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Zweimal täglich erklärt die Moderatorin im Staatsfernsehen die Welt aus Moskauer Sicht. An manchen Tagen ist sie bis zu fünf Stunden mit Desinformation und Kriegshetze nach Vorgaben des Kreml auf Sendung. Skabejewas Spezialgebiet ist der Vollkontakt: Je nach Bedarf werden Gegner provoziert oder niedergebrüllt. 

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Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Wladimir Wyssozki

Gegen Ende Juli 1980 hatten sich die meisten MoskauerInnen aus der Stadt auf die Datscha geflüchtet: In den Sportstätten fanden die Olympischen Spiele statt, die zwar von vielen westlichen Staaten wegen des Afghanistan-Kriegs boykottiert wurden, aber dennoch BesucherInnen aus aller Welt anzogen. Doch als am 26. Juli in zwei Zeitungen auf der letzten Seite in der untersten Ecke die wenige Zeilen umfassende Meldung vom Tod des „Theaterschauspielers“ (russ. artista teatra) Wladimir Wyssozki erschien, wussten bereits fast alle auf den Datschen um Moskau und auch in weit entlegeneren Winkeln der Sowjetunion vom Tod des Dichters, Sängers, Schauspielers:
„Das Ministerium für Kultur der UdSSR, das Staatskino der UdSSR ... geben bekannt, dass ...“ der am 25. Januar 1938 in Moskau geborene Wyssozki am 25. Juli 1980 mit genau zweiundvierzigeinhalb Jahren „plötzlich verstorben ist“. 
Ohne genaue Angabe in irgendeiner Zeitung, ohne ein Wort in Radio und Fernsehen, Jahre vor jeglicher Internet-Kommunikation erfuhren die MoskauerInnen dennoch irgendwie von Ort und Zeit seines Begräbnisses: Hunderttausende SowjetbürgerInnen aller Altersklassen erwiesen ihrem geliebten Helden bei der Beerdigung am 28. Juli 1980 die letzte Ehre. Ältere Leute merkten an, dass seit dem Tod Stalins im März 1953 zum ersten Mal wieder auf den Straßen geweint wurde. 
Wer war dieser Wyssozki, dessen Ruhm an diesem Tag erst richtig begann?

Vom Schreier von Gaunerliedern zum genialen Sänger

Als Wyssozki Ende Juli 1980 starb, galt er in vielen sowjetischen intellektuellen Kreisen als ein etwas ungehobelter Schreier von Gaunerliedern oder als ein Sänger von Schlagern in sowjetischen Filmen. Andere hielten ihn für einen durchschnittlich begabten Filmschauspieler, für einen umschwärmten Frauenheld, oder einen Alkoholiker, der an irgendeinem Moskauer Theater sein Brot verdiente.
Seine krächzende Stimme kannte man vor allem von Liedern, welche die Vaterlandsverteidigung des Weltkriegs verklärten. Mehrere Artikel in Provinzblättern hatten ihm seit den späten 1960er außerdem den Ruf eines Rowdys (russ. chuligan, von engl. hooligan) eingebracht, dessen Lieder im Gaunermilieu spielen und dazu noch das Vaterland mit sowjetkritischen Anspielungen in Verruf bringen. So kam es, dass zum Zeitpunkt seines Todes gerade einmal ein (!) Gedicht in einer zentralen Publikation erschienen war (im Sammelband zum „Tag der Dichtung“, 1975). Und auf den wenigen 45t-Singles der Monopol-Firma Melodija konnte man einen Wyssozki hören, der begleitet von einem braven sowjetischen Variété-Orchester harmlose Scherzlieder oder Soldatenlyrik von sich gab.
Seine übrigen Texte wurden bis dahin jedoch lediglich in Eigeninitiative von Hand zu Hand gereicht und seine Lieder in den Wohnungen, Hinterhöfen und in der freien Natur gesungen. 

