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Error 505 - Teil 2/2

Ein ukrainischer Kriegsveteran hat russische Gefangenschaft, Folter, eine Freundschaft mit einem russischen Major und die Flucht nach Europa hinter sich. Jetzt sitzt er mit seiner Familie in einer deutschen Flüchtlingsunterkunft und schimpft auf alle – und will trotzdem zurück.  

Viele der seltener publizierten individuellen Kriegserfahrungen erscheinen auf den ersten Blick wenig heldenhaft. Oft widersprüchlich, anstößig, unbequem und für Menschen jenseits der Kampfzone schwer nachvollziehbar. Das bringt auch die in der Kriegsrealität alles bestimmende Gewalt mit sich.  

Olessja Gerassimenko und Ilja Asar haben für Novaya Gazeta Europe eine solche Geschichte dokumentiert: Hier berichtet der ehemalige ukrainische Soldat Witali Manshos von seinem Leben – in teils derben Ausdrücken und mit brutalen Details. Dekoder veröffentlicht diese Geschichte in zwei Teilen auf Deutsch. 

Teil 1: Mit sowjetisch geprägtem Lebenslauf über missglückten Widerstand hinein in den russischen Folterkeller

Hier ist Fortsetzungsteil 2: Raus aus dem Folterkeller durch die russische Besatzung bis zur Flucht nach Deutschland

Quelle Novaya Gazeta Europe

Als Witali von den russischen Besatzungstruppen festgenommen wurde, trug er einen roten Wollfaden um sein Handgelenk. Das sollte gegen Kopfschmerzen helfen, hatte ihm seine Großmutter beigebracht. Als ihm Handschellen angelegt wurden, waren sie sehr eng, aber an seiner rechten Hand schlossen sie sich über dem Faden, der so verhinderte, dass die Blutzufuhr abgequetscht wurde. Seitdem nimmt Witali den roten Wollfaden nie ab. Collage mit Foto von Iwan Pugatschow

Ein paar Tage später kommt der russische Soldat mit Rufnamen 505 wieder zu Witali in den Folterkeller: „Wir haben wieder von den Dichtern und so angefangen", erinnert sich Witali. „Und da geht plötzlich das Kriegsschiff Moskau unter. Das vermieste ihm die Stimmung. Er fing an: ‚Wer braucht das alles, wie hat das überhaupt angefangen …‘ Ich wusste es auch nicht.“ 

Bis zum 14. April bekam Witali nichts zu essen. Zu trinken gab es nur Wasser aus der Kanalisation. Über zwei Wochen war er nicht auf der Toilette, er konnte nicht. Auf dem Kellerboden standen auch so knöcheltief Kot und Urin. Witali sagt, die Militärs hätten die Klos kaputtgeschlagen. „Sie haben ins Loch geschissen, kein Papier benutzt. Es lief alles in den Keller.“ 

Irgendwann erzählte 505 Witali, da würde jeden Tag eine Frau Essen für ihn zum Stabsquartier bringen. Als er hörte, dass Witali nichts davon bekam, versprach er, sich darum zu kümmern.  

 

Kapitel 6: „Ihr Schweine, ihr habt ihn gebrochen, oder?“ 

Wynohradne, Mai 2022 

Irina Manshos kam wirklich jeden Tag zur ehemaligen Stadtverwaltung von Molotschansk. Sie stand um fünf Uhr morgens auf, molk und tränkte die Ziegen, kochte frisch – „eine Suppe, damit er was Flüssiges hat, oder Nudeln mit Fleisch oder Frikadellen mit Kartoffelbrei, legte ein Stück Schokolade und Zigaretten dazu“ – und fuhr zum Stabsquartier. Die Soldaten nahmen die Behälter und die Thermoskanne an und gaben sie ihr am nächsten Morgen leer zurück. „Ich dachte, das isst alles Witali.“ 

Über einen jungen Mann aus der Nachbarschaft, der aus dem Keller freikam, richtete Witali ihr aus, dass er am Leben sei und Zigaretten brauche. 

„Dabei hab ich ihm jeden Tag welche zum Essen dazugelegt … Vielleicht haben sie das weggekippt, vielleicht haben sie es selbst gegessen. Die waren hungrig. Ich habe gesehen, wie sie unsere wilden Rebhühner gefangen und selbst gerupft haben, gleich dort im Amtsgebäude.“ 

505 hielt Wort: Ab nun kamen Essen und Zigaretten im Keller an. Eines Abends entdeckte Irina beim Abwaschen der Thermoskanne unter dem Deckel auch einen Zettel. Witali hatte ihr auf einem Fetzen Zeitungspapier mit Putin auf der Titelseite eine Botschaft hinterlassen. Er schrieb, sie soll die Reisepässe vergraben und die Bankkarten verstecken. So begann ihre Korrespondenz. Im zweiten Briefchen bat er um eine Bibel. Irina besorgte beim Priester kleine Heftchen. 

Tochter Sascha munterte Irina manchmal auf: „Es wird alles gut mit Papa“, und tauchte wieder in ihren Computerspielen ab. So habe sie abschalten können, erklärt Irina. Manchmal legte sie mit einer Freundin Tarotkarten. Sie sagten, ihrem Vater würde die Kraft der Diplomatie in die Hände spielen. 

