Putin und Trump auf Kuschelkurs? Putin bezeichnet den republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten als „talentierten Politiker“, Trump äußert Verständnis für die russische Angliederung der Krim. Trumps Wahlkampfchef Manafort war zudem lange Jahre Berater des ukrainischen Ex-Präsidenten Janukowitsch (der sich nach seinem Sturz im Februar 2014 nach Russland absetzte).
Für viel Aufregung im Clinton-Lager sorgte zuletzt außerdem die Veröffentlichung sensibler E-Mail-Kommunikation der Demokraten auf der Plattform Wiki Leaks – laut FBI das Werk russischer Hacker.
Aber heißt das gleich, dass Trump im Auftrag Moskaus agiert? Ein paar unklare Momente gebe es zwar, meint der Politologe Wladimir Frolow, aber den US-Wahlkampf lenke der Kreml sicherlich nicht. Ihm nutze Trump vielmehr innenpolitisch.
Im New-York-Times-Interview mit dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner Donald Trump wurden Positionen laut, die mit den außenpolitischen Interessen Russlands überaus stark im Einklang stehen. Das Interview schlug in den USA ein wie eine Bombe und hat in den führenden Print- und Internetausgaben für eine Flut von Kommentaren gesorgt. Die meisten Experten kommen zu einem wenig tröstlichen Schluss: Trump handelt, vielleicht nicht einmal willentlich, im Interesse Russlands.
Der US-amerikanische Politologe Sam Greene meint, man könne beim Thema „Trump ist ein Agent Putins“ – was natürlich Unsinn ist – schon von einem Medienhype sprechen.
Sollte man das nicht etwa begrüßen?
Moskau dürfte vieles von dem gefallen, was Trump sagt. Seine außenpolitischen Einfälle könnten die Stellung der USA in der Welt bedeutend schwächen und die Beziehungen zu den wichtigsten Partnern der USA in Europa und Asien zerstören. Das wiederum würde den amerikanischen Druck auf Russland verringern.
Von den Absichten Trumps und seiner Mannschaft ist Folgendes bekannt: Er möchte die US-Verpflichtungen im Sicherheitsbereich beträchtlich einschränken (darunter auch die atomaren Sicherheitsgarantien für die NATO-Staaten, Japan und Südkorea); er möchte von der „Demokratieförderung“ im Ausland und dem Sturz autoritärer Regime Abstand nehmen; in Syrien möchte er mit Präsident Assad und mit Russland gegen den Islamischen Staat zusammenarbeiten; er möchte der Ukraine keine amerikanischen tödlichen Waffen zur Verfügung stellen, und er möchte zur russischen Führung konstruktive Beziehungen aufbauen.
In den Versprechen Trumps, die Beziehungen zu Russland als einer „Supermacht“ wiederherzustellen, sieht Moskau die Bereitschaft, das Recht Moskaus auf seine Interessensphäre im postsowjetischen Raum anzuerkennen.
Wenn der möglicherweise zukünftige US-Präsident erklärt, dass die Sicherheitsgarantien der NATO erst nach einer Wirtschaftlichkeitsprüfung greifen sollten, dann bedeutet das auch ein Ende des auf die NATO konzentrierten Sicherheitssystems in Europa. Davon konnte Moskau bislang nur träumen.
Wenn Newt Gingrich, Mitglied des Trump-Teams und einst vehementer Befürworter einer NATO-Erweiterung, sagt, die USA würden wegen Estland, das „in den Vororten von St. Petersburg“ liegt, keinen Atomkrieg anfangen, was ist das dann bitteschön anderes als eine deutliche Anerkennung der russischen Einflusssphäre?
Wie meinte doch Präsident Putin, der Trump im Laufe des vergangenen Jahres zwei Mal als „markanten und talentierten Politiker“ bezeichnet hat: „Sollte man das nicht etwa begrüßen?“
Dubiose Berater
Die Frage ist nur, ob Moskau deswegen etwas mit der Kandidatur Trumps zu tun hat und ob es dessen Wahlkampf unterstützt, was einen Verstoß gegen US-Gesetze darstellen würde. Ergäbe sich diese Möglichkeit, würde der Kreml sie natürlich mit Freuden nutzen. Schließlich geht man im Kreml davon aus, dass die USA und die EU auf eben diese Weise vorgehen, wenn sie prorussische Führer in den postsowjetischen Weiten oder im Nahen und Mittleren Osten absetzen. Tatsächlich aber hat Moskau solche Möglichkeiten nicht.
