Am 5. Mai 2018, dem Samstag vor Putins vierter Amtseinführung, hatte Oppositionspolitiker Nawalny erneut zu Protesten aufgerufen: „Er ist nicht unser Zar“ lautete die Parole der Kundgebungen in ganz Russland. Die klang schon deutlich mehr nach Systemwechsel als noch im Jahr zuvor, als die Menschen vor allem gegen die Korruption auf die Straße gegangen sind. Unter dem Motto „Dimon wird antworten” waren die damals auch eher gegen Dimitri Medwedew, nicht gegen Putin selbst gerichtet.
Beobachtern zufolge gingen der Staat und staatsnahe, selbsternannte Bürgerwehren am vergangenen Samstag mit besonderer Härte gegen die Demonstranten vor, die Slogans wie „Wir sind die Macht” skandierten. Im Internet machten auch Bilder von der Festnahme Minderjähriger die Runde.
Laut der Bürgerrechtsorganisation OWD-Info wurden in 27 Städten knapp 1600 Personen festgenommen. Neben Moskau und Petersburg gab es Demonstrationen in Tscheljabinsk, Krasnodar, Woronesh und zahlreichen weiteren russischen Städten.
Während staatsnahe Medien die Proteste wie gewohnt weitgehend ignorieren, berichten vor allem unabhängige Medien darüber. dekoder bringt Ausschnitte daraus, zeigt Bilder und ein Video der Proteste.
Video: Konstantin Selin/Fontanka.ru (Original)
Vedomosti: Staat bringt sich in Misskredit
Die Redaktion von Vedomosti stellt die Ereignisse vom 5. Mai in Zusammenhang mit dem heutigen vierten Amtsantritt Putins – und fragt, ob der Kreml gut damit beraten ist, gewaltsam gegen die vielen jugendlichen Protestierenden vorzugehen:
Doch eine solche Brutalität wird kaum effektiv sein. Die hohe Wahrscheinlichkeit im Awtosak zu landen kann, im Gegenteil, die Teilnahme an Protestveranstaltungen bei Jugendlichen nur romantisieren. [...]
Die Landesgeschichte und Ereignisse in postsowjetischen Ländern zeigen, dass solche Organisationen [wie der Kosakenverband ZKW – dek] nicht in der Lage sind, den Staat im Falle seriöser Unruhen zu unterstützen. Stattdessen können sie ihn in Misskredit bringen durch Gewalt gegen Heranwachsende und Frauen, was sogar bei den Loyalen Kritik hervorruft.
Отечественная история и события в постсоветских странах показывают, что подобные организации не способны поддержать государство в случае серьезных волнений. Зато они могут дискредитировать его насилием против подростков и женщин, которое вызывает осуждение даже у лоялистов.
erschienen am 06.05.2018
Echo Moskwy: Gespaltene Opposition
Auf Echo Moskwy beklagt der Menschenrechtler Juri Samodurow, dass die Opposition gespalten sei. Dabei wäre eine gemeinsame Aktion viel wirksamer gewesen.
Wenn Jawlinski und Nawalny, Kassjanow und Netschajew ZUSAMMEN zu dieser nicht-genehmigten, friedlichen und freien Aktion der Bürger aufgerufen hätten, wenn sie denn auch ZUSAMMEN gekommen wären, dann HÄTTE der 5. MAI die politische Atmosphäre in unserem Land zum Besseren ÄNDERN KÖNNEN.
Jawlinski und Kassjanow und Borowoj und Netschajew haben wieder mal ihre Chance verpasst, außerdem haben sie die Jugend heute allein gelassen, sie der Polizei, der Nationalgarde, dem OMON überlassen.
Если бы к этой несогласованной , мирной и свободной акции граждан призвали и Явлинский и Навальный и Касьянов и Нечаев и статусная интеллигенция и правозащитники ВМЕСТЕ и пришли бы на нее тоже ВМЕСТЕ , то 5 МАЯ МОГЛО ИЗМЕНИТЬ политическую атмосферу в нашей стране в лучшую сторону.