Seine Augen waren traurig, er konnte kaum sprechen. Steht vor mir, als würde er sich verabschieden.

Noch mal zwei Wochen später ließ Stabsleiter 505 Witali zum ersten Mal seine Frau anrufen. Dann kam er mit einer guten Nachricht: Am nächsten Tag würden sie sich sehen dürfen. „Aber erzähl nicht zu viel“, ermahnte er ihn. „Das wäre sowieso nicht gegangen“, erinnert sich Irina. Das fünfminütige Treffen fand im Beisein eines bewaffneten Wachmanns statt. 

„Witali kam in denselben Sachen, die er vor einem Monat getragen hatte. Pullover, Hose, Armeeunterhose und grüne Socken mit Dreizack ...“ Sie tauschten nur ein „Hallo, wie geht’s dir?“ und „Gut“ aus. Aber alles in Irinas Innerem schrie: „Ihr Schweine, ihr habt ihn gebrochen, oder?“ Irina erinnert sich: „Seine Augen waren traurig, er konnte kaum sprechen. Stand vor mir, als würde er sich verabschieden. Anfassen durfte ich ihn nicht. Er fragte nach seiner Tochter.“ 

Weil Witali seltsam schief stand, entdeckte Irina die Einschusslöcher in der Hose. Bei nächster Gelegenheit brachte sie ihm Wunddesinfektionspulver. Witali schüttete das Pulver in die Einschusslöcher im Schritt, und es kamen verrottete Stofffetzen zum Vorschein.  

Nach diesem Treffen legte Irina ihre ukrainische SIM-Karte ein, rief im Verteidigungsministerium in Kyjiw an und meldete, dass ihr Mann gefoltert wird. Es war Anfang Mai 2022. Witali saß immer noch im Keller. 

„Lasst mich doch wenigstens zum Tag des Sieges raus. Wer bin ich denn schon?“, bat Witali Georgi. – „Du weißt zu viel, der FSB ist an dir dran, dein Bruder ist bei der Armee, die pfuschen uns in den Vormarsch. Du wirst sowieso nicht eingetauscht, und ausreisen darfst du auch nicht.“ 

Am 15. Mai ließen sie Witali schließlich doch für einen Tag nach Hause. Zum ersten Mal seit März konnte er duschen. Dann sagte der Stabsleiter, er solle Kartoffeln setzen, schließlich sei schon Mai. 

 

Im Süden der Karte befinden sich Tokmak und Molotschansk, das Dorf Wynohradne liegt etwas nordwestlich davon. Seit März 2022 sind diese Orte von der russischen Armee besetzt. Ebenso Enerhodar im Westen der Karte. Die Gebietshauptstadt Saporishshja (hier im Norden) ist nicht von Russland besetzt, aber häufiges Ziel russischer Raketen-, Drohnen- und Gleitbombenangriffe. © Deep State

Ich schulde dir noch drei Kugeln

Zwei Wochen später ließ ihn 505 aus dem Keller, unter der Bedingung, sich einmal am Tag im Stab zu melden und sich höchstens fünf Kilometer von seinem Haus zu entfernen. Deswegen fuhr Witali nicht ins Krankenhaus – das nächste war 12 Kilometer entfernt, dazwischen 14 Checkpoints. Der Entlassungsschein ist immer noch im Garten hinter ihrem Haus in Wynohradne vergraben, erzählt Witalis Frau. 

Als Witali aus dem Stabsquartier kam, sah er den Kommandanten, der ihm in Knie und Schritt geschossen hatte: „Ich sagte zu ihm, ich schulde dir noch drei Kugeln. Da zuckte er zusammen. Ich werde ihm das noch heimzahlen“, sagt Witali. 

„Haben Sie die Kartoffeln gesetzt?“ 

„Und geerntet.“ 

„Mit angeschossenen Beinen?“ 

„Ich hab einen Traktor.“ 

Witali Manshos zeigt seine Beine mit den Folterspuren. Foto von Iwan Pugatschjow

Kapitel 7: „Die Dorfälteste blieb auch unter den Russen die Dorfälteste“ 

Wynohradne, 2023 unter Besatzung 

Stabsleiter 505 gab Witali vor seiner turnusmäßigen Abreise dessen Handy, SIM-Karte und Papiere zurück. Dazu legte er eine Wurst und eine Schachtel Fruchtpastillen. Witali briet ihm zum Abschied eine Ente: „Danke, Georgi, wenigstens ein Mensch hier.“ Das Essen schlug 505 allerdings aus. 

„Ich sag zu ihm: Georgi, sei mal ehrlich, wie soll ich die Ukraine nicht lieben? Wir gehen zu meinem Haus. Ich zeig ihm meinen Hof, meine Puten. Sag zu ihnen: ‚Slawa Ukrajini!‘ Und die Vögel so: ‚Iu-iu-iu!‘“ Witali imitiert das Gekacker. „Da zischt Georgi, ich soll bloß leise sein. Aber ein Pfundskerl, echt! Wenn ich ihn finde, gibt’s was zu feiern. Er sagte, ich soll die Seite wechseln, für die arbeiten. Aber ich lehnte ab.“ 

„Haben Sie mit ihm über die Folter gesprochen?“ 

„Nein, nie. Wir haben über Majakowski, Twardowski, Borodino geredet. Und die globale Kastration von Russland. Er hat alles verstanden.“ 

„Über die globale Kastration?“ 

„Er hat gesagt, die Ukraine wär am Arsch, sie würden uns flächendeckend niederbomben. Wie Amerika Vietnam. Dann gäb’s die Ukraine schlichtweg nicht mehr. Und ich: Träum weiter! Wir werden auferstehen und euch alle umbringen.“ 

Unsere Jungs ließen grüßen, mit Beschuss. Die ganze Technik war im Arsch. 

