Media

„Es muss eine völlig andere Aufmerksamkeit für Tonfall und Worte geben“

„Wir hoffen, dass wir auch vielen Soldaten helfen konnten, zum Beispiel mit Ausrüstung und einer einfachen Grundausstattung an der Front.“ Mit diesem Satz hat TV-Host Alexej Korosteljow im unabhängigen Fernsehsender Doshd am vergangenen Donnerstag, 1. Dezember 2022, einen Skandal ausgelöst. Es waren zunächst ukrainische Aktivisten und Journalisten, die auf die Äußerung hinwiesen. Korosteljow selbst und auch Doshd-Chefredakteur Tichon Dsjadko entschuldigten sich. Korosteljow schrieb, seine Worte seien „aus dem Kontext“ gerissen worden, was für weitere Kritik sorgte. In Lettland, von wo der exilierte Sender derzeit arbeitet, wurde eine Überprüfung eingeleitet. Manche Stimmen warfen Doshd sogar vor, für den russischen Geheimdienst zu arbeiten. 

Schließlich verkündete der Sender die fristlose Kündigung Korosteljows, der seit Jahren für Doshd arbeitet und eines der bekanntesten Gesichter des Senders ist. Dies wiederum sorgte für einen Sturm der Entrüstung unter russischen Exiljournalisten. Zwei weitere populäre Doshd-Moderatoren, Margarita Ljutowa und Wladimir Romenski, gaben aus Solidarität mit Korosteljow ihren Rücktritt bekannt. Auch Korosteljows Lebensgefährtin Darina Lukutina kündigte ihren Rücktritt beim Fernsehsender an. „Ich verstehe nicht, wie ein Angestellter geopfert werden kann, um einem Staat zu gefallen, noch bevor dieser Staat ein solches Opfer verlangt hat“, schrieb sie auf Facebook.

In den Chor an Stimmen, die den Vorgang in den Sozialen Medien heftig diskutierten, mischte sich auch die bekannte Journalistin Xenia Larina, die auch für The Insider und Echo Moskwy arbeitet. Auf Telegram nimmt sie Doshd wie auch Korosteljow in Teilen in Schutz, mahnt zugleich aber eine fehlende Selbstkritik für den gesamten unabhängigen russischen (Exil-)Journalismus an.

Source Social Media

Ich habe die besagte Episode gestern nicht live gesehen, sondern heute, als der Skandal schon auf allen Kanälen tobte.
Zunächst schrieb ich unterstützende Worte für Ljoscha Korosteljow, dann für Tichon Dsjadko. Später dann sah ich Katja Kotrikadses Stellungnahme zu Beginn der Nachrichten, die Stellungnahme der Redaktion von Doshd mit Erklärungen und Entschuldigungen und mit der Entscheidung, Korosteljow zu entlassen. Das waren herzzerreißende Worte. Katerina ist tough und willensstark, sie hat ihr Gesicht und ihre Haltung in den schwierigsten Live-Situationen unter Kontrolle – hier und jetzt konnte sie die Tränen fast nicht zurückhalten. An ihrem emotionalen Zustand war zu erkennen, wie schwer die Entscheidung über die Entlassung ihres Kollegen war, einen der besten Journalisten von Doshd.

Doshd-Chat-Bot macht die Verbrechen der russischen Machthaber gegen ihre eigenen Bürger deutlich

Heute nun habe ich den Beitrag für einen ukrainischen Sender kommentiert. Und habe natürlich gesagt, dass in Live-Situationen niemand vor Fehlern, Versprechern und falschen Bewertungen gefeit ist, vor „Schnitzern“. Und dass ich überzeugt bin, dass es in Alexejs Worten keinen bösen Vorsatz gab.
In den Doshd-Nachrichten wird regelmäßig hingewiesen auf den Telegram-Chat-Bot für Anrufe und Nachrichten der Mobilisierten und ihrer Angehörigen. Dieser Kommunikationskanal macht die Verbrechen der russischen Machthaber gegen ihre eigenen Bürger deutlich, zeigt die Abscheulichkeit des Regimes, seine ständigen Lügen und seine Verachtung für das eigene Volk.

