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Warum Lukaschenko nicht freiwillig gehen wird

Auch vergangenen Sonntag, am 22. November 2020, gingen die Belarussen beim Marsch gegen den Faschismus wieder auf die Straße, um gegen Machthaber Alexander Lukaschenko zu protestieren. In der Hauptstadt Minsk hatten sich die Demonstranten eine andere Taktik ausgedacht, um der Strategie der Aufreibung durch OMON und andere Spezialeinheiten entgegenzuwirken. Diesmal formierten sich die Bewohner in den Bezirken selbst zu Kolonnen, waren ausschließlich in ihren Rajony unterwegs und zielten nicht darauf ab, sich im Zentrum mit anderen Menschenmengen zusammenzuschließen. Dennoch wurden fast 400 Personen festgenommen. Seit Monaten scheint das Regime nur eine Art der Konfliktlösung zu verfolgen: den der Gewalt und der Repressionen. Über diesen eindimensionalen Weg sagte die Belaruskennerin Astrid Sahm in einem Interview mit der Deutschen Welle: „Aber wenn dies der einzige Schritt ist, dann ist es ein Schritt ins Nirgendwo.“

Lukaschenko hat seit August, als die Proteste im Zuge der Präsidentschaftswahl an Fahrt aufnahmen, auch immer wieder Dialogangebote oder Verfassungsreformen in den Raum gestellt. Für Januar ist eine sogenannte Allbelarussische Volksversammlung angekündigt, die Lösungsvorschläge erörtern soll. Gleichzeitig hat Lukaschenko häufig betont, dass er seinen Posten, den er bereits seit 1994 innehat, nicht freiwillig räumen werde. Sind die Dialogangebote von Seiten Lukaschenkos also ernst zu nehmen? Verstehen Machtvertikale und Silowiki-Strukturen überhaupt, wie ernst die Lage ist? Wie geht es weiter in Belarus?

Diesen Fragen geht der renommierte Analytiker und Journalist Alexander Klaskowski in einem Beitrag für das belarussische Internetportal Naviny nach. Dabei zeigt er auch auf, wie umfassend und tiefgreifend die Krise in Belarus tatsächlich ist.

Quelle BelaPAN/Naviny.by

„Ich werde diesen Posten verlassen, wenn es an der Zeit ist. Wozu denn ‚sofort‘? ‚Sofort‘ ist gefährlich. Mit Verabschiedung der Verfassung und so weiter plane ich jetzt präzise und fristgemäß auf einer landesweiten Volksversammlung öffentlich zu erklären, wie und unter welchen Umständen wir weiter vorgehen“, erklärte Lukaschenko.

Mit wem will sich der Machthaber einigen? 

Der Mann, der seit 27 Jahren [sic!] an der Macht ist, hatte vor nicht allzu langer Zeit schon einmal eingestanden, er würde „schon ein wenig zu lange auf diesem Posten sitzen“. Darüber, dass er die Macht satthabe, lamentiert er seit Anfang der 2000er Jahre. Nur ist nach seiner Auslegung nie der richtige Zeitpunkt, um zu gehen, weil innere und äußere Feinde das Land bedrohen. Obendrein ist der Machthaber ja großherzig und will seine Gefährten nicht den Wölfen zum Fraß vorwerfen. 

Diese Haltung klang auch in einem Interview vom 13. November an: „Außer Belarus habe ich nichts. Ich habe mich daran festgeklammert und lasse es nicht los. Weil ich weiß, was ihm zustoßen könnte. Und ihr auch, ihr wisst, was ihm zustoßen wird. Ich kann die Menschen nicht verraten und im Stich lassen.“

Nun ja, er sitzt dort schon zu lange, andererseits hat er Angst ums Land. Was ist die Lösung? Nach Auffassung des Machthabers „muss man sich in Ruhe einigen. Beim Abgang Lukaschenkos möge im Land Ruhe und Frieden herrschen. Alle Regierungsorgane mögen funktionieren. Es bedarf einer friedlichen und ruhigen Atmosphäre. Und fair möge es sein. Wählt das Volk diesen, so soll er es sein, wählt es jenen, so soll es jener sein ...“

Gut, aber mit wem will sich Lukaschenko einigen? Er äußerte sich positiv über die Initiative von Juri Woskressenski, der aus der Untersuchungshaft des KGB entlassen wurde: Der habe „schon ein paar Dutzend Leute um sich versammelt, die an dem Dialog teilnehmen werden“. Lukaschenko versprach, sich mit ihnen zu treffen.  

Damit nannte er Punkte eines Projekts, hinter dem selbst ein Blinder den Geheimdienst sieht: ein Pseudodialog mit einer Pseudoopposition. Gleichzeitig verkündete der Machthaber, „mit Verrätern und Terroristen“ sei er zu keinem Dialog bereit. Unter diese Kategorie fallen offensichtlich alle, die beim Projekt „Woskressenski“ nicht mitmachen wollen. 

