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Pressefreiheit im Überlebenskampf

Die meisten Journalisten haben Belarus seit Beginn der Repressionen im Jahr 2020 verlassen. Aber bis heute werden Medienschaffende verfolgt und festgenommen – erst kürzlich wurde die Journalistin Wolha Radsiwonawa zu vier Jahren Haft verurteilt. Die offizielle Anschuldigung: Beleidigung des Präsidenten und Diskreditierung des Landes.

Seit ihrer Flucht nach Litauen, Polen oder Georgien arbeiten viele Medien aus dem Exil heraus. Sie sorgen dafür, dass es weiterhin Informationen darüber gibt, was in Belarus passiert. Wie prekär ist die Lage dieser Medien? Erreichen sie weiterhin ihr Publikum in Belarus? Welche Folgen hat die Verdrängung unabhängiger Medien für die belarussische Gesellschaft? Mit diesen Fragen befasst sich eine neue Studie, Wjatschelslaw Korosten fasst die wichtigsten Antworten für das Online-Medium Pozirk zusammen.

Quelle Pozirk – Nawіny pra Belarus

Zum 1. Dezember 2024 waren in Belarus 1143 Medien registriert, so steht es auf der offiziellen Webseite des Informationsministeriums. 601 davon sind nichtstaatlich. Private Besitzverhältnisse bedeuten heute nicht automatisch einen kritischen Blick auf die Politik der Machthaber – man übt sich in Selbstzensur. Dennoch schrumpft dieser Bereich des Mediensystems im Land am schnellsten. Im September 2020 meldete das Belarusian Investigative Center mit Verweis auf das Informationsministerium noch 1927 Massenmedien, also 40,1 Prozent mehr als heute. Nichtstaatliche Medien gab es damals 1285 – innerhalb von vier Jahren ist diese Zahl also um 53,2 Prozent gesunken, auf weniger als die Hälfte.  

Es liegt auf der Hand, dass hinter diesen Zahlen die repressive Ausmerzungspolitik der Staatsmacht gegen unabhängige, gesellschaftspolitische Medienformate steckt. Sie wurden als „extremistisch“ eingestuft, was die Fortführung der Arbeit im Land auf einen Schlag unmöglich machte und in vielen Fällen zum Umzug ganzer Redaktionen ins Ausland führte. Journalisten wurden verhaftet und zu Freiheitsstrafen verurteilt, aktuell sitzen 35 hinter Gittern. Personen, die diesen Medien Interviews geben, werden strafrechtlich verfolgt, für das Abonnement nichtstaatlicher Medien (de facto genügt es, sie zu lesen) werden Administrativstrafen verhängt, die in der Regel auch zum Verlust der Arbeitsstelle führen. 

Die Zahl der Medienvertreter, die das Land verlassen haben, geht in die Hunderte. Daten des Belarussischen Journalistenverbandes (BAJ) zufolge gibt es aktuell 450-500 Emigranten mit diesem Hintergrund, mehr als 30 Redaktionen setzen ihre Arbeit im Ausland fort. Wie geht es ihnen in der Fremde? Vor welchen Herausforderungen stehen sie und wie gehen sie damit um? Welche Perspektiven hat die belarussische Medienbranche unter diesen Bedingungen? 

BAJ: Ernsthafte professionelle und existenzielle Krise 

Die Ergebnisse einer BAJ-Studie für 2024 bestätigen den Ernst der Lage. Die Befragung von 211 belarussischen Medienschaffenden in verschiedenen Ländern (Polen, Georgien, Litauen, ein geringer Anteil in Belarus) macht zwei Schmerzