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„NADO!” – im Geiste Orwells

Nado! Muss sein! – ist einer der zentralen Propaganda-Slogans der sogenannten Präsidentschaftswahlen am 26. Januar 2025 in Belarus. Man sieht die Parole auf riesigen Billboards und Leinwänden im ganzen Land. Aus Sicht des Regimes ist es notwendig, Lukaschenko einmal mehr zum Staatsführer zu krönen. Aber muss die belarussische Gesellschaft dafür in Angst und Schrecken leben? Der zynische Unterton des Slogans ist nur allzu deutlich.  

Der Herrschaftsapparat tut alles dafür, dass die Wahl-Inszenierung ohne Störungen abläuft – Massenproteste wie im Jahr 2020 soll es schließlich nicht geben. Militär, Miliz und OMON werden im Einsatz sein, Schüler der Oberstufe bekommen Besuch von Ideologen, die die jungen Leute einschwören. Die Demokratiebewegung veranstaltet am Wahltag in Warschau das Festival Die Belarussen haben Besseres verdient, auf dem bekannte Politiker und Aktivisten über ihre Zukunftsvision von Belarus sprechen. Die belarussischen Sicherheitsbehörden warnen Teilnehmer und Streaming-Zuschauer des Festivals schon im Vorfeld, man werde sie dafür strafrechtlich verfolgen.  

Lukaschenkos Mit-Kandidaten – es sind vier – sind handverlesen, alle Oppositionsparteien wurden längst verboten. Neben dem blassen Alexander Chischnjak, Vorsitzender der unbedeutenden Republikanischen Partei, und dem Dauer-Mitkandidaten Oleg Gaidukewitsch stehen der Stalinist Sergei Syrankow und eine Frau auf dem Wahlzettel: Anna Kanopazkaja. Der Sieger steht heute schon fest. 

Der Journalist Alexander Klaskowski gibt für das Online-Portal Pozirk Einblicke in ein absurdes Wahltheater.

Quelle Pozirk – Nawіny pra Belarus

Lukaschenko im renovierten Stadion „Traktor” in Minsk / © Foto president.gov.by 

 

Als Alexander Lukaschenko am 14. November 2024 das frisch sanierte Stadion „Traktor” in Minsk besuchte, prahlte er scheinbar nebenbei mit der Menge an Unterstützungsunterschriften für seine Kandidatur: „Gestern wurde ich informiert, dass zum aktuellen Zeitpunkt mehr als 700.000 Stimmen gesammelt wurden.“ 

Nonchalant merkte er noch an, er habe ja kaum Zeit für den Wahlkampf, sei er doch ständig im In- und Ausland unterwegs und müsse den erfolgreichen Abschluss der Erntekampagne im Blick behalten. Als ob für einen derart machtbesessenen Menschen wie ihn die Erntekampagne wichtiger sein könnte als der Wahlkampf.  

Mit stalinscher Bescheidenheit 

Tatsächlich muss er sich um die Unterschriften keine Sorgen machen. Erstens hat der Herrscher den Schätzungen unabhängiger Experten zufolge ohnehin die Unterstützung von 25-30 Prozent der Bevölkerung, und auf diese Wählerschaft ist Verlass. 

Zweitens arbeitet die Verwaltungsebene auf vollen Touren. Der Vorsitzende der Oblast Witebsk, Alexander Subbotin, sagte offen im Fernsehen, beim Unterschriftensammeln für Lukaschenko entstehe traditionsgemäß ein Wettbewerbseffekt zwischen den Oblasten. Im Namen der Initiativgruppen des Herrschers werden zahlreiche Kundgebungen organisiert. Und in den Organisationen und Einrichtungen werden die Unterschriften in einer Atmosphäre gesammelt, in der eine Weigerung zu unterschreiben ein Risiko bedeutet.  

Drittens arbeitet die Zentrale Wahlkommission nach dem Prinzip „wie es euch beliebt“ und verkündet jedes von oben gewünschte Ergebnis. 

Lukaschenko demonstriert dabei stalinsche Bescheidenheit. Bekanntermaßen gab schon jener „Vater der Völker“ vor, den Kult um seine Person nur mit Mühe zu ertragen und sich ihm gar zu widersetzen. So teilte der belarussische Staatsführer im Stadion mit, er habe die Unterschriftensammlung für seine Person eigentlich schon beenden wollen, aber sein Administrationschef Dimitri Krutoi habe ihn überzeugt, dass man den Menschen die Möglichkeit geben müsse, ihren Anführer zu unterstützen. Gekünstelt gibt sich Lukaschenko besorgt darüber, dass die Leute nicht gerade darauf aus seien, für andere Kandidaten zu unterschreiben. Wie sollen sie das auch wagen, nach den Repressionen gegen diejenigen, die 2020 für alternative Kandidaten unterschrieben hatten. 