Alexejs Worte haben den Sinn dieser Aktion völlig entstellt und pervertiert

Alexejs Worte haben den Sinn dieser Aktion völlig entstellt und pervertiert. Ja, das war ein missglückter Versuch, dieser kargen Ansage „etwas Persönliches“, etwas „Menschliches“ hinzuzufügen.

Das passiert jedem. Aber nicht jeder moderiert Live-Sendungen während eines ungeheuerlichen Krieges, der von einem Staat entfacht wurde, dessen Bürger du bist. Hier muss es eine völlig andere Aufmerksamkeit für Details, Tonfall und Worte geben. Und hier stellt sich die überaus wichtige Frage, die überhaupt nicht diskutiert wird in der russischsprachigen Journalisten-Community, unter Journalisten im Exil:

Sind die gewohnten Standards des Journalismus anwendbar, wenn man einen Pass des Aggressor-Landes besitzt?

Wer sind wir? Wen vertreten wir? An wen richten wir uns in russischer Sprache? Sind die gewohnten Standards des Journalismus – des freien, professionellen Journalismus – in Kriegszeiten anwendbar, noch dazu, wenn man einen Pass des Aggressor-Landes besitzt? Der ganze Pluralismus, all das „die andere Seite zu Wort kommen lassen“, all die freien Meinungen und Äußerungen? Und was ist überhaupt „die andere Seite“, wenn es die Seite der Invasoren und die Seite der Opfer gibt? Darf man sich das in politischen und militärischen Konflikten als Journalist aussuchen? Finden wir immer den richtigen und genauen Ton, verletzen wir nicht die Grenzen fremder Freiheiten und Rechte, während wir uns außerhalb von Russland befinden? Ich glaube, das sind sehr wichtige Fragen. 

Wir alle sind besudelt in diesem Krieg und haben kein Recht auf eine besondere Aufmerksamkeit

Wir alle sind besudelt in diesem Krieg. Und wir haben kein Recht darauf, eine besondere Aufmerksamkeit für uns einzufordern, niemand ist uns Hilfe schuldig dabei, diesen Schmutz abzuwaschen, niemand ist verpflichtet, sich in unsere Situation hineinzuversetzen, uns Visum und Arbeitserlaubnis auf dem Silbertablett zu servieren. Wenn es eine kollektive Schuld und eine kollektive Verantwortung gibt, dann ist die Art und Weise, wie sich jeder identifiziert, persönlich.

Die Position von Doshd, die mehrfach von deren Journalisten ausgesprochen wurde, ist offensichtlich und braucht keine Bestätigung, denn schon die Sendungen von Doshd sind dafür das wichtigste Zeugnis: Sie bezeichnen den Krieg als Krieg, Russland als Aggressor und Putin als Verbrecher. Das ist das Wichtigste. Und es ist die persönliche Entscheidung eines jeden Journalisten, sich zu einer Redaktion zusammenzuschließen, deren Prinzipien vollständig mit den eigenen Überzeugungen übereinstimmen. 

Ich habe keine Zweifel, dass Alexej Korosteljow dieselben Prinzipien vertritt, dass er einfach einen „unpassenden Scherz“ gemacht hat, um es in den Worten Bulgakows zu sagen. Ich unterstütze Alexej und bin sicher, dass er nicht ohne Arbeit bleiben wird. Und ich verstehe und akzeptiere die Entscheidung der Doshd-Spitze, die in schwerem Kreuzfeuer steht – sie werden aus allen Richtungen mit Steinen beworfen, von den eigenen Leuten, von anderen, von Europäern und von Russen, von Ukrainern und Letten … Aber sie machen ihre Arbeit. Und sie machen sie gut. Ihren Beitrag zum Sieg über das Böse zu bewerten, steht noch aus. Aber der Sieg ist gewiss. 

