Ausländer werden in der russischen Kulturgeschichte häufig nicht nur auf Zelluloid zu Klischeefiguren: Der Franzose galt in Russland oft als ein nicht ernstzunehmender Frauenheld. Und der Deutsche erschien als betrunkener Schlosser namens Schiller, der den nicht weniger betrunkenen Schuster Hoffmann darum bittet, ihm die Nase abzuschneiden. Denn Schiller hatte errechnet, dass die Nase mit ihrer Leidenschaft für Tabak zu viel Ausgaben verursachte. Die Logik eines Deutschen erweist sich als absurde Unlogik: die Zahlen, an die sich der vernünftige Schiller klammert, verraten nicht Verstand, sondern verdecken den Wahnsinn. Nikolaj Gogol, der die beiden Gestalten so in seiner bekannten Erzählung Newski-Prospekt defilieren ließ, entdeckte diesen Bruch, der das Klischee des Deutschen von nun an prägte – später auch im Film.
РУССКАЯ ВЕРСИЯ
Der sowjetische Film schien sich dieser Tradition zunächst kaum bewusst. Deutsche, die noch neuen Feinde aus dem soeben beendeten Krieg, kommen hier zunächst kaum vor – außer in kurzen Frontrückblenden. Doch dann werden sie in erster Linie nicht als Deutsche, sondern als betrogene Proletarier dargestellt: Die Grenze verläuft hier zwischen den Klassen und nicht zwischen den Nationen.
Filimonow, der Protagonist von Oblomok imperii (Der Mann, der sein Gedächtnis verlor, 1929) erblickt in einem Deutschen gar den eigenen Doppelgänger. Und Hans Klering – als deutscher Kriegsgefangener in Okraina (Vorstadt, 1933) von Boris Barnet – vollendet brillant diese Darstellungstradition, die im Grunde eine Image-Setzung ist: Genauso wie die Heldin des Films ist auch der Zuschauer bereit, diesen schweigenden, Mundharmonika spielenden, einsamen Deutschen – einen naiven, gütigen Kerl – brüderlich zu lieben und vor russischen Chauvinisten zu verteidigen.
Kinder von Karl Marx
In den 1930er Jahren ändert sich das Bild des Deutschen im russischen Film. Es sind die deutschen Arbeiter, die Kinder von Karl Marx, die nun massiv auf der sowjetischen Leinwand erscheinen.
Das geschieht in drei Wellen: Anfang der 1930er Jahre entstehen Filme, die den Kampf gegen die sogenannten Sozial-Faschisten (Sozialdemokraten) darstellen – in denen die Nationalsozialisten selbst aber nicht präsent sind; darauf folgen Volksfrontfilme, die bereits im nationalsozialistischen Deutschland angesiedelt sind. Und schließlich flimmern Bilder vom zukünftigen Krieg mit Deutschland über die Leinwand.1
Straßenkämpfe mit der Polizei und Streikbrechern, Arbeitslosigkeit und hungernde Kinder sind die variierten Themen bei fast gleichbleibenden Sujets dieser Werke: Die Sozialdemokraten – Verräter der Arbeiterklasse – wirken Hand in Hand mit der Polizei und liefern Kommunisten aus.
Entlarvung des Faschismus
Von 1936 bis 1938 kämpfen tausende Freiwillige aus der Sowjetunion in Spanien gegen die Putschisten, die wiederum von deutschen Fliegern der Legion „Condor“ unterstützt werden. Zu dieser Zeit entstehen viele sowjetische Filme, die den Faschismus entlarven sollen, unter Mitwirkung deutscher Emigranten. Diese sind als Drehbuchautoren, Regisseure, Schauspieler und Berater tätig (genauso wie zur selben Zeit russische Emigranten in Deutschland am Bild der Russen im deutschen Kino mitwirken).2
Das dramaturgische Schema der antifaschistischen sowjetischen Filme sieht gewöhnlich so aus: Zu sehen ist das leidende und sich dem Faschismus widersetzende Volk einerseits – und andererseits eine kleine Gruppe von Schurken, eben die Nazis, die das Volk terrorisieren. Die gute deutsche Arbeiterklasse, immer als Vorbild angesehen, wird idealisiert und verklärt, selbst noch Mitte der 1930er Jahre, als die Naziherrschaft sich fest etabliert hat. In all diesen Filmen finden sich entschlossene Kämpfer gegen das Regime, und sie gehen aus der Filmhandlung stets als Sieger hervor. Auch im Epilog von Moorsoldaten heben die Arbeiter die Hände nicht zum Hitlergruß, sondern ballen ihre Fäuste zum Rotfront-Gruß.
