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Russland und der Kolonialismus

Kolonialimperien – das sind immer die anderen. Und doch hat Russland über eine Vielzahl an Völkern geherrscht und sein Territorium seit dem 16. Jahrhundert auf das 22-Fache vergrößert. Von der Eroberung Sibiriens bis zur angeblichen „Brüderlichkeit der Sowjetvölker“ wird die Kontinuität des russischen Kolonialismus im Krieg gegen die Ukraine besonders deutlich. Die vor diesem Hintergrund erstarkende Idee einer Dekolonisierung Russlands versucht der Kreml mit allen Mitteln zu unterdrücken. 

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Olga Skabejewa

Zweimal täglich erklärt die Moderatorin im Staatsfernsehen die Welt aus Moskauer Sicht. An manchen Tagen ist sie bis zu fünf Stunden mit Desinformation und Kriegshetze nach Vorgaben des Kreml auf Sendung. Skabejewas Spezialgebiet ist der Vollkontakt: Je nach Bedarf werden Gegner provoziert oder niedergebrüllt. 

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Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Yukos-Aktionäre

Große Teile des Erdölunternehmens YUKOS waren zu Anfang der 2000er Jahre im Besitz einiger im Ausland registrierter Firmen, an denen Michail Chodorkowski die Mehrheit hielt. Wenngleich solche Steuertricks oft formal legal und unter russischen Großunternehmern üblich waren, ging der russische Staat ab 2003 gegen den Konzern vor - nach Meinung vieler Experten aus politischen Motiven. Die ehemaligen Eigentümer erwirkten 2014 zunächst ein Urteil, das Russland zu einer Entschädigungszahlung verpflichtet. Das Den Haager Bezirksgericht gab jedoch 2016 einer Revisionsklage Russlands statt, das Urteil wurde aufgehoben.

Die Offenlegung der Informationen zur Eigentumsstruktur 2002 war eine Bedingung für den Gang an die US-Börse. Sie sollte zudem als Beispiel für Transparenz und gute Unternehmensführung dienen. Es stellte sich heraus, dass die YUKOS-Aktien in einem komplexen System von im Ausland ansässigen Firmen und Tochterfirmen aufgeteilt waren, die über die in Gibraltar ansässige Group MENATEP Limited (GML) kontrolliert wurden.

Zum einen gab es die Yukos Universal Limited mit Sitz auf der Isle of Man als 100%-ige Tochtergesellschaft von GML. Sie besaß 3,54 % der YUKOS-Aktien und war gleichzeitig die Muttergesellschaft einer Hulley Enterprises Limited, die ihren Sitz in Zypern hatte und der ihrerseits 57,47 % der Aktien an YUKOS gehörten. Der von Yukos Universal Limited gegründete Veteran Petroleum Trust, der für soziale Zwecke und als Pensionsfonds für ehemalige YUKOS-Mitarbeiter gegründet worden war, hielt weitere 10 %. Auf diese Weise befanden sich insgesamt etwa 70 % der YUKOS-Aktien im Besitz von GML.

Was die Eigentümersituation von GML anbetrifft, so befanden sich formal nur 9,5 % bei Chodorkowski (und je zwischen 7 % und 8 % bei den anderen persönlichen Gesellschaftern). Weitere 50 % gehörten einem Sonderfonds. Der einzige Begünstigte dieses Fonds war wiederum Michail Chodorkowski, der somit insgesamt 59,5 % der Stimmen bei GML hielt und dadurch einen entscheidenden Einfluss auf den Konzern ausüben konnte (siehe Tab. 1).
 Aktionärsstruktur der GML im Jahr 2001

Im Russland der 1990er Jahre waren solche Arrangements bei Großkonzernen durchaus üblich. Diese und andere Methoden, die Energiekonzerne nutzten, um Steuern zu sparen, wurden von Vertretern der russischen Regierung zu Beginn der 2000er Jahre als legal eingestuft.1 Dass gerade YUKOS unter juristischen Druck geriet, schreiben viele Experten daher den politischen Aktivitäten des YUKOS-Vorsitzenden Michail Chodorkowski zu, der ab dem Jahr 2000 oppositionelle Gruppen finanzierte und andeutete, selbst in die Politik zu gehen. Im Rahmen der YUKOS-Affäre wurden Chodorkowski und auch der Co-Vorsitzende Platon Lebedew 2003 verhaftet und 2005 verurteilt, der Konzern wurde zerschlagen und verstaatlicht.