Support dekoder

Related topics

Gnoses

Krieg im Osten der Ukraine

Bei dem bewaffneten Konflikt im Osten der Ukraine beziehungsweise im Donbass handelt es sich um einen Krieg, der von seit April 2014 zwischen ukrainischen Streitkräften und Freiwilligenbataillonen auf der einen Seite sowie separatistischen Milizen der selbsternannten Volksrepubliken von Donezk und Luhansk (DNR und LNR) und russischen Soldaten auf der anderen Seite geführt wurde. Am 24. Februar 2022 befahl Putin den Angriff auf das Nachbarland – aus dem verdeckten ist ein offener Krieg geworden.

Die zentralen Vorgänge, die den Krieg in der Ostukraine bis dahin geprägt hatten: Vorgeblich ging es dabei um die Gebietshoheit der beiden ostukrainischen Verwaltungsbezirke Donezk und Luhansk – dem sogenannten Donbass, der zu etwa einem Drittel nicht unter Kontrolle der ukrainischen Regierung ist. In der Ukraine sowie in der Europäischen Union ist man bis heute überzeugt, dass Russland die Separatisten immer finanziell, personell und logistisch unterstützt hat. Demnach hat Russland den Donbass vor allem als Instrument genutzt, um die Ukraine langfristig zu destabilisieren und somit gleichzeitig kontrollieren zu können. Russland hatte eine militärische Einflussnahme und Destabilisierungsabsichten stets bestritten.

Die Entstehung des Krieges und wie die EU und die USA mit Sanktionen darauf in dem jahrelangen Konflikt reagiert hatten – ein Überblick. 

Nachdem Ende Februar 2014 der ukrainische Präsident Janukowytsch im Zuge der Maidan-Proteste gestürzt wurde, russische Truppen kurze Zeit später die Krim okkupierten und die Annexion der Halbinsel auf den Weg brachten, ist die Situation im Donbass schrittweise eskaliert.

Zunächst hatten pro-russische Aktivisten im April 2014 Verwaltungsgebäude in mehreren ostukrainischen Städten besetzt. Forderungen, die hier artikuliert wurden, waren diffus und reichten von mehr regionaler Selbstbestimmung bis hin zur Unabhängigkeit von der Ukraine und einem Anschluss an Russland.

Während sich in Charkiw die Situation nach der polizeilichen Räumung der besetzten Gebietsverwaltung rasch entspannte, kam es in Donezk und Luhansk zur Proklamation eigener Republiken. Parallel wurden Polizeistationen und Gebäude des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes gestürmt sowie dortige Waffenarsenale gekapert. Wenige Tage später traten in der Stadt Slowjansk (Donezker Verwaltungsbezirk) unter dem Kommando des russischen Geheimdienstoberst Igor Girkin erste bewaffnete „Rebellen“ in Erscheinung. Girkin, der bereits zuvor an Russlands Okkupation der Krim beteiligt gewesen war und zwischen Mai 2014 und August 2014 als Verteidigungsminister der DNR fungierte, behauptete später, dass der Krieg im Donbass mitnichten aus einem Aufstand russischsprachiger Bewohner der Region resultierte. Er betonte indes, dass dieser „Aufruhr“ ohne das Eingreifen seiner Einheit schnell zum Erliegen gekommen wäre.1

Eskalation

Tatsächlich begannen die bewaffneten Kampfhandlungen in dem von Girkins Einheit besetzten Slowjansk. Um die Stadt zurückzugewinnen, startete die ukrainische Regierung eine „Anti-Terror-Operation“ mit Beteiligung der Armee. Während die Separatisten in den von ihnen kontrollierten Orten des Donbass im Mai 2014 sogenannte Unabhängigkeitsreferenden durchführen ließen, weiteten sich in der Folgezeit die Gefechte zwischen ukrainischen Streitkräften und Freiwilligenverbänden auf der einen und den Separatisten auf der anderen Seite stetig aus.

