literaturkritische Zeitschrift, die er bis zu seinem Tod herausgab.

Den literarischen Druchbruch brachte 1856 sein erster großer Gedichtband, in dem das lyrische Ich als moralische Instanz angelegt ist und zu gesellschaftlichem Engagement gegen soziale Missstände aufruft. Zuvor waren die Zensurbestimmungen in Russland deutlich gelockert worden. In Der Dichter und der Bürger, einem Manifest politisch ambitionierter Literatur, schreibt Nekrassow: „Es wird Zeit aufzustehen, du weißt selbst / welche Zeit begonnen hat.“ Das monumentale Epos Wer lebt in Russland glücklich? (1863–1877), ein Panorama der verschiedenen sozialen Typen der russischen Gesellschaft, kann als Opus magnum Nekrassows gesehen werden. Nekrassow starb vor der endgültigen Fertigstellung des Buchs, nachdem er bereits über Jahre an verschiedenen schweren Erkrankungen gelitten hatte. Seine Popularität war zu dieser Zeit so groß, dass zu seiner Beerdigung Tausende von Anhängern auf dem Nowodewitsche-Friedhof in Moskau zusammenströmten.

Der Vorzeigedichter auf sowjetischen BriefmarkenNekrassows Geltung in der Literaturgeschichte sichert besonders die innovative Übertragung diverser sprachlicher Mittel aus Folklore und mündlicher Volksdichtung in den lyrischen Mainstream. Das Verwischen von Gattungsgrenzen und die Einarbeitung erzählerischer Elemente in die Lyrik lassen sich deutlich in den Versepen seines Spätwerkes erkennen. Die sowjetische Rezeption hat Nekrassow später zum „demokratischen“ Vorzeigedichter erhoben und verklärte die Texte zu progressiven Vorboten der Revolution von 1917. Diese stereotype Mystifizierung der gesellschaftlichen Tätigkeiten Nekrassows in der Sowjetunion verhinderte lange Zeit eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Werk. Jüngere Untersuchungen heben ambivalente Merkmale in der Biographie Nekrassows hervor und zeichnen eher das Bild eines zerrissenen Intellektuellen des 19. Jahrhunderts. Diese Deutungen verstehen den tugendhaften und teils asketischen Impetus in Nekrassows Werken als Teil einer politischen Selbststilisierung, ein bewusstes Spiel mit verschiedenen Identitätsentwürfen. Nekrassows Moralisieren erscheint in grellem Kontrast zu seiner eigenen zügellosen Genusssucht, die bereits unter Zeitgenossen Anlass zu allerlei spekulativer Legendenbildung gab.

dekoder unterstützen
Weitere Themen
Gnose

Alexander Solschenizyn

Im Westen ist Alexander Solschenizyn als einer der bedeutendsten Oppositionellen der Sowjetära bekannt. Heute vor 102 Jahren wurde der streitbare Publizist geboren. Elisa Kriza über Leben und Wirken des Schriftstellers.

Gnose

Kasimir Malewitsch

Sein Name ist untrennbar mit seinem größten Coup verbunden – dem Schwarzen Quadrat (1915, Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau). Sein im doppelten Sinn ikonisches Gemälde stellt eine Tabula rasa für das Medium Malerei dar und bildet gleichzeitig den Ausgangspunkt für die Entwicklung einer gegenstandslosen Abstraktion, die bis heute andauert. Malewitsch verstarb am 15. Mai 1935.

Gnose

Uralwagonsawod

Uralwagonsawod (UWS) (wörtl. Uralwaggonwerk) ist ein großes und wichtiges russisches Maschinenbauunternehmen, das in der Stadt Nishni Tagil im Uralgebirge beheimatet ist. UWS stellt neben Schienenfahrzeugen, Bau- und Landwirtschaftsmaschinen vorwiegend Militärfahrzeuge her und ist der weltgrößte Hersteller von Panzern. Nicht zuletzt aufgrund der Sanktionen gegen Russland musste das Unternehmen 2015 jedoch Invsolvenz anmelden.

Gnose

Dimitri Vrubel

Der russische Künstler Dimitri Vrubel (geb. 1960) wurde als der Urheber des Bruderkusses an der East Side Gallery bekannt: ein Bildnis der Staatsmänner Breshnew und Honecker an der ehemaligen Berliner Mauer, die einander im sozialistischen Bruderkuss innig zugeneigt sind.

Gnose

„Agentengesetz“

„Nun kann praktisch jeder zum ausländischen Agenten erklärt werden“, schreibt das unabhängige Exilmedium Meduza. Bislang werden zahlreiche Journalisten, Aktivisten, NGOs und Einzelpersonen in Russland auf solchen „Agentenlisten“ geführt. Viele von ihnen haben das Land inzwischen auch deswegen verlassen. Worum es bei dem sogenannten „Agentengesetz” geht und was sich nun noch weiter verschärft hat, erklärt unsere Gnose.

Gnose

Dimitri Bykow

Der Schriftsteller und Intellektuelle Dimitri Bykow wurde 2019 wahrscheinlich von denselben Mitarbeitern des FSB vergiftet wie später Nawalny. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Recherche von The Insider und Bellingcat

weitere Gnosen
Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)