Auch den Dialog mit seiner wichtigsten Gegnerin Swetlana Tichanowskaja hat Lukaschenko abgelehnt: „Was soll ich mit einem Menschen besprechen, der mich gebeten hat: ‚Helfen Sie mir, Belarus zu verlassen, ich möchte zu meinen Kindern (sie hatte ihre Kinder vorsorglich nach Litauen geschickt).‘ Sie hat Belarus verlassen und schadet dem Land mit allen Mitteln. Was soll ich mit ihr besprechen? Wir haben keine gemeinsamen Themen.“

Wer soll denn das Affentheater glauben? 

Lassen wir die Frage beiseite, warum Tichanowskaja in Vilnius ist (laut ihren Bekannten war sie schwerster Erpressung durch ranghohe Sicherheitsbeamte ausgesetzt).

Wie dem auch sei, es gibt genug Beweise, dass am 9. August 2020 Millionen Belarussen für Tichanowskaja gestimmt haben. Sie vom Dialog auszuschließen, bedeutet, den Willen dieser Millionen Bürger zu ignorieren, die immer noch in Belarus sind und sich nicht damit abfinden werden, dass man ihre Stimmen stiehlt. 

Gleichzeitig werden die Protestierenden dämonisiert, als Radikale oder Abfall der Gesellschaft verunglimpft. Hier widerspricht sich Lukaschenko allerdings selbst, wenn er im selben Atemzug verkündet, es gingen nur Bewohner aus Luxusbezirken auf die Straße, die völlig übersättigt seien. So oder so werden auch diese Menschen vom Dialog ausgeschlossen. Wie kann dann überhaupt noch von einer Befriedung der Gesellschaft die Rede sein?

„Sie sollten Protestierende nicht mit Oppositionellen verwechseln. Die haben nichts gemeinsam“, erklärte Lukaschenko. Er plant also eine gemütliche Zusammenkunft unter Gleichgesinnten, und zur Augenwischerei sind ein paar Pseudo-Oppositionelle (mittlerweile sicher Spitzel beim Geheimdienst) mit von der Partie. Aber wer soll diesem Affentheater glauben?

Weiterhin setzt er immer noch auf die einzig dekorativen Zwecken dienende Allbelarussische Volksversammlung, in der es gar keinen Widerstand gegen seinen Verfassungsentwurf geben kann. Anders gesagt: Lukaschenko will die neue Verfassung in tiefstem Eigeninteresse schreiben.  

Ein Referendum unter Machtmissbrauch und Willkür?

Zugegeben, der Machthaber verspricht Befugnisse abzugeben, einige davon sogar schon jetzt: „Wir haben 57 oder 70 Befugnisse des Präsidenten gezählt, die nach der jetzigen Verfassung auch anderen Regierungsorganen überantwortet werden können.“ Schon die Zahl dieser großzügig abzugebenden Befugnisse lässt vermuten, dass es sich dabei um Peanuts handelt. 

Zudem soll die neue Verfassung durch ein Referendum bestätigt werden. Wohlgemerkt unter demselben Regime, das nicht einmal mehr seine eigenen, oftmals drakonischen Gesetze ausführt. Mit derselben Zentralen Wahlkommission, die zu 120 Prozent von Lukaschenko kontrolliert wird. Und höchstwahrscheinlich nach demselben Muster des Machtmissbrauchs wie die letzte Präsidentschaftswahl. Denn anders könnte Lukaschenko kein Referendum gewinnen, wenn man bedenkt, wie viele Belarussen seine Politik ablehnen. 

Hält man das Referendum allerdings unter Machtmissbrauch und Willkür ab, könnte eine noch größere Protestwelle folgen. Zum anderen wäre eine Verfassung, die Lukaschenko durchbringt, indem er die Meinungsfreiheit erstickt, wertlos und sicher kein Ausweg aus der innenpolitischen Krise.

Aus Lukaschenkos Aussagen vom 13. November geht außerdem klar hervor, dass die Repressionen nicht aufhören werden. Er prophezeit eine Wirtschaftskrise und einen heißen Frühling. Was mit der Wirtschaft zu tun ist, davon hat der Machthaber keine Ahnung, aber den heißen Frühling will er mit allen Mitteln verhindern. 

„Es ebbt ab – sie brauchen gewichtige Ereignisse, um die Proteststimmung wieder anzuheizen und bis zum Frühling durchzuhalten, wie sie es vorhatten. Aber wir werden säubern, wir werden sie finden – wir kennen jeden einzelnen von ihnen“, versprach Lukaschenko. Wenn das mal keine Einladung zum Dialog ist!

Was will die Gesellschaft nur bloß?

Wichtig ist außerdem, dass Lukaschenko die Ereignisse im Land als einen vom Ausland befeuerten Aufstand darstellt. Er versichert, seine politischen Gegner wollten „Belarus zu einer Provinz Polens machen“. Während in ausländischen Zentren, die für Aufruhr sorgten, Amerikaner säßen, „die leider ein zweites Zentrum in der Ukraine errichtet haben. Damit sie gegen Belarus arbeiten können. Aber wir haben dieses Zentrum im Blick“.

