Katastrophe am Moskauer Flughafen Scheremetjewo: Bei der Notlandung einer Passagiermaschine sind am Sonntagabend offiziellen Angaben zufolge 41 Menschen gestorben. Darunter sollen zwei Kinder und ein Mitglied der Crew sein.
Am Tag nach dem Unglück gibt es verschiedene Versionen, wie es dazu kam. Die Maschine, ein Suchoi Superjet-100, soll etwa 45 Minuten nach Abflug von Scheremetjewo dort wieder notgelandet sein. Dabei stand das Flugzeug am Heck in Flammen. Nach Flughafen-Angaben wurde das Feuer schnell gelöscht, Passagiere und Crewmitglieder hätten das Flugzeug über Notrutschen in 55 Sekunden verlassen.
Die genauen Ursachen müssen nun untersucht werden, die Flugschreiber der Maschine sind inzwischen gefunden. Unterdessen kursieren unterschiedliche Versionen über den Unglückshergang: Laut Aeroflot hat ein Technikfehler die Piloten des Fluges SU1492 – mit 73 Passagieren und 5 Crewmitgliedern an Bord – zur Umkehr gezwungen. Augenzeugen berichten dagegen von einem Blitzeinschlag. Laut Nachrichtenagentur Interfax schlug die Maschine bei der Notlandung mehrfach am Boden auf, wobei ein Tank explodiert sei. So habe das Flugzeug Feuer gefangen.
In Sozialen Netzwerken artikulieren derzeit viele ihre Trauer, aber auch Wut. Im internationalen Vergleich schneidet die Flugsicherheit innerhalb Russlands immer wieder schlecht ab. Das Vertrauen, dass die Katastrophe restlos aufgeklärt wird, ist in den Kommentaren gering. Dahinter steht, wie bei vergleichbaren Tragödien – etwa dem Kaufhaus-Großbrand in Kemerowo – ein Misstrauen in die Arbeit der Behörden in solchen Fällen.
Kritik entzündet sich derzeit auch am Flugzeugtyp, dem Suchoi Superjet-100. Das Flugzeug gilt als Prestigeprojekt, es war das erste russische Passagierflugzeug, das nach Ende der Sowjetunion in Russland entwickelt wurde. Immer wieder gab es Pannen – und ein Unglück bei einem Demonstrationsflug 2012 in Indonesien: die Maschine stürzte ab.
dekoder dokumentiert Auszüge aus der Debatte.
Facebook: Zwei Seiten derselben erlernten Hilflosigkeit
Derzeit kursieren noch unterschiedliche Versionen über den Unglückshergang. Sergej Medwedew teilt auf Facebook das Misstrauen, das in Sozialen Netzwerken gegenüber den Ermittlungen geäußert wird:
erschienen am 06.05.2019, Original
Facebook: Schuld der „effektiven Manager“
Oppositionspolitiker Gennadi Gudkow sieht – wie bei vergleichbaren Tragödien – die Ursache im System:
Ich denke, es waren unfähige und gewissenlose Minister, Leiter verschiedener Luftfahrtbehörden, die unannehmbare Zustände für die Arbeit des Luftverkehrs schufen. Solche, die nicht in der Lage sind, Fehler zuzugeben und zu korrigieren. [...]
Der russische Staat tötet weiterhin seine Bürger: in der Luft, auf Straßen, auf Baustellen und in Fabriken, in Krankenhäusern (wegen deren Nichtexistenz) und in Ersatzeinrichtungen. Wir sind leider weltweit auf den ersten Rängen dieser beschämenden Statistik.
Weil wir nicht von Spezialisten regiert werden, von talentierten Meistern ihrer Fächer, sondern von den nach dem Prinzip der persönlichen Ergebenheit in die Ämter eingesetzten, unfähigen und gaunerhaften „effektiven Managern“, die es gewohnt sind zu lügen, zu stehlen und für nichts Verantwortung zu übernehmen. Soll doch jemand soviel Dreistigkeit aufbringen und sagen, dass es anders ist!
Den russischen Bürgern bleibt aber beim Flugticketkauf nur das Vertrauen auf den Allmächtigen – sonst kann man auf nichts hoffen.
Думаю, это — бездарные и бессовестные министры, руководители всяких летных инстанций, сотворившие неприемлемые условия для нормальной работы авиационной отрасли, не способные признавать и исправлять свои ошибки. [...]
Российское государство продолжает убивать своих граждан: в воздухе, на дорогах, на стройках и производстве, в больницах (и из-за их отсутствия), а также с помощью различных суррогатов. Мы, увы, на первых местах в мире по этой позорной статистике.