Tatsächlich sind alle „Konkurrenten“ nur Staffage, dennoch gehen die Bürger lieber kein Risiko ein. Natürlich wird man Lukaschenkos Namen nicht als einzigen auf dem Stimmzettel stehen lassen. Zur Zierde werden vier Pseudokandidaten ergänzt, denen man die notwendige Anzahl an Unterschriften für die Nominierung zugesteht. 

Lukaschenko beim Wahlkampf und Holzhacken zusammen mit seinem weißen Spitz / Screenshot Sendung RTR Belarus, 7.11.2024 

 

„In Belarus wird keinesfalls eine Frau gewählt“ 

Mit solchen Sparringspartnern ergibt sich natürlich der reinste Zirkus. Lukaschenko kommentierte den „Ausstieg aus dem Rennen um das Präsidentschaftsamt“ (eine Formulierung der staatlichen Nachrichtenagentur Belta) von Olga Tschemodanowa, Milizoberst der Reserve, und Sergej Bobrikow, Generalmajor der Reserve. Die Staatsmedien spielen mit der Lexik echter Wahlen wie in den USA. Aber was für ein beknacktes Rennen, bei dem das Ergebnis schon vorher feststeht? 

„Klar stehen sie auf meiner Seite. Sie dachten: ‚Wir wissen, dass der Präsident gewinnen wird, aber wir lassen nicht zu, dass er diskreditiert wird.‘ Als würde ich mich diskreditieren lassen. Doch dann sahen sie: Innerhalb der Organisation hat man nicht so recht Verständnis. Also beschlossen sie: ‚Besser, wir steigen aus‘“, versuchte Lukaschenko, die seltsamen Manöver von Tschemodanowa und Bobrikow zu erklären. 

Bobrikow selbst, der Vorsitzende des Belarussischen Offiziersverbandes, hatte zuvor erklärt, er sei ausgestiegen, „um die Geschlossenheit innerhalb des Offizierskorps zu wahren, kein Doppeldenk im Militär zu erzeugen und das amtierende Staatsoberhaupt, unseren Anführer zu unterstützen.“ 

Warum war er überhaupt angetreten? Offenbar hatte er zunächst das eine, kurz darauf das andere Kommando erhalten. Irgendwas werden sich die Polittechnologen schon dabei gedacht haben. Der General ahnt indes möglicherweise gar nicht, dass er die Terminologie reproduziert, die in Orwells Dystopie 1984 den totalen Staat beschreibt: „Doppeldenk“, „Gedankenverbrechen“. 

Das System hat sich in eine tragikomische Ecke manövriert. Es ist klar, dass es eine Lukaschenko-Wahl ist, ein anderes Ergebnis ist bei diesem Spektakel nicht in Sicht. Doch man muss das Ritual befolgen, den Anschein von Pluralismus und Spannung erwecken. Am Ende – Gelächter im Saal – begründen die Sparringspartner ihren Eintritt und ihren Austritt aus dem Wahlkampf mit demselben Argument: Wir unterstützen Lukaschenko.  

Es gibt noch weitere vier Anwärter auf das Amt. Nach dem Ausscheiden von Oberst Tschemodanowa aus dem „Rennen“ ergatterte auch die extravagante Anna Kanopazkaja  einen Platz auf dem Stimmzettel. Die Kandidatur von Kanopazkaja, die früher Mitglied der mittlerweile vom Obersten Gerichtshof liquidierten Vereinigten Bürgerpartei war, ist ein Zeichen, dass die Staatsmacht beschlossen hat, auch das Feld der Opposition ein wenig zu bespielen. Vielleicht muss Lukaschenko auch unbedingt eine Frau überholen, als Trost für 2020, als ihm die „Hausfrau” Swetlana Tichanowskaja das Wasser abgrub. 

Apropos, unter dem Deckmantel der Sorge um das „schwache Geschlecht“ tat sich Lukaschenko während seines Auftritts im Stadion wieder mal mit Sexismus hervor: „In Belarus wird keinesfalls eine Frau gewählt [...] In den USA hat der Präsident keinen so weitreichenden Auftrag wie in Russland oder Belarus. Bei uns muss man alles können: alle füttern und tränken... Das ist Schwerstarbeit. Eine Frau darf man nicht so belasten. Das ist hier kein zeremonielles Amt.“ 

Er beklagte sich auch über die Schwäche der europäischen Staatsoberhäupter: „Die Amerikaner behandeln Scholz doch schon wie den letzten Dreck.“ Mithin äußerte er aber Hoffnung: „Es werden wieder Männer wie de Gaulle auftauchen, ganz sicher. Oder Kohl, so einer wird auch wiederkommen. Auch Chirac war ein ganzer Kerl, einer fürs Volk.“ Über starke Frauen an der Spitze von Regierungen schwieg er. Dabei haben Margaret Thatcher oder Angela Merkel keineswegs nur zeremonielle Funktionen ausgeübt und waren dabei sehr erfolgreich.  

Lukaschenkos Logik ist hier eine andere, sie resultiert aus dem Gefühl, einzigartig und unersetzlich zu sein. Nachdem er den Mechanismus der echten Wahlen zerschlagen hat, schaut er von oben auf die europäischen Politiker herab, die sich ernsthaft wählen lassen müssen und in der Regel auf zwei Amtszeiten beschränkt sind. Diese verfaulte Demokratie! 