„Schule des Hasses“
Mit dem Kriegsausbruch erledigt sich diese Idealisierung der deutschen Arbeiterklasse, die Deutschen werden nun monolithisch dargestellt – als Feind. Das Bild ist eindeutig: der Deutsche ist Faschist und nicht Klassenbruder, ein Schurke, ein Paranoiker, ein Sadist, ein physisch und psychisch kranker Mensch.
Dieses Bild wird zunächst in den Bojewyje kinosborniki (Kriegs-Filmalmanache) verankert, die ab Juli 1941 produziert werden. Sie sollen die politischen Losungen des Tages in Spielszenen verkörpern, Verhaltensmodelle vorführen und die Stimmung der Bevölkerung beeinflussen. Später werden diese Novellen als „Schule des Hasses“ bezeichnet.
Die grobe Satire ist bei der Zeichnung des deutschen Feindes das ausschlaggebende Mittel. Hitler zum Beispiel erscheint in diesen Novellen regelmäßig derb karikiert. Er beherrscht seine Bewegungen nicht – wie ein Spastiker, er spricht nur in hysterisch überdrehtem Tonfall, wirkt lächerlich und krankhaft. Ein totaler Gegensatz zu dem sich kaum bewegenden, mit der Monumentalität eines Denkmals ausgestatteten Stalin, der lange schweigt, um dann die Szene mit einer aphoristischen Pointe zu beenden: als kluger Sieger.
In Michail Tschiaurelis Padenije Berlina (Der Fall von Berlin, 1949) beißt Hitler zwar nicht in den Teppich, doch kaut er unentwegt an seinen Fingernägeln, was ihm die Bemerkung von Eva Braun einträgt: „Mussolinis Nägel sehen viel besser aus …“
Für die meisten Filme der ersten Kriegsperiode sind Schematismus und Vereinfachung kennzeichnend, sie leiden an einer auffälligen Grobheit der gewählten Ausdrucksmittel und schockieren durch naturalistische Darstellung der Gewalt. In Ona saschtschischtschajet rodinu (Sie verteidigt die Heimat, 1943, Friedrich Ermler) wird ein dreijähriger Junge vom Panzer zermalmt, in Raduga (Regenbogen, 1943, Mark Donskoj) erschießt der deutsche Kommandant einen gerade geborenen Säugling vor den Augen seiner Mutter.
Was beim Vergleich der Filme aus den 1930er und 1940er Jahren sofort auffällt, ist das Antlitz der deutschen Helden und die Schauspielerwahl: Wenn deutsche Arbeiter bislang von schönen, kräftigen, blonden Athleten gespielt wurden – breites Lächeln, offenes Gesicht mit regelmäßigen Zügen (Boris Liwanow) –, so werden die Faschisten nun von Darstellern verkörpert, die bis dato nur negative Rollen gespielt haben (Michail Astangow oder Sergej Martinson) und dem Zuschauer als Spione, Saboteure oder innere Feinde geläufig sind. Ab 1941 werden die Deutschen plötzlich dünn, schwarzhaarig, etwas krumm und gebeugt. Die Gesichter wirken spitz und verschlossen, als habe das Bild einer Nation binnen zwei Jahren eine unwahrscheinliche Wandlung durchgemacht.
