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Presseschau № 7

Nach dem Terroranschlag auf die russische Passagiermaschine im Sinai verstärkt Russland seine Luftangriffe auf Ziele in Syrien – hochrangige Politiker verlesen Listen mit Angriffszielen in den Abendnachrichten und die Anschläge in Paris werden als Teil einer globalen Terror-Serie eingeordnet. Außerdem diese Woche: Der russische Leichtathletikverband sucht nach kreativen Auswegen aus seiner Suspendierung von internationalen Wettkämpfen und die Umgestaltung der russischen Medienlandschaft geht voran.

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Terroranschlag. 18 Tage nach dem Absturz der russischen Passagiermaschine über dem Sinai erklärt der Kreml die Spekulationen über die Absturzursache als beendet: „Es war eindeutig ein Terroranschlag“, konstatierte Alexander Bortnikow, Direktor des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Der russische Präsident Wladimir Putin drohte den Verantwortlichen umgehend Vergeltung an. An jedem Punkt der Erde würden die Terroristen gefunden und bestraft.

Ausführlich berichteten die Abendnachrichten über Moskaus Reaktion: Russland verstärke seine Luftschläge gegen die Terroristen in Syrien, setze neu auch Langstreckenbomber ein. Fast harmlos klang es, wie Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow vor einer riesigen Leinwand in der Kommandozentrale im Moskauer Verteidigungsministerium minutenlang Listen mit Zahlen getätigter Flüge und zerstörter Ziele verlasen. Putin gratulierte den Militärs: Sie garantierten die Sicherheit Russlands und seiner Bürger.

Kaum ein Wort verwendeten die Kommentatoren jedoch auf die politische Tragweite des Ereignisses. Bemerkenswert erschien einigen Medien einzig der Zeitpunkt der Verlautbarung: Der Flugstopp am 6. November sei eigentlich schon ein ziemlich sicheres Indiz für einen Anschlag gewesen. Mindestens zehn Tage wusste der russische Präsident also offenbar bereits, dass der Absturz auf einen Anschlag zurückzuführen sei, er habe es aber nicht für nötig gehalten, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, schreibt Slon. Innenpolitisch wird der Anschlag auf die Passagiermaschine dem russischen Präsidenten kaum gefährlich, meint der Politologe Kirill Rogow. Nach den Ereignissen in Paris sehen die Menschen in Russland nun nicht den Militäreinsatz in Syrien als Grund für den Anschlag, sondern verstehen die Katastrophe als Teil einer globalen Terror-Serie, so Rogow weiter.

Die Veränderungen im Verhältnis zwischen Moskau und dem Westen interessieren die Medien hierzulande derzeit sowieso eher als ein drohender Terroranschlag. Nach dem G20-Gipfel in der Türkei sei Moskau nun wieder zurück auf der Weltbühne, die Staats- und Regierungschefs hätten sich auf dem Gipfel förmlich um ein Gespräch mit Putin gerissen. Etwas vorsichtiger formuliert der Kommersant: Die vom französischen Präsidenten Hollande vorgeschlagene Anti-Terrorkoalition könne zum Katalysator werden, welcher eine Annäherung der beiden Seiten nun wieder möglich macht. Die demokratische Opposition sieht für Russland momentan eine wichtige Chance. Nach Paris sei nun allen klar, wo der Feind sei, meint Jabloko-Parteichef Grigori Jawlinski. Russland müsse sich nun vorbehaltlos einer internationalen Anti-Terrorkoalition anschließen und zwar nicht zu den russischen, sondern zu den westlichen Bedingungen, schreibt Jawlinski in einem Kommentar für Vedomosti.

Die russische Reaktion auf die Anschläge von Paris ist jedoch nicht frei von Seitenhieben: Zwischen guten und schlechten Terroristen unterscheiden zu wollen und bewaffnete Anti-Assad-Kräfte zu unterstützen, sei eine Illusion, war oft zu lesen. Der Westen flirte gar mit Terroristen, sagte die Dumaabgeordnete Swetlana Shurowa. Noch weiter gingen Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche, die forderten, Europa müsse sich von seinen unsittlichen Werten verabschieden, nur so könne man den IS bekämpfen.