Потому что нами управляют не специалисты, не талантливые мастера своего дела, а назначенные на должности по принципу личной преданности бездарные и жуликоватые «эффективные менеджеры», привыкшие врать, воровать и ни за что не отвечать. И пусть кто-нибудь наберется наглости сказать, что это — не так!
А гражданам России остается полагаться лишь на Всевышнего, покупая билет в самолет: больше надеяться не на кого.
erschienen am 05.05.2019, Original
Facebook: Ihr seid überhaupt keine Journalisten!
Journalist Boris Minajew hat sich durch die Berichterstattung im russischen Fernsehen gezappt – und kritisiert die Kollegen:
Überall auf allen Kanälen läuft entweder einfach alles nach Programm – Serien und anderes – oder schlicht die Meldung in Laufschrift samt Bild in der linken unteren Ecke, wie auf den Nachrichtenkanälen RBK und Rossija 24. Im Bildfeld aber sind geistreiche Moderatoren, die mit Händchen und Äuglein gestikulierend das Publikum mit einem bombastischen Beitrag über den Kinostart von Avengers: Endgame unterhalten (das ist live, damit Sie nicht zweifeln).
Oder es läuft eine hochintelligente Reportage von Propaganda-Kondomen über die USA oder Venezuela.
Und es sind keine 13 [Opfer, wie zuerst berichtet – dek]. Und es ist nichts klar. Ihr seid überhaupt keine Journalisten. Keine Informierenden. Ihr seid einfach die Schande der Nation. Moskwa-24 aber ist super. Wirklich.
erschienen am 05.05.2019, Original
Facebook: Gewaltige Probleme mit SSJ-100
Auch am Flugzeugtyp, dem Suchoi Superjet-100, wird lautstark Kritik geübt. Anton Dolin, Chefredakteur von Iskusstwo Kino, zitiert aus einem Interview zum SSJ-100, das das Investigativ-Portal The Insider 2018 mit einem Aeroflot-Piloten geführt hatte:
‚Tatsächlich stellen wir den Suchoi Superjet nicht her, wir setzen ihn nur zusammen. Die Montage des Superjet erfolgte in Komsomolsk am Amur, dabei war die Qualität dermaßen niedrig, dass es gewaltige Probleme mit dem Flugzeug gibt. In Sachen Energieausbeute ist es unglaublich ineffizient. Aber es wird Aeroflot aufgezwungen. Das Projekt Superjet gehört Putin, dieses Flugzeug nicht zu kaufen ist dementsprechend keine Option. Aeroflot hat kürzlich 50 weitere Maschinen bestellt, das heißt, das Problem wird größer werden, wie ein Schneeball. Irgendwann einmal wird man das Flugzeug wahrscheinlich in einen vernünftigen Zustand bringen, aber mit welchen Mitteln und zu welchen Betriebskosten?
Die Flüge werden sehr oft gestrichen oder verzögert. Ein Pilot, der einen Superjet nach Woronesh fliegt, sagt: Ich spiele hier jedesmal Lotto – in 50 Prozent der Fälle kann ich fliegen, in 50 Prozent nicht. Das ist überhaupt kein [akzeptabler] Indikator für eine Fluggesellschaft, dass ein Flug nur mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit durchgeführt werden kann – das ist eine finanzielle Katastrophe.‘
«Реально мы не производим Sukhoi Superjet, а только собираем. Сборка Superjet проходила в Комсомольске-на-Амуре, и при этом даже ее качество было настолько низким, что с самолетом огромные проблемы. В плане эксплуатации он безумно неэффективен. Но «Аэрофлоту» его навязывают. Проект Superjet принадлежит Путину, соответственно, вариантов не купить этот самолет нет. «Аэрофлот» недавно заказал еще 50 машин, то есть проблема будет расти, как снежный ком. Наверное, когда-то этот самолет доведут до ума, но какими средствами и какой эксплуатационной ценой? Рейсы отменяют, задерживают очень часто. Пилот, который летает в Воронеж на Superjet, говорит: у меня каждый раз лотерея: 50% — я улетаю, 50% — нет. Это вообще не показатель для авиакомпании, чтобы рейс выполнялся с вероятностью 50%, просто финансовая катастрофа».
erschienen am 05.05.2019, Original
Echo Moskwy: Versucht, eure Sünden mit Gebeten reinzuwaschen
Auf privaten Videos der Evakuierung sieht man Menschen, die auch ihr Handgepäck aus dem brennenden Flugzeug mitnehmen. Ein anonymer Zivilpilot macht im Blog auf Echo Moskwy Vorwürfe an die Überlebenden:
erschienen am 06.05.2019, Original
dekoder-Redaktion