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Was haben die Sanktionen bewegt?

2014 verhängten die EU, die USA und einige andere Staaten Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Diese Reaktion auf die Angliederung der Krim sowie Russlands militärisches Eingreifen in der Ostukraine wurde bis dato immer wieder verlängert und ausgeweitet. Russland beantwortet die Sanktionen stets mit Gegensanktionen. Obwohl auch diese der russischen Wirtschaft nachhaltig schaden, bricht sie nicht zusammen.

Worin besteht die Wirkung der Sanktionen? Und wie haben sie die russische Wirtschaft verändert? Jakow Mirkin ist einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler Russlands, für Republic beantwortet er diese Fragen in zehn Punkten.

Quelle Republic

Punkt 1. Die Idee einer Wirtschaftsunion mit der EU, wenn auch einer langsamen und komplizierten, ist vom Tisch. 2013 hatte der EU-Anteil fast 50 Prozent des russischen Außenhandelsumsatzes ausgemacht. Es schien, als würde es nur noch einige Umarmungen brauchen, und das Paar wäre nicht mehr zu trennen. Und dann kämen im Weiteren: Freihandelsabkommen, Visafreiheit, Ausbau politischer Verbindungen.

Aber das alles blieb ein Traum. Heute liegt der EU-Anteil noch bei 42 bis 43 Prozent. Allmählich, um jährlich ein Prozent, sinkt Russlands Anteil an den Öl- und Gaslieferungen in die EU, obwohl die EU immer noch ein Drittel der Brennstoffe aus Russland bezieht. Russland und die EU koppeln sich substantiell voneinander ab.

Derzeit ist die russische Wirtschaft quasi hängengeblieben – auf zwei Brücken zwischen zwei Modernisierungszentren: der EU und China. Chinas Anteil an Russlands Außenhandelsumsatz, der Anfang der 2010er Jahre 7 bis 8 Prozent betrug, liegt heute bei 15 Prozent. Statt einer glücklichen Bindung mit der EU entsteht eine eurasische Wirtschaft. Aber egal ob mit der EU oder mit China – überall läuft es für Russland auf das sogenannte Hinterhof-Modell hinaus: Rohstoffe im Tausch gegen Maschinen, Technik und Konsumgüter.

Punkt 2. Wir sind zur Selbstfinanzierung übergegangen. Bis 2014 hatte Russland ein für aufstrebende Märkte typisches Modell: Das eigene Finanzsystem ist unbedeutend, die großen Unternehmen ziehen wegen des Geldes in aller Herren Länder, nach London, New York oder Hongkong, und die kleinen und mittelständischen Unternehmen leben von dem, was übrigbleibt – den paar Kopeken, die auf dem heimischen Markt zu holen sind. Mit den Sanktionen kam ein Wetterumschwung, und der Zugang Russlands zum internationalen Kapitalmarkt wurde drastisch eingeschränkt.

Die Auslandsschulden erreichten mit 451 Milliarden Dollar in den „sonstigen Bereichen“ (sprich bei allem, was in Russland zur Privat- und nicht zur Bankenwirtschaft gehört) ihren Höhepunkt im Juni 2014. Im Oktober 2017 waren es noch 353 Milliarden Dollar. Die Auslandsschulden russischer Banken lagen im April 2014 bei 214 Milliarden Dollar, im Herbst 2017 bei 108 Milliarden Dollar.

Wenn die Firmenkasse schrumpft, will jeder wissen, warum. Teilweise – unter Berücksichtigung von Formalia wie dem schwankenden Wechselkurs und so weiter – liegt das daran, weil Russlands Devisenreserven gesunken sind. Anfang 2014 waren es insgesamt 514 Milliarden Dollar, ihr niedrigstes Niveau erreichten sie im April 2015 mit 351 Milliarden Dollar, im Oktober 2017 war der Wert wieder auf 424 Milliarden Dollar gestiegen.

Punkt 3. Durch die Sanktionen hat die einheimische Produktion leicht zugenommen. Vor den Sanktionen lautete das Motto: Alles kaufen. In der internationalen Arbeitsteilung hatte Russland die Rolle des Rohstofflieferanten inne. 
Womöglich wurde man erst durch die Sanktionen daran erinnert, dass 10 bis 15 Millionen Menschen in der Rohstoffgewinnung arbeiten, dass die restlichen 130 Millionen aber auch etwas machen müssen, nicht nur bewachen, regulieren, verkaufen und letzten Endes rauben. Erinnern wir uns an die Importabhängigkeit von 2014: bei Werkzeug und Maschinen waren es 70 bis 90 Prozent; und in einzelnen Bereichen sogar 95 bis 100 Prozent. 
Im Februar 2015 wurden im großen Russland, dem Dritten Rom, in dem mehr als 140 Millionen Menschen leben, 225 Metallschneidemaschinen, 216 Schmiedepressen und 371 Holzverarbeitungsmaschinen hergestellt. Das deckte nicht einmal ein Zehntel der Nachfrage an Maschinen ab, die ausgewechselt werden mussten. Der Importanteil lag bei 90 Prozent.