Heute dagegen wir stehen vor einem vielseitigen, komplizierten, facettenreichen, bisweilen genialen Werk. Wir kennen nahezu 500 Lieder in Form von vielen tausenden Aufnahmen, erhalten sind mehrere hundert nicht vertonte Texte, daneben gibt es Prosaskizzen, Tagebücher, Videodokumente seiner Theaterarbeiten, Interviews, Rollen in Kino- und TV-Filmen und vieles mehr. Wyssozkis unvergleichliche posthume Popularität eint – und spaltet manchmal – heute noch eine Fangemeinschaft. Die lässt nichts über ihren Abgott kommen, und hält, ähnlich den Millionen russischer Puschkin-Verehrer, jede einzelne seiner Zeilen für genial und unsterblich. Sie sieht ihn als einen begnadeten Schauspieler an – und übersieht dabei, dass seine Theater- und Kinorollen natürlich nur das Produkt dessen darstellen, was unter den Bedingungen der bornierten Zensur einer Diktatur (zwar nicht des Proletariats, aber einer stumpfsinnigen Nomenklatura) gerade noch möglich war. Freilich waren auch Meisterwürfe darunter, wie seine Rollen als Hamlet oder als Brechtscher Galilei im Moskauer Taganka-Theater, eine gewinnende Darstellung eines Weißgardisten im Film Es dienten zwei Kameraden (Slushili dwa towarischtscha, 1968), oder die fast Kultstatus genießende Verkörperung eines Moskauer Kriminalpolizisten in der Fernsehserie Den Treffpunkt darf man nicht ändern (Mesto vstretschi ismenit nelsja, 1979). Doch das waren Glücksfälle, die erahnen lassen, wozu Wyssozki unter freien Bedingungen vielleicht in der Lage gewesen wäre. 

Sprengkraft des Autorenlieds

Schon zu Lebzeiten stieg Wyssozki zu einer Kultfigur auf, die Beliebtheit bei Parteibonzen, Durchschnittsbürgern, Proletariern, Alkoholikern und Dissidenten genoss. Allein an den Texten konnte es nicht liegen: Diese erwiesen sich 1981, als sie erstmals – wenn auch zensuriert – in einem mit dem Wort Nerv betitelten Sammelband erschienen, als eher durchschnittliche Gedichte. Wenn man sie jedoch auf den immer zahlreicher auftauchenden Tonband- und Videoaufnahmen erlebt, strotzen sie vor Energie und Kraft. Man denkt unwillkürlich an Richard Wagners Konzept des Gesamtkunstwerks: Autor-Komponist-Interpret, so der französische Begriff für das, was im Deutschen Bänkelsänger hieß, und im Russischen mit den Begriffen Autorenlied oder ganz einfach Bardenlyrik umschrieben wird. 

(Nicht nur) Für seine Fangemeinde ein begnadeter Schauspieler und genialer Sänger – Wladimir Wyssozki / Foto © Galina Kmit/Sputnik

Wyssozki erklärte in seinen Konzertkommentaren die Sprengkraft dieses Autorenlieds: Er brauche kein Orchester, keine Scheinwerfer, keine Bühne. Was er brauche, sei eine Gitarre, die Augen der ZuhörerInnen und seine Stimme, denn so entstehe eine Atmosphäre der Vertrautheit. 
Die auf dem Papier relativ banal wirkende Fabel vom jungen Wolf etwa, der sich bei einer Treibjagd nicht durch die roten Fähnchen auf der sich zuziehenden Schlinge beirren lässt und über diese hinweg in die Freiheit springt, verwandelt sich in der Interpretation durch Wyssozki in ein Meisterwerk – einen Schrei der russischen Seele, die nach einem „Schluck anderer Luft“ dürstet, wie es in einem weiteren Lied heißt. Vor uns entsteht das Schauspiel eines Kampfes von Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker – und das Lied, doppelbödig angelegt (so wurden die Wölfe in Zentralrussland tatsächlich ausgerottet), lässt keinen Zuhörer gleichgültig: Man identifiziert sich mit dem jungen Wolf, mit dem mutigen Barden. Das Lied sollte 1968 in einem Theaterstück des Ljubimowschen Taganka-Theaters erklingen, schaffte es jedoch nicht durch die Zensuraufführung und wurde zum Anlass für ein Aufführungsverbot des ganzen Stücks. Es markierte, gemeinsam mit der Entlassung des Dichters Alexander Twardowski als Chefredakteur der liberalen Zeitschrift Nowy mir, das Ende des Chruschtschowschen Tauwetters.