Der Tenor vieler Berichte war, dass im Kampf gegen den Terror Europa nun auf einen Teil seiner politischen Freiheiten verzichten müsse. Der Journalist Andrej Archangelski erinnert in diesem Zusammenhang an den Anschlag von Beslan 2004 . Damals verabschiedete Russland strengere Anti-Terrorgesetze und schaffte die Wahl der Gouverneure ab.

Doping. Sieht sich Russland nach dem G20-Gipfel in der Politik nun wieder mitten im Kreise der Weltmächte, ist russischen Sportlern der Zutritt auf die internationale Bühne des Sports vorläufig versagt, zumindest teilweise. Die Internationale Leichtathletik Föderation hat nach dem Dopingskandal entschieden, den russischen Leichtathletikverband für eine unbestimmte Frist zu disqualifizieren. Suspendiert wurde auch die russische Anti-Dopingagentur (RUSADA), diese habe nicht gemäß dem Verhaltenskodex gehandelt. Nun wird verzweifelt nach Alternativen gesucht: Ein Vorschlag lautet, russische Leichtathleten könnten bei den Spielen in Brasilien 2016 unter der olympischen und nicht unter der russischen Flagge antreten.

Medien. Das neue Mediengesetz, das 2016 in Kraft tritt und ausländischen Konzernen verbietet, mehr als 20 Prozent Anteile an russischen Medien zu halten, führt zu weiteren Veränderungen in der Branche. Noch unklar war das Schicksal der liberalen Wirtschaftszeitung Vedomosti, die jeweils zu einem Drittel dem Wall Street Journal und der Financial Times gehört. Medienberichten zufolge, soll nun Demjan Kudrjawtsew, welcher bereits die Moscow Times gekauft hat, auch Interesse an der Wirtschaftszeitung zeigen. Mit Jahresende stellt der neue Besitzer von Axel Springer Russland das Erscheinen des Magazins Geo ein. Die Medienbranche reagiert konsterniert: Hätte ihm jemand noch vor zwei Jahren gesagt, dass zwischen Moskau und Kiew keine Flugzeuge mehr verkehren, russische Zöllner bei der Einreise nach geschmuggeltem Käse suchen und Geo geschlossen wird, er hätte bloß gelacht und mit den Fingern an die Schläfe getippt, so Wladimir Jesipow, Chefredakteur des Magazins.

Beatrice Bösiger aus Moskau für dekoder.org

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Russisch-Orthodoxe Kirche

Die Russisch-Orthodoxe Kirche ist die christliche Kirche mit der größten Glaubensgemeinschaft in Russland. Prägend für ihr Verhältnis zum russischen Staat ist das von der byzantinischen Mutterkirche übernommene Ideal der Symphonie, das heißt einer harmonischen Beziehung zwischen Staat und Kirche. Vor 1917 galt die Orthodoxie neben der Autokratie und dem „Volk“, genauer: einem volksverbundenen Patriotismus, als eine der wichtigsten Stützen des russischen Staates und des Zarenreichs – eine Traditionslinie, die heute wieder wirksam scheint.

Im zaristischen Russland waren staatliche und geistliche Macht stark miteinander verflochten. So wurden der Herrschaftsanspruch und die Legitimität des Zaren direkt von Gott abgeleitet und der neue Zar entsprechend in festlichen Gottesdiensten in sein Amt eingeführt. Administrativ war die Kirche Teil des Staatsapparats, so wurden etwa die Personenstandsakten von der Kirche geführt. Diese Privilegierung der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) – auch gegenüber anderen Religionsgemeinschaften im multireligiösen Zarenreich – ging dabei Hand in Hand mit zahlreichen Eingriffen in innere Angelegenheiten der ROK. Maßgebliche Kreise der ROK begrüßten daher die Abdankung des Zaren im Februar/März 1917 und sahen darin die Chance für eine größere Autonomie ihrer Kirche.

