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Russland und der Kolonialismus

Kolonialimperien – das sind immer die anderen. Und doch hat Russland über eine Vielzahl an Völkern geherrscht und sein Territorium seit dem 16. Jahrhundert auf das 22-Fache vergrößert. Von der Eroberung Sibiriens bis zur angeblichen „Brüderlichkeit der Sowjetvölker“ wird die Kontinuität des russischen Kolonialismus im Krieg gegen die Ukraine besonders deutlich. Die vor diesem Hintergrund erstarkende Idee einer Dekolonisierung Russlands versucht der Kreml mit allen Mitteln zu unterdrücken. 

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Olga Skabejewa

Zweimal täglich erklärt die Moderatorin im Staatsfernsehen die Welt aus Moskauer Sicht. An manchen Tagen ist sie bis zu fünf Stunden mit Desinformation und Kriegshetze nach Vorgaben des Kreml auf Sendung. Skabejewas Spezialgebiet ist der Vollkontakt: Je nach Bedarf werden Gegner provoziert oder niedergebrüllt. 

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Margarita Simonjan

Ihre steile Karriere begann mit einer Lüge im staatlichen Auftrag. Heute kokettiert die Chefin des Propaganda-Senders RT und der staatlichen Medienholding Rossija Sewodnja offen mit ihrer Rolle als Gesicht der russischen Desinformation. Der Kreml belohnt sie großzügig dafür. 

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Regierungsfinanzierte Jugendorganisationen

Regierungsfinanzierte Jugendorganisationen (RFJ) werden in Russland seit 2000 oft als Reaktion auf ein isoliertes politisches Ereignis gegründet oder um (oppositionelle) öffentliche Personen zu diskreditieren. Die sichtbarste und bekannteste dieser Jugendorganisationen ist die im Jahr 2005 gegründete Demokratische Antifaschistische Bewegung Naschi. Sie wurde 2008 in mehrere Unterorganisationen aufgespalten und 2013 faktisch aufgelöst.

Die regierungsfinanzierte Jugendorganisation Naschi (die Unsrigen) wurde 2005 als Reaktion auf die Orange Revolution in der Ukraine gegründet.1 Dort hatte 2004 ein durch Proteste von unten herbeigeführter Regierungswechsel gegen den Willen der russischen Führung stattgefunden. Ein ähnliches Szenario sollte in Russland mithilfe jugendpolitischer Alternativangebote, die wie Naschi im Sinne der russischen Regierung agieren, verhindert werden. Diese Strategie wird unter anderem dem Polittechnologen Wladislaw Surkow zugeschrieben. Vorsitzender der Bewegung wurde Wassili Jakemenko, der schon der im Jahr 2000 gegründeten Vorgängerorganisation Iduschtschije Wmeste (die zusammen Gehenden) vorsaß. Die Bezeichnung Naschi kann im Russischen als eine Grenzziehung interpretiert werden: Zwischen den „zu uns Gehörenden“ und den „nicht zu uns Gehörenden“. Anders als es der für Naschi oft verwendete Beiname „Putin-Jugend“ suggeriert, existieren seit 2005 auf föderaler und regionaler Ebene mehrere Organisationen, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden.

Im 2007 entbrannten russisch-estnischen Konflikt um das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg stachen Naschi durch ihre Proteste vor der estnischen Botschaft in Moskau  hervor. Dieser Konflikt wirkte sich negativ auf die diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union aus. Möglicherweise als Folge dieses Skandals wurde Naschi  2008 in mehrere „Projekte“ aufgeteilt – von selbstjustiziarisch agierenden Gruppen wie Chrjuschi Protiw (Schweinchen dagegen) und Stop Сham (Stop Rowdys)2, zu patriotisch-militaristischen wie Stal' (Stahl), oder Volontärorganisationen wie Wse Doma (Alle sind zu Hause) und Begi sa mnoj (Lauf mit mir), die sich für niedrigere Mieten respektive einen gesünderen Lebensstil einsetzen. 2013 wurde Naschi als Dachorganisation dieser Projekte offiziell aufgelöst.3 Innerhalb Russlands ist das Phänomen Naschi, wenn es überhaupt wahrgenommen wird, sehr umstritten. Auch Personen, die der Regierung grundsätzlich positiv gegenüberstehen, bezeichnen die Mitglieder der Organisation oft verächtlich als „Naschisty“.

