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Russland und der Kolonialismus

Kolonialimperien – das sind immer die anderen. Und doch hat Russland über eine Vielzahl an Völkern geherrscht und sein Territorium seit dem 16. Jahrhundert auf das 22-Fache vergrößert. Von der Eroberung Sibiriens bis zur angeblichen „Brüderlichkeit der Sowjetvölker“ wird die Kontinuität des russischen Kolonialismus im Krieg gegen die Ukraine besonders deutlich. Die vor diesem Hintergrund erstarkende Idee einer Dekolonisierung Russlands versucht der Kreml mit allen Mitteln zu unterdrücken. 

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Olga Skabejewa

Zweimal täglich erklärt die Moderatorin im Staatsfernsehen die Welt aus Moskauer Sicht. An manchen Tagen ist sie bis zu fünf Stunden mit Desinformation und Kriegshetze nach Vorgaben des Kreml auf Sendung. Skabejewas Spezialgebiet ist der Vollkontakt: Je nach Bedarf werden Gegner provoziert oder niedergebrüllt. 

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Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Verfolgung der Russisch-Orthodoxen Kirche in den 1920er und 1930er Jahren

Die Russisch-Orthodoxe Kirche war von der Revolution 1917 bis zur Perestroika in den 1980er Jahren Repressionen ausgesetzt. Ihren Höhepunkt erreichte die Kirchenverfolgung jedoch in den 1920er und 1930er Jahren: Kirchengüter wurden beschlagnahmt, Geistliche wurden verhaftet und zu Tausenden getötet. Erst mit dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die sowjetische Kirchenpolitik.

Das Ende der Monarchie in Russland und die Revolution im Zuge des Ersten Weltkrieges bedeuteten nicht nur für Politik und Bürger eine starke Veränderung, sondern auch für die russischen Kirchen. Seit 1700 hatte die Russisch-Orthodoxe Kirche unter staatlicher Verwaltung gestanden. Eine neue Situation entstand erst nach dem Zusammenbruch der Zarenherrschaft: 1917 rief die Kirche ein Landeskonzil zusammen, welches entschied, das Patriarchat nach über zweihundertjähriger Unterordnung unter die Staatsverwaltung wieder herzustellen. Noch im selben Jahr wurde der Metropolit Tichon (Belawin) von Moskau zum neuen Patriarchen gewählt.1 Obwohl sich die neu aufgestellte Kirche zunächst von jeglicher Staatsmacht emanzipieren konnte, hatte sie schon bald mit Repressionen seitens der neuen Machthaber, der Bolschewiki, zu kämpfen. Diese wollten eine absolute Trennung von Kirche und Staat erreichen und Religion in den privaten Raum verbannen. Im Laufe der Zeit sollte sie, so die Vorstellung der Regierung, dann auch aus den privaten Gewohnheiten der Menschen verschwinden.

Im Januar 1918 erließ die Regierung das Dekret über „Die Trennung der Kirche vom Staat und der Schule von der Kirche“2. Für die Kirche bedeutete das Dekret, dass ihre Gebäude in staatlichen Besitz übergingen und die Gemeinden nun – mit großem bürokratischen Aufwand und zu hohen Preisen – ihre Kirchen vom Staat mieten mussten. Der Patriarch reagierte darauf mit der Exkommunizierung der neuen Machthaber, was die Bolschewiki jedoch nicht anfocht. Ein erster Vorwand, mit Gewalt gegen den Besitz der Kirche vorzugehen, ergab sich für die neuen Machthaber bereits kurz darauf – zu Beginn der 1920er Jahre – als das Patriarchat sich weigerte, geweihte Kultgegenstände zu verkaufen, um mit dem Erlös staatliche Kampagnen gegen den Hunger zu unterstützen. Man konfiszierte kurzerhand alle kirchlichen Wertgegenstände, derer man habhaft werden konnte, und verhaftete immer mehr Geistliche.