Wahlwerbung in Minsk / © Foto gazetaby

 

Dystopie als Propaganda 

Die aktuelle Wahlkampagne bildet im Grunde die Veränderungen im System Lukaschenko seit 2020 ab. Ja, die Opposition wurde auch früher diskriminiert und kleingehalten, aber ihre Kandidaten wurden noch zur Wahl zugelassen. Doch dann führten die Wahlen fast zum Umsturz. Also wurden Nägel mit Köpfen gemacht. Der schwere Brodem des Totalitären trat immer deutlicher hervor.       

So wird das Absurde zur Norm. Die drei Wahlsprüche der herrschenden Partei in Orwells Roman 1984 lauten: „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke.“ Lukaschenkos Propaganda arbeitet tatsächlich im Geiste dieser Dystopie, übertrifft teilweise sogar die künstlerische Vorlage. 

Ein Beispiel: Das Regime beteiligt sich am Krieg, scharenweise fliegen Shahed-Dronen über das Land, und gleichzeitig inszeniert man Lukaschenko als Garanten eines friedlichen Himmels. Er selbst beteuert blauäugig, Wladimir Putin hätte seine Truppen 2022 nach den Übungen in Belarus wieder in den Fernen Osten verlegt, wenn ihn die bösen Ukrainer nicht provoziert hätten.  

Lukaschenko und seine Propaganda malen zudem ein Bild, auf dem im Westen (vor allem in Polen und Litauen) die Massen unter dem Joch der Regierungen ächzen, während Belarus, das tatsächlich ein einziges großes Gefängnis ist, als Reich der wahren Freiheit erstrahlt. Schaut nur, sagen sie, wie furchtlos sich die Kandidaten ins Rennen um die Präsidentschaft stürzen!  

Schließlich schneidet das Regime die Gesellschaft auch von alternativen Informationsquellen ab, vernichtet „aufrührerische“ Literatur: „Unwissenheit ist Stärke“. Im Geiste derselben Dystopie schreiben die Machthaber die Geschichte um, verbreiten ihre eigene Version der Ereignisse von 2020: Ein Teil der Gesellschaft sei geistig umnachtet gewesen, jetzt aber wieder zur Besinnung gekommen. Seht nur, sie schreiben Gnadengesuche. 

Nado! (Muss sein!): der Propaganda-Slogan der Wahlkampagne von Lukaschenko im Dezember 2024 auf einem Bildschirm in der Capital Mall in Minsk / © Foto gazetaby 

 

Belta zeigt eine Fotoreportage von einer Kundgebung der Lukaschenko-Initiativgruppe auf dem Gelände des High-Tech-Parks in Minsk. Auch das ist eine Botschaft. 2020 hatten sich hier die IT-Leute aktiv an den Protesten beteiligt, hier waren sie vom OMON verprügelt worden. Nun stehen die Menschen am Zelt mit dem Propaganda-Motto Nado gehorsam Schlange. Wieder ein Nest der Aufständischen zertreten – diese Botschaft sendet die Propaganda. Lukaschenko ruft seine Untergebenen immer wieder dazu auf, wachsam zu bleiben, und erinnert an die Feinde: die offensichtlichen (im Ausland) und die verdeckten (die sich ihm zufolge im Inland „unter der Scheuerleiste“ verstecken).  

Er wittert in der unterdrückten Gesellschaft noch eine verborgene Bedrohung. Anscheinend hat er nicht begriffen, dass die Ursache dafür nicht in Machenschaften des „kollektiven Westens“ und der „Ausgebüchsten“ liegt, sondern in der Tatsache, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung aus seinem System herausgewachsen ist. Lukaschenko behauptet nach wie vor, er müsse das Volk „füttern und tränken“. Dabei haben Millionen von Belarussen im Jahr 2020 gezeigt, dass sie kein Stallvieh sind.  

Man kann die Menschen im Land einschüchtern, man kann sie brechen, apathisch machen. Aber wie in einer Dystopie das Bewusstsein der Massen umzuformatieren, das wird wohl nicht gelingen.  

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Gnose Belarus

Swetlana Tichanowskaja

Faire freie Wahlen – mit diesem Ziel ging das Wahlbündnis um Swetlana Tichanowskaja in den politischen Kampf gegen den belarussischen Machthaber Lukaschenko. Seit sie ins Exil musste, entwickelte sich Tichanowskaja zur wichtigsten politischen Stimme ihres Landes. Anfang März 2023 wurde sie in Abwesenheit zu 15 Jahren Straflager verurteilt. Das Porträt einer Politikerin, die nie eine sein wollte.