Die Interviewer haben leider nicht nachgehakt, was denn aus den militärischen Ausbildungszentren bei Pskow und Newel geworden sei, von denen die Silowiki vor den Wahlen gesprochen hatten. Damals kursierte noch die Legende, dass die Strippenzieher im imperialen Russland säßen. Und wohin sind eigentlich die zweihundert russischen Soldaten verschwunden, die sich angeblich in den belarussischen Wäldern versteckten?

Aber wir wollen uns nicht an Details hochziehen. Wichtig ist hier die Denkweise. Lukaschenko und seine Clique halten es scheinbar für ausgeschlossen, dass die Belarussen ohne Strippenzieher etwas ganz Grundlegendes wollen, wovon schon Kupala vor hundert Jahren schrieb: „Sich Mensch Nennen.“

In einem Interview erklärte Lukaschenko, in Belarus hätte es keine Gründe für Protest gegeben, nichts hätte auf ihn hingedeutet. Das zeugt davon, dass die Machthaber so in ihre Verschwörungstheorien verstrickt sind, dass sie die Gründe für die innenpolitische Krise und den Kern der Forderungen der Avantgarde (mittlerweile allerdings schon der Mehrheit) der Gesellschaft tatsächlich nicht verstehen. Bei einer solchen Diskrepanz der Auffassungen dürfte es grundsätzlich schwierig werden, sich auf einen Ausweg aus der Krise zu einigen.

Lukaschenko und einige seiner hochrangigen Amtsträger (Natalja Kotschanowa, Wladimir Karanik und andere) scheinen aufrichtig nicht zu begreifen, warum diese wohlgenährten Menschen, die nicht in Lumpen herumlaufen, protestieren? Was wollen sie noch? Offenbar hat den Leuten in der Führungsriege nie jemand Maslows Pyramide auf den Schreibtisch gestellt. Weder im Weltbild noch im Wortschatz von Lukaschenko und seinem Umfeld gibt es den Begriff der Freiheit.

Deswegen ist das heutige, nennen wir es, mit Verlaub, Establishment per se gar nicht in der Lage den Forderungen nach einem Wandel gerecht zu werden. Es sieht den Ausweg in der Erstickung dieser Forderung. Eine lästige Angelegenheit.

Der Wandel wird sehr dramatisch

„Auf den Bajonetten der NATO in Belarus wird das Glück des belarussischen Volkes nicht gründen“, erklärte Lukaschenko in belehrendem Ton. Ja – aber auf den Gummiknüppeln der OMON wird solches Glück erst recht nicht gründen.

Auf Gummiknüppel zu setzen (zudem das Wirtschaftssystem vor die Wand gefahren ist) bedeutet, dass Belarus auch fürderhin zittern und schütteln wird. Und Lukaschenko wird es immer so vorkommen, dass es nicht an der Zeit ist zu gehen.

In dem Interview am 13. November hat er dargelegt : „Was, wenn es keinen Lukaschenko geben würde? Dann würde heute niemand dieses Land zusammenhalten. Es würde in Stücke gerissen.“

Er hat sich allerdings verplappert, dass er „unter ruhigen, friedlichen Umständen“ bereit sei, „nach Russland zu gehen“, um dort „zu leben und zu arbeiten“. Doch es sieht so aus, als hätte er das um der schönen Worte willen gesagt, denn anschließend war zu hören: „Doch Ihnen wird klar sein, was dann mit ihnen (das ist zu übersetzen als: seinen Mitstreitern, Anhängern, Staatsbeamten, Silowiki und so weiter – A. K.) passiert? Sie werden in Stücke gerissen.“

Wir stecken hier in einer Sackgasse. Das Regime baut auf eine Befriedung der Gesellschaft mit Hilfe von Repressionen. Doch Tatsache ist, je länger und brutaler sie sind, desto mehr Zorn wird sich in der Gesellschaft anhäufen. Und desto schärfer und unentrinnbarer wird die Angst der Machtelite, der Silowiki (und nicht nur sie – derzeit sind alle staatlichen Strukturen an den Repressionen beteiligt) vor Vergeltung.

Unter Lukaschenko ist keinerlei Stabilität mehr möglich. Auch Vertrauen in den morgigen Tag wird es mit ihm nicht mehr geben. Die Perspektive, dass er politischen Gegnern Platz machen, dass es eine ernsthafte (und keine, wie jetzt geplante, dekorative) Erneuerung des politischen Systems, einen Machtwechsel geben wird, wird sich zu einer Katastrophe auswachsen.

Und wenn er emotional erklärt: „Kein Machtwechsel! Keine Amtsnachfolger!“, dann wirkt es so, als wolle er den ekelhaften Gedanken verjagen, dass er irgendwann irgendwem seinen Sessel wird überlassen müssen. Er ist zu verliebt in die Macht, zu misstrauisch und hat zu große Angst um seine und seiner Nächsten Sicherheit im Falle seines Abtretens.

Und das heißt, dass der Wandel in Belarus sehr dramatisch wird.
 