Wie sieht es heute aus? Im Februar 2018 wurden 326 Metallschneidemaschinen und 293 Schmiedepressen produziert. Zu den Holzverarbeitungsmaschinen liegen keine Daten vor, Rosstat veröffentlicht sie nicht.

Es gab in den drei Jahren also ein Wachstum, ein großes sogar, geht man von dem niedrigen Ausgangswert aus, aber das Hauptproblem ist geblieben: die geringe Produktion nach den Verlusten in den 1990er bis 2000er Jahren und die enorme Importabhängigkeit. 
Wie steht es um die Elektronik? „Der Anteil von ausländischer Elektronik in russischen kommerziellen Kommunikationssatelliten beträgt 70 Prozent“,  wie Igor Tschursin, der stellvertretende Leiter der Föderalen Kommunikationsgesellschaft am 20. April 2018 sagte.

Die Importabhängigkeit ist also gesunken? Ja, aber um einen unbedeutenden Prozentsatz. Ende 2014 lag der Anteil von Importgütern im Handel bei 36 Prozent, heute liegt er bei 22 Prozent (3. Quartal 2017).

Punkt 4. Es kam zur Bildung einer Krückenwirtschaft, also von kleinen, extrem schnell wachsenden Inseln als Antwort auf die Sanktionen: die Getreide- und Milchproduktion, Teile des Maschinenbaus, die pharmazeutische und die Rüstungsindustrie sowie die Territorien vorauseilender Entwicklung. Das sind alle, die jährlich um acht bis zehn Prozent wachsen. In diesen Industriezweigen wurde der Markt künstlich normalisiert. Es gibt leichteren Zugang zu (staatlich geförderten) Krediten, der Zins wurde (durch Subventionen) gesenkt, es gibt mehr Steuer- und Investitionsvorteile, mehr staatliche Zuschussprogramme, weniger bürokratische Hürden. Alles zusammen führt zu einem schnellen Wachstum, das durch den Wertverfall des Rubels zusätzlich begünstigt wird. Wir sehen also ein selektives, segmentorientiertes Vorgehen vor dem Hintergrund einer schwerfälligen, tief schlafenden Wirtschaft.

Punkt 5. Es kommt zur Verstaatlichung, Konzentration und Bündelung aller finanziellen Ressourcen in Moskau und zur Zunahme von Marktregulierungen als Vorbereitung einer Mobilisierungswirtschaft. Je größer der Druck von außen, je umfassender die Sanktionen, desto mehr staatliche Eingriffe gibt es. Schätzungen zufolge hat die Verstaatlichung in der Realwirtschaft mittlerweile 70 Prozent erreicht. Dasselbe gilt für den Bankensektor. Wenn dieser Trend, der übrigens schon vor den Sanktionen einsetzte, anhält, werden wir mit einem staatlichen Anteil von 80 bis 85 Prozent bald eine ganz andere Wirtschaft haben, und zwar eine, die einer Zentralverwaltungswirtschaft, einer abgeriegelten Festung nahekommt.

Die kleinen und mittelständischen Unternehmen werden entweder an staatliche Projekte angebunden sein oder auf dem Niveau von Schumacherbüdchen existieren, von denen es Anfang der 1930er Jahre soviele gab. Wir werden ein extremes Wachstum großer Unternehmen beobachten und eine noch größere Abnahme kleiner Betriebe, was ihre Bedeutung, Anzahl und Kaufkraft betrifft. In der Folge kommt es zu einem finanziellen und bevölkerungsmäßigen Dahinwelken der Regionen, die immer mehr vom föderalen Zentrum abhängen werden, von seinen riesigen Projekten vor Ort. In Russland ist der Anteil der staatlichen Konsumausgaben am BIP mit 17,5 bis 18 Prozent sehr hoch, höher als in den USA oder China. Eine Wirtschaft der Vertikalen ist kein gutes Mittel, um die technologische Kluft zum Westen zu kitten.