Im September 2023 hat Witali den russischen Pass und eine Arbeit als Elektriker in der Kolchose angenommen: „Ich musste ja irgendwie meine Familie ernähren. Also hab ich als Systemadministrator diesen ganzen russischen Dreck eingerichtet, S1, Kontur.Fokussy und wie sie nicht heißen. Die ganze Kolchose kam zu mir. Den Omas half ich mit den ukrainischen Banken, damit sie ihre Rente bekamen.“ 

Am 6. Mai 2023 war die Kolchose von der ukrainischen Armee beschossen worden: „Unsere Jungs ließen schön grüßen, mit Beschuss. Aber das Ding ist, solange die Russen da waren, war Ruhe. Kaum waren die abgezogen, schlug es bei uns in die Kolchose ein, die ganze Technik war im Arsch.“ 

Sofort kam ein Zugriffstrupp zu ihm nach Hause. Sie verdrehten Witali die Arme und zerrten ihn in den Gemüsegarten. „Du hast unsere Koordinaten ausgeliefert“, sagten sie und schlugen zu. 

Irina leistete indes stillen Widerstand: weigerte sich zu arbeiten, den russischen Pass anzunehmen und ihre Tochter zur Schule zu schicken. Dem Referendum blieb die Familie fern. Abends stritten sie: „Wir müssen weg!“ – „Wie soll ich weg? Sie lassen mich nicht raus! Fahr alleine ...“ Die Dorfälteste setzte sie unter Druck: „Warum geht ihr nicht wählen? Ihr müsst zur Wahl!“ 

„Die Dorfälteste Nina Wassiljewa blieb auch unter den Russen die Dorfälteste. Der Mann unserer Nachbarin ist abgehauen und dient jetzt in der ukrainischen Armee, sie hat den russischen Pass angenommen und lebt im besetzten Dorf. Die Feldscherin Sneshana Iwantschidse spielt jetzt in Propagandafilmchen der russischen Staatssender mit“, zählt Irina auf und zeigt uns einen Nachrichtenbeitrag. 

Auch Witali gehört formell zu den Kollaborateuren, weil er als Elektriker beim Werk gearbeite hat: „Man hat natürlich gesehen, dass ihm das alles, gelinde gesagt, nicht gefällt“, erklärt aber sein Chef in der Kolchose und bekräftigt damit Witalis Aussage. 

Dreckskerle, wie ich sie hasse. Erst unsere Leute beschießen, dann humanitäre Hilfe verteilen.

Irina Manshos erinnert sich, wie russische Soldaten einmal 20 Eier von ihr haben wollten und zum Tausch 15 Dosen Kondensmilch, Konserven und fünf Kilo Zucker angeschleppt haben. Sie nahm es an. In den Dorfladen brachten sie Waffeln, Kekse und Bonbons, damit sie gratis verteilt wurden. 

„Ich hab dieses System in den zwei Jahren, die ich dort gelebt habe, nicht kapiert. Dreckskerle, wie ich sie hasse. Erst unsere Leute beschießen, dann humanitäre Hilfe verteilen. Dann machten sie so Zentren auf – 'Unser Russland' – die Kinder durften kostenlos ins Ferienlager, auf die Krym, nach Moskau …“, erzählt Irina.  

„Selbst der Patenonkel meiner Frau …“, fährt Witali über die Kollaborateure fort. „Als sie mich schlugen, sollte ich sagen, wer bei der Polizei war. ‚Verrat es uns, und wir lassen dich laufen.‘ Dieser Patenonkel war zum Beispiel Polizist, aber ich hab noch letztens auf seiner Hochzeit getanzt, sie haben gerade ein Kind bekommen. Ich denk, Scheiße, die killen den armen Kerl doch, und halt meine Klappe … Dann komm ich aus dem Keller, und er sitzt da und trinkt mit denen Tee. Immer noch Polizist, nur jetzt für die Russen.“ 

Irina Manshos. Foto von Iwan Pugatschjow

Unter der Besatzung stellte Witali eine Fernsehantenne so ein, dass er ukrainische Sender empfangen konnte. Da kam in den Nachrichten gerade die Meldung, dass der Staat knapp eine Milliarde Hrywnja [ca. 22,9 Millionen Euro – dek] für Militäruniformen ausgegeben habe. 

„Verstehst du, mein Neffe ist mit 18 an die Front gegangen. Er hat mir Videos geschickt, überall Leichen, verdammte Scheiße, Mann. Und er sagt: Na, wenigstens muss ich nicht für den Bus bezahlen … Kacke, verfickte.“ Witali bricht in Tränen aus. „Sie bringen die Menschen tonnenweise ins Grab, tonnenweise … Ich hab dieser Armee 7,5 Jahre geopfert … Ich will nicht mehr ...“ 

Obwohl über seinem Haus in Wynohradne auch nach der Rückkehr von der Front die ukrainische Flagge weht, hält Manshos von den ukrainischen Soldaten fast genauso wenig wie von den Russischen, die ihn beinahe umgebracht hätten. 