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Alexander Lukaschenko

Im Jahr 2024 feiert Alexander Lukaschenko zwei runde Jubiläen: Seinen 70. Geburtstag und 30 Jahre im Amt. Er wurde 1954 geboren. Über seinen Vater ist nichts bekannt, seine Mutter, Melkerin in einer Kolchose, hat ihn allein aufgezogen. Sie lebten in Armut. Auf die Frage eines Journalisten: „Wie lebten Sie als Kind?“ sagte Lukaschenko, damals bereits Präsident: „Bettelarm war ich!“1 Allem Anschein nach wurde die alleinstehende Mutter von den Dorfleuten gepiesackt. Uneheliche Kinder waren damals gesellschaftlich nicht akzeptiert. Der Publizist Alexander Feduta, nunmehr aus politischen Gründen inhaftiert, beschreibt Lukaschenko folgendermaßen: „Wir haben es mit einem typischen komplexbehafteten Dorfjungen zu tun, vaterlos oder, wie es auf dem belarussischen Land heißt, ein bajstruk.“2  

Wie schaffte es dieser Dorfjunge aus dem Osten von Belarus an die Spitze der Macht in seinem Land, die er als Diktator schließlich an sich riss? Wie gelang es Lukaschenko, ein System zu errichten, das die belarussische Gesellschaft bis heute unter Kontrolle hat? Waleri Karbalewitsch, Autor einer Lukaschenko-Biographie, über das autoritäre Machtgefüge in Belarus. 

Der Weg zur Macht 

Anhand der Bruchstücke, die Lukaschenko über seine ersten Lebensjahre preisgibt, gewinnt man keineswegs den Eindruck einer glücklichen Kindheit, ganz im Gegenteil. Wir sehen Neid auf andere Kinder, die mit mehr Wohlstand gesegnet waren, den Komplex eines zu kurz gekommenen Menschen. „Die 1950er Jahre waren eine schwere Zeit, eine furchtbare Not. Ich weiß noch, was für ein Kampf bei uns im Dorf herrschte. Wer stärker war, überlebte, Familien mit kräftigen Männern und Vätern hatten es leichter. Ich hab meinen Teil wegbekommen …“, sagte Lukaschenko.3 
 

„Die junge Generation wählt Alexander Lukaschenko.“ Wahlwerbung zu den Präsidentschaftswahlen im Jahr 1994 / Foto © Archiv/Tut.by 

Nach der Wahl zum Präsidenten im Jahr 1994 nahm Lukaschenko seine Frau bekanntlich nicht mit nach Minsk. Nach ein paar Monaten machte ein Witz die Runde, von dem böse Zungen behaupten, er sei die reine Wahrheit: Frau Lukaschenko habe auf die Frage von Nachbarn, warum sie ihm nicht hinterherfahre, geantwortet: „Ach, mein Saschka bleibt doch nie irgendwo länger als zwei Jahre.“ 

Tatsächlich beeindruckt sein Lebenslauf, bevor er Präsident wurde, durch häufige Arbeitsplatzwechsel. Paradoxerweise ist der einzige Posten, den er jemals länger innehatte, das Präsidentenamt.  

Die häufigen Jobwechsel zeugen von Lukaschenkos Unverträglichkeit. Fast überall war seine Tätigkeit von Konflikten begleitet. Seine Frau erinnerte sich: „Wo auch immer er war, immer und überall schlug er sich mit seiner Sturheit und Direktheit die Nase an. Natürlich war das störend. Misserfolge und Kränkungen vertrug er ganz schlecht.“4 Der psychologische Begriff hierfür ist Fehlanpassung, also, die Unfähigkeit, sich an soziale Normen anzupassen, die es in jeder Gesellschaft gibt. Das hinderte ihn daran, Karriere zu machen und im sowjetischen System ein hohes Amt zu ergattern. Er wirkte eher wie ein Außenseiter, ein Loser.  

Doch mit Beginn der Perestroika, mit Glasnost und Demokratisierung, waren diese Charakterzüge, die ihm früher so im Weg gestanden hatten (weil sie zu Konflikten mit der Obrigkeit führten), plötzlich von Vorteil. In dieser Zeit des Kampfes gegen die Parteinomenklatur, die sich mit Händen und Füßen gegen Reformen sträubte, erfreuten sich mutige Akteure, die sich entschlossen zeigten, immer größerer Beliebtheit. Und Lukaschenko passte reibungslos ins Bild eines Kämpfers für Gerechtigkeit, eines Siegers über das System. Außerdem entdeckte er sein Talent zum Politiker, der in der Öffentlichkeit steht, vor Publikum spricht, dessen Aufmerksamkeit er bannt. Also stürzte er sich Hals über Kopf in die Politik, eine für ihn ganz neue Sphäre, in der er sich bald zu Hause fühlte. 1990 machte er den Schritt vom Direktor einer Provinz-Sowchose zum Abgeordneten des Obersten Sowjets der BSSR. Die Sitzungen dieses Machtorgans wurden damals live im Fernsehen übertragen. Lukaschenko trat häufig auf, hatte zu allen Themen etwas zu sagen. Bald kannte ihn das ganze Volk.  