 

Die relativ banal wirkende Fabel vom jungen Wolf verwandelt sich in der Verkörperung durch Wyssozki in ein Meisterwerk, einen Schrei nach einem „Schluck anderer Luft“

Freies Wort zur Gitarre mit kritischen Blick auf Realität

Wyssozki stand nicht an der Wiege des russischen literarischen Chansons neuen Typs, dafür war der 1938 geborene Moskauer zu jung. Diese Leistung erbrachte bereits Mitte der 1950er Jahre Bulat Okudshawa (1924–1997), ein Provinzschullehrer. Der Sohn eines in der Stalinzeit ermordeten georgischen Vater schrieb zunächst einfache Lyrik, die er dann zu drei, später vier und fünf Gitarrenakkorden seinen Freunden vorsang.
Wyssozki war auch nicht der mutigste Vertreter dieses Genres. Dieses Verdienst gebührt dem 1918 geborenen und 1972 ausgebürgerten Alexander Galitsch, einem Filmschauspieler, Drehbuchautor und als solchem in jeder Hinsicht privilegierten Kulturschaffenden, welcher der bürokratisierten und korrupten Sowjetmacht einen Spiegel vorhielt, den diese nicht ertrug.
Wyssozki vereinte jedoch in gewisser Hinsicht die besonderen Eigenschaften der beiden. Er übernahm von Okudshawa den menschlichen Aspekt des freien Wortes zur Gitarre, während er von Galitsch den kritischen Blick auf die Sowjetrealität erlernte. 

Doch Wyssozki hatte noch andere, eigene Themen – seine ersten Gehversuche zur Gitarre waren von den in allen Hinterhöfen zu hörenden Liedern der Häftlinge geprägt, die in Scharen aus den stalinistischen Lagern zurückgekehrt waren. Viele von Wyssozkis frühen Liedern wurden zunächst für originale Lager- und Gaunerfolklore gehalten. Bald mischten sich dazu persönliche Motive – im Lied Der große Karetny (1964) besingt er seinen Freundeskreis, in einem Igor Kochanowski gewidmeten Lied die Verflochtenheit des vergangenen Terrors mit der Gegenwart: „Mein Freund ist auf nach Magadan ... nicht mit einem Straftransport“ (Moi drug ujechal w Magadan, 1965). Alles dies war für eine offizielle Verwendung in der sowjetischen Kulturlandschaft nicht geeignet, und Wyssozki musste lang warten, bis seine ersten Lieder offizielles Gehör erlangten. Schließlich erschienen sie auf – oft biegsamen – Single-Schallplatten, die man nur abhören konnte, wenn man sie auf richtige Vinyl-Platten drauflegte: Wyssozkis Werk gestützt auf Sowjetplatten – rückwirkend gesehen eine erschreckende Metapher oder auch pure Ironie. 

Offizieller und verbotener Wyssozki

Wyssozki lavierte zeitlebens zwischen „erlaubten“ Themen einerseits und regimekritischen Themen andererseits. Von der offiziellen Kulturpolitik wurden mit mehr oder weniger großer Freude die Lieder zum Thema des Zweiten Weltkriegs aufgenommen. Wyssozki wurde nicht müde zu behaupten, dass er gern am Krieg teilgenommen hätte, konnte diesen aber aufgrund der späten Geburt nicht aktiv erleben – die späte Geburt sah er also nicht als Gnade. Auch einige seiner Mini-Dramen, in denen er in die Maske verschiedenster Sportler kroch (z. B. Das Lied vom sentimentalen Boxer, 1966), konnten die sowjetische Zensur passieren. 