„Waren es nicht die Russen, die das alles angefangen haben?“, fragen wir nach. 

„Es waren die Chochly. 2013. Die verfickten Chochly aus Donezk und Dnipropetrowsk: Kolomoiski und Janukowytsch. Damit fing die ganze Scheiße an“, antwortet er. 

„Welche Scheiße?“ 

„Der Krieg. Die Aufteilung der Macht. Verstehst du, die wollten in Kyjiw keine Nummernschilder aus Donezk und Dnipro sehen. Was sollen die mit der Südostukraine? Lieber weg damit und keine Renten mehr bezahlen. Weißt du, wie viel die sich sparen?“ 

Die Leute wechseln schnell die Lager. 

Die Gebiete, die jetzt von Russland okkupiert sind, sollten Witalis kruder Theorie nach an die USA gehen, weil die das fruchtbare Land brauchen würden; auf die Menschen würden „die Chochly scheißen“. Seine Theorie sieht er darin bestätigt, dass es die Russen in vier Tagen bis nach Tokmak geschafft haben. 

„Wissen Sie, was einen Chochol von einem Ukrainer unterscheidet? Ein Ukrainer lebt in der Ukraine, und der Chochol dort, wo es am besten ist. Aber momentan kennt sich keiner aus: Wo ist es denn am besten, vielleicht doch drüben? Die Leute wechseln schnell die Lager. Das sind diese Shduny. Bequem haben Sie’s ja: bekommen russische und ukrainische Rente. Natürlich schreien sie da: Slawa Rossii! Dann hauen sie mich noch an, ich solle ihnen russisches Fernsehen einstellen. Und ich: ‚Wenn du noch einmal ankommst, knall ich dich eigenhändig ab!‘“ 

„Wären Sie geblieben, wenn Ihre Frau nicht darauf bestanden hätte?“ 

„Nein. Ich wollte schon über die Minenfelder laufen. Aber die Besatzer haben gesagt: Du kannst nur nach vorne raus, über die Frontlinie. So lässt dich hier niemand durch. Oder du nimmst den Weg durch den Kachowka-Stausee.“ 

 

Kapitel 8: „Militärkreis Turkestan, Einheit 791518“ 

Flucht über Krym und Belarus, Januar 2024 

Ende 2023 beharrte Irina Manshos immer dringlicher auf der Abreise. Am 10. Dezember unternahmen sie den ersten Versuch: Ukrainische Freiwillige schickten ein Auto. Das ganze Dorf kam, um die Familie zu verabschieden, alle weinten, erzählt Witali. Er rasierte sich ordentlich, ließ sich die Haare schneiden, zog einen neuen Pullover an. Gleich beim ersten Checkpoint bei Nowoasowsk ließen die Posten seine Frau und Tochter zwar durch – aber er musste in den Keller. 

Witali hatte die Facebook-App vom Handy gelöscht, aber an sein Profil hatte er nicht gedacht. Bei der Überprüfung der Papiere entdeckten die russischen Soldaten dort das unglückselige Foto mit dem abgebrannten Panzer. 

„Hat man Sie dort geschlagen?“ 

„Ein bisschen. Ins Gesicht, in die Brust, dann legten sie mir wieder Handschellen an: Du bist ein Verräter, hast den Donbas bombardiert. Sie sagten, ich käme in Russland vor Gericht und sie würden mich nicht laufen lassen. Dann holten sie ein paar Tschetschenen und sagten denen, die könnten mit meiner Frau und meiner Tochter machen, was sie wollen, wenn ich nicht sofort hier verschwinde und in mein Dorf zurückgehe.“ 

Wir haben doch gesagt, du sollst hierbleiben, du Penner! 

Also lief die Familie die 13 Kilometer über Eis und Schnee zurück. Um vier Uhr nachts kamen sie in Nowoasowsk zu einem Hostel, das noch geöffnet war, und checkten dort ein. Drei Tage lang schliefen sie sich aus. Dann fuhren sie mit einem Taxi durch die Ruinen von Mariupol nach Wynohradne zurück. Der Ortsvorsteher schickte ihnen Geld, damit sie den Fahrer bezahlen konnten. 

Witali lacht: „Aber die Weiber im Dorf waren zufrieden: ‚Wir haben doch gesagt, du sollst hierbleiben, Witalik, du Penner! Hast wohl gedacht, du kannst dich aufspielen? Ohne dich haben wir nicht mal Internet!‘ Die haben sich gefreut.“ 

Einen Monat später beschlossen die Manshos, es noch mal zu versuchen, diesmal über die Krym. Um ausreisen zu können, ließen sich auch Witalis Frau und die Tochter einen russischen Pass ausstellen. Am 8. Februar packte Witali, mittlerweile mit Bart und langen Haaren, seine Sachen, erzählte noch mal seine Geschichte – „wir müssen nach Simferopol ins Krankenhaus“ – und setzte sich ins Freiwilligenauto. Ein Rucksack, eine Tasche und ein Notebook. Diesmal fuhren sie stillschweigend los, niemand verabschiedete sie, die Nachbarn dachten, die Manshos wären zu Hause. Nach zehn Stunden Warten an der Grenze wurde Witali zum Verhör abgeholt. 