Punkt 6. In- und ausländisches Eigentum, das aus Russland stammt, wird voneinander abgekoppelt und intensiv umgestaltet. Auf wessen Seite steht ihr, meine hochverehrten Herrn Kapitalisten? Die besitzende Klasse muss entscheiden, an welchem Ufer sie bleiben möchte – dort in den Offshores der Schweiz oder Irlands oder hier bei uns, an unserem Ufer. Darauf drängt alles hin: die Sanktionen, die russischen Programme gegen die Offshores, der Austausch von Steuerdaten, die Kapital-Amnestie.

Punkt 7. Der verheerende Rückzug von Ausländern aus der russischen Wirtschaft. Wir brauchen sie: für den Technologietransfer, wegen ihrer Managementerfahrung und ihrer neuen Produkte. Aber sie verlassen uns. Die Anzahl von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung lag 2013 bei 24.000. Bis 2015 ist sie mit 17.600 (Angaben von Rosstat) erheblich gesunken. Ende 2013 gab es in Russland 252 Banken mit ausländischen Beteiligungen, Ende 2017 waren es nur noch 160.

Punkt 8. In der Wirtschaft herrscht eine bedrückende, finstere Atmosphäre voll schlechter Vorahnungen und hoher Risiken. Es ist ein Risiko, mit den Russen Geschäfte zu machen – davon zeugen die nicht abgeschlossenen Geschäfte und die niedrige Investitionsquote. Bezeichnend ist auch die Situation in der Baustoffindustrie, die ihrer Natur nach den Weg in die Zukunft weist: Hier herrscht das vierte Jahr in Folge eine Flaute. 2014 gab es bei den Backsteinen einen Einbruch um 25 Prozent, bei Beton- und Zementziegeln um 50 Prozent, bei Zement um 25 Prozent, bei Mauersteinen laut Schätzungen um 30 bis 35 Prozent. Der Umfang der Bauarbeiten sinkt seit fünf Jahren in Folge. Mittlerweile liegt er um etwa 15 Prozent niedriger als 2013.

Punkt 9. Mehr Bomben. Die Rüstungsindustrie verzeichnete 2016 ein Wachstum von 10 Prozent, 2017 von 7,5 Prozent. Vergleichen wir das mit der „einfachen“ industriellen Produktion: Dort gab es 2016 ein Wachstum von 1,6 Prozent und 2017 von 1 Prozent.

Was sagt uns das? Das Wettrüsten, wenn es in derselben Form und mit denselben Investitionen wie in den 1980er Jahren stattfindet, könnte die russische Wirtschaft in die Knie zwingen. Die Waffen, das Öl, ein über dem Weltdurchschnitt liegendes Wachstum, die Modernisierung – man müsste schon ein Genie sein, um diese einander widersprechenden Aufgaben gleichzeitig und zudem halb isoliert in den nächsten 10 bis 15 Jahren zu lösen.

Punkt 10. Schlechtere Lebensmittelqualität infolge der Gegensanktionen und ein Sinken des Realeinkommens der Bevölkerung. Wie kann man das herleiten? Dazu legt der Rospotrebnadsor keine Statistiken vor. Ein sehr einfacher Index ist der Import von Palmöl nach Russland: Der stieg bis 2017 im Vergleich zu 2011 um 50 Prozent (Angaben des Rosstat). Im Januar und Februar 2018 gab es im Vergleich zu jeweils demselben Monat 2017 abermals einen Zuwachs von fast 40 Prozent. 2018 könnten wir die Marke von einer Million Tonnen dieses wunderbaren Produkts knacken, das die Produktion von billigen Lebensmitteln ermöglicht.

Fazit
Die Wirtschaftssanktionen sind eine Herausforderung, auf die wohl oder übel sowohl die Staatsmaschinerie als auch alle anderen reagieren müssen. Durch Wachstum, neue Ideen oder Anreize, aber sicher nicht dadurch, dass man sich in sein Schneckenhaus verkriecht. 
Mit einer ordentlichen Portion Ironie kann man den Sanktionen sogar danke sagen: Sie haben die Idee einer großen und verschiedenste Bereiche umfassenden russischen Wirtschaft wiederbelebt, die sich nach einer Modernisierung auf eine wachsende Binnennachfrage stützt und nicht auf den Export und die Kapitalabwanderung ins Ausland. Die Sanktionen haben sogar die Regierung dazu gebracht, in dieser Richtung aktiv zu werden. Ihre wirtschaftspolitische Formel ist allerdings äußerst schwach: maximale Menge an Hindernissen (Haushalt, Kredite, Zinsen, Währungskurs) + immer mehr bürokratische Hürden + Verstaatlichung + Anreize und Hilfskrücken, die ausgewählten Industriezweigen zugutekommen.

