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Olga Skabejewa

Zweimal täglich erklärt die Moderatorin im Staatsfernsehen die Welt aus Moskauer Sicht. An manchen Tagen ist sie bis zu fünf Stunden mit Desinformation und Kriegshetze nach Vorgaben des Kreml auf Sendung. Skabejewas Spezialgebiet ist der Vollkontakt: Je nach Bedarf werden Gegner provoziert oder niedergebrüllt. 

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Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Wissarion Belinski

Wissarion Belinski lag im Dauerclinch mit dem zaristischen Regime und war der geistige Vater der Radikalen der 1860er Jahre. Literatur sah er als ein Vehikel politischer Agitation, er kämpfte für soziale Veränderungen und schrieb mit unbändiger Leidenschaft über Literatur. In der Sowjetunion als Vordenker eines utopischen Sozialismus beispiellos glorifiziert, sind noch heute Hunderte von Plätzen und Straßen nach ihm benannt. Belinski war trotz kurzer Karriere der Erfinder der modernen Literaturkritik in Russland.

Belinski wurde 1811 in Sveaborg (im heutigen Finnland) geboren und verbrachte seine Kindheit im Gouvernement Pensa an der Wolga. Da es der Familie nicht möglich war, Wissarion ein teures Studium zu finanzieren, lebte dieser, nachdem er sich 1829 in Moskau an der philosophischen Fakultät der Staatlichen Universität immatrikuliert hatte, in bitterer Armut. Bereits zur Studienzeit hatte Belinski mit dem repressiven System zu kämpfen, das Zar Nikolaj I. nach der Niederschlagung des Dekabristenaufstands 1825 eingeführt hatte und in welchem eine Atmosphäre der Überwachung des intellektuellen Lebens vorherrschte.

Als Sohn eines Flottenarztes gehörte Belinski zu den sogenannten Rasnotschinzy, einer Gruppe nichtadeliger, aber hoch gebildeter junger Männer, die sich fortan politisch radikalisieren und zur ideologischen Opposition werden sollten. Zeit seines Lebens hatte er daher mit Zensurmaßnahmen zu kämpfen. Nachdem er ein Drama verfasst hatte, in dem Kritik an der Leibeigenschaft geübt wurde, warf man ihn 1832 aufgrund von politischen Aktivitäten aus der Universität. Er arbeitete fortan als Kritiker in verschiedenen Journalen und avancierte zu einer der einflussreichsten Figuren in den intellektuellen Kreisen des Zarenreiches.

Belinski publizierte seine ersten literaturkritischen Texte 1834. Er trat bereits hier für eine radikale Erneuerung der russischen Literatur ein.

Portrait von Maler Gorbunov 1843 © GemeinfreiBildeten zunächst noch die idealistische Philosophie und insbesondere Schellings Metaphysik Grundlagen seiner Position, so wandelte sich sein Weltbild ab den 40er Jahren, als Belinski nach Petersburg umsiedelte. Er postulierte nun eine sozialkritische und politisch engagierte Literatur und begann, die Romantik abzulehnen. Er war in dieser Zeit maßgeblich an der Entstehung der sogenannten Natürlichen Schule beteiligt, einer literarischen Strömung der 40er Jahre, die die Kunst an Kriterien der außersprachlichen Wirklichkeit maß, den sozialen Aspekt von Ästhetik herausstellte und damit eine moderne Vorform des russischen Realismus (1840–80) darstellte. Eines seiner Hauptanliegen war die Entwicklung einer modernen russischen Nationalliteratur. Diese hatte sich auf aktuelle Aspekte der Gesellschaft und auf Themen aus dem russischen Alltag, also auf realistische Motive, zu konzentrieren.

Gleichzeitig gab Belinski trotz einer recht kurzen Karriere wichtige Impulse zur Neuerfindung der Literaturkritik als Format des sozialen Engagements. Die rhetorische und gedankliche Verflechtung von Literatur und Politik ermöglichte ihm, politische Polemiken in literarische Urteile zu kleiden. Er trug dabei nicht nur wirksam zur Kanonisierung von Autoren wie Puschkin oder Gogol bei, sondern besaß auch eine wichtige öffentliche Funktion, indem er diverse philosophische Texte und Konzepte überhaupt erst bei einem breiteren Publikum etablierte.

Politisch gehörte Belinski zu den sogenannten Sapadniki, der westlich orientierten Intelligenzija, die Russland aufgrund seiner Kultur und geographischen Lage als einen Teil Europas ansahen, dessen Geschichte im Grunde erst mit den Reformen Peters I. begonnen hatte. Da das Reich im Vergleich zu den westlichen Nationen in der Entwicklung zurücklag, sollte es soziale, wirtschaftliche und industrielle Reformen aus dem Westen importieren. Weitere wichtige Themen waren die Kritik an der Vorzugsstellung des Adel, der Kampf gegen die Leibeigenschaft, außerdem beschäftigte er sich eingehend mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft.

Belinski gilt auch heute noch als eine zentrale Figur der russischen Kulturgeschichte, wenngleich er auch nicht mehr die überhöhte Ikone ist, zu der er zu Sowjetzeiten gemacht wurde. Dort galt er als Initiator einer „progressiven“ Kulturkritik und eines utopischen Sozialismus im 19. Jahrhundert. Seine Schriften bildeten eine wichtige Einflussquelle für die Ästhetik des sozialistischen Realismus.

Belinski litt bereits früh unter einer schwachen Gesundheit und starb mit nur 37 Jahren. Zum Zeitpunkt seines Todes lag gerade ein Haftbefehl gegen ihn vor.

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)