Die USA sind nicht Frankreich, wo Oppositionsparteien wie der Front National von Marine Le Pen bei ausländischen Banken Millionenkredite aufnehmen können. In Amerika ist eine ausländische Wahlkampffinanzierung streng verboten.
Andeutungen, das Unternehmensimperium von Trump und folglich auch sein Wahlkampf seien wohl von russischen Geldern abhängig, scheinen wenig zu beweisen. Tatsächliche Spuren, dass Trump kommerzielle Projekte in Russland oder mit russischer Beteiligung verfolgt, sind ebenfalls nicht zu finden. Es stimmt zwar, dass er in Moskau einen Trump-Tower bauen wollte; dazu gekommen ist es allerdings nicht.
Manafort und Moskau
Viel gesprochen wird von Moskaus Einfluss auf Paul Manafort, Trumps Wahlkampfchef. Als Begründung dient hier, dass Manafort einige Jahre als Medienberater von Viktor Janukowitsch gearbeitet hat, als jener noch Ministerpräsident und dann Präsident der Ukraine war. Wer hieraus eilige Schlüsse zieht, übersieht, dass der Kreml all die Jahre eine Entlassung Manaforts erwirken wollte, da dieser als amerikanischer Einflusskanal betrachtet wurde (hierin lag auch einer der Gründe für Moskaus Misstrauen gegenüber Janukowitsch). Janukowitsch hatte anscheinend verstanden, dass der Kreml dadurch seine Kontrolle über ihn zu stärken suchte, und hat Manafort daher nicht gefeuert.
Eine politische Rolle hat der amerikanische Berater in keiner Weise gespielt. Vielmehr verfolgte Manafort in der Ukraine seine unternehmerischen Ambitionen, für die seine Verbindungen zu Janukowitschs Beamten und Bürokraten die Grundlage bildeten.
Mit anderen Worten: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Manafort heute unter dem Einfluss Moskaus steht.
Eine eingehende Betrachtung verdient allerdings jene mysteriöse Geschichte, dass auf dem Parteitag der Republikaner Änderungen im außenpolitischen Programm der Partei vorgenommen wurden. Aufgrund einer direkten Intervention nicht näher genannter Berater Trumps wurde aus dem Programm die Forderung gestrichen, der Ukraine tödliche, US-amerikanische Waffen zu liefern.
Wer und was hinter dieser Korrektur der Ukraine-Passage steht, ist eine spannende Frage, und hier gibt es Anlass zum Verdacht. Eine direkte Initiative Moskaus scheint es eher nicht gegeben zu haben. Ob es aber mit Hilfe Dritter informelle Konsultationen mit der russischen Botschaft in Washington gegeben hat, könnte wohl Gegenstand einer Untersuchung durch das FBI werden.
Russlands Spur bei den US-Wahlen
Zumindest ansatzweise reale Anhaltspunkte für Versuche Russlands, die Präsidentschaftswahlen in den USA zu beeinflussen, finden sich allenfalls in der skandalösen Veröffentlichung des E-Mail-Verkehrs des Democratic National Committee auf der Website WikiLeaks. Die Mails waren von zwei Hacker-Gruppen erbeutet worden, die wiederum US-amerikanischen Cybersecurity-Experten zufolge mit den russischen Geheimdiensten in Verbindung stehen. Zeitpunkt der Veröffentlichung (gleich nach dem Parteitag der Republikaner und kurz vor dem der Demokraten) und Inhalt des vorgelegten Materials zeugen von der Absicht, Clintons Ruf konkret zu schaden. Clintons Wahlkampfteam holte zum Gegenangriff aus: Robby Mook, Kampagnenleiter der Demokraten, beschuldigte in einer Livesendung Russland, sich zugunsten von Donald Trump in den US-Wahlkampf einzumischen.