Trotzdem bleibt die Gogolsche Formel „Rationalität als Wahnsinn“ erhalten. Eine satirische Replik auf den logischen Wahnsinn des Deutschen liefert der Komödienregisseur Iwan Pyrjew, indem er 1942 einen ersten Partisanen-Actionfilm Sekretar raikoma (Der Sekretär des Rayonkomitees) inszeniert. Der deutsche Offizier stellt einen gefangenen russischen Partisanen vor die Alternative: Tod oder zwei Kühe, eine Frau, ein Haus, ein Pferd, ein Leben. Die Rechnung ist logisch und die Entscheidung für den Deutschen eindeutig. Im Dialog werden mehrmals die Zahlen durchgegangen: ein Pferd, zwei Kühe, ein Haus, ein Leben – oder den Tod. Die Entscheidung des Russen zu sterben ist für den Deutschen nicht nachvollziehbar. Dem russischen Zuschauer aber verrät die Zahlenlogik des Deutschen dessen völliges Unverständnis darüber, worum es hier eigentlich geht.
https://youtu.be/A6uXHWu2fPg?t=3015
Davor hatte Alexander Newski von Sergej Eisenstein (1938) die Gogolsche Vision des Deutschen aus der Sicht des Russen hochgeholt, vielleicht zum ersten Mal im Film. Wieder geht es um Rationalität als Wahnsinn. Der Film baut auf den einfachen Kontrast zwischen dem Lebendigen (= Russischen) und dem Toten (= Deutschen). Der Kontrast wird als visuelles und akustisches Zeichen gefestigt. Die warmen Stimmen der russischen Frauen singen ein melodisches Lied, das deutsche Horn dagegen gibt disharmonische, schrille und finstere Klänge von sich. Auf der russischen Fahne des Fürsten ist die Sonne zu sehen, auf der deutschen – das (Toten)Kreuz. Doch den prägendsten Kontrast bilden die Körper: Bei den Russen ist es sinnliches Fleisch, seine Fülle, seine Verwundbarkeit. Bei den Deutschen ist der Körper durch ein perfekt geschmiedetes Eisen ersetzt und das Gesicht durch die eiserne Maske. Das ist kein Mensch, sondern ein durchdachtes, gut organisiertes Instrument des Krieges, kein Einzelkörper, sondern eine zielsichere Todesmaschine, die in ihrer Perfektion Sieger sein muss. Auch der Rhythmus ihrer Musik ist mathematisch genau. Doch gerade diese durchgerechnete Mechanik, die perfekte strahlende (die Farbe der Teutonen ist weiß) Rationalität zieht die deutsche Armee in den Tod. Die gut gebaute Todesmaschine kann nichts gegen das Leben ausrichten, weil sie eine Maschine ist. Sie geht in der russischen Naturgewalt ganz profan unter: im Wasser. Ihre eiserne Logik entpuppt sich als Wahnsinn.
Major Stierlitz
Der Bruch (und Durchbruch für den Deutschen) kommt allerdings viel später, in den 1970er Jahren mit Semnadzat mgnoweni wesny (Siebzehn Augenblicke des Frühlings, 1973, von Tamara Lijosnowa). Ein sowjetischer Kundschafter, getarnt als Major Stierlitz, dargestellt von Wjatscheslaw Tichonow, steht ganz oben in der Diensthierarchie, ist befreundet mit der nächsten Umgebung des Führers (Bormann, Kaltenbrunner, Ribbentrop etc.). Und eben diese Hitler-Umgebung erscheint zum ersten Mal auf der Leinwand, das heißt auf dem Fernsehbildschirm, dargestellt als ein Kreis normaler, ja durchaus intelligenter Menschen in gut sitzenden Uniformen. Es löst eine Schockwirkung aus. Lehrer schreiben Briefe an das Zentrale Sowjetische Fernsehen und ermahnen die Filmemacher, sie würden die gesamte ideologische Erziehung untergraben, wenn sie Faschisten als kluge sympathische Menschen darstellen.
Dicke deutsche Kapitalisten
Viel später erreichen den sowjetischen Film die dicken westdeutschen Kapitalisten. Sie haben in den kitschigen Perestroika-Aufschwung-Geschichten irgendwo im Land irgendwas investiert, sich in russische Blondinen verliebt und so für die Völkerfreundschaft gesorgt (Den ljubwi, Tag der Liebe, 1989).
Sie werden liebevoll behandelt, doch ihr Zahlenfetischismus sorgt stets für Lacher. Ein deutscher Geschäftsmann, der seinem russischen Partner vorrechnet, wie unwirtschaftlich dieser seine Geschäfte macht, geht aus dem Dialog als kleinlicher Verlierer hervor. Er kann zwar mit Zahlen umgehen, hat jedoch kein Format, keinen Maßstab und tritt deshalb stets daneben.