Wie so oft in der Geschichte ging es auch hier nicht ohne Zufall. Um einen politischen Höhenflug zu schaffen, muss einer auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde der Oberste Sowjet zum Parlament des unabhängigen Belarus, und Lukaschenko wurde zum Vorsitzenden einer parlamentarischen Kommission zur Bekämpfung der Korruption gewählt. Diesen Posten wusste er höchst effektiv für sich zu nutzen, nannte sich gar den obersten Korruptionsbekämpfer des Landes. Unter anderem deswegen konnte er bei den Präsidentschaftswahlen 1994 einen triumphalen Sieg einfahren. Lukaschenko war der Inbegriff des „Volkskandidaten“. Seine ganze Erscheinung, seine Kultur, seine Sprache und seine Art zu sprechen, das war dem Volk alles sehr nah und vertraut. Viele Menschen konnten sich mit ihm identifizieren. 

Natürlich war er nicht sofort ein Diktator. Anfangs waren seine Reden von Enthusiasmus und dem aufrichtigen Wunsch geprägt, dem Volk zu dienen und das Land so schnell wie möglich aus der Krise zu führen. Er sagte: „Schweißausbrüche bereitet mir nur der Gedanke, die Versprechen nicht einlösen zu können, die ich den Menschen bei den Wahlen gegeben habe.“5 Für den Fall seines Scheiterns zog er sogar einen freiwilligen Rücktritt in Betracht. 

 

Lukaschenko bei seiner Inauguration am 20. Juli 1994 im Obersten Sowjet, noch neben der weiß-rot-weißen Fahne, der damaligen Staatsflagge, die heute verboten ist.

Machthunger und Gewaltenteilung 

Bald nach seinem Amtsantritt stieß Lukaschenko auf das, was man Gewaltenteilung nennt. Völlig überraschend für ihn: Es gab ein Parlament und ein Verfassungsgericht, die ebenfalls einen Teil der Macht für sich beanspruchten. Für Lukaschenko war das inakzeptabel. In seiner Vorstellung ist wahre Macht nur absolute Macht. Der neue Präsident wies also ein allgemein anerkanntes Element der Demokratie wie die Gewaltenteilung, die Checks and Balances einer Regierung, entschieden von sich. 1996 verkündete er, das Prinzip der Gewaltenteilung sei „eine Bedrohung für unseren Staat“6 geworden. „Werft dieses Gleichgewicht, diese Balance und Kontrolle aus euren Köpfen!“; „Ich will, dass der Staat ein Monolith ist“7, sagte Lukaschenko. 

Ganze zwei Jahre war er damit beschäftigt, andere Zentren der Macht zu beseitigen und zu zerstören. Das geschah unter anderem mithilfe eines gefälschten Referendums über eine neue Verfassung, das Politiker und Juristen einen Staatsstreich nannten. Ende 1996 hatte er ein personalistisches autoritäres Regime installiert, in dem nur eine einzige staatliche Institution tatsächlich Einfluss hat: Alexander Lukaschenko. Wahlen wurden zur Fiktion, die Opposition wurde aus allen staatlichen Einrichtungen geworfen, und der Staat erhielt das Monopol auf alle TV- und Rundfunksender.        

Lukaschenkos dominanter Charakterzug, die Kernidee seiner Weltanschauung ist ein grenzenloser Machthunger, der vor nichts haltmacht. Allem Anschein nach ist dieses Streben nach Allmacht der Grund dafür, dass Lukaschenko sich strikt weigert, die Todesstrafe abzuschaffen oder ein Moratorium darüber zu verhängen. Denn das Recht, einen Menschen bis hin zur Tötung zu bestrafen oder auch zu begnadigen, galt schon in alten Zeiten als einer der wichtigsten Faktoren der Macht. Deswegen ist Belarus das einzige Land Europas, in dem die Todesstrafe zur Anwendung kommt. 

An Lukaschenkos Äußerungen sieht man, dass für ihn die Frage nach der Macht eine Frage von Leben und Tod ist. Wenn er seinen Opponenten vorwirft, ihn seines Amtes entheben zu wollen, so ist das für ihn dasselbe wie ein Mordanschlag. Der Führer hat keinen Zweifel: Verliert er die Macht, rechnet er mit einem schrecklichen Gericht für sich. Ein Leben ohne Macht kann Lukaschenko sich nicht vorstellen: Es verliert seinen Sinn. Als er 2020 dem ukrainischen Talkmaster Dmytro Gordon ein Interview gab, sagte Lukaschenko auf die Frage, ob er nicht zurücktreten wolle: „Ich kenne ja nur diese Lebensart … Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Gut, also schön, ich bin nicht mehr Präsident – und was mach ich dann morgens nach dem Aufstehen?“8 An den kritischen Tagen der Massenproteste 2020 wiederholte Lukaschenko immer wieder, er werde an der Macht bleiben, solange er lebe. Bei einem Auftritt in der Radschlepperfabrik am 17. August 2020 verkündete er: „Solang ihr mich nicht umbringt, wird es keine anderen Wahlen geben.“9     