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Alexander Lukaschenko

Im Jahr 2024 feiert Alexander Lukaschenko zwei runde Jubiläen: Seinen 70. Geburtstag und 30 Jahre im Amt. Er wurde 1954 geboren. Über seinen Vater ist nichts bekannt, seine Mutter, Melkerin in einer Kolchose, hat ihn allein aufgezogen. Sie lebten in Armut. Auf die Frage eines Journalisten: „Wie lebten Sie als Kind?“ sagte Lukaschenko, damals bereits Präsident: „Bettelarm war ich!“1 Allem Anschein nach wurde die alleinstehende Mutter von den Dorfleuten gepiesackt. Uneheliche Kinder waren damals gesellschaftlich nicht akzeptiert. Der Publizist Alexander Feduta, nunmehr aus politischen Gründen inhaftiert, beschreibt Lukaschenko folgendermaßen: „Wir haben es mit einem typischen komplexbehafteten Dorfjungen zu tun, vaterlos oder, wie es auf dem belarussischen Land heißt, ein bajstruk.“2  

Wie schaffte es dieser Dorfjunge aus dem Osten von Belarus an die Spitze der Macht in seinem Land, die er als Diktator schließlich an sich riss? Wie gelang es Lukaschenko, ein System zu errichten, das die belarussische Gesellschaft bis heute unter Kontrolle hat? Waleri Karbalewitsch, Autor einer Lukaschenko-Biographie, über das autoritäre Machtgefüge in Belarus. 

Der Weg zur Macht 

Anhand der Bruchstücke, die Lukaschenko über seine ersten Lebensjahre preisgibt, gewinnt man keineswegs den Eindruck einer glücklichen Kindheit, ganz im Gegenteil. Wir sehen Neid auf andere Kinder, die mit mehr Wohlstand gesegnet waren, den Komplex eines zu kurz gekommenen Menschen. „Die 1950er Jahre waren eine schwere Zeit, eine furchtbare Not. Ich weiß noch, was für ein Kampf bei uns im Dorf herrschte. Wer stärker war, überlebte, Familien mit kräftigen Männern und Vätern hatten es leichter. Ich hab meinen Teil wegbekommen …“, sagte Lukaschenko.3 
 

„Die junge Generation wählt Alexander Lukaschenko.“ Wahlwerbung zu den Präsidentschaftswahlen im Jahr 1994 / Foto © Archiv/Tut.by 

Nach der Wahl zum Präsidenten im Jahr 1994 nahm Lukaschenko seine Frau bekanntlich nicht mit nach Minsk. Nach ein paar Monaten machte ein Witz die Runde, von dem böse Zungen behaupten, er sei die reine Wahrheit: Frau Lukaschenko habe auf die Frage von Nachbarn, warum sie ihm nicht hinterherfahre, geantwortet: „Ach, mein Saschka bleibt doch nie irgendwo länger als zwei Jahre.“ 

Tatsächlich beeindruckt sein Lebenslauf, bevor er Präsident wurde, durch häufige Arbeitsplatzwechsel. Paradoxerweise ist der einzige Posten, den er jemals länger innehatte, das Präsidentenamt.  

Die häufigen Jobwechsel zeugen von Lukaschenkos Unverträglichkeit. Fast überall war seine Tätigkeit von Konflikten begleitet. Seine Frau erinnerte sich: „Wo auch immer er war, immer und überall schlug er sich mit seiner Sturheit und Direktheit die Nase an. Natürlich war das störend. Misserfolge und Kränkungen vertrug er ganz schlecht.“4 Der psychologische Begriff hierfür ist Fehlanpassung, also, die Unfähigkeit, sich an soziale Normen anzupassen, die es in jeder Gesellschaft gibt. Das hinderte ihn daran, Karriere zu machen und im sowjetischen System ein hohes Amt zu ergattern. Er wirkte eher wie ein Außenseiter, ein Loser.  

Doch mit Beginn der Perestroika, mit Glasnost und Demokratisierung, waren diese Charakterzüge, die ihm früher so im Weg gestanden hatten (weil sie zu Konflikten mit der Obrigkeit führten), plötzlich von Vorteil. In dieser Zeit des Kampfes gegen die Parteinomenklatur, die sich mit Händen und Füßen gegen Reformen sträubte, erfreuten sich mutige Akteure, die sich entschlossen zeigten, immer größerer Beliebtheit. Und Lukaschenko passte reibungslos ins Bild eines Kämpfers für Gerechtigkeit, eines Siegers über das System. Außerdem entdeckte er sein Talent zum Politiker, der in der Öffentlichkeit steht, vor Publikum spricht, dessen Aufmerksamkeit er bannt. Also stürzte er sich Hals über Kopf in die Politik, eine für ihn ganz neue Sphäre, in der er sich bald zu Hause fühlte. 1990 machte er den Schritt vom Direktor einer Provinz-Sowchose zum Abgeordneten des Obersten Sowjets der BSSR. Die Sitzungen dieses Machtorgans wurden damals live im Fernsehen übertragen. Lukaschenko trat häufig auf, hatte zu allen Themen etwas zu sagen. Bald kannte ihn das ganze Volk.  