Tatsächlich sieht die Geschichte mit dem Klau und der Verbreitung der E-Mails aus der demokratischen Parteizentrale wie eine klassische „aktive Maßnahme“ aus: Platzierung von kompromittierendem Material, Bloßstellung des zu belastenden Objektes, Demoralisierung seiner Anhängerschaft, indirekte Stärkung der Position des Bündnispartners. Doch zu behaupten, das werde einen Einfluss auf das Wahlergebnis haben, wäre unzulässig.
Mal angenommen, die Idee zu dieser Aktion stamme aus Russland, so zeugt sie doch von absolutem Unverständnis der Mechanismen amerikanischer Innenpolitik und inadäquater Bewertung der Einflussmöglichkeiten. So etwas wird in einem Land mit 300 Millionen Einwohnern, freien Medien und einem Milliarden-Dollar-Budget für Wahlkampagnen wohl kaum etwas ändern können.
Wenn es um ein bescheideneres Ziel gegangen wäre – einen Vergeltungsschlag gegen die US-Präsidentschaftskandidatin für den Versuch, mit dem Datenleak der Panama Papers (hinter deren Veröffentlichung Moskau die US-amerikanischen Geheimdienste vermutet) die russische Staatsführung zu diskreditieren, dann kann man eine solche „aktive Maßnahme“ durchaus als erfolgreich bezeichnen. Viel Lärm, die Führung zufrieden, praktischer Effekt gleich Null. Doch mit dem hat man auch kaum gerechnet. Bringt man das aber mit Trump in Verbindung, das heißt nimmt man an, er habe von der Top Secret-Aktion des russischen Geheimdienstes gewusst – dann ist das schon die reinste Verschwörungstheorie.
Mit Wettrüsten zermürben
Die offiziellen russischen Medien machen kein Hehl aus ihrer Sympathie für Trump und ihrer negativen Einstellung gegenüber seiner Konkurrentin Hillary Clinton. Doch ist das bereits ein Hinweis darauf, dass Russland Trump unterstützt? Nein. Wer sieht sich in den USA schon Nachrichten auf Russisch an? Sogar das englischsprachige RT, das „für Trump feuert“, hat in den USA ein so unbedeutendes Publikum, dass es lächerlich wäre, von einem wie auch immer gearteten Effekt auf die Wahlen zu sprechen.
Der Grund, warum das russische Fernsehen den republikanischen Kandidaten unterstützt, liegt in der russischen Innenpolitik: Es ist lediglich ein weiteres Mittel, die Regierung Russlands zu legitimieren, wenn sogar ein US-Präsidentschaftskandidat sagt, dass Wladimir Putin eine starke Führungsfigur ist und alles richtig macht. Ein äußerst überzeugendes Argument für den einfachen Bürger Russlands.
Die viel wichtigere Frage ist, wie Trump im Fall eines Wahlsieges sein außenpolitisches Programm in die Tat umsetzen wird. Die Realisierung seiner außenpolitischen Pläne wird die globalen Turbulenzen nur verstärken, zu akuten regionalen Krisen und zur Verbreitung von Nuklearwaffen führen. Bei aller Attraktivität der Schwächung globaler Positionen der USA entspricht das nicht den Interessen Russlands.
Andererseits werden einzelne Aspekte von Trumps Konzepten bereits von Obama umgesetzt – etwa der Verzicht auf die Lieferung tödlicher Waffen in die Ukraine und die Ablehnung eines gewaltsamen Sturzes der Regierung Assads in Syrien. Tradition haben in der amerikanischen Außenpolitik außerdem die Forderungen, den Beitrag der Bündnispartner zur gemeinsamen Verteidigung mit den USA zu erhöhen.
Moskau betrachtet die Präsidentschaft Trumps vorerst als Window of Opportunities in einem Manöver, bei dem man annimmt, von einer Präsidentschaft Clintons sei außer einer noch schärferen Konfrontation nicht viel zu erwarten. Das Problem der „Unerfahrenheit Trumps“ ist Moskau bewusst. Und es bestehen Befürchtungen: Könnten seine populistischen Aufrufe, „Amerika wieder groß zu machen“ (Make America Great Again), zu einem Versuch ausarten – in Reminiszenz an die erste Amtszeit Reagans – die führende Position der USA wiederherzustellen und Russland durch ein Wettrüsten zu zermürben?