Sie fuhren nach Simferopol, von dort nach Belarus und weiter nach Polen. 

„Wieder den Bock geschossen, aber sowas von“, sagt der ehemalige Soldat. „Der Posten fragt mich: ‚Witali Wladimirowitsch?‘ – ‚Jawohl!‘ – ‚Haben Sie gedient?“ –‚Jawohl!‘ Ich denke, jetzt bin ich am Arsch. Und sage: ‚Militärkreis Turkestan, Einheit 701518, Obergefreiter.‘ Aber der Grenzer sagt nur: ‚Gute Reise‘, und gibt mir meinen Pass zurück.“ 

Sie fuhren nach Simferopol, von dort mit dem Zug nach Belarus und weiter nach Polen. Die Freiwilligen hatten ihnen zuvor geraten, dass sie beim Grenzübergang in Brest kein einziges russisches Dokument dabeihaben dürften. Also zerrissen sie auf der Zugtoilette ihre russischen Pässe, Steuer- und Rentennachweise und spülten alles im Klo runter. Die ukrainischen Pässe hatte Irina am Tag zuvor im Garten ausgegraben. 

So kam die Familie nach Europa: zum ersten Mal im Leben im Ausland, ohne jegliche Sprachkenntnisse. 

Witali mit seiner Frau und Tochter. Foto von Iwan Pugatschjow

 

Epilog: „Von einem Gefängnis ins andere“ 

Ludwigshafen, Juni 2024 

Von Polen aus machte sich die Familie auf den Weg nach Berlin: „Am Bahnhof lauter Araber, Türken, Kanaken. Ich denk, Scheiße, wo bin ich denn hier gelandet …“ 

Witali lässt sich noch eine Weile xenophob über Migranten aus. Seit Februar hat die Familie Manshos drei Flüchtlingsunterkünfte gewechselt, ohne ein Wort Deutsch zu verstehen. Alles mit Hilfe von Freiwilligen. 

Wir treffen die Manshos im vierten Lager in Ludwigshafen. Witali ist abgemagert, die Spuren der Folter sind immer noch sichtbar. Die dunkelhaarige Irina hat einen schneeweißen Ansatz: In den zwei Jahren Okkupation ist sie ergraut. 

Die dreiköpfige Familie ist nun in einem verlassenen Supermarkt untergebracht. Die Menschen leben hier in Metallkäfigen, voneinander mit schwarzer Plastikfolie abgeschirmt. Man hört jedes Geräusch. In Witalis Abteil stehen zwei Stockbetten, auf dem freien Bett liegt ein Kleiderhaufen: „Wir sind mit einer Reisetasche gekommen, das hier haben wir aus dem Müll gefischt.“ 

Flüchtlingslager in Ludwigshafen, wo Witali und seine Familie untergebracht sind. Foto von Iwan Pugatschjow

Witali und die anderen 14 Ukrainer, die hier wohnen, sind von den Geflüchteten aus arabischen Ländern, die hier in der Mehrheit sind, und deren Gebeten zunehmend genervt: „Ich kann nachts nicht schlafen. Ich kann gar nicht so viel saufen, dass ich umkippe und das nicht mehr höre.“ Er beklagt sich auch über verdreckte Toiletten: „Sie benutzen kein Papier, genau wie die im Keller.“ 

„Wieder lebe ich jetzt unter der Aufsicht solcher Leute, Allahu Akbar. Ich bin von einem Gefängnis ins andere gekommen, erlebe den zweiten Ramadan im Keller, nur jetzt mit Frau und Kind“, sagt Witali. 

Eine richtige Wohnung müssten sie selbst suchen. Das Jobcenter übernimmt die Kosten (ca. 50 m² für drei Personen, maximal 560 Euro im Monat), aber ohne Sprachkenntnisse gestaltet sich die Suche schwer. Deutschkurse besuchen sie trotzdem nicht: „Du schläfst zwei Stunden pro Nacht, und dann sollst du noch Deutsch lernen“, beklagt eine Ukrainerin. 

Wir gehen raus rauchen, und Witali erzählt zu den Klängen arabischer Musik, die aus einem Handy schallt: „Was das Schlimmste im Keller war? Wenn die gesagt haben, wir geben deine Frau und Tochter den Tschetschenen, deine Frau bekommt eine Granate und wird Terroristin, dein Kind töten wir. Verfluchte Scheiße. Dann sitzt du da, und sie kommen zwei, drei Tage lang nicht wieder. Weißt du, was da in deinem Kopf für ein Kino abgeht?“ 

Als wir zum zweiten Mal rauchen gehen, kommen wir an zwei Ukrainern vorbei. Sie fragen Witali, wie die Wohnungssuche läuft: „Keine Chance. Ich geh zurück in die Ukraine, meine Frau und mein Kind sollen hierbleiben. Was soll ich sonst tun? Ich hab kein Geld, nichts, wovon ich leben könnte“, sagt Witali plötzlich. „Wenn ich keine Wohnung bekomme, wartet die 53. Brigade [der ukrainischen Streitkräfte] schon auf mich, die stehen in der Nähe von Awdijiwka. Ist das hier etwa besser?“ 

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Gnose

Russlands Passportisierung des Donbas

Seit 2019 hat Russland schätzungsweise 530.000 Menschen in den sogenannten „Volksrepubliken“ in der Ostukraine einen russischen Pass ausgestellt. Diese Menschen will Russland mit seinem Krieg vor einem „Genozid retten“.