Wie so oft in der Geschichte ging es auch hier nicht ohne Zufall. Um einen politischen Höhenflug zu schaffen, muss einer auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde der Oberste Sowjet zum Parlament des unabhängigen Belarus, und Lukaschenko wurde zum Vorsitzenden einer parlamentarischen Kommission zur Bekämpfung der Korruption gewählt. Diesen Posten wusste er höchst effektiv für sich zu nutzen, nannte sich gar den obersten Korruptionsbekämpfer des Landes. Unter anderem deswegen konnte er bei den Präsidentschaftswahlen 1994 einen triumphalen Sieg einfahren. Lukaschenko war der Inbegriff des „Volkskandidaten“. Seine ganze Erscheinung, seine Kultur, seine Sprache und seine Art zu sprechen, das war dem Volk alles sehr nah und vertraut. Viele Menschen konnten sich mit ihm identifizieren. 

Natürlich war er nicht sofort ein Diktator. Anfangs waren seine Reden von Enthusiasmus und dem aufrichtigen Wunsch geprägt, dem Volk zu dienen und das Land so schnell wie möglich aus der Krise zu führen. Er sagte: „Schweißausbrüche bereitet mir nur der Gedanke, die Versprechen nicht einlösen zu können, die ich den Menschen bei den Wahlen gegeben habe.“5 Für den Fall seines Scheiterns zog er sogar einen freiwilligen Rücktritt in Betracht. 

 

Lukaschenko bei seiner Inauguration am 20. Juli 1994 im Obersten Sowjet, noch neben der weiß-rot-weißen Fahne, der damaligen Staatsflagge, die heute verboten ist.

Machthunger und Gewaltenteilung 

Bald nach seinem Amtsantritt stieß Lukaschenko auf das, was man Gewaltenteilung nennt. Völlig überraschend für ihn: Es gab ein Parlament und ein Verfassungsgericht, die ebenfalls einen Teil der Macht für sich beanspruchten. Für Lukaschenko war das inakzeptabel. In seiner Vorstellung ist wahre Macht nur absolute Macht. Der neue Präsident wies also ein allgemein anerkanntes Element der Demokratie wie die Gewaltenteilung, die Checks and Balances einer Regierung, entschieden von sich. 1996 verkündete er, das Prinzip der Gewaltenteilung sei „eine Bedrohung für unseren Staat“6 geworden. „Werft dieses Gleichgewicht, diese Balance und Kontrolle aus euren Köpfen!“; „Ich will, dass der Staat ein Monolith ist“7, sagte Lukaschenko. 

Ganze zwei Jahre war er damit beschäftigt, andere Zentren der Macht zu beseitigen und zu zerstören. Das geschah unter anderem mithilfe eines gefälschten Referendums über eine neue Verfassung, das Politiker und Juristen einen Staatsstreich nannten. Ende 1996 hatte er ein personalistisches autoritäres Regime installiert, in dem nur eine einzige staatliche Institution tatsächlich Einfluss hat: Alexander Lukaschenko. Wahlen wurden zur Fiktion, die Opposition wurde aus allen staatlichen Einrichtungen geworfen, und der Staat erhielt das Monopol auf alle TV- und Rundfunksender.        

Lukaschenkos dominanter Charakterzug, die Kernidee seiner Weltanschauung ist ein grenzenloser Machthunger, der vor nichts haltmacht. Allem Anschein nach ist dieses Streben nach Allmacht der Grund dafür, dass Lukaschenko sich strikt weigert, die Todesstrafe abzuschaffen oder ein Moratorium darüber zu verhängen. Denn das Recht, einen Menschen bis hin zur Tötung zu bestrafen oder auch zu begnadigen, galt schon in alten Zeiten als einer der wichtigsten Faktoren der Macht. Deswegen ist Belarus das einzige Land Europas, in dem die Todesstrafe zur Anwendung kommt. 

An Lukaschenkos Äußerungen sieht man, dass für ihn die Frage nach der Macht eine Frage von Leben und Tod ist. Wenn er seinen Opponenten vorwirft, ihn seines Amtes entheben zu wollen, so ist das für ihn dasselbe wie ein Mordanschlag. Der Führer hat keinen Zweifel: Verliert er die Macht, rechnet er mit einem schrecklichen Gericht für sich. Ein Leben ohne Macht kann Lukaschenko sich nicht vorstellen: Es verliert seinen Sinn. Als er 2020 dem ukrainischen Talkmaster Dmytro Gordon ein Interview gab, sagte Lukaschenko auf die Frage, ob er nicht zurücktreten wolle: „Ich kenne ja nur diese Lebensart … Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Gut, also schön, ich bin nicht mehr Präsident – und was mach ich dann morgens nach dem Aufstehen?“8 An den kritischen Tagen der Massenproteste 2020 wiederholte Lukaschenko immer wieder, er werde an der Macht bleiben, solange er lebe. Bei einem Auftritt in der Radschlepperfabrik am 17. August 2020 verkündete er: „Solang ihr mich nicht umbringt, wird es keine anderen Wahlen geben.“9     