Aber natürlich wäre es irrsinnig, für die Sanktionen dankbar zu sein, denn mit jeder neuen Runde wird die Atmosphäre im Land kälter, die Vertikale steiler und werden die Stimmen lauter, die finden, Russland befinde sich im Kalten oder sogar hybriden Krieg und auf Kriegshandlungen müsse man mit der Mobilmachung reagieren.

Und das ist womöglich die schlimmste Folge der Sanktionen: Sie bringen uns einer isolierten und zentral-administrativen Mobilisierungswirtschaft immer näher. Hätte man diesem Szenario vor vier Jahren noch eine Wahrscheinlichkeit von 2 bis 5 Prozent beigemessen, so liegt sie heute wohl bei 15 bis 20 Prozent. 
Und wenn Minderheitsmeinungen zur Norm werden, fragt man sich natürlich: Was sind das bitteschön für Sanktionen, die das Land dazu drängen, sich in fünf bis sieben Jahren in eine kasernenhafte Festung zu verwandeln, die weder für uns noch für die anderen erbaulich ist – und am allerwenigstens für unseren größten Wirtschaftspartner, die EU? 
Und was sind ihre tatsächlichen Folgen, wenn sie ein extrem hohes Risiko für die ganze Welt bedeuten?

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Sanktionen

Als Reaktion auf die Annexion der Krim und Russlands militärisches Eingreifen in der Ostukraine beschlossen sowohl die USA als auch die EU im Jahr 2014 diplomatische und wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Diese umfassten zunächst nur Einreiseverbote für unmittelbar in den Konflikt involvierte russische Politiker und Wirtschaftsführer sowie das Einfrieren von Vermögenswerten. Hinzu kam ein umfassendes Wirtschaftsembargo der annektierten Krim. Wegen russischer Unterstützung für die in der Ostukraine kämpfenden Milizen beschloss die EU Ende Juli und im September 2014 einen weitgehenden Finanzierungsstopp für russische Staatsbanken, Öl- und Rüstungskonzerne, sowie Einschränkungen beim Export von militärischen und militärisch verwendbaren Gütern.

Im August 2017 unterschrieb der US-amerikanische Präsident Trump zudem ein vom Kongress ausgearbeitetes Gesetz, das die Sanktionen gegen Russland verstetigte und verschärfte. Die US-Linie unterscheidet sich bei den Sanktionen seitdem von der EU-Politik. Der US-Präsident ist nun verpflichtet, auch sekundär zu sanktionieren. Wenn ausländische Unternehmen bei der Umgehung von Sanktionen helfen, laufen sie nun Gefahr, selbst sanktioniert zu werden (US-amerikanischen Unternehmen drohen ohnehin strafrechtliche Konsequenzen). Am 6. April 2018 beschlossen die USA neue Sanktionen gegen russische Unternehmen und Individuen, darunter die drei Oligarchen Oleg Deripaska, Suleiman Kerimow und Viktor Wexelberg. Diesem Schritt waren keine unmittelbaren Aggressionen Russlands vorausgegangen. Die weit gefasste Begründung für die Maßnahme nannte die Besetzung der Krim, die Destabilisierung der Ostukraine, die Versorgung von Syriens Regime mit Waffen, die Einmischung in westliche Demokratien und Hackerangriffe. Die Finanzmärkte in Moskau taumelten, der Rubel verlor zwischenzeitlich rund zehn Prozent an Wert. Manche Analysten sprachen vom Schwarzen Montag an der Moskauer Börse.

Als Reaktion auf die Angliederung der Krim beschlossen sowohl die USA als auch die EU1 im März 2014 wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Inhalt dieser ersten Stufe der Sanktionen waren vor allem Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögen.2 In den folgenden Monaten wurde die Liste der betroffenen Individuen mehrfach ausgeweitet. Die USA zielten dabei früh auch auf einflussreiche Unterstützer Putins (und die Bank Rossija)3, während die EU zunächst unmittelbar in den Konflikt involvierte Personen mit Sanktionen belegte. Geschäfte mit auf der Krim ansässigen Unternehmen wurden untersagt.4

