Die Wirtschaftskrise im Herbst 2014 hatte Russland ökonomisch vor eine unsichere Zukunft gestellt. Drei unabhängige Entwicklungen setzten die russische Wirtschaft gleichzeitig unter Druck: der Einbruch des Ölpreises, wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland sowie strukturelle Probleme, das heißt fehlende Anreize zu Investitionen und zur Steigerung der Produktivität. Erst mit der Erholung des Ölpreises 2017 kam es wieder zu einem leichten Wirtschaftswachstum.
Schon 2013 war die russische Wirtschaft trotz hoher Ölpreise kaum gewachsen (+1,8 Prozent)1. Da in Russland schon seit vielen Jahren weniger investiert wird als in vergleichbaren Ländern, wird pro Arbeitsstunde in Russland noch immer nur halb so viel hergestellt wie im EU-Durchschnitt.2 Durch die fehlende Wachstumsdynamik und weniger Spielraum im Staatshaushalt war die Ausgangslage vor der aktuellen Krise deutlich schlechter als im Vorfeld der globalen Finanzkrise 2009 (Wachstum in Russland 2008: +5,2 Prozent3).
Als der Ölpreis sich 2014 innerhalb weniger Monate halbierte, zog dies den Wert der russischen Exporte und damit auch die Nachfrage nach dem Rubel nach unten. Zusätzlich schwächten die westlichen Wirtschaftssanktionen die Währung. Großkonzerne wie Rosneft mussten Rubel in Dollar eintauschen, um ihre Kredite bei westlichen Banken zurückzuzahlen. Insgesamt flossen aus Russland 2014 netto 154 Milliarden US-Dollar Kapital ab – mehr als doppelt so viel wie 2013.4 Der Rubel verlor in der zweiten Jahreshälfte knapp 50 Prozent seines Werts zum Dollar.
Über den schwachen Rubel wurde die Krise für die russische Bevölkerung deutlich spürbar. Fast alle importierten Güter verteuerten sich schlagartig. Dies betraf keineswegs nur die bei der Mittelschicht beliebten Waren wie Elektronik, Möbel und Autos, sondern auch Lebensmittel und Medikamente. Die Beschränkung des Lebensmittel-Angebots durch die russischen Gegensanktionen verschärften diese Entwicklung noch. Die Inflation stieg in der Folge auf über 15 Prozent, für Lebensmittel auf über 20 Prozent.5 Da die Gehälter stagnierten, senkte die Inflation die realen Einkommen der russischen Bevölkerung, was den privaten Konsum im ersten Quartal 2015 um 8,8 Prozent einbrechen ließ.6 Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Zahl der von Armut betroffenen Menschen in Russland um 2,1 Millionen.7
Der schwache Rubelkurs und die Inflation bewegten die russische Zentralbank im Dezember 2014 zu einer radikalen Erhöhung des Leitzinses auf 17 Prozent (zum Vergleich: In der Eurozone waren es zu diesem Zeitpunkt 0,05 Prozent).8 Höhere Zinsen können zwar eine Währung stärken und die Inflation dämpfen, allerdings erhöhen sich mit ihnen auch die Kosten der Kreditfinanzierung für Unternehmen und Privathaushalte. Durch den hohen Leitzins, das weiter sinkende Realeinkommen und die wetterbedingt besonders üppige Ernte stiegen die Verbraucherpreise im Jahr 2017 um nur noch 2,5 Prozent – für Russland ein historisch niedriger Wert.
Die fehlende Konsumnachfrage und die gestiegenen Finanzierungskosten stellten die russischen Unternehmen in der Wirtschaftskrise vor große Probleme.9 Im Jahr 2015 schrumpfte die russische Wirtschaft um 2,5 Prozent. Auch für 2016 gab die russische Statistikbehörde ROSSTAT noch ein leichtes Minus bei der Wachstumsrate bekannt (-0,2 Prozent).10
Das russische Finanzministerium verzeichnete 2015 ein Defizit im Staatshaushalt in Höhe von 3,4 Prozent des BIP. 2016 fiel der Fehlbetrag mit 3,7 Prozent des BIP noch größer aus, wobei die Regierung ihre Bilanz durch (Teil)Privatisierung von Staatskonzernen um etwa ein Prozent des BIP aufbesserte. Bei dem Fehlbetrag schlagen vor allem die gesunkenen Einnahmen aus Öl-Exporten sowie die um ein Drittel gestiegenen Militärausgaben zu Buche. Das Defizit verringerte sich 2017 auf 1,5 Prozent und wurde, wie bereits in der Krise 2009, aus dem Reserve-Fonds finanziert, der etwa 5 Prozent des russischen BIPs beträgt. Im Jahr 2018 erwartet das Finanzministerium durch den wieder gestiegenen Ölpreis einen leichten Haushaltsüberschuss.11