Die Abgeordneten der BNF während des Hungerstreiks aus Protest gegen Lukaschenkos umstrittenes Referendum im Jahr 1996 / Foto © Archiv/Tut.by 

Die Ideologie des Systems 

Das Lukaschenko-Regime ist auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR das prosowjetischste. Lukaschenko betont immer wieder, dass seine Vorlage für den Aufbau eines Staats die sowjetische Gesellschaftsordnung sei, und Lenin und Stalin nennt er „Symbole unseres Volkes“10. Als Wappen und Fahne der Republik Belarus bestimmte er die Symbolik der zur Sowjetunion gehörigen BSSR in leicht abgeänderter Form. Die Namen von Straßen und Plätzen sowie die Denkmäler sind seit der Sowjetzeit unverändert geblieben. Belarus ist das einzige postkommunistische Land, in dem der KGB noch immer KGB heißt.  

Lukaschenko lehnte von Anfang an die Ideologie des belarussischen ethnokulturellen Nationalismus ab. Mit Hilfe eines Referendums drängte er die belarussische Sprache an den Rand und tauschte die weiß-rot-weiße Flagge und das Wappen in Folge eines weiteren umstrittenen Referendums aus. Die staatliche Propaganda setzt belarussischen Nationalismus mit Nazismus gleich. Und das nicht nur, weil Lukaschenko Moskau nicht reizen will, dem jeglicher Nationalismus in seinen Nachbarländern ein Dorn im Auge ist. Lukaschenkos traditionelle Wählerschaft ist russischsprachig, für sie existiert ohnehin keine belarussische Identität. Sein wichtigster politischer Gegner war lange die Partei BNF mit ihren nationalistischen Losungen.  

Der Hauptgrund für Lukaschenkos Aversion gegen Nationalismus ist aber, dass man damit eine Gesellschaft mobilisieren kann. Er formt eine Zivilgesellschaft, fördert horizontale Verbindungen, stimuliert die Solidarität. Lukaschenko aber braucht eine atomisierte Bevölkerung, die nur durch staatliche Institutionen zusammengehalten wird. Er braucht keine Gesellschaft als selbständiges Subjekt, das Verantwortung für das Schicksal ihres Landes übernimmt. 

Insgesamt kann man wohl sagen, dass dieses System keine greifbare Ideologie zu bieten hat. Die Narrative der Propaganda sind eklektisch, da mischen sich Elemente der sowjetischen Vergangenheit mit Ideologemen von Russki Mir, mit der Ablehnung von Liberalismus und westlichen Werten und so weiter. In gewissem Sinne ist dieser Mangel an Ideologie dem Regime sogar zuträglich, denn so kann es seine politische Linie je nach Konjunktur verändern. In Belarus gibt es keine Regierungspartei, die eine faktische Macht ausübt. Denn Lukaschenko hatte immer die Sorge, sie könnte eine von ihm unabhängige Elite konsolidieren. 

Gründe für die lange Herrschaft 

Wie ist es Lukaschenko gelungen, so lange an der Macht zu bleiben? Hier sind mehrere Faktoren zu bedenken. Erstens entsprach das belarussische Gesellschaftsmodell lange Zeit den Bedürfnissen und Vorstellungen, die die Mehrheit der Bevölkerung in Bezug auf Politik hatte. Es basierte auf staatlicher Dominanz in Wirtschaft und Sozialwesen – ein wirksames Instrument zur Kontrolle über die Gesellschaft, zur Umgehung der Gewaltenteilung und zur Herrschaft eines Einzelnen –, auf einer Partnerschaft mit Russland und einem Konflikt mit dem Westen. Der Großteil der Bevölkerung (Staatsbedienstete, Angestellte staatlicher Betriebe, Rentner) war finanziell vom Staat abhängig. Die Hemmung marktwirtschaftlicher Reformen führte zur Konservierung sozialer Strukturen.  

Zweitens spielte Lukaschenkos ausgeprägte politische Intuition eine Rolle, sein angeborenes Gespür, mit dem er das richtige Vorgehen oder eine Bedrohung erkennt, sein Charisma und auch sein Populismus, sein Talent, zum Volk in einer für sie verständlichen Sprache zu sprechen. Dem politischen Triumph des Diktators liegt in hohem Maße seine erstaunliche Fähigkeit, ja geradezu Kunstfertigkeit zugrunde, die Menschen zu manipulieren. Er ist ein begabter Schauspieler mit vielen Rollen im Repertoire, ein faszinierender Verwandlungskünstler. Je nachdem, wem er gerade gefallen will, kann er äußerst liebenswürdig sein. Seinen hauseigenen Stil macht aus, dass er bei ein und derselben Gelegenheit, oft sogar im selben Satz, widersprüchliche, manchmal sogar einander ausschließende Thesen formuliert. Und jeder Zuhörende hört das heraus, was ihm lieber ist, was ihm besser gefällt. 

