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Olga Skabejewa

Zweimal täglich erklärt die Moderatorin im Staatsfernsehen die Welt aus Moskauer Sicht. An manchen Tagen ist sie bis zu fünf Stunden mit Desinformation und Kriegshetze nach Vorgaben des Kreml auf Sendung. Skabejewas Spezialgebiet ist der Vollkontakt: Je nach Bedarf werden Gegner provoziert oder niedergebrüllt. 

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Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Klub der zornigen Patrioten

„Viele haben uns nicht zugehört, manche sogar ausgelacht. [...] Das Machtsystem Russlands hat es nicht geschafft, einen sich anbahnenden Militärputsch abzuwenden, obwohl der Konflikt zwischen Söldnern und Militärführung offensichtlich ist.“1 Nach dem abgebrochenen „Marsch der Gerechtigkeit“ des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoshin vom 23. Juli 2023 erscheint dieser Text auf dem Telegram-Kanal des „Klubs der zornigen Patrioten“. Hinter dieser Vereinigung steckt Igor Strelkow, ehemaliger Geheimdienstler und Anführer der Separatisten in der Ostukraine. 

Einen ersten Versuch, die stark fragmentierte rechte Opposition in Russland zu konsolidieren, unternahm Strelkow schon 2016. Dazu gründete er damals die Dachorganisation „Komitee des 25. Januar“. Strelkow, dessen Bekanntheit auch durch seine Beteiligung am Abschuss des Malaysia-Airlines-Fluges 17 (MH17) zunahm, galt bereits damals als glaubwürdige Figur in der rechten Gegenöffentlichkeit Russlands. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2017 fand eine bemerkenswerte Debatte zwischen Strelkow und Nawalny statt, bei der es Nawalny unter anderem auch darum ging, bei rechten Wählern für seine Kandidatur zu werben.2 Strelkow hingegen war bestrebt, sich überhaupt öffentlich zu profilieren, seine Sichtbarkeit zu erhöhen und seinen Handlungsspielraum in dem Bereich der Antikorruptions-Agenda zu testen.

Strelkows Kritik richtet sich seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 wieder vermehrt gegen die russische Militärführung. Auf Telegram erreicht er so über 880.000 Leser. Strelkows Analysen zur Lage an der ukrainischen Front finden zudem regelmäßig Eingang in die Situationsanalysen westlicher Thinktanks. In seinen Klagen gegen den Generalstab und die Korruption in der Armee widerspricht er nicht nur den beschönigenden Berichten der Staatspropaganda. Er setzt sich auch von der Kommunikationsstrategie der Privatarmee „Wagner” um Jewgeni Prigoshin ab. So gelingt es ihm, sich konsequent als vermeintlich „unbestechlicher“ Soldatentribun in Szene zu setzen. 

Zivilgesellschaftliche Selbstorganisation

Auf Nachfragen, ob er selbst ein politisches Amt anstreben wolle, antwortete Strelkow lange ausweichend. Er kritisierte das korrupte politische System in Russland, das die Parteigründung jenseits informeller Absprachen mit der Präsidialadministration verhinderte. Stattdessen setzt Strelkow darauf, die öffentliche Meinung mithilfe zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation zu formen. Diese soll den Krieg und die Armee unterstützen. Hierfür nutzt er seit dem Winter 2022/23 verstärkt die Bezeichnung „Klub der zornigen Patrioten“. Dieser Begriff zirkuliert seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine verstärkt in den russischen Medien. Er soll auf einen Vortrag Konstantin Kostins zurückgehen, der dem regierungsnahen Thinktank Fonds zur Entwicklung der Zivilgesellschaft vorsteht. Zuvor arbeitete er in der Präsidialadministration. Die „zornigen Patrioten“ unterscheiden sich durch ihre offene Ablehnung der Regierung von anderen patriotischen Gruppierungen in Russland. Der russische Politikwissenschaftler Sergej Markow unterscheidet sie dahingehend von „einfachen Patrioten“, „Turboloyalisten“ und „radikalen Patrioten“, die entweder stumm blieben, ideologisch unzuverlässig seien oder die herrschende Regierung grundsätzlich ablehnen würden3

Von Linksnationalismus bis Ultramonarchismus

Mit der Gründung des KRP im März 2023 und der Öffentlichmachung am 1. April 2023 wollen Strelkow und seine Mitstreiter die rechte Opposition ideologisch und organisatorisch konsolidieren. Die Zielgruppe umfasst ein breites Spektrum: Von linksnationalistischen bis ultramonarchistischen Gruppen sollen alle die Möglichkeit zur sozialen Mobilisierung und (proto-)politischen Repräsentation erhalten. Im KRP-Manifest heißt es: „Wir verstehen, dass es jetzt nicht an der Zeit ist, die Streitigkeiten zwischen Roten und Weißen von vor 100 Jahren fortzuführen. [...] Wir sind bereit zur Zusammenarbeit mit allen gesunden Kräften der Gesellschaft, mit allen, die keine Niederlage Russlands wünschen”.4