Die Bolschewiki führten von Beginn an mit Hilfe intensiver Propaganda auch einen ideellen Kampf gegen die Religion. Sie beriefen sich dabei auf die Aufklärung und gingen davon aus, dass in einer aufgeklärten Gesellschaft Religion nicht überleben werde. Zu diesem Zweck wurde Atheismus als wissenschaftliche Disziplin mit eigenen Lehrstühlen etabliert. 1922 gründete man die atheistische Zeitschrift Der Gottlose (Besboshnik), aus deren Anhängern sich 1925 der Verband Die kämpfenden Gottlosen (Sojus woinstwujuschtschich besboshnikow) bildete. Dieser versuchte, Religion zu diskreditieren, indem er u. a. die für die Orthodoxie wichtige Reliquienverehrung und den Wunderglauben lächerlich machte und den Atheismus als einzig vernünftige Denkrichtung propagierte. Wunder und die Unvergänglichkeit von Reliquien wurden in Ausstellungen als „fauler Zauber“ dargestellt. Zu diesem Zweck öffnete man sogar Reliquienschreine und Gräber von Heiligen.

Neben dem ideologischen Kampf gegen die Religion gingen die Bolschewiki auch gewaltsam gegen die Kirchen und ihre Angehörigen vor. Bereits im Laufe des Bürgerkriegs wurden mehrere tausend orthodoxe Christen von den Bolschewiki getötet, darunter auch dutzende hohe geistliche Würdenträger – der erste war im Januar 1918 der Metropolit von Kiew. Allein in den Jahren von 1917 bis 1922 verurteilten die neuen Machthaber 2691 Priester, 1962 Mönche und 3447 Nonnen zum Tode, außerdem wurden ca. 15.000 Geistliche ohne Urteil hingerichtet.3 Die Zahl der geistlichen Würdenträger reduzierte sich damit von 160 im Jahr 1914 auf vier amtierende Bischöfe im Jahr 1943. Die neue Regierung machte auch vor dem Amt des Patriarchen nicht halt: Patriarch Tichon wurde mehrfach verhört, zeitweise inhaftiert und unter Hausarrest gestellt. Im Klosterkomplex auf den Solowezki-Inseln richteten die Bolschewiki, zusätzlich zum bereits auf den Inseln bestehenden Lager für politische Häftlinge, sogar einen eigenen Block zur Internierung von Geistlichen ein.

Viele Kirchen wurden geschlossen, zerstört (das bekannteste Beispiel ist die Sprengung der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau 1931) oder z. B. zu Kinos, Konzertsälen, Museen für den Atheismus oder Lagerstätten umfunktioniert. Die Petrikirche auf dem Newski-Prospekt in St. Petersburg wurde gar zum Schwimmbad umgebaut. Kirchenanlagen im Stadtzentrum mussten oftmals administrativen Bauten der neuen Sowjetregierung weichen, die, so lässt sich behaupten, als neues sakrales Element fungierten. Von den über 50.000 Kirchen in der Sowjetunion konnten 1943 noch gerade 500 genutzt werden. In manchen Regionen kam das religiöse Leben ganz zum Erliegen. In der heutigen Republik Komi, in der 1916 noch 177 Kirchen gezählt wurden, existierte vor dem Zweiten Weltkrieg keine einzige mehr.4

Einen Höhepunkt erlebte die Verfolgung der Kirche Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre unter Josef Stalin, der übrigens früher selbst einmal Priesteramtskandidat gewesen war. Zwar bereitete 1936 die neue Verfassung der Sowjetunion5 der Einschränkung staatsbürgerlicher Rechte von Geistlichen offiziell ein Ende, doch die Verfolgung von Priestern hielt auch während des Großen Terrors von 1936 bis 1938 an. Erst mit Beginn des Großen Vaterländischen Krieges änderte sich die Politik gegenüber den Kirchen. Vollständig endeteten die Repressionen gegen die Kirche jedoch erst mit der Perestroika.


1.Peter der Große hatte nach dem Tod des Patriarchen Adrian im Jahre 1700 das Patriarchen Amt nicht mehr neu besetzen lassen. Stattdessen wurde ein Heiliger Synod eingesetzt.
2.Das Dokument in: Hauptmann, P./Stricker, G. (Hrsg.) (1988): Die orthodoxe Kirche in Rußland, Göttingen, S. 648f.
3.Stricker, Gerd (1993): Religion in Rußland, Gütersloh, S. 86
4.Syktyvkarskaja i vorkutinskaja Eparchija: Krestnyj Putʼ: tragedija Russkoj Pravoslavnoj Cerkvi: 20-30e gody
5.die sogenannte Stalin-Verfassung, zur Verfassung von 1936 siehe: 1000 Schlüsseldokumente zur zur russischen und sowjetischen Geschichte: Die Verfassung (Grundgesetz) der UdSSR, 5. Dezember 1936
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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)