 

Einige seiner Mini-Dramen, in denen er in die Maske verschiedenster Sportler kroch, konnten die sowjetische Zensur passieren

Weniger gut erging es seinen frühen Meisterwerken, der schon erwähnten Wolfsjagd (Ochota na wolkow, 1968) oder dem Monolog aus dem Schwitzbad aus demselben Jahr (Banka po-belomu), gesungen mit der Stimme eines Deklassierten, der sich, zu Unrecht verhaftet, wünschte, dass der auf seiner Brust im Profil eintätowierte Stalin seine Rufe hören möge. Noch schwerer hatten es Texte, in denen er sehr früh Privilegien anklagte, wie in seinem Lied über das Schlangestehen („Die Leute murrten und murrten, die Leute wollen Gerechtigkeit ...“, 1966) oder den Antisemitismus aufs Korn nahm (Die Antisemiten, 1964, Mischka Schifman, 1972). Lieder aus der ersten Gruppe schafften es auf Schallplatten oder sogar in Filme. Jene aus der zweiten nicht – sie wurden allerdings dennoch sehr bekannt, weil sie von Freunden auf Tonband aufgenommen und vielfach überspielt weitergegeben wurden. 

Chronist des homo sovieticus

Es entstand also, analog dem Samisdat, das Phänomen des Magnitisdat, dem die Machthaber ebenso machtlos gegenüber standen wie Ersterem. So kam es, dass Wyssozki bei einem „Treffen mit dem Schauspieler“, wie die offizielle Bezeichnung lautete, in einer sibirischen Stadt ein wenige Tage zuvor geschriebenes Lied zum Besten gab, dessen Text ihm schon aus dem Publikum eingeflüstert wurde – so schnell hatten sich Tonbandkopien bis nach Sibirien verbreitet. Die Frage, warum aus Wyssozki ein Volksheld wurde, während Galitsch von den durchschnittlichen Sowjetbürgern abgelehnt und gehasst wurde, ist vielleicht so zu beantworten: Galitsch blickte auf das Sowjetsystem zwar aus der Perspektive des einfachen Mannes (seines Helden Klim Petrowitsch), jedoch mit dem Bewusstsein eines Dissidenten, der das System bekämpfte. Wyssozki dagegen behielt nicht nur die Perspektive, sondern auch das Bewusstsein des Sowjetmenschen bei. 

Und dieser Chronist des homo sovieticus, gerade in Theater und Film angekommen, lernte am Moskauer Kinofestival 1967 plötzlich eine junge Frau kennen, von der die ganze Sowjetunion schwärmte – Marina Vlady, eine Französin russischer Herkunft, die in einer bezaubernden Szene des Films Die Zauberin (La sorcière, Regie: André Michel, 1956) die Herzen der sowjetischen Kinobesucher längst erobert hatte. Die Gitarre und seine Stimme taten das Übrige dazu, und bald waren die beiden, den bürokratischen Hindernissen zeitlebens trotzend, ein Paar. Vlady erleichterte nicht zuletzt durch ihren „Flirt mit der KPF“ (so Vlady in ihren Erinnerungen) Wyssozki das Leben im Kampf gegen die bürokratische Macht. Sie eröffnete ihrem Mann aber auch den Westen, indem sie ihm Reisen nach Frankreich ermöglichte. Ohne diese Erfahrung wäre Wyssozki vielleicht ein durchschnittlicher Barde geblieben, und nicht jener tiefsinnige Dichter geworden, als den wir ihn heute kennen. 

Wyssozki suchte nicht den Weg in die Emigration, da er begriff, dass er im Land gebraucht wurde. Durch die Flucht in den Alkohol und später in Drogen beschleunigte und antizipierte er allerdings seinen frühen Tod. Sein Werk bleibt ebenso wie jenes von Okudshawa und Galitsch bestehen, auch wenn es für die heranwachsenden Generationen zunehmend nur noch mithilfe von Kommentaren und Erklärungen zugänglich ist. 
Wyssozkis Abschiedszeilen, die er seiner Frau widmete, lauteten: „Ich habe etwas zu singen, wenn ich vor dem Allmächtigen stehen werde, ich habe etwas, womit ich mich rechtfertigen kann.“ Dem kann man nur voll und ganz beipflichten.

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)