Aufgrund russischer Unterstützung für die in der Ostukraine kämpfenden Milizen erließ die EU Ende Juli 2014 ein separates Sanktionenpaket, das die Finanzierung russischer Staatsbanken in Europa einschränkt. Im September wurden diese Einschränkungen dann auf russische Rüstungs- und Ölkonzerne ausgedehnt. Daneben wurde der Export von Erdöl-Technik sowie von militärischen und militärisch einsetzbaren dual use-Gütern nach Russland verboten.5 Die Sanktionen wurden im August 2014 von Russland mit Gegensanktionen beantwortet, die vor allem die Einfuhr westlicher Agrarprodukte betreffen. Da die Beschlüsse des Abkommens von Minsk zur friedlichen Regulierung des Konflikts in der Ostukraine bislang nicht umgesetzt sind, verlängert die EU turnusmäßig ihre Wirtschaftssanktionen.6

Die US-Sanktionen gegen die Bank Rossija machten sich schnell bemerkbar: Von dieser Bank ausgegebene Visa- und Mastercard-Kreditkarten wurden gesperrt.7 Daneben musste die russische Lowcost-Airline Dobrolet, mit der die Krim an Russland angebunden werden sollte, in Folge der westlichen Sanktionen aufgelöst werden.8 Fehlende Technik aus dem Westen zwang den Ölproduzenten Rosneft, Bohrprojekte um Jahre zu verschieben9. Die von den Kapitalbeschränkungen betroffenen russischen Konzerne konnten ab Herbst 2014 auslaufende Kredite nicht mehr durch neue, langfristige Anleihen aus der EU oder den USA ersetzen. Ausländische Investoren legten auch Projekte in nicht sanktionierten Branchen auf Eis.10 Durch die Überlagerung mit dem Sinken des Ölpreises lassen sich die Folgen der Sanktionen nur sehr schwer quantifizieren. Verschiedenen Schätzungen zufolge reduzieren die Sanktionen das russische BIP um 0,4 Prozent bis 0,6 Prozent (laut einer Studie russischer Ökonomen) beziehungsweise 1 Prozent bis 1,5 Prozent pro Jahr (laut Internationalem Währungsfond).11

Tragen die mehrmalig verlängerten Sanktionen wie geplant zur Deeskalation in der Ukraine bei? Die finanziellen Einschränkungen beschleunigten Ende 2014 den Kapitalabfluss aus Russland, was den Druck auf den Rubel erhöhte. Außerdem zwangen sie den Kreml zur Unterstützung der betroffenen Banken und Unternehmen und belasteten damit den Staatshaushalt und die Reserven. Sie entfalteten vor allem in der Anfangsphase Druck und lasten seither auf den Wachstumsaussichten.

Die im August 2017 und April 2018 beschlossenen Verschärfungen der US-Sanktionen könnten für Russland aber noch schmerzhafter werden. Die wirtschaftlichen Kosten für weitere Aggressionen in der Ukraine wären außerordentlich hoch – das dürfte im Kreml angekommen sein. Das Aufheben der Sanktionen gegen Russland würde die wirtschaftliche Lage hingegen nur mittel- oder langfristig verbessern12, was ihren Wert als Verhandlungsmasse einschränkt.13


Zum Weiterlesen: The Economic Sanctions Against Russia, Swedish Defense Research Agency, September 2015

1.Einige weitere Länder führten ebenfalls Sanktionen ein, darunter die Ukraine, Kanada und Japan. Für Kanada und Japan siehe: Oxenstierna, Susanne / Olsson, Per (2015): The economic sanctions against Russia: Impact and prospects of success
2.Official Journal of the European Union: Council Decision 2014/145/CFSP
3.The New York Times: Private Bank Fuels Fortunes of Putin's Inner Circle
4.Official Journal of the European Union: Council Decision 2014/386/CFSP
5.Official Journal of the European Union: Council Decision 2014/512/CFSP
6.Zuletzt im März 2017. European Council: EU prolongs sanctions over actions against Ukraine's territorial integrity until 15 September 2017
7.BBC: Visa and MasterCard block Russian bank customers
8.World Airlines News: Dobrolet is forced to shut down due to European sanctions
9.The Moscow Times: Russia's Rosneft Won't Resume Sanctions-Struck Arctic Drilling Before 2018 – Sources
10.Forbes: Major Investments At Risk As Russian Sanctions Become More Nerve Wracking, wobei einige Investoren den günstigen Rubel als Chance sahen, siehe dazu: The Wall Street Journal: Schlumberger to Pay $1,7 Billion for Stake in Russia᾿s Eurasia Drilling
11.Vedomosti: Ėkonomika Rossii lišilasʼ 8,4 % rosta
12.Auch ohne Sanktionen würden die russischen Unternehmen derzeit kaum westliches Kapital finden.
13.Im Gegensatz zu den Export-Sanktionen gegen den Iran, deren Aufheben unmittelbar wirtschaftlich spürbar ist.
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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)