Die Bank Rossija ist ein russisches Kreditinstitut, das von Putins engsten Vertrauten kontrolliert wird. Sie steht seit 2014 auf der Sanktionsliste der USA. Im April 2016 geriet sie im Zusammenhang mit den Panama Papers in den Fokus der Öffentlichkeit.
Die Bank Rossija (dt. Russland) wurde 1990 im Zuge der Liberalisierung des Bankensektors als eine der ersten russischen Privatbanken geschaffen. Bei ihr sollten die Konten der Kommunistischen Partei sowie des Geheimdienstes KGB in Leningrad geführt werden. Im Jahr 1991 beauftragte der damalige Bürgermeister von St. Petersburg Anatoli Sobtschak seinen Stellvertreter Wladimir Putin damit, auf Grundlage der Bank einen Fonds für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt zu schaffen. Putin wandelte die Bank in eine Aktiengesellschaft um und verkaufte sie an seinen Bekannten Juri Kowaltschuk, der in St. Petersburg eine Gesellschaft für Joint Ventures betrieb, und an dessen Bekannte aus dem Physikalisch-Technischen Joffe-Institut: Viktor Mjatschin, die Brüder Andrej und Sergej Fursenko sowie Wladimir Jakunin.1
Die Eigentümer
Kowaltschuk ist bis heute der Haupteigentümer der Bank und verfügt aktuell über 38,45 Prozent der Aktien. Das Magazin Forbes führte ihn zwischenzeitlich als einen der 100 reichsten Russen. Erst 2015, als Konsequenz der Wirtschaftskrise und der westlichen Sanktionen, fiel er auf Platz 132.
Alle fünf Eigentümer gründeten einige Jahre nach dem Bankenkauf gemeinsam mit Putin die Datschenkooperative Osero, deren Mitglieder in der heutigen russischen Wirtschaft und Politik außerordentlich erfolgreich und einflussreich sind. Ein weiteres Mitglied der Osero-Kooperative, Nikolaj Schamalow, hält 9,88 Prozent der Aktien von Rossija. Der Unternehmer Gennadi Timtschenko, ebenfalls ein enger Freund Putins, kaufte bereits 1997 Anteile an der Bank.
Spiegelbild wechselseitiger Loyalitäten im System Putin
Der Aufstieg der Bank Rossija in den 2000ern ist ein guter Indikator für die Festigung der Machtbasis Putins und seiner Umgebung. Rossija erwarb in dieser Zeit Anteile von vielen systemrelevanten Unternehmen und Medien. Unter anderem ist sie an der Gazprom-eigenen Versicherungsfirma Sogas sowie indirekt an der Gazprombank beteiligt. Darüber hinaus kaufte sie Anteile von einigen wichtigen Medien wie der Zeitung Izvestia und den Fernsehsendern Erster Kanal, Ren-TV oder Peterburg-Pjaty Kanal. Umgekehrt erwarben Unternehmen wie Sewerstal von Alexej Mordaschow oder das intransparente Rohstoffunternehmen Surgutneftegas Aktien von Rossija.
Mordaschow kaufte seine Anteile zu Preisen, die allgemein als überhöht angesehen wurden. Dies lässt die Spekulation zu, dass er sich so in Putins Umgebung einkaufen wollte – im Tausch gegen wirksamen Eigentumsschutz. So spiegelt die verschachtelte Struktur von Rossija wechselseitige Loyalitäten im System Putin wider.
Die Bank im Krim-Konflikt ...
Manche Analytiker nehmen an, dass Putin über sein Eigentum nicht direkt, sondern mittels seiner Freunde und Kooperationspartner – wie Juri Kowaltschuk, Gennadi Timtschenko oder den Rotenberg-Brüdern – verfügt.2 Aus dieser Überlegung heraus verhängten die USA nach der Angliederung der Krim im März 2014 Sanktionen explizit gegen die Eigentümer von Rossija. Die amerikanische Regierung fror Aktiva von Rossija sowie der mit ihr assoziierten Bank SMP ein. An SMP halten die Rotenbergs einen Gesamtanteil von 76,1 Prozent.3
Kurz nach Inkrafttreten der Sanktionen versuchte Putin die Vorwürfe herunterzuspielen. Er behauptete, dass er nicht wisse, was Rossija mit der Krim zu tun habe, zeigte sich aber solidarisch mit dieser „mittelgroßen Bank“ und versprach, dort ein Konto zu eröffnen.4 Da die Sanktionen die Bank in Bedrängnis brachten, bat er die Russische Zentralbank um Hilfe. Diese blieb aus, allerdings bekam Rossija von anderer Seite Unterstützung: Die Agentur für Einlagenversicherung sicherte der Bank Staatsanleihen im Wert von 10,7 Milliarden Rubel (149,5 Millionen US-Dollar) zu. Darüber hinaus erhielt Rossija die begehrte Erlaubnis, Transaktionen auf dem Energiegroßhandelsmarkt abzuwickeln und ersetzte damit die russische Alfa-Bank in dieser Position. So bekam sie Zugang zu etwa 1,3 Trillionen Rubeln jährlich – circa zwei Prozent der russischen Wirtschaftsleistung.5 Auch durfte Rossija als eine von wenigen russischen Banken eine Filiale auf der Krim öffnen.
... und in den Panama-Papers
Wie die meisten russischen Großunternehmen, ist auch Rossija mit Briefkastenfirmen in Offshore-Standorten verbunden. Die diesbezüglichen Enthüllungen eines internationalen Journalistenkollektivs im April 2016 (die sogenannten Panama Papers) waren daher keine Überraschung für Kenner der russischen Wirtschaft.
Der Bericht offenbart jedoch bislang unbekannte Details über Eigentumsverhältnisse von Putins engen Verwandten und Freunden, die Minderheitsanteile am Eigenkapital der Bank Rossija halten. So soll zum Beispiel Sergej Roldugin – ein bekannter russischer Cellist und der Taufpate von Putins Tochter – Optionen auf Anteile der zypriotischen Firma Awtoinvest besitzen, die über große Aktienpakete der Autoindustrieunternehmen KAMAZ und Awtowas verfügt.6
Auch die Zahlen sind beeindruckend: Personen aus Putins Umgebung sollen etwa 2 Milliarden US-Dollar in Offshore-Standorten halten. Zum Vergleich: das gesamte Nettovermögen der Bank Rossija, das heißt das Vermögen abzüglich der Schulden, beträgt circa 8,5 Milliarden US-Dollar.7
Die Presseabteilung von Rossija sowie der Kreml-Pressesprecher Dimitri Peskow deuten die Panama Papers als eine Informationsattacke auf die Bank und den russischen Präsidenten und bestreiten, dass es sich dabei um illegale Geschäfte handle.
Insgesamt spricht vieles dafür, dass sich Rossija als eine „Familienbank” von Putins Umgebung deuten lässt. Sie profitiert offenbar von engen Verbindungen zum Kreml, um sich günstig in die wichtigsten Branchen der russischen Wirtschaft einzukaufen und daraus Profite zu ziehen. Gleichzeitig wird sie allem Anschein nach dazu genutzt, das Eigentum von kremlnahen Personen in Sicherheit zu bringen und seinen wahren Wert zu kaschieren.