Gnosen

Krieg im Osten der Ukraine

Bei dem bewaffneten Konflikt im Osten der Ukraine beziehungsweise im Donbass handelt es sich um einen Krieg, der von seit April 2014 zwischen ukrainischen Streitkräften und Freiwilligenbataillonen auf der einen Seite sowie separatistischen Milizen der selbsternannten Volksrepubliken von Donezk und Luhansk (DNR und LNR) und russischen Soldaten auf der anderen Seite geführt wurde. Am 24. Februar 2022 befahl Putin den Angriff auf das Nachbarland – aus dem verdeckten ist ein offener Krieg geworden.

Die zentralen Vorgänge, die den Krieg in der Ostukraine bis dahin geprägt hatten: Vorgeblich ging es dabei um die Gebietshoheit der beiden ostukrainischen Verwaltungsbezirke Donezk und Luhansk – dem sogenannten Donbass, der zu etwa einem Drittel nicht unter Kontrolle der ukrainischen Regierung ist. In der Ukraine sowie in der Europäischen Union ist man bis heute überzeugt, dass Russland die Separatisten immer finanziell, personell und logistisch unterstützt hat. Demnach hat Russland den Donbass vor allem als Instrument genutzt, um die Ukraine langfristig zu destabilisieren und somit gleichzeitig kontrollieren zu können. Russland hatte eine militärische Einflussnahme und Destabilisierungsabsichten stets bestritten.

Die Entstehung des Krieges und wie die EU und die USA mit Sanktionen darauf in dem jahrelangen Konflikt reagiert hatten – ein Überblick. 

Nachdem Ende Februar 2014 der ukrainische Präsident Janukowytsch im Zuge der Maidan-Proteste gestürzt wurde, russische Truppen kurze Zeit später die Krim okkupierten und die Annexion der Halbinsel auf den Weg brachten, ist die Situation im Donbass schrittweise eskaliert.

Zunächst hatten pro-russische Aktivisten im April 2014 Verwaltungsgebäude in mehreren ostukrainischen Städten besetzt. Forderungen, die hier artikuliert wurden, waren diffus und reichten von mehr regionaler Selbstbestimmung bis hin zur Unabhängigkeit von der Ukraine und einem Anschluss an Russland.

Während sich in Charkiw die Situation nach der polizeilichen Räumung der besetzten Gebietsverwaltung rasch entspannte, kam es in Donezk und Luhansk zur Proklamation eigener Republiken. Parallel wurden Polizeistationen und Gebäude des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes gestürmt sowie dortige Waffenarsenale gekapert. Wenige Tage später traten in der Stadt Slowjansk (Donezker Verwaltungsbezirk) unter dem Kommando des russischen Geheimdienstoberst Igor Girkin erste bewaffnete „Rebellen“ in Erscheinung. Girkin, der bereits zuvor an Russlands Okkupation der Krim beteiligt gewesen war und zwischen Mai 2014 und August 2014 als Verteidigungsminister der DNR fungierte, behauptete später, dass der Krieg im Donbass mitnichten aus einem Aufstand russischsprachiger Bewohner der Region resultierte. Er betonte indes, dass dieser „Aufruhr“ ohne das Eingreifen seiner Einheit schnell zum Erliegen gekommen wäre.1

Eskalation

Tatsächlich begannen die bewaffneten Kampfhandlungen in dem von Girkins Einheit besetzten Slowjansk. Um die Stadt zurückzugewinnen, startete die ukrainische Regierung eine „Anti-Terror-Operation“ mit Beteiligung der Armee. Während die Separatisten in den von ihnen kontrollierten Orten des Donbass im Mai 2014 sogenannte Unabhängigkeitsreferenden durchführen ließen, weiteten sich in der Folgezeit die Gefechte zwischen ukrainischen Streitkräften und Freiwilligenverbänden auf der einen und den Separatisten auf der anderen Seite stetig aus.

In deutschsprachigen Medien und in der internationalen Diplomatie wurde seither häufig von einer „Krise“ oder einem „Konflikt“ gesprochen. Tatsächlich erreichte die militärische Eskalation unter quantitativen Aspekten, die sich auf eine bestimmte Anzahl von zivilen und nicht-zivilen Opfern pro Jahr beziehen, bereits 2014 den Zustand eines Krieges.2 Auch unter qualitativen Gesichtspunkten erfüllte der bewaffnete Konflikt ab 2014 sämtliche Merkmale eines Krieges, wie ihn beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung der Universität Hamburg definiert3.