In deutschsprachigen Medien und in der internationalen Diplomatie wurde seither häufig von einer „Krise“ oder einem „Konflikt“ gesprochen. Tatsächlich erreichte die militärische Eskalation unter quantitativen Aspekten, die sich auf eine bestimmte Anzahl von zivilen und nicht-zivilen Opfern pro Jahr beziehen, bereits 2014 den Zustand eines Krieges.2 Auch unter qualitativen Gesichtspunkten erfüllte der bewaffnete Konflikt ab 2014 sämtliche Merkmale eines Krieges, wie ihn beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung der Universität Hamburg definiert3.

Neben der Involvierung russischer Freischärler und Söldner4 mehrten sich im Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzungen Berichte über großkalibrige Kriegsgeräte, die den von den Separatisten kontrollierten Abschnitt der russisch-ukrainischen Grenze passiert haben sollen.5 Hierzu soll auch das Flugabwehrraketensystem BUK gehören, mit dem nach Auffassung des internationalen Ermittlungsteams das Passagierflugzeug MH17 im Juli 2014 über Separatistengebiet abgeschossen wurde.6 Reguläre russische Streitkräfte sollen indes ab August 2014 erstmalig in das Geschehen eingegriffen haben, nachdem die ukrainische Seite zuvor stetige Gebietsgewinne verbuchen und Städte wie Kramatorsk, Slowjansk, Mariupol und Awdijiwka zurückerobern konnte.7

Die EU verhängte im Sommer 2014 aufgrund der „vorsätzlichen Destabilisierung“8 der Ukraine weitreichende wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Russland stritt eine Kriegsbeteiligung eigener regulärer Soldaten jedoch stets ab: So hätten sich beispielsweise Soldaten einer russischen Luftlandlandedivision, die in ukrainische Gefangenschaft geraten waren, nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums verlaufen und die Grenze zur Ukraine nur  aus Versehen überquert.9 Die russische Menschenrechtsorganisation Komitee der Soldatenmütter Russlands indes beziffert die Zahl russischer Soldaten, die im Spätsommer 2014 auf ukrainischem Territorium im Einsatz gewesen seien, mit rund 10.000.10

Einen Wendepunkt des Kriegsverlaufs stellte schließlich die Schlacht um die ukrainische Kleinstadt Ilowajsk dar, bei der die ukrainische Seite im September 2014 eine herbe Niederlage erfuhr und mehrere hundert gefallene Soldaten zu beklagen hatte.11

Die ukrainische Regierung hat die NATO mehrfach vergeblich um Waffenhilfe gebeten. Allerdings legte die NATO spezielle Fonds an, die zu einer Modernisierung der ukrainischen Streitkräfte beitragen sollen. Diese Fonds dienen unter anderem der Ausbildung ukrainischer Soldaten, der Verbesserung von Kommunikationsstrukturen, der Stärkung von Verteidigungskapazitäten im Bereich der Cyberkriegsführung sowie der medizinischen Versorgung von Soldaten.12 Darüber hinaus erhält die Ukraine Unterstützung in Form von sogenannter nichttödlicher Militärausrüstung wie Helmen und Schutzwesten, Funkgeräten und gepanzerten Geländewagen, unter anderem von den USA.13 

Verhandlungen

Die zunehmende Eskalation des Krieges brachte eine Intensivierung internationaler Vermittlungsbemühungen mit sich. Bereits im März 2014 hatte der Ständige Rat der OSZE eine zivile Sonderbeobachtermission für die Ukraine beauftragt und wenig später eine trilaterale Kontaktgruppe zwischen der Ukraine, Russland und der OSZE ins Leben gerufen. Auf Ebene der Staats- und Regierungschefs etablierte sich das sogenannte Normandie-Format zwischen der Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich. Im September 2014 machte es die Unterzeichnung des sogenannten Minsker Protokolls durch die OSZE-Kontaktgruppe möglich.