Die Abgeordneten der BNF während des Hungerstreiks aus Protest gegen Lukaschenkos umstrittenes Referendum im Jahr 1996 / Foto © Archiv/Tut.by 

Die Ideologie des Systems 

Das Lukaschenko-Regime ist auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR das prosowjetischste. Lukaschenko betont immer wieder, dass seine Vorlage für den Aufbau eines Staats die sowjetische Gesellschaftsordnung sei, und Lenin und Stalin nennt er „Symbole unseres Volkes“10. Als Wappen und Fahne der Republik Belarus bestimmte er die Symbolik der zur Sowjetunion gehörigen BSSR in leicht abgeänderter Form. Die Namen von Straßen und Plätzen sowie die Denkmäler sind seit der Sowjetzeit unverändert geblieben. Belarus ist das einzige postkommunistische Land, in dem der KGB noch immer KGB heißt.  

Lukaschenko lehnte von Anfang an die Ideologie des belarussischen ethnokulturellen Nationalismus ab. Mit Hilfe eines Referendums drängte er die belarussische Sprache an den Rand und tauschte die weiß-rot-weiße Flagge und das Wappen in Folge eines weiteren umstrittenen Referendums aus. Die staatliche Propaganda setzt belarussischen Nationalismus mit Nazismus gleich. Und das nicht nur, weil Lukaschenko Moskau nicht reizen will, dem jeglicher Nationalismus in seinen Nachbarländern ein Dorn im Auge ist. Lukaschenkos traditionelle Wählerschaft ist russischsprachig, für sie existiert ohnehin keine belarussische Identität. Sein wichtigster politischer Gegner war lange die Partei BNF mit ihren nationalistischen Losungen.  

Der Hauptgrund für Lukaschenkos Aversion gegen Nationalismus ist aber, dass man damit eine Gesellschaft mobilisieren kann. Er formt eine Zivilgesellschaft, fördert horizontale Verbindungen, stimuliert die Solidarität. Lukaschenko aber braucht eine atomisierte Bevölkerung, die nur durch staatliche Institutionen zusammengehalten wird. Er braucht keine Gesellschaft als selbständiges Subjekt, das Verantwortung für das Schicksal ihres Landes übernimmt. 

Insgesamt kann man wohl sagen, dass dieses System keine greifbare Ideologie zu bieten hat. Die Narrative der Propaganda sind eklektisch, da mischen sich Elemente der sowjetischen Vergangenheit mit Ideologemen von Russki Mir, mit der Ablehnung von Liberalismus und westlichen Werten und so weiter. In gewissem Sinne ist dieser Mangel an Ideologie dem Regime sogar zuträglich, denn so kann es seine politische Linie je nach Konjunktur verändern. In Belarus gibt es keine Regierungspartei, die eine faktische Macht ausübt. Denn Lukaschenko hatte immer die Sorge, sie könnte eine von ihm unabhängige Elite konsolidieren. 

Gründe für die lange Herrschaft 

Wie ist es Lukaschenko gelungen, so lange an der Macht zu bleiben? Hier sind mehrere Faktoren zu bedenken. Erstens entsprach das belarussische Gesellschaftsmodell lange Zeit den Bedürfnissen und Vorstellungen, die die Mehrheit der Bevölkerung in Bezug auf Politik hatte. Es basierte auf staatlicher Dominanz in Wirtschaft und Sozialwesen – ein wirksames Instrument zur Kontrolle über die Gesellschaft, zur Umgehung der Gewaltenteilung und zur Herrschaft eines Einzelnen –, auf einer Partnerschaft mit Russland und einem Konflikt mit dem Westen. Der Großteil der Bevölkerung (Staatsbedienstete, Angestellte staatlicher Betriebe, Rentner) war finanziell vom Staat abhängig. Die Hemmung marktwirtschaftlicher Reformen führte zur Konservierung sozialer Strukturen.  

Zweitens spielte Lukaschenkos ausgeprägte politische Intuition eine Rolle, sein angeborenes Gespür, mit dem er das richtige Vorgehen oder eine Bedrohung erkennt, sein Charisma und auch sein Populismus, sein Talent, zum Volk in einer für sie verständlichen Sprache zu sprechen. Dem politischen Triumph des Diktators liegt in hohem Maße seine erstaunliche Fähigkeit, ja geradezu Kunstfertigkeit zugrunde, die Menschen zu manipulieren. Er ist ein begabter Schauspieler mit vielen Rollen im Repertoire, ein faszinierender Verwandlungskünstler. Je nachdem, wem er gerade gefallen will, kann er äußerst liebenswürdig sein. Seinen hauseigenen Stil macht aus, dass er bei ein und derselben Gelegenheit, oft sogar im selben Satz, widersprüchliche, manchmal sogar einander ausschließende Thesen formuliert. Und jeder Zuhörende hört das heraus, was ihm lieber ist, was ihm besser gefällt. 