Die ehemaligen Aktionäre des Konzerns, von denen einige vor der strafrechtlichen Verfolgung ins Ausland geflohen waren, strengten eine Reihe von Klagen gegen den russischen Staat an, um für die Zerschlagung entschädigt zu werden. Im Juli 2014 bekamen sie vor dem Ständigen Schiedshof in Den Haag Recht. Das Urteil verpflichtete Russland zunächst auf eine Schadenersatzzahlung an die ehemaligen YUKOS-Aktionäre in Höhe von 51,6 Milliarden US-Dollar. Nach dem Urteil versuchten die ehemaligen Aktionäre, von Russland Zugeständnisse zu erwirken. Leonid Newslin schlug zum Beispiel 2014 vor, im Austausch für die Beendigung der strafrechtlichen Verfolgung ehemaliger YUKOS-Mitarbeiter die Höhe der Entschädigung zu reduzieren. 2015 boten Yukos Universal und Hulley an, den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in einem weiteren Urteil zugesprochenen Schadenerzatz in Höhe 1,9 Milliarden Euro von dem 50-Milliarden-Urteil des Schiedsgerichtshofs in Den Haag abzuziehen.2 Russland akzeptiert die Urteile jedoch nicht und versuchte seit 2015, in einem neuen Prozess am Den Haager Bezirksgericht das Urteil aufzuheben. Das Gericht erklärte im April 2016 das Urteil von 2014 und damit die Schadenersatzforderung von 50 Milliarden US-Dollar für ungültig.


1.Pleines, Heiko, Hans-Henning Schröder (2005): Die Jukos-Affäre. Russlands Energiewirtschaft und die Politik. Arbeitspapiere und Materialien – Forschungsstelle Osteuropa, Bremen Nr. 64, S. 9
2.Vedomosti.ru: Akzionery JUKOSa predlagajut Rossii skidku
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Michail Chodorkowski

Einst einer der reichsten Männer Russlands, wurde Michail Chodorkowski 2003 verhaftet und in Folge eines – nach Ansicht vieler Experten – politisch motivierten Prozesses de facto enteignet. Während seiner zehnjährigen Haftstrafe etablierte sich Chodorkowski als einer der im Westen sichtbarsten Vertreter der Opposition in Russland.

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YUKOS

Nach der Übernahme durch Michail Chodorkowskis MENATEP-Invest-Gruppe 1995 entwickelte sich das Erdölunternehmen YUKOS zum erfolgreichsten seiner Art in Russland. Ab 2003 wurde YUKOS mit rechtlich zum Teil zweifelhaften Strafrechtsprozesssen zerschlagen und weitgehend unter staatliche Kontrolle gebracht. Der Fall ist beispielhaft für den Anspruch der russischen Exekutive, zentrale wirtschaftliche Prozesse zu kontrollieren und keine politisch aktiven Unternehmer zu dulden.

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Platon Lebedew

Der vom Auftreten her eher unscheinbare aber höchst erfolgreiche Geschäftsmann begleitete seinen schillernden Kollegen Michail Chodorkowski durch den Boom des Erdölkonzerns YUKOS sowie durch die Strafprozesse gegen das Unternehmen. Zu Beginn der 2000er Jahre einer der reichsten Männer Russlands, war Lebedew von 2003 bis 2014 in einer Strafkolonie inhaftiert. Im Gegensatz zu Chodorkowski verfolgt er keinerlei politische Projekte.

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Oligarchen

Als Oligarchen werden Großunternehmer bezeichnet, die starken Einfluss auf die Politik nehmen. In Russland, aber auch in anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion, in denen Wirtschaft und Politik sehr eng verwoben sind, stellen sie ein zentrales Charakteristikum des politischen Systems dar.

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Alexander Bastrykin

Alexander Bastrykin zählt zu den zentralen Figuren in Putins Machtapparat und ist als Leiter des mächtigen Ermittlungskomitees eine der einflussreichsten Personen in Russland.

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Präsidialadministration

Die Präsidialadministration (PA) ist ein Staatsorgan, das die Tätigkeit des Präsidenten sicherstellt und die Implementierung seiner Anweisungen kontrolliert. Sie ist mit beträchtlichen Ressourcen ausgestattet und macht ihren Steuerungs- und Kontrollanspruch in der politischen Praxis geltend.

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Juri Tschaika

Der Jurist Juri Tschaika ist Generalbevollmächtigter des russischen Präsidenten im Föderationskreis Nordkaukasus. 1999 wurde nach einer Karriere in der Generalstaatsanwaltschaft auf Betreiben Putins zum Justizminister ernannt. Von 2006 bis Januar 2020 war er als Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation eine zentrale Figur im politischen System Russlands. 

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)