Drittens hat Lukaschenko alle Mechanismen zum Machtwechsel komplett ausgeschaltet. Die Wahlen sind zum reinen Dekor geworden, sie beeinflussen nichts, und ihr Ergebnis ist im Voraus bekannt. Auf legalem Weg kann es in Belarus keinen Machtwechsel mehr geben. Und zu einer Revolution war die belarussische Gesellschaft vor 2020 nicht bereit. Außerdem hat Lukaschenko jede politische Konkurrenz in den Machtorganen verunmöglicht. Sobald irgendein Beamter an politischer Bedeutung gewann, wurde er seines Amtes enthoben.    

Lukaschenko hat alle Mechanismen zum Machtwechsel komplett ausgeschaltet. Die Wahlen sind zum reinen Dekor geworden /Foto © Natalya Talanova/Tass Publication/Imago

Lukaschenkos politische Stütze ist der Staatsapparat. Während der akuten politischen Krise im Jahr 2020 kam es nicht zu einer Spaltung der Eliten, was eine wichtige Bedingung für den Sieg der Revolution gewesen wäre. Und zwar deswegen, weil es in Belarus keine einzige staatliche Institution gibt, die vom Volk gewählt wird, dem Volk Rechenschaft schuldet, vom Volk kontrolliert wird.  

Und natürlich verlässt sich Lukaschenko auf seine Silowiki. Daraus macht er auch keinen Hehl: „Die Vertikale ist stabil. Sie stützt sich auf den KGB und das MWD11. „Der KGB ist die Basis für eine starke Präsidialmacht.“12 

Viertens kann das wirtschaftlich ineffiziente belarussische Gesellschaftsmodell nur dank der Unterstützung aus Russland überleben. In manchen Jahren betrug die russische Wirtschaftshilfe rund 15 bis 20 Prozent des belarussischen BIP.  

Der Ego-Kult 

Lukaschenko hat ein Selbstbild, als verfügte er über übernatürliche Fähigkeiten. Er suhlt sich in Größenwahn und Überlegenheitsgefühl. Immer wieder erzählt er bei öffentlichen Auftritten Geschichten davon, wie jahrelang bettlägerige Kranke dank ihm, dem Führer, wieder gesund wurden. So erzählt er über Boris Jelzin, den ehemaligen Präsidenten Russlands: „In Jelzins Umfeld hieß es immer: Boris Nikolajewitsch fehlt irgendwie der Elan, wir sollten wieder mal den belarussischen Präsidenten einladen. Der verleiht dem russischen Präsidenten dann wieder für drei, vier Monate Flügel. Es hieß, Jelzin würde von mir eine ordentliche Ladung Energie bekommen.“13 Lukaschenko begann von sich zu sprechen wie von einem Heiligen: „Ich bin makellos“14; „Ich bin der (seelen)reinste Präsident der Welt!“15 

Die bizarrsten Formen nimmt Lukaschenkos Drang zum Größenwahn an, wenn er an Sportwettkämpfen und Eishockeyspielen teilnimmt und immer den Sieg davonträgt. Sein Kindheitstraum, Sportstar zu werden, ein Idol für Tausende Fans, die ihn von den Tribünen herunter bejubeln, wird nun auf groteske Weise wahr. Dank der staatlichen Behörden sind diese Wettkämpfe Ereignisse von nationaler Bedeutung. Es werden Unsummen ausgegeben, um berühmte Sportler einzuladen. Und um den Präsidenten mit vollbesetzten Tribünen zu erfreuen, werden Schüler und Studenten vom Unterricht befreit und reihenweise unter Aufsicht ihrer Lehrer ins Stadion oder in die Eishalle gekarrt. Die ganze Führungsriege des Landes wohnt solchen Events bei. Und die staatlichen Medien berichten darüber mit einer Ernsthaftigkeit, als ginge es um wichtige politische Nachrichten.  

Lukaschenkos Hang zum Populismus und der Wunsch, seiner anspruchslosen Wählerschaft zu gefallen, führen dazu, dass er nie ein Blatt vor den Mund nimmt und Sachen sagt, die so gar nicht zu einem Staatsoberhaupt passen. Sein politischer Stil lässt sich nicht ins Konzept von Political Correctness zwängen.     

Ein Protestmarsch im August 2020 in der belarussischen Hauptstadt Minsk / Foto © Homoatrox/Wikimedia unter CC BY-SA 3.0

Das Jahr des Umbruchs  

Zu Beginn seiner Präsidentschaft wurde Lukaschenko tatsächlich von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Doch während seiner 30-jährigen Amtszeit ist eine neue Generation herangewachsen. Die Massenproteste 2020 zeigten, dass das archaische sozioökonomische und politische System sowie die autoritären Regierungsmethoden bei den meisten Leuten Abscheu erregen. In Belarus haben wir heute auf der einen Seite eine immer moderner werdende Gesellschaft, die auf Veränderungen abzielt und sich vom staatlichen Paternalismus befreien will, und auf der anderen Seite die Staatsmacht, die am Status quo festhält. Die Gesellschaft wächst über den Staat hinaus, in dessen Rahmen es ihr zu eng geworden ist. Doch Lukaschenko merkt nicht einmal, dass er und sein Land in unterschiedlichen historischen Epochen leben.