Drittens hat Lukaschenko alle Mechanismen zum Machtwechsel komplett ausgeschaltet. Die Wahlen sind zum reinen Dekor geworden, sie beeinflussen nichts, und ihr Ergebnis ist im Voraus bekannt. Auf legalem Weg kann es in Belarus keinen Machtwechsel mehr geben. Und zu einer Revolution war die belarussische Gesellschaft vor 2020 nicht bereit. Außerdem hat Lukaschenko jede politische Konkurrenz in den Machtorganen verunmöglicht. Sobald irgendein Beamter an politischer Bedeutung gewann, wurde er seines Amtes enthoben.    

Lukaschenko hat alle Mechanismen zum Machtwechsel komplett ausgeschaltet. Die Wahlen sind zum reinen Dekor geworden /Foto © Natalya Talanova/Tass Publication/Imago

Lukaschenkos politische Stütze ist der Staatsapparat. Während der akuten politischen Krise im Jahr 2020 kam es nicht zu einer Spaltung der Eliten, was eine wichtige Bedingung für den Sieg der Revolution gewesen wäre. Und zwar deswegen, weil es in Belarus keine einzige staatliche Institution gibt, die vom Volk gewählt wird, dem Volk Rechenschaft schuldet, vom Volk kontrolliert wird.  

Und natürlich verlässt sich Lukaschenko auf seine Silowiki. Daraus macht er auch keinen Hehl: „Die Vertikale ist stabil. Sie stützt sich auf den KGB und das MWD11. „Der KGB ist die Basis für eine starke Präsidialmacht.“12 

Viertens kann das wirtschaftlich ineffiziente belarussische Gesellschaftsmodell nur dank der Unterstützung aus Russland überleben. In manchen Jahren betrug die russische Wirtschaftshilfe rund 15 bis 20 Prozent des belarussischen BIP.  

Der Ego-Kult 

Lukaschenko hat ein Selbstbild, als verfügte er über übernatürliche Fähigkeiten. Er suhlt sich in Größenwahn und Überlegenheitsgefühl. Immer wieder erzählt er bei öffentlichen Auftritten Geschichten davon, wie jahrelang bettlägerige Kranke dank ihm, dem Führer, wieder gesund wurden. So erzählt er über Boris Jelzin, den ehemaligen Präsidenten Russlands: „In Jelzins Umfeld hieß es immer: Boris Nikolajewitsch fehlt irgendwie der Elan, wir sollten wieder mal den belarussischen Präsidenten einladen. Der verleiht dem russischen Präsidenten dann wieder für drei, vier Monate Flügel. Es hieß, Jelzin würde von mir eine ordentliche Ladung Energie bekommen.“13 Lukaschenko begann von sich zu sprechen wie von einem Heiligen: „Ich bin makellos“14; „Ich bin der (seelen)reinste Präsident der Welt!“15 

Die bizarrsten Formen nimmt Lukaschenkos Drang zum Größenwahn an, wenn er an Sportwettkämpfen und Eishockeyspielen teilnimmt und immer den Sieg davonträgt. Sein Kindheitstraum, Sportstar zu werden, ein Idol für Tausende Fans, die ihn von den Tribünen herunter bejubeln, wird nun auf groteske Weise wahr. Dank der staatlichen Behörden sind diese Wettkämpfe Ereignisse von nationaler Bedeutung. Es werden Unsummen ausgegeben, um berühmte Sportler einzuladen. Und um den Präsidenten mit vollbesetzten Tribünen zu erfreuen, werden Schüler und Studenten vom Unterricht befreit und reihenweise unter Aufsicht ihrer Lehrer ins Stadion oder in die Eishalle gekarrt. Die ganze Führungsriege des Landes wohnt solchen Events bei. Und die staatlichen Medien berichten darüber mit einer Ernsthaftigkeit, als ginge es um wichtige politische Nachrichten.  

Lukaschenkos Hang zum Populismus und der Wunsch, seiner anspruchslosen Wählerschaft zu gefallen, führen dazu, dass er nie ein Blatt vor den Mund nimmt und Sachen sagt, die so gar nicht zu einem Staatsoberhaupt passen. Sein politischer Stil lässt sich nicht ins Konzept von Political Correctness zwängen.     

Ein Protestmarsch im August 2020 in der belarussischen Hauptstadt Minsk / Foto © Homoatrox/Wikimedia unter CC BY-SA 3.0

Das Jahr des Umbruchs  

Zu Beginn seiner Präsidentschaft wurde Lukaschenko tatsächlich von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Doch während seiner 30-jährigen Amtszeit ist eine neue Generation herangewachsen. Die Massenproteste 2020 zeigten, dass das archaische sozioökonomische und politische System sowie die autoritären Regierungsmethoden bei den meisten Leuten Abscheu erregen. In Belarus haben wir heute auf der einen Seite eine immer moderner werdende Gesellschaft, die auf Veränderungen abzielt und sich vom staatlichen Paternalismus befreien will, und auf der anderen Seite die Staatsmacht, die am Status quo festhält. Die Gesellschaft wächst über den Staat hinaus, in dessen Rahmen es ihr zu eng geworden ist. Doch Lukaschenko merkt nicht einmal, dass er und sein Land in unterschiedlichen historischen Epochen leben.

