Triumph für Einiges Russland. Die Machtpartei holt ihr bestes Ergebnis seit der Gründung 2001. Mit rund 54 Prozent der Stimmen und 343 Sitzen in der Duma stellt sie jetzt sogar die verfassungsändernde Mehrheit. Die wichtigere Zahl dieses Wahltages aber lautet: 47,88. So viel Prozent nämlich beträgt die (offizielle) Wahlbeteiligung – ein historischer Tiefstand. Wie der Erfolg von Einiges Russland zustande kam und welche Fragen sich daran anschließen, erläutern wir anhand unserer Infografiken zu den Wahlergebnissen.
Quelle: ZIK
Haushoch überlegen – für die Partei Einiges Russland, die sich im Wahlkampf als „Partei Putins“ präsentierte, weist das Ergebnis rund 54 Prozent der Stimmen aus.
Die Systemopposition verlor dagegen einiges an Stimmen, an Sitzen jedoch überproportional viel mehr. Vor fünf Jahren sah die Stimmverteilung hier noch so aus: Kommunisten (KPRF) 19 Prozent (92 Sitze), Liberaldemokraten (LDPR): 12 Prozent (56 Sitze), Gerechtes Russland 13 Prozent (64 Sitze).
Quelle: ZIK / RBC
Insgesamt wurden bei der Wahl alle 450 Dumasitze neu besetzt. Die eine Hälfte davon über Kandidaten im lokalen Wahlkreis und die andere über die Parteiliste. Gerade die Stimmen für die Direktkandidaten haben zum Ergebnis von Einiges Russland beigetragen. 202 von 225 Direktmandaten gingen an die Machtpartei, über die Parteiliste kamen noch 141 Mandate dazu. Mit 343 Abgeordneten hat Einiges Russland 76 Prozent der Sitze in der Duma inne und stellt damit nun eine verfassungsändernde Mehrheit – es ist das beste Ergebnis für die Partei seit ihrer Gründung 2001.
Quelle: ZIK / RBC
47,88 Prozent Wahlbeteiligung ist aber wohl die wichtigere Kennzahl dieser Dumawahl. Sie liegt 12 Prozentpunkte unter der Wahlbeteiligung im Jahr 2011. Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ist diesmal also nicht zur Wahl gegangen. In den großen Städten Moskau und Sankt Petersburg lag die Wahlbeteiligung überhaupt nur bei 35,2 bzw. 32,7 Prozent. Wie ist diese schweigende Mehrheit eingestellt? Bedeutet Schweigen Zustimmung oder Protest? Das ist die Frage, mit der sich das Land in den nächsten Monaten beschäftigen wird.
Quelle: ZIK / RBC
Woher kommen aber die markanten regionalen Unterschiede bei der Wahlbeteiligung? Für unabhängige Medien nähren die Zahlen Zweifel an der Sauberkeit der Wahlen, denn Einiges Russland schnitt genau in solchen Regionen besonders gut ab, in denen es statistische Ausreißer nach oben bei der Wahlbeteiligung gab.
Die Hinweise auf mögliche Wahlfälschungen sind insgesamt zahlreich – laut unabhängiger Wahlbeobachter bislang aber nicht so zahlreich wie bei der vergangenen Dumawahl.
Vor diesem Hintergrund ist ein Wiederaufflammen der politischen Proteste von 2011/12 unwahrscheinlich. Die Opposition wird nun wohl vielmehr das Wahlsystem kritisieren. Bei niedriger Wahlbeteiligung spiele es nämlich noch mehr der Machtpartei in die Hände.
Zwar entsteht damit nun kein Einparteiensystem, die Dominanz von Einiges Russland wird aber noch massiver: Über eine Opposition, die im Parlament die meisten Entscheidungen der Regierungspartei inzwischen ohnehin mitträgt und insofern zum „System Putin“ dazugehört.
Ausgehend von dieser Dumawahl stellen sich also folgende Fragen: Wird die Systemopposition vor diesem Hintergrund Systemopposition bleiben oder eine neuerliche Wahlrechtsreform fordern? Und wie werden sich die oppositionellen Parteien Jabloko und PARNAS verhalten, die – wie bisher schon – außerhalb der Duma stehen? Werden sie angesichts ihrer schlechten Ergebnisse zu einer gemeinsamen Linie der demokratischen Opposition finden, oder werden sie nun von parteiinternen Querelen zerrissen?
Mit der Dumawahl wurden in Russland die politischen Weichen neu gestellt – sowohl für das „System Putin“ als auch für die Opposition. Obwohl die Duma im politischen System Russlands eine untergeordnete Rolle spielt, werden diese Wahlen ein wichtiges Stimmungsbarometer für die politische Elite sein – auch angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage im Land.
Text: dekoder-Redaktion
Veröffentlicht am 19.09.2016