In der Sowjetunion versuchten die kommunistischen Machthaber zunächst, „fortschrittliche“ Geistliche, die teils für Kirchenreformen stritten, teils auch sozialistischen Ideen anhingen, gegen „reaktionäre“ Geistliche auszuspielen, bevor der Terror in den 1930er Jahren gleichermaßen Anhänger dieser sogenannten „Erneuererbewegung“ wie auch der Patriarchatskirche traf. Trotz dieser katastrophalen Erfahrungen riefen unmittelbar nach dem deutschen Überfall die wenigen überlebenden und noch in Freiheit befindlichen kirchlichen Würdenträger zur Verteidigung des – sowjetischen – Vaterlandes auf und initiierten Spendensammlungen.

Im Herbst 1943 revanchierte sich Stalin mit einer Neuausrichtung der staatlichen Kirchenpolitik, wobei auch außenpolitische Überlegungen zur Neugestaltung Europas maßgeblich waren und der ROK, wie auch anderen Religionsgemeinschaften in der Sowjetunion, eine Rolle als außenpolitischer Akteur zugedacht wurde. Dies bedeutete, dass nach den massiven Angriffen und Verfolgungen die ROK nun wiederum zu einem Instrument staatlicher Politik wurde und entsprechend gesteuert werden musste.

So wurde im Herbst 1943 – nach mehrjähriger Vakanz – die Wiederwahl eines Patriarchen forciert und zugleich ein staatlicher „Rat für die Angelegenheiten der Russisch-Orthodoxen Kirche“ eingerichtet, der als Vermittler der staatlichen Kirchenpolitik galt und zugleich eine Steuerungs- und Kontrollfunktion hatte. Anders als etwa in Polen oder der DDR bot die ROK aufgrund dieser spezifischen historischen Prägungen kein schützendes Dach für etwaige oppositionelle oder dissidentische Aktivitäten. Stattdessen bewegten sich christliche Andersdenkende eher in Strukturen jenseits der ROK.

Nach dem Ende der Sowjetunion erfuhr die ROK als Träger (ethnisch-) russischer Identität sowie moralischer Werte großen Zuspruch. Dem taten auch regelmäßig auftretende Skandale wenig Abbruch, die mit der zeitgleich stark wachsenden engen Verflechtung von Staat und Kirche einhergingen. So galt etwa der seit 2009 amtierende Patriarch Kirill (Gundjajew) in den 1990er Jahren als „Tabak-Metropolit“, der mit dem Verkauf zollfrei importierter Zigaretten zu Reichtum kam.1 Außerdem gehört es zum guten Ton, dass führende Politiker des Landes öffentlichkeitswirksam die Kirche aufsuchen und eigene Gottesdienste zur Amtseinführung des Präsidenten gefeiert werden. Die Russisch-Orthodoxe Kirche bietet in dieser Perspektive der Tradition des russischen Zarenreichs erneut eine nützliche Ideologie, die den Staat zusammenhält.

Vor diesem Hintergrund bewerten viele Beobachter die ukrainischen Bemühungen zu einer Loslösung von der ROK auch als eine Bedrohung für das geopolitische Selbstverständnis des Kreml. Denn mit der Einschränkung der geistlichen Deutungshoheit über die Ukraine wird auch der Anspruch des Kreml auf die eigene „Interessensphäre“ in dem Land zunehmend fraglicher.


1.Neue Zürcher Zeitung: Angekratztes Image. Patriarch Kyrill hat ein Problem
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Als Großen Vaterländischen Krieg bezeichnet man in Russland den Kampf der Sowjetunion gegen Hitlerdeutschland 1941–1945. Der Begriff ist an den Vaterländischen Krieg gegen Napoleon im Jahr 1812 angelehnt. Galt der Sieg über den Faschismus offiziell zunächst als ein sozialistischer Triumph unter vielen, wurde er seit Mitte der 1960er Jahre zu einem zentralen Bezugspunkt der russischen Geschichte.

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Das St. Georgs-Band ist ein schwarz-orange gestreiftes Band, das auf eine militärische Auszeichnung im zaristischen Russland zurückgeht. Heute gilt es als Erinnerungssymbol an den Sieg über den Hitler-Faschismus, besitzt neben dieser historischen aber auch eine politische Bedeutung.

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)