Neben Naschi wurden 2005 außerdem die Gruppen Rossija Molodaja (Junges Russland), die ökologische Bewegung Mestnye (die Hiesigen) und die Junge Garde, der Jugendflügel der Regierungspartei, gegründet. Das Verhältnis zwischen diesen Organisationen ist geprägt von Kooperation, aber auch von Konkurrenz um öffentliche Mittel und Einfluss. Naschi selbst spielt mittlerweile wohl auch informell eine untergeordnete Rolle: Die föderale Jugendagentur Rosmolodjosh, der seit 2008 ehemalige Naschi-Mitglieder vorstanden, leitet seit 2014 Sergej Pospelow, der zuvor stellvertretender Vorsitzender der Jungen Garde war.   

Es besteht eine personelle Kontinuität zwischen den regierungsfinanzierten Jugendorganisationen und Regierungsinstitutionen: Eine Vielzahl ehemaliger RFJ-Aktivisten sind heute Angestellte der dem russischen Bildungsministerium unterstehenden Rosmolodjosh. Diese Jugendagentur, die in ihrer rechtlichen Form einem deutschen Bundesamt entspricht, ist auch zuständig für die internationale Zusammenarbeit in Jugendfragen. Dies bedeutet, dass die jugendpolitischen Institutionen der Bundesrepublik auf zwischenstaatlicher Ebene mit einer Nachfolgeinstitution von Naschi kooperieren.

Es gibt für Jugendliche und junge Erwachsene viele Gründe, sich in RFJs zu engagieren. RFJs bieten die Möglichkeit besonderen Engagements und damit sozialen Aufstiegs. Auch die von Rosmolodjosh organisierten föderalen und regionalen Jugendforen ermöglichen jungen Erwachsenen, sich für Führungsaufgaben zu qualifizieren und von potentiellen Arbeitgebern entdeckt zu werden. Die patriotische Ausrichtung bildet den Rahmen erwünschten gesellschaftlichen Engagements: die Bejahung des russischen Staats und der Regierungspolitik. Mit den Jugendforen versucht der Staat, das Potenzial talentierter junger Erwachsener für die technische und ökonomische Modernisierung des Landes zu nutzen.


1.Hemment, Julie (2012): „Nashi, Youth Voluntarism, and Potemkin NGOs: Making Sense of Civil Society in Post-Soviet Russia“, in: Slavic Review 71 (2), S. 234–60; Mijnssen, Ivo (2012): The Quest for an ideal youth in Putin’s Russia:  Back to Our Future! History, Modernity and Patriotism according to Nashi, Band 1, Stuttgart
2.Yandex.ru: StopCham
3.Izvestija: Dviženie ‘Naši’ Stanet Vserossiyskim Soobščestvom Molodeži
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Wassili Jakemenko

Wassili Jakemenko, Gründer der kremltreuen Jugendbewegung Naschi, ist Günstling und Spielball der Polit-Technologen im Kreml zugleich. Sein Erfolg mit Naschi und seine Karriere in der Regierung beruhten im Wesentlichen auf der Rückendeckung des Putin-Beraters Surkow. Jakemenkos Fall 2012 ist aber auch das Ergebnis persönlicher Fehltritte. Allerdings scheint der Kreml ihn in jüngster Zeit für seine Zwecke wiederentdeckt zu haben.  

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Wladislaw Surkow

Wladislaw Surkow war stellvertretender Leiter der Präsidialadministration, stellvertretender Regierungschef Russlands und persönlicher Berater des Präsidenten. Für viele Beobachter galt er als „Putins Rasputin“, „Graue Eminenz im Kreml“ oder „Chefideologe des Landes“. Von 1999 bis mindestens 2013 war Surkow maßgeblich an den Public-Relations-Strategien des Kreml und der Organisation von Putins Wahlkampagnen beteiligt. Darüber hinaus fungierte er für Lobbygruppen als wichtiger Ansprechpartner in der Regierung.

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Die Präsidialadministration (PA) ist ein Staatsorgan, das die Tätigkeit des Präsidenten sicherstellt und die Implementierung seiner Anweisungen kontrolliert. Sie ist mit beträchtlichen Ressourcen ausgestattet und macht ihren Steuerungs- und Kontrollanspruch in der politischen Praxis geltend.

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Mitja Aleschkowski

Aleschkowski ist ein Fotograf, Blogger und Aktivist. In Russland wurde er 2012 bekannt, als er durch seine Koordination wesentliche Hilfe bei einer verheerenden Flutkatastrophe leistete. Anschließend baute er in Russland eine erfolgreiche zivilgesellschaftliche Hilfsorganisation auf.

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Lager Seliger

Das Lager Seliger war ein von 2005 bis 2014 alljährlich stattfindendes Sommercamp für Jugendliche und junge Erwachsene am gleichnamigen Seligersee. Initiiert wurde es von der regierungsnahen Jugendorganisation „Naschi“ („Die Unseren“). Der Seligersee liegt inmitten eines Naturschutzgebietes im Nordwesten Russlands, etwa 350 km entfernt von Moskau.

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)