Nach anhaltenden Kämpfen, vor allem um den Flughafen von Donezk sowie die Stadt Debalzewe, kam es im Februar 2015 zu einem erneuten Zusammentreffen des Normandie-Formats in Minsk. Im Minsker Maßnahmenpaket (Minsk II) konkretisierten die Parteien sowohl einen Plan zur Entmilitarisierung als auch politische Schritte, die zur  Lösung des Konflikts beitragen sollten.

Das Maßnahmenpaket umfasst dreizehn Punkte, die schrittweise unter Beobachtung der OSZE umgesetzt werden sollen. Hierzu gehört der Waffenstillstand sowie der Abzug schwerer Kriegsgeräte und sogenannter „ausländischer bewaffneter Formationen“. Außerdem soll in der ukrainischen Verfassung ein Sonderstatus für die Separatistengebiete verankert werden. Nicht zuletzt sieht das Maßnahmenpaket vor, dass Kommunalwahlen in diesen Gebieten abgehalten werden. Außerdem soll die ukrainisch-russische Grenze wieder durch die ukrainische Regierung kontrolliert werden.14

Entwicklung seit Minsk II

Auch unmittelbar nach der Unterzeichnung des Minsker Abkommens hielten jedoch vor allem in Debalzewe heftige Gefechte an, bis die Stadt schließlich wenige Tage später unter die Kontrolle der Separatisten fiel. Auch hier soll – wie bereits zuvor in Ilowajsk – reguläres russisches Militär massiv in das Kriegsgeschehen eingegriffen haben.15 Erst nach dem Fall von Debalzewe nahmen die Kampfhandlungen ab. Zu Verletzungen der Waffenruhe, Toten und Verletzten entlang der Frontlinie kam es seither dennoch beinahe täglich.16 Dies macht eine Umsetzung des Minsker Maßnahmenpakets bis heute unmöglich.

Schwere Gefechte mit dutzenden Toten brachen zuletzt rund um die Stadt Awdijiwka aus. Awdijiwka, das im Sommer 2014 von ukrainischer Seite zurückerobert wurde und dem Minsker Protokoll entsprechend unter Kontrolle der ukrainischen Regierung steht, hat als Verkehrsknotenpunkt sowie aufgrund der dort ansässigen Kokerei eine besondere strategische und ökonomische Bedeutung. Die Stadt ist in der Vergangenheit immer wieder unter Beschuss geraten.17 Im Januar 2017 kam es dort auch zur Zerstörung kritischer Infrastruktur: Dabei fielen in der Stadt bei Temperaturen von unter minus 20 Grad mehrere Tage die Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung aus. Allein am 31. Januar 2017 berichtete die Sonderbeobachtermission der OSZE von mehr als 10.000 registrierten Explosionen – die höchste von der Mission bisher registrierte Anzahl an Waffenstillstandsverletzungen.18

Laut Schätzungen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2019 sind seit Beginn des Krieges im Donbass rund 13.000 Menschen gestorben. Die Anzahl der Verletzten beziffern die Vereinten Nationen mit über 24.000. Bei mehr als 2000 Todesopfern sowie etwa 6000 bis 7000 Verletzten handelt es sich um Zivilisten.19 Menschenrechtsorganisationen geben zudem an, etliche Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen dokumentiert zu haben.20 Im November 2016 erklärte die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag, dass Anzeichen für einen internationalen bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine vorliegen.21 Die russische Regierung zog daraufhin ihre Unterschrift unter dem Statut des ICC zurück. 