Und auch hier ist passiert, was praktisch allen Diktatoren passiert, die zu lange an der Macht sind: Die Staatsmacht hat den Draht zur Gesellschaft verloren. Im Laufe dieser 30 Jahre hat Lukaschenko es nicht geschafft, mit seinem Volk und dessen Problemen wirklich in Berührung zu kommen. Begegnungen mit der Bevölkerung werden gründlich vorbereitet und durchinszeniert, die Teilnehmer sorgfältig ausgewählt. So verliert selbst ein talentierter Politiker das Gefühl für das Volk. Seine Wahrnehmung der Welt wird inadäquat. Und dann sind ihm in Krisenzeiten, sei es aufgrund der Covid-Pandemie oder im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen, ein Fehler nach dem anderen unterlaufen. In jenem denkwürdigen Jahr 2020 traf er die schlechtesten aller möglichen Entscheidungen. Zum Beispiel ließ er alle Präsidentschaftsanwärter, die ihm gefährlich werden konnten, verhaften, die vermeintlich „schwache“ Swetlana Tichanowskaja jedoch kandidieren, in der festen Überzeugung, es würde sowieso keiner eine Frau wählen, schon gar nicht eine Hausfrau. Der Protest wurde mit roher Gewalt niedergeschlagen. Lukaschenko erlitt selbst wohl ein psychisches Trauma: Zerstört war sein Image als „Volkspräsident“, das er jahrzehntelang so gepflegt hatte. Dabei hatte er ernsthaft an seine Mission geglaubt, das Volk zu vertreten. „Ich glaube, dass nichts und niemand in der Lage ist, einen Keil zwischen den Präsidenten und das Volk zu treiben, das ihn gewählt hat“16, sagte er mal zu Beginn einer neuen Amtszeit.   

Wahrscheinlich dachte er, sein Volk hätte sich von ihm abgewandt. Hatte er doch in den letzten Jahrzehnten immer wieder seine enge Beziehung zum belarussischen Volk betont. Als die Proteste gegen ihn begannen, hatte Lukaschenko ein paar Wochen lang Angst, im Auto durchs Land zu fahren, und flog mit dem Hubschrauber. Als sich seiner Residenz eine Menschenmenge näherte, zog er sich eine kugelsichere Weste an, nahm ein Maschinengewehr, stieg mit Sohn Kolja in einen Hubschrauber und flog von dannen. Die Bilder des flüchtenden Präsidenten sah ganz Belarus. 
 

Lukaschenkos Rache: Oppositionelle wie Maxim Snak und Maria Kolesnikowa wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt / Foto © Imago/Itar-Tass

Die erlittene seelische Verletzung drängte auf Revanche. Diese entlud sich in politischem Terror. In Belarus gibt es heute rund eineinhalb tausend politische Gefangene. Es gibt Folter. Im ganzen Land gibt es weiterhin Razzien, Verhaftungen und Strafverfahren. Die Menschen werden nicht wegen oppositioneller Tätigkeiten festgenommen, sondern weil sie eine andere Meinung haben und entsprechende Kommentare oder auch nur Likes in sozialen Netzwerken hinterlassen. Viele Oppositionelle werden zu Haftstrafen von über zehn Jahren verurteilt, wie es unter Stalin üblich war. Lukaschenko gibt offen zu, dass auf seinen Befehl hin Verwandte von Oppositionellen oder politischen Häftlingen verfolgt werden. Die Evolution eines autoritären hin zu einem totalitären System läuft. Um an der Macht zu bleiben, unterstützt Lukaschenko in vollem Umfang Russland im Krieg gegen die Ukraine und macht Belarus damit zum Beteiligten der Aggression. Für die Präsidentschaftswahlen 2025 hat Lukaschenko seine abermalige Kandidatur bereits angekündigt.


1.Imja, 6. November 1997 
2.Belorussija i Rossija: obschtschestwa i gossudardstwa, Moskau 1998, S. 260 
3.Sowerschenno sekretno, 1997, Nr 9 
4.Nemiga, 2000, Nr. 2, S. 35 
5.Sowetskaja Belorussija, 1. September 1994 
6.Femida, 22. Januar 1996 
7.Swaboda, 12. November 1996 
8.https://news.tut.by/economics/695690.htm 
9.Nasha Niva: Abstrukcyja, zroblenaja Lukašėnku rabotnikami MZKC, stala najmacnejšym psichalagičnym udaram 
10.Komsomolskaja prawda w Belorussiji, 20. Juni 2006 
11.Femida, 1995, Nr. 3 
12.Belorusskaja delowaja gaseta, 23. Dezember 1996 
13.Sowerschenno sekretno, 1997, Nr. 9 
14.Belorusskaja delowaja gaseta, 6. März 2002 
15.Fernsehauftritt am 17. September 2002 
16.Sowetskaja Belorussija, 20. Oktober 1996 
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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)