Und auch hier ist passiert, was praktisch allen Diktatoren passiert, die zu lange an der Macht sind: Die Staatsmacht hat den Draht zur Gesellschaft verloren. Im Laufe dieser 30 Jahre hat Lukaschenko es nicht geschafft, mit seinem Volk und dessen Problemen wirklich in Berührung zu kommen. Begegnungen mit der Bevölkerung werden gründlich vorbereitet und durchinszeniert, die Teilnehmer sorgfältig ausgewählt. So verliert selbst ein talentierter Politiker das Gefühl für das Volk. Seine Wahrnehmung der Welt wird inadäquat. Und dann sind ihm in Krisenzeiten, sei es aufgrund der Covid-Pandemie oder im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen, ein Fehler nach dem anderen unterlaufen. In jenem denkwürdigen Jahr 2020 traf er die schlechtesten aller möglichen Entscheidungen. Zum Beispiel ließ er alle Präsidentschaftsanwärter, die ihm gefährlich werden konnten, verhaften, die vermeintlich „schwache“ Swetlana Tichanowskaja jedoch kandidieren, in der festen Überzeugung, es würde sowieso keiner eine Frau wählen, schon gar nicht eine Hausfrau. Der Protest wurde mit roher Gewalt niedergeschlagen. Lukaschenko erlitt selbst wohl ein psychisches Trauma: Zerstört war sein Image als „Volkspräsident“, das er jahrzehntelang so gepflegt hatte. Dabei hatte er ernsthaft an seine Mission geglaubt, das Volk zu vertreten. „Ich glaube, dass nichts und niemand in der Lage ist, einen Keil zwischen den Präsidenten und das Volk zu treiben, das ihn gewählt hat“16, sagte er mal zu Beginn einer neuen Amtszeit.   

Wahrscheinlich dachte er, sein Volk hätte sich von ihm abgewandt. Hatte er doch in den letzten Jahrzehnten immer wieder seine enge Beziehung zum belarussischen Volk betont. Als die Proteste gegen ihn begannen, hatte Lukaschenko ein paar Wochen lang Angst, im Auto durchs Land zu fahren, und flog mit dem Hubschrauber. Als sich seiner Residenz eine Menschenmenge näherte, zog er sich eine kugelsichere Weste an, nahm ein Maschinengewehr, stieg mit Sohn Kolja in einen Hubschrauber und flog von dannen. Die Bilder des flüchtenden Präsidenten sah ganz Belarus. 
 

Lukaschenkos Rache: Oppositionelle wie Maxim Snak und Maria Kolesnikowa wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt / Foto © Imago/Itar-Tass

Die erlittene seelische Verletzung drängte auf Revanche. Diese entlud sich in politischem Terror. In Belarus gibt es heute rund eineinhalb tausend politische Gefangene. Es gibt Folter. Im ganzen Land gibt es weiterhin Razzien, Verhaftungen und Strafverfahren. Die Menschen werden nicht wegen oppositioneller Tätigkeiten festgenommen, sondern weil sie eine andere Meinung haben und entsprechende Kommentare oder auch nur Likes in sozialen Netzwerken hinterlassen. Viele Oppositionelle werden zu Haftstrafen von über zehn Jahren verurteilt, wie es unter Stalin üblich war. Lukaschenko gibt offen zu, dass auf seinen Befehl hin Verwandte von Oppositionellen oder politischen Häftlingen verfolgt werden. Die Evolution eines autoritären hin zu einem totalitären System läuft. Um an der Macht zu bleiben, unterstützt Lukaschenko in vollem Umfang Russland im Krieg gegen die Ukraine und macht Belarus damit zum Beteiligten der Aggression. Für die Präsidentschaftswahlen 2025 hat Lukaschenko seine abermalige Kandidatur bereits angekündigt.


1.Imja, 6. November 1997 
2.Belorussija i Rossija: obschtschestwa i gossudardstwa, Moskau 1998, S. 260 
3.Sowerschenno sekretno, 1997, Nr 9 
4.Nemiga, 2000, Nr. 2, S. 35 
5.Sowetskaja Belorussija, 1. September 1994 
6.Femida, 22. Januar 1996 
7.Swaboda, 12. November 1996 
8.https://news.tut.by/economics/695690.htm 
9.Nasha Niva: Abstrukcyja, zroblenaja Lukašėnku rabotnikami MZKC, stala najmacnejšym psichalagičnym udaram 
10.Komsomolskaja prawda w Belorussiji, 20. Juni 2006 
11.Femida, 1995, Nr. 3 
12.Belorusskaja delowaja gaseta, 23. Dezember 1996 
13.Sowerschenno sekretno, 1997, Nr. 9 
14.Belorusskaja delowaja gaseta, 6. März 2002 
15.Fernsehauftritt am 17. September 2002 
16.Sowetskaja Belorussija, 20. Oktober 1996 
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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)