И Явлинский и Касьянов и Боровой и Нечаев снова упустили свой шанс, а кроме того оставили молодежь сегодня одну, наедине с полицией, Росгвардией, ОМОНОм...
erschienen am 05.05.2018
Facebook/Galljamow: Bilderkampf gewonnen
Der politische Kampf ist auch ein Kampf der Bilder. Vor allem Fotos von Verhaftungen Minderjähriger machten in Sozialen Medien die Runde. Auf Facebook kommentiert der Politikwissenschaftler Abbas Galljamow:
„Besonders gefährlich“
Наши силовики, конечно, неисправимы. Именно они своим рвением режим и угробят.
erschienen am 05.05.2018
Republic: Image eines Polizeistaats
Auf Republic sinniert Oleg Kaschin nach dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte und den Provokationen durch die Kosaken darüber, weshalb sich der russische Staat immer mehr als Polizeistaat darstelle:
Der Albtraum der Administration des Präsidenten, der anti-extremistischen Polizeiabteilungen, der militärischen Einheiten der Rosgwardija, und so weiter, bis hin zu eben jenen Kosaken, ihr Albtraum ist eine Protestaktion, zu der niemand kommt, so dass sie mit der Bedrohung, auf deren Bekämpfung heute ihr ganzes Leben ausgerichtet ist, alleine dastehen.[...]
Diese hausgemachte Landschaft politischer Konfrontation ist heute womöglich der beste Schutz der Staatsmacht vor irgendwelchen Überraschungen. Du kannst auf den Platz gehen, du wagst dich zu verabredeter Zeit auf den Platz – und die Staatsmacht wird dort auf dich warten, sie braucht dich.
Рукотворный ландшафт политического противостояния – пожалуй, сегодня именно он служит лучшей защитой власти от любых неожиданностей. Можешь выйти на площадь, смеешь выйти на площадь в назначенный час – власть ждет тебя там, ты ей нужен.
erschienen am 07.05.2018
Diskussion über Putin zwischen einem nationalistisch eingestellten Demonstrierenden und einer NOD-Anhängerin / Foto © Wlad Dokschin/Novaya Gazeta
Facebook: Böse, archaisch, das Volk hassend
Der kremlkritische Journalist Alexander Morosow kommentiert auf Facebook, dass der schwarze Peter nun bei der Staatsmacht liege:
Und doch gab es ein ideales Ergebnis: Ein Rekordanzahl von Festnahmen in [rund] 30 Städten, furchtbare Videos, auf denen OMON-Leute wie Bestien auf normale Bürger eindreschen, Ultrarechte mit Peitschen stürzen sich auf dem Puschkin Platz auf die Versammelten. Ein Zwölfjähriger wird von einem Schrank von Wachtposten mit brutaler Fresse im schmerzhaften Griff zum Mannschaftswagen geführt.
Das politische Regime produziert sich auf allen internationalen Informationsplattformen unausgesetzt als böse, archaisch und das Volk hassend (Volksgegner).
И тем не менее - опять идеальный результат: рекордное количество задержаний в 30 городах, жуткие видео, где ОМОН с озверением избивает обычных граждан, ультраправые с плетьми нападают на собравшихся на Пушкинской площади, 12-летнего подростка болевым приемом ведет в автозак крупный мордатый "вертухай". То есть политический режим непрерывно ведет "презентацию" себя на все мировые информационные панели в качестве избыточно злобного, архаичного и ненавидящего "население" (антинародного).
erschienen am 06.05.2018
New Times: Mit Peitschen und Schraubenziehern
Andrej Kolesnikow ist Politikwissenschaftler und Programmdirektor von Carnegie Moscow Center. Auf New Times erklärt er, warum man von der neuen-alten Staatsmacht keine wirklichen Wunder erwarten dürfe:
erschienen am 06.05.2018
MBX.media: Zeichen der Ohnmacht
Für den renommierten Politikwissenschaftler Dimitri Oreschkin ist das gewaltsame Vorgehen gegen die Protestierenden nur eine Erscheinung der Ohnmacht vom System Putin, wie er im Interview mit MBX.media darstellt. Der Kanal ist von Putin-Kritiker Michail Chodorkowski finanziert und nach seinen Initialien (Michail Borissowitsch Chodorkowski) benannt.
Je schlechter, je ineffektiver die Machtvertikale selbst ist, desto fester muss sie die Daumenschrauben anziehen.
Чем хуже, чем менее эффективна сама вертикаль, тем больше ей приходится закручивать гайки.
erschienen am 06.05.2018
Erschienen am 07.05.2018
dekoder-Redaktion