Der Russe im deutschen Film
„Zwei kennzeichnende Züge hat angeblich der Russe. Erstens: er ist weich, fühlsam. Zweitens: er ist radikal. Es ließe sich dilettantisch-dogmatisch äußern: erstens – ein Slawe; zweitens – ein Tatar. [...] Also diese zwei Gegensätze (das Einfühlsame, zweitens das Radikale) sind hier verschmolzen“,3 so schreibt Alfred Kerr 1927 in dem Aufsatz Russenfilm.
Die Russenfilme der 1920er Jahre4, gedreht von den Deutschen oder russischen Emigranten, bringen einen Hauch unheimlicher Leidenschaft in das deutsche Kleinbürger-Melodram ein und fügen sich in das expressionistische Weltbild (unbeherrschbares Chaos, Tyrannen, Triebhelden) – allerdings mit einem Unterschied: Ihre Hysterie wird als Naturell dargestellt, nicht als künstlerische Überhöhung. Sie braucht weder die mystische Motivierung noch das Milieu der Wahnsinnigen oder Vampire als Erklärung.
Der Russe wird in seinem Naturell als ein geborener Filmschauspieler gesehen. „Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren“, schreibt ein anonymer Autor 1927, „dass das russische Volk seit Jahrhunderten auf dieses Ausdrucksmittel seiner Seele gewartet, dass es sich nun seiner mit einem Fanatismus bemächtigt hat“, um seine Ekstase und Leidenschaft wie „riesige Granitblöcke“ auf Filmmaterial fixieren zu lassen.5
Auch die konkrete historische Situation verlangt russischen Emigranten die Fähigkeit ab, sich dem Schicksalswechsel anzupassen, soziale Rollen und Gesichter wie Masken zu wechseln: So wird der Aristokrat zum Kellner, der Offizier zum Taxifahrer, werden der Grand Duke und die Prinzessin zu Filmkomparsen – etwa in Die Dame mit der Maske (Wilhelm Thiele, 1927), Anastasia, die falsche Zarentochter (1928) von Arthur Bergen.
Brutalität, Naturalismus und große visuelle Effekte
Ein Beispiel für die wilden Phantasien der Europäer über das Reich der zivilisierten Barbaren und heiligen Wunder ist Michel Strogoff (Kurier des Zaren,1927) von Viktor Tourjansky, nach dem Roman von Jules Verne. Der Held muss allerhand Hindernisse bezwingen: wilde Tiere (er beschützt das zarte Mädchen vor durchgegangenen Pferden und Bären im Wald), Naturgewalten (Gewitter) und wilde Menschen (Tataren), ganz abgesehen von den Weiten Sibiriens.
Seine Feinde, Tataren, sehen mal wie Türken aus, mal tragen sie usbekische Kleidung. In ihrer Funktion ersetzen sie Indianer. Taiga und Steppe erscheinen ohnehin wie der Wilde Westen, und die Tataren fesseln dort den Telegraphisten wie in einem amerikanischen Western. Sie entfalten muslimische Fahnen, dann veranstalten sie buddhistische Zeremonien, die unmittelbar von „Zigeunertänzen“ und Harem-Schönheiten abgelöst werden. Brutalität, Naturalismus und große visuelle Effekte (sogar ein brennender Fluss bei Nacht) vervollständigen diesen perfekten ausländischen „Russenfilm“.
In den 1930er Jahren verändert sich das Bild der Russen: aus Verwunderung wird Feindseligkeit. „Bei den Russen herrschte Armut und Schmutz, bei den Deutschen Ordnung und Sauberkeit“ steht in den Erdkunde-Lehrbüchern des Dritten Reichs.6 Dies bebildert Friesennot (Dorf im roten Sturm, 1935, von Willi Krause alias Peter Hagen). Die unheimlichen roten Reiter erreichen das idyllische Dorf der Wolga-Deutschen. Sie sind verschlagen und hinterhältig, morden, vergewaltigen Mädchen, klauen Würste, verwüsten die Kirche und glauben an nichts, auch nicht an Gott. Sie besaufen sich unter dem gekreuzigten Christus und parodieren die Messe. Der Film endet mit einem Massaker: Die zutraulichen frommen Deutschen vernichten die roten Teufel, zünden deren Häuser an und machen sich auf die Suche nach einer neuen Heimat.
