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Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Tretjakow-Galerie

Die Tretjakow-Galerie ist ein weltweit beachtetes Museum russischer Kunst in Moskau. Den Grundstein legte die private Sammlung des Moskauer Kaufmanns Pawel Tretjakow. Im Jahr 1892 vermachte Tretjakow seine etwa 2000 Kunstwerke der Stadt Moskau, die dafür eigens ein Gebäude errichtete. Im Jahr 1985 wurde das Museum mit der Sammlung für moderne Kunst zusammengelegt. Heute beherbergt es in mehreren Gebäuden im Stadtzentrum rund 170.000 Kunstwerke.

Wer die Staatliche Tretjakow-Galerie in Moskau besucht, sollte genügend Zeit einplanen: Rund 170.000 Exponate bieten ein Panorama der russischen Kunstentwicklung, das von der mittelalterlichen Ikonenmalerei bis zur Moderne reicht. Zwischen ihren „Wänden voll erzählender Bilder“ wandert man, so der Philosoph Walter Benjamin, wie in einem „großen Bilderbuch“.1 Die Tretjakow-Galerie ist seit ihrer Gründung im ausgehenden 19. Jahrhundert Bewahrerin und Verfechterin der nationalen kulturellen Identität Russlands, die stets zwischen einer Annäherung an den „Westen“ und der Rückbesinnung auf die eigene Tradition oszillierte.

Die Gründung des Museums geht auf die private Kunstsammlung der Brüder Tretjakow zurück. Der Moskauer Stoffhändler und Sammler Pawel Tretjakow hatte 1856 mit dem Ankauf zweier Gemälde den Grundstein für die Sammlung gelegt, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf rund 2.000 Werke angewachsen war. Der Schwerpunkt seiner Sammeltätigkeit lag auf der zeitgenössischen russischen Kunst, insbesondere den sozialkritischen Werken der Peredwishniki. Tretjakows Engagement für diese sezessionistische Bewegung, die sich gegen die etablierte, durch die Zarenfamilie protektierte Akademiekunst auflehnte, kann auch als Selbstbehauptung eines sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts herausbildenden städtischen Bürgertums verstanden werden. Mit den Reformen unter Zar Alexander II. entwickelte sich auch in Russland eine bürgerliche Schicht, die vom wirtschaftlichen Wachstum profitierte, nach politischer Mitbestimmung strebte und als Förderer der Künste auftrat. Die Tretjakow-Brüder zählen neben Iwan Morosow und Sergej Schtschukin zu den wichtigsten bürgerlichen Mäzenen und Sammlern des 19. Jahrhunderts. Doch während sich Morosow und Schtschukin auf die französische Moderne fokussierten, legten Pawel und Sergej Tretjakow das Augenmerk auf die heimische Kunst. 1892 ging ihre Sammlung an die Stadt Moskau und bereits ein Jahr darauf öffnete die Galerie der Öffentlichkeit ihre Pforten. Nach der Russischen Revolution von 1917 wurde ihre Sammlung – nicht zuletzt durch die Bestände der per Dekret verstaatlichten Privatsammlungen – erheblich erweitert. Die Tretjakow-Galerie behielt – eine Ausnahme – ihren Namen, ergänzt nur um den unvermeidbaren Zusatz „Staatlich“.

Während viele der frühen westlichen Museumsbauten als „Tempel der Kunst“ die antike Architektur zitieren, begegnet uns beim historischen Gebäude der Tretjakow-Galerie am rechten Moskwa-Ufer, dessen Errichtung noch auf Pawel Tretjakow zurückgeht, eine Fassade im neo-altrussischen Stil. Der Entwurf von Viktor Wasnezow weckt Assoziationen mit der mittelalterlichen russischen Märchen- und Sagenwelt, wie sie sich auch in seiner Malerei findet. Hinter der Fassade eröffnet sich das „große Bilderbuch“ der russischen Kunst-Geschichte. Der religiösen Ikonenmalerei und der höfisch-akademischen Kunst der Zarenzeit folgen die Werke des russischen Realismus. Mit dem großen Wrubel-Saal wird dem düsteren, mystisch anmutenden Schaffen des Symbolisten Michail Wrubel gewürdigt, das an der Wende zum 20. Jahrhundert steht. Und auch die Kunst der 20. Jahrhunderts selbst findet sich heute in den Beständen der Tretjakow-Galerie. Die Sammlung zur Avantgarde, die Hauptwerke von Kasimir Malewitsch, Wladimir Tatlin und Alexander Rodtschenko verwahrt, geht auf das 1918 in Moskau gegründete Museum für Malerische Kultur (MShK  Musej shiwopisnoj kultury) zurück. Gründungsdirektor des MShK war Wassily Kandinsky; ihm folgte 1921 Rodtschenko. Die Avantgardisten, die vor der Revolution die Institution Museum noch abgelehnt hatten, verfolgten in den von ihnen geführten Museen neue Konzepte der Präsentation. 1928 wurde das MShK formell aufgelöst; die Avantgardisten gerieten unter Stalin in Formalismusverdacht, ihre Werke wurden in die Depots verbannt. Heute ist die Kunst der Avantgarde rehabilitiert und in den Kanon der russischen Kunstgeschichtsschreibung aufgenommen. In der Neuen Tretjakow-Galerie am Krimski Wal, unweit des Gorki-Parks, wird sie neben den pathetischen Werken des Sozialistischen Realismus, aber auch den nonkonformistischen Positionen der „zweiten Avantgarde-Welle“ gezeigt und führt einmal mehr vor Augen, dass ein Besuch der Tretjakow-Galerie auch zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der russischen Geschichte einlädt.


1.Benjamin, Walter (1980): Moskauer Tagebuch (mit einem Vorwort von Gershom Scholem), Frankfurt am Main, S. 114
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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)