Am Sonntag, 8. September, haben in allen 83 Föderationssubjekten Russlands Wahlen stattgefunden: Unter anderem stimmten Menschen über 16 Gouverneursposten ab sowie über Abgeordnete von elf Regionalparlamenten. Während alle Wunschkandidaten des Kreml die Gouverneurswahlen gewonnen haben, musste die Regierungspartei Einiges Russland (ER) herbe Schlappen einstecken.
So bewerten viele Beobachter das Ergebnis der Moskauer Stadtduma-Wahl als Niederlage für Einiges Russland. Bei einer Wahlbeteiligung von rund 22 Prozent gingen hier 20 der insgesamt 45 Sitze an Kandidaten anderer Parteien.
Schon im Vorfeld der Wahlen galt die Regierungspartei für viele als angeschlagen. Ihre Kandidaten schickte sie als „Unabhängige“ ins Rennen – laut Beobachtern deshalb, damit das schlechte Image von Einiges Russland nicht auf sie abfärbe. Auch der Moskauer Parteichef Andrej Metelski hat als „Unabhängiger“ an der Wahl teilgenommen, laut vorläufigem Ergebnis verliert er die Wahl gegen den Konkurrenten von der Kommunistischen Partei.
Nun verbuchen sowohl Opposition als auch Regierungspartei das Ergebnis als einen Erfolg. Ist die Wahl tatsächlich ein Triumph für die Opposition? Welche Folgen hat sie für die Regierungspartei? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte in russischen Medien.
Sobyanin.ru: Diversity in der Duma
Moskaus amtierender Bürgermeister Sergej Sobjanin hat sich auf seiner Homepage offiziell zufrieden über das Wahlergebnis geäußert:
Im Ergebnis kamen neben einem starken Trupp Kommunisten eine Kohorte aus den ehrwürdigen Parteien Jabloko und Gerechtes Russland ins Parlament. Die Duma ist nun politisch vielfältiger, was dem Stadtparlament, so hoffe ich, gut tun wird.
В результате, помимо сильного отряда коммунистов, в парламенте появилась когорта от уважаемых партий «Яблоко» и «Справедливая Россия». Дума стала политически более разноплановой, что в общем, надеюсь, будет на пользу городскому парламенту.
erschienen am 09.09.2019, Original
Facebook/Alexej Nawalny: Sieg für das kluge Abstimmungsverhalten
Der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hatte im Vorfeld der Wahl zu klugem Abstimmungsverhalten aufgerufen: Man sollte die Stimme für denjenigen Oppositionskandidaten abgeben, der dem Kandidaten der Regierungspartei Einiges Russland am ehesten gefährlich werden könnte. Auf Facebook schreibt er nach der Wahl:
Mit Fälschungen haben sie das derzeitige offizielle Ergebnis erreicht: Einiges Russland – 24 Sitze, kluges Abstimmungsverhalten – 21 Sitze.
Jetzt versuchen sie noch drei weitere Mandate zu klauen.
Es ist jedoch ein fantastisches Ergebnis des klugen Abstimmungsverhaltens. Dafür haben wir zusammen gekämpft. Danke für den Beitrag jedes Einzelnen.
С помощью фальсификаций они добились того, что текущий счёт: ЕР - 24 депутата, УМГ - 21 депутат.
Сейчас они пытаются украсть ещё три мандата.
Однако в любом случае, это фантастический результат "Умного голосования". Мы боролись за него вместе. Спасибо каждому за его вклад.
erschienen am 09.09.2019, Original
The New Times: Haftzeiten statt Prozente messen
In der unabhängigen New Times erinnert Kolumnist Iwan Dawydow an die Haftstrafen nach den Protesten für faire Wahlen:
[...] Neun von ihnen [...] hat Memorial International als politische Häftlinge anerkannt.
[...] Девятерых [...] международный «Мемориал» признал политическими заключенными.
erschienen am 08.09.2019, Original
Novaya Gazeta: Digitale versus reale Stadt
Kirill Martynow, Politikchef der unabhängigen Novaya Gazeta, konstatiert einen Erfolg der Opposition und liefert Hinweise auf Wahlfälschungen:
Der einzige Ort, wo in der Stadt wie bisher Einiges Russland herrscht, ist wohl die moderne digitale Wahl, die bislang im Testverfahren gelaufen ist und den „unabhängigen“ Kandidaten aus der Mannschaft um den Bürgermeister hervorragende Ergebnisse brachte – enorm viel besser als in der realen Stadt.
erschienen am 08.09.2019, Original
Izvestia: Plan B für die Opposition
Um die Unzufriedenheit der Bürger einzudämmen, plant der Kreml sogenannte nationalen Projekte. In der kremlnahen Izvestia fordert Polittechnologe Dimitri Fetisow noch ganz andere Strategien:
Solch ein Plan B könnte sein, entweder diejenigen parlamentarischen Oppositionsparteien zu transformieren, mit denen es möglich ist, eine gemeinsame Sprache oder akzeptable Formen der Zusammenarbeit zu finden. Oder aber man könnte neue politische Kräfte gründen, die die Interessen des Gesellschaftsteils vertreten, der die Wahlen ignoriert hat. Schließlich hat noch nie jemand gefordert, auf die Opposition im Staat zu verzichten. Hauptsache, sie ist bereit zum konstruktiven Dialog und ruft nicht zu illegalen Protestaktionen auf.
erschienen am 09.09.2019, Original
Facebook/Dimitri Gudkow: Jede kleine Chance genutzt
Der Oppositionelle Dimitri Gudkow, Parteichef von Partija Peremen, war zu der Wahl nicht zugelassen worden. Er wertet das Wahlergebnis ebenfalls positiv:
Klar, das sind bei weitem nicht alle. Klar, sie sind weiterhin in der Minderheit.
Aber angesichts von Repressionen und Polizeiterror haben die Moskauer gezeigt, dass sie sich das nicht gefallen lassen wollen. Und da, wo es zumindest eine kleine Chance gab, haben sie sie genutzt.
Да, далеко не все. Да, их там по-прежнему меньшинство. Но в условиях репрессий и полицейского террора москвичи показали, что не намерены с этим мириться. И там, где был хотя бы небольшой шанс, воспользовались им.
erschienen am 08.09.2019, Original
dekoder-Redaktion