Doch nicht nur „rote“ Sadisten und „braune“ Ungeheuer erscheinen auf der Leinwand – aus den Figuren der Fremden werden auch Unterhaltungsmomente gewonnen. Der „liebe“ Deutsche erscheint als kauziger Musiklehrer in Lustige Burschen (Weselyje rebjata/Die lustigen Burschen von Alexandrow, 1934), der nette Russe als ein sentimentaler, singender „Tatar“ – wie Hans Albers in Savoy Hotel 217 (Gustav von Ucicky, 1936). Über Musik – Kosakenchöre, Balalaika-Klänge, Glinka-Romanzen – werden die Feindbilder gemildert. 1939 besetzt die UFA einen Film über Pjotr Tschaikowski mit ihren größten Stars – Zarah Leander und Marika Rökk: Es war eine rauschende Ballnacht, ein Riesenerfolg. 1940 wird Puschkins Postmeister verfilmt und ab Juni 1941 in den besetzten Ostgebieten gespielt, zusammen mit speziell produzierten Agitationsfilmen über das Sowjet-Paradies.
https://youtu.be/p_bCkHgNBU8?t=479
Erstaunlicherweise findet man in westdeutschen Kalter-Krieg-Filmen kaum Russen. Sie erscheinen in der Burleske Genosse Münchhausen (1961) von Wolfgang Neuss. Jetzt wird die Zerrissenheit der Seele satirisch ausgespielt, nicht als nationale Eigenschaft begriffen, sondern als ideologische Heuchelei: Mörderisch ist die trockene, kaum nachvollziehbare Ideologie, der sich die Russen mit militärischer Disziplin beugen, einfühlsam sind sie in biologischen Äußerungen wie Hunger und Sex (sympathische Barbaren, Naturmenschen). Radikal sind sie in der Seriosität absurdester Behauptungen: Die Reise nach Sylt, in die Utopia Kapitalia, wo ihr kaputtes Raumschiff landet, wird als authentische Venuslandung beschrieben.
Deserteure, Mafiosi und Philosophen
Nach der Wiedervereinigung zieht sich die Sowjetarmee aus Deutschland zurück, und auch das Bild des Russen im deutschen Film ändert sich: Ein sympathischer Deserteur taucht in einer deutschen Komödie auf, wenn auch mit Maschinenpistolen, doch unwahrscheinlich blauäugig: Wir können auch anders (1993, von Detlef Buck). Die deutschen Mädchen sind bereit, dem Charme seines zärtlichen Blicks zu verfallen. Wie auch die deutschen Jungs in Good Bye, Lenin (2003) oder Du bist nicht allein (2007) im Westen wie im Osten Deutschlands. Maxim Dessau siedelte diese Geschichte sogar in das Jahr 1943 um, in das schwarzweiße Retrogramm über eine Liebe in Deutschland, zwischen einem Kriegsgefangenen und einer mecklenburgischen Bäuerin: Erster Verlust. Nur der vollends besiegte ehemalige Feind wird in Love-Stories plötzlich zum geeigneten Helden. Ganz normal und ohne Wahn.
In Fernsehkrimis dagegen agieren die alten bösen Russen, die skrupellosen Mafiosi. Oder die unschuldig schuldigen naiven Mädchen, die zur Prostitution gezwungen und von einem blonden deutschen Polizisten gerettet werden (Im Angesicht des Verbrechens, 2010). Hier kann die Liebesgeschichte wieder beginnen.
Auch die aktuellen russischen Filme korrigieren die Bilder von den Deutschen. Nun sind sie wieder Dichter und Philosophen aus dem Land von E.T.A. Hoffmann und Schiller, das mit Russland die tragische historische Erfahrung der Diktatur teilt, sei es ein Ingenieur (Lieber Hans, bester Pjotr, 2015), ein romantisch verliebter SS-Offizier im Todeslager (Paradies, 2016) oder eine in der Taiga, weit vom Terror aufgewachsene, zarte Elsa (Kraj – Am Ende der Welt, 2010).