Neben der Involvierung russischer Freischärler und Söldner4 mehrten sich im Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzungen Berichte über großkalibrige Kriegsgeräte, die den von den Separatisten kontrollierten Abschnitt der russisch-ukrainischen Grenze passiert haben sollen.5 Hierzu soll auch das Flugabwehrraketensystem BUK gehören, mit dem nach Auffassung des internationalen Ermittlungsteams das Passagierflugzeug MH17 im Juli 2014 über Separatistengebiet abgeschossen wurde.6 Reguläre russische Streitkräfte sollen indes ab August 2014 erstmalig in das Geschehen eingegriffen haben, nachdem die ukrainische Seite zuvor stetige Gebietsgewinne verbuchen und Städte wie Kramatorsk, Slowjansk, Mariupol und Awdijiwka zurückerobern konnte.7

Die EU verhängte im Sommer 2014 aufgrund der „vorsätzlichen Destabilisierung“8 der Ukraine weitreichende wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Russland stritt eine Kriegsbeteiligung eigener regulärer Soldaten jedoch stets ab: So hätten sich beispielsweise Soldaten einer russischen Luftlandlandedivision, die in ukrainische Gefangenschaft geraten waren, nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums verlaufen und die Grenze zur Ukraine nur  aus Versehen überquert.9 Die russische Menschenrechtsorganisation Komitee der Soldatenmütter Russlands indes beziffert die Zahl russischer Soldaten, die im Spätsommer 2014 auf ukrainischem Territorium im Einsatz gewesen seien, mit rund 10.000.10

Einen Wendepunkt des Kriegsverlaufs stellte schließlich die Schlacht um die ukrainische Kleinstadt Ilowajsk dar, bei der die ukrainische Seite im September 2014 eine herbe Niederlage erfuhr und mehrere hundert gefallene Soldaten zu beklagen hatte.11

Die ukrainische Regierung hat die NATO mehrfach vergeblich um Waffenhilfe gebeten. Allerdings legte die NATO spezielle Fonds an, die zu einer Modernisierung der ukrainischen Streitkräfte beitragen sollen. Diese Fonds dienen unter anderem der Ausbildung ukrainischer Soldaten, der Verbesserung von Kommunikationsstrukturen, der Stärkung von Verteidigungskapazitäten im Bereich der Cyberkriegsführung sowie der medizinischen Versorgung von Soldaten.12 Darüber hinaus erhält die Ukraine Unterstützung in Form von sogenannter nichttödlicher Militärausrüstung wie Helmen und Schutzwesten, Funkgeräten und gepanzerten Geländewagen, unter anderem von den USA.13 

Verhandlungen

Die zunehmende Eskalation des Krieges brachte eine Intensivierung internationaler Vermittlungsbemühungen mit sich. Bereits im März 2014 hatte der Ständige Rat der OSZE eine zivile Sonderbeobachtermission für die Ukraine beauftragt und wenig später eine trilaterale Kontaktgruppe zwischen der Ukraine, Russland und der OSZE ins Leben gerufen. Auf Ebene der Staats- und Regierungschefs etablierte sich das sogenannte Normandie-Format zwischen der Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich. Im September 2014 machte es die Unterzeichnung des sogenannten Minsker Protokolls durch die OSZE-Kontaktgruppe möglich.

Nach anhaltenden Kämpfen, vor allem um den Flughafen von Donezk sowie die Stadt Debalzewe, kam es im Februar 2015 zu einem erneuten Zusammentreffen des Normandie-Formats in Minsk. Im Minsker Maßnahmenpaket (Minsk II) konkretisierten die Parteien sowohl einen Plan zur Entmilitarisierung als auch politische Schritte, die zur  Lösung des Konflikts beitragen sollten.

Das Maßnahmenpaket umfasst dreizehn Punkte, die schrittweise unter Beobachtung der OSZE umgesetzt werden sollen. Hierzu gehört der Waffenstillstand sowie der Abzug schwerer Kriegsgeräte und sogenannter „ausländischer bewaffneter Formationen“. Außerdem soll in der ukrainischen Verfassung ein Sonderstatus für die Separatistengebiete verankert werden. Nicht zuletzt sieht das Maßnahmenpaket vor, dass Kommunalwahlen in diesen Gebieten abgehalten werden. Außerdem soll die ukrainisch-russische Grenze wieder durch die ukrainische Regierung kontrolliert werden.14

Entwicklung seit Minsk II

Auch unmittelbar nach der Unterzeichnung des Minsker Abkommens hielten jedoch vor allem in Debalzewe heftige Gefechte an, bis die Stadt schließlich wenige Tage später unter die Kontrolle der Separatisten fiel. Auch hier soll – wie bereits zuvor in Ilowajsk – reguläres russisches Militär massiv in das Kriegsgeschehen eingegriffen haben.15 Erst nach dem Fall von Debalzewe nahmen die Kampfhandlungen ab. Zu Verletzungen der Waffenruhe, Toten und Verletzten entlang der Frontlinie kam es seither dennoch beinahe täglich.16 Dies macht eine Umsetzung des Minsker Maßnahmenpakets bis heute unmöglich.