Neben tausenden Toten und Verletzten hat der Krieg auch zu enormen Flüchtlingsbewegungen geführt. Das ukrainische Ministerium für Sozialpolitik registrierte bis Mitte 2016 über 1,6 Millionen Binnenflüchtlinge; das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen geht in seinen eigenen Berechnungen derweil von 800.000 bis einer Million Binnenflüchtlingen aus.22 Daneben haben knapp 1,5 Millionen Ukrainer seit Ausbruch des Krieges Asyl oder andere Formen des legalen Aufenthalts in Nachbarstaaten der Ukraine gesucht. Nach Angaben russischer Behörden sollen sich rund eine Million Ukrainer in der Russischen Föderation registriert haben.23


1.vgl.: Zavtra.ru: «Kto ty, «Strelok»?» und Süddeutsche Zeitung: „Den Auslöser zum Krieg habe ich gedrückt“
2.vgl. University of Uppsala: Uppsala Conflict Data Program
3.vgl. Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung der Universität Hamburg: Laufende Kriege
4.Neue Zürcher Zeitung: Nordkaukasier im Kampf gegen Kiew
5.The Guardian: Aid convoy stops short of border as Russian military vehicles enter Ukraine sowie Die Zeit: Russische Panzer sollen Grenze überquert haben
6.vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Minutiös rekonstruiert
7.Für eine detaillierte Auflistung der im Krieg in der Ukraine involvierten regulären russischen Streitkräfte siehe Royal United Services Institute: Russian Forces in Ukraine
8.vgl. europa.eu: EU-Sanktionen gegen Russland aufgrund der Krise in der Ukraine
9.vgl. tass.ru: Minoborony: voennoslzužaščie RF slučajno peresekli učastok rossijsko-ukrainskoj granicy
10.vgl. TAZ: Es gibt schon Verweigerungen
11.vgl.Frankfurter Allgemeine Zeitung: Ein nicht erklärter Krieg
12.vgl. nato.int: NATO’s support to Ukraine
13.vgl. Die Zeit: US-Militärfahrzeuge in Ukraine angekommen
14.vgl. osce.org: Kompleks mer po vypolneniju Minskich soglašenij
15.vgl. ViceNews: Selfie Soldiers: Russia Checks in to Ukraine
16.vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Wer bricht den Waffenstillstand?
17.vgl. Die Zeit: Wo Kohlen und Geschosse glühen
18.osce.org: Latest from the OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine (SMM), based on information received as of 19:30, 31 January 2017
19.vgl.: Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights: Report on the human rights situation in Ukraine: 16 August to 15 November 2016
20.vgl. Helsinki Foundation for Human Rights/Justice for Peace in Donbas: Surviving hell - testimonies of victims on places of illegal detention in Donbas
21.vgl. International Criminal Court/The Office of the Prosecutor: Report on Preliminary Examination Activities 2016
22.vgl. unhcr.org: Ukraine
23.vgl. unhcr.org: UNHCR Ukraine Operational Update
Support dekoder
Related topics
Gnose

Donezker Volksrepublik

Die Donezker Volksrepublik ist ein von Separatisten kontrollierter Teil der Region Donezk im Osten der Ukraine. Sie entstand im April 2014 als Reaktion auf den Machtwechsel in Kiew und erhebt zusammen mit der selbsternannten Lugansker Volksrepublik Anspruch auf Unabhängigkeit. Seit Frühling 2014 gibt es in den beiden Regionen, die eine zeitlang Noworossija (dt. Neurussland) genannt wurden, Gefechte zwischen den Separatisten und der ukrainischen Armee.

Gnose

Grüne Männchen

Als kleine grüne Männchen, manchmal auch höfliche Menschen, werden euphemistisch die militärischen Spezialkräfte in grünen Uniformen ohne Hoheitsabzeichen bezeichnet, die Ende Februar 2014 strategisch wichtige Standorte auf der Krim besetzt haben. Bestritt Moskau zunächst jegliche direkte Beteiligung und verwies auf „lokale Selbstverteidungskräfte“, so gab Präsident Putin später zu, dass es sich dabei um russische Soldaten gehandelt hat. Die grünen Männchen sind inzwischen zu einem kulturellen Symbol geworden.

more gnoses
Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)