Um die Mobilisierung zu erhöhen, gründete der KRP schnell regionale Niederlassungen und leistet seitdem rege Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ende April 2023 veröffentlichte die Gruppierung „39 Fragen an die Regierung“, der Beitrag hat auf Telegram vom KRP über 700.000 Views (und über eine halbe Million auf Strelkows Kanal).5

Die Ablehnung des Verteidigungsministeriums und des Kreml sind ein Kernmerkmal der Rhetorik Strelkows, auch in den „39 Fragen“ wird es deutlich. Doch auch die Idee, dass es sich bei der sogenannten „Spezialoperation“ tatsächlich um einen Krieg gegen die NATO handele, bei dem die Staatlichkeit Russlands auf dem Spiel stehe, greift der KRP immer wieder auf. In diesem Zusammenhang malen Strelkow und seine Mitstreiter konsequent das historisch aufgeladene Szenario der „Smuta“ an die Wand – eines Zerfalls der russischen Föderation als Folge des verlorenen Krieges und des Machtkampfs zwischen verfeindeten Oligarchengruppen und regionalen Machteliten. So versteht sich der KRP als eine Vereinigung zur Abwendung der Smuta, die von seinen Mitgliedern jedoch im gleichen Atemzug heraufbeschworen wird – zunächst vor dem Hintergrund der im Mai 2023 zugenommenen Spannungen zwischen dem Verteidigungsminister Schoigu und Wagner-Chef Prigoshin und insbesondere nach seinem sogenannten „Marsch der Gerechtigkeit“. 

„Aufrichtig und authentisch“

Der amerikanische Thinktank Institute for the Study of War hat in seinem Tagesbericht vom 8. April 2023 die Gründung von KRP als Anzeichen für zunehmende Spannungen im Umfeld des Kreml interpretiert. Hinter Strelkow stünden möglicherweise Kräfte innerhalb der russischen Machtelite, vor allem im FSB, die so die Aufmerksamkeit Putins und Einfluss auf seine Politik gewinnen wollten. 

Vor diesem Hintergrund bleibt unklar, wieso Strelkow am 21. Juli 2023 in Moskau festgenommen wurde. Er soll zu extremistischen Aktivitäten aufgerufen haben, ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft. Ist es denn nun ein Teil des Spiels, oder ist Putin in Strelkow wirklich ein gefährlicher Gegner erwachsen?  

Als professioneller Desinformationsspezialist des GRU, der in den 1990er Jahren in Tschetschenien, Bosnien und Transnistrien gearbeitet hat, ist und bleibt Strelkow ein undurchschaubarer Akteur, dessen Bedeutung künftig trotz Verhaftung noch zunehmen könnte. Dies gilt umso mehr, weil das staatliche Gewalltmonopol Russlands nach Prigoshins Meuterei zu erodieren scheint. 

Strelkow ist ausgebildeter Historiker und hat literarische Ambitionen. Er beherrscht die Kommunikationsstrategien moderner Medien und der sozialen Mobilisierung. Ob die Gründung des KRP eher der Konsolidierung einer rechten Fundamentalopposition gegen den Kreml dient, oder ob man es lieber als polittechnologisches Projekt des Kreml zur Machtsicherung betrachten sollte, kann man trotz Strelkows Verhaftung nicht mit Sicherheit sagen. Strelkow hat durch seine Teilnahme am Krieg gegen die Ukraine und seine Kritik an der politischen und militärischen Führung jedenfalls eine „authentische“ Marke als unbestechlicher Gegner des Establishments aufgebaut. Mit seinem Unbestechlichkeits-Nimbus schafft er es, dass sich rechte Gruppierungen in Russland mit ihm identifizieren. Ob er es aber schafft, seine Verhaftung in einen Nelson Mandela-Nimbus umzumünzen, bleibt fraglich. Sicher ist jedoch, dass die Gründung des KRP zu einem perfekten Zeitpunkt geschah. Die zivilgesellschaftliche Organisation arbeitet energisch daran, ihren verhafteten Anführer als einen Gewissensgefangenen zu stilisieren und Strelkows Sichtbarkeit durch eine ganze Flut von dramatischen Social Media Kampagnen zu steigern.    

aktualisiert am 02.08.2023


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Igor Strelkow

Igor Strelkow diente bei der russischen Armee und im Geheimdienst und war einer der Anführer der ostukrainischen Separatisten im Sommer 2014. Seit August 2014 nimmt er nicht mehr aktiv an den Kampfhandlungen teil, ist jedoch Berater der Separatisten und gilt als ideologischer Verfechter ihrer Interessen in Russland. Der Name Strelkow ist ein Pseudonym, sein wirklicher Name lautet Igor Girkin.

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)