Schwere Gefechte mit dutzenden Toten brachen zuletzt rund um die Stadt Awdijiwka aus. Awdijiwka, das im Sommer 2014 von ukrainischer Seite zurückerobert wurde und dem Minsker Protokoll entsprechend unter Kontrolle der ukrainischen Regierung steht, hat als Verkehrsknotenpunkt sowie aufgrund der dort ansässigen Kokerei eine besondere strategische und ökonomische Bedeutung. Die Stadt ist in der Vergangenheit immer wieder unter Beschuss geraten.17 Im Januar 2017 kam es dort auch zur Zerstörung kritischer Infrastruktur: Dabei fielen in der Stadt bei Temperaturen von unter minus 20 Grad mehrere Tage die Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung aus. Allein am 31. Januar 2017 berichtete die Sonderbeobachtermission der OSZE von mehr als 10.000 registrierten Explosionen – die höchste von der Mission bisher registrierte Anzahl an Waffenstillstandsverletzungen.18

Laut Schätzungen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2019 sind seit Beginn des Krieges im Donbass rund 13.000 Menschen gestorben. Die Anzahl der Verletzten beziffern die Vereinten Nationen mit über 24.000. Bei mehr als 2000 Todesopfern sowie etwa 6000 bis 7000 Verletzten handelt es sich um Zivilisten.19 Menschenrechtsorganisationen geben zudem an, etliche Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen dokumentiert zu haben.20 Im November 2016 erklärte die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag, dass Anzeichen für einen internationalen bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine vorliegen.21 Die russische Regierung zog daraufhin ihre Unterschrift unter dem Statut des ICC zurück. 

Neben tausenden Toten und Verletzten hat der Krieg auch zu enormen Flüchtlingsbewegungen geführt. Das ukrainische Ministerium für Sozialpolitik registrierte bis Mitte 2016 über 1,6 Millionen Binnenflüchtlinge; das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen geht in seinen eigenen Berechnungen derweil von 800.000 bis einer Million Binnenflüchtlingen aus.22 Daneben haben knapp 1,5 Millionen Ukrainer seit Ausbruch des Krieges Asyl oder andere Formen des legalen Aufenthalts in Nachbarstaaten der Ukraine gesucht. Nach Angaben russischer Behörden sollen sich rund eine Million Ukrainer in der Russischen Föderation registriert haben.23


1.vgl.: Zavtra.ru: «Kto ty, «Strelok»?» und Süddeutsche Zeitung: „Den Auslöser zum Krieg habe ich gedrückt“
2.vgl. University of Uppsala: Uppsala Conflict Data Program
3.vgl. Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung der Universität Hamburg: Laufende Kriege
4.Neue Zürcher Zeitung: Nordkaukasier im Kampf gegen Kiew
5.The Guardian: Aid convoy stops short of border as Russian military vehicles enter Ukraine sowie Die Zeit: Russische Panzer sollen Grenze überquert haben
6.vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Minutiös rekonstruiert
7.Für eine detaillierte Auflistung der im Krieg in der Ukraine involvierten regulären russischen Streitkräfte siehe Royal United Services Institute: Russian Forces in Ukraine
8.vgl. europa.eu: EU-Sanktionen gegen Russland aufgrund der Krise in der Ukraine
9.vgl. tass.ru: Minoborony: voennoslzužaščie RF slučajno peresekli učastok rossijsko-ukrainskoj granicy
10.vgl. TAZ: Es gibt schon Verweigerungen
11.vgl.Frankfurter Allgemeine Zeitung: Ein nicht erklärter Krieg
12.vgl. nato.int: NATO’s support to Ukraine
13.vgl. Die Zeit: US-Militärfahrzeuge in Ukraine angekommen
14.vgl. osce.org: Kompleks mer po vypolneniju Minskich soglašenij
15.vgl. ViceNews: Selfie Soldiers: Russia Checks in to Ukraine
16.vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Wer bricht den Waffenstillstand?
17.vgl. Die Zeit: Wo Kohlen und Geschosse glühen
18.osce.org: Latest from the OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine (SMM), based on information received as of 19:30, 31 January 2017
19.vgl.: Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights: Report on the human rights situation in Ukraine: 16 August to 15 November 2016
20.vgl. Helsinki Foundation for Human Rights/Justice for Peace in Donbas: Surviving hell - testimonies of victims on places of illegal detention in Donbas
21.vgl. International Criminal Court/The Office of the Prosecutor: Report on Preliminary Examination Activities 2016
22.vgl. unhcr.org: Ukraine
23.vgl. unhcr.org: UNHCR Ukraine Operational Update
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Donezker Volksrepublik

Die Donezker Volksrepublik ist ein von Separatisten kontrollierter Teil der Region Donezk im Osten der Ukraine. Sie entstand im April 2014 als Reaktion auf den Machtwechsel in Kiew und erhebt zusammen mit der selbsternannten Lugansker Volksrepublik Anspruch auf Unabhängigkeit. Seit Frühling 2014 gibt es in den beiden Regionen, die eine zeitlang Noworossija (dt. Neurussland) genannt wurden, Gefechte zwischen den Separatisten und der ukrainischen Armee.

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Grüne Männchen

Als kleine grüne Männchen, manchmal auch höfliche Menschen, werden euphemistisch die militärischen Spezialkräfte in grünen Uniformen ohne Hoheitsabzeichen bezeichnet, die Ende Februar 2014 strategisch wichtige Standorte auf der Krim besetzt haben. Bestritt Moskau zunächst jegliche direkte Beteiligung und verwies auf „lokale Selbstverteidungskräfte“, so gab Präsident Putin später zu, dass es sich dabei um russische Soldaten gehandelt hat. Die grünen Männchen sind inzwischen zu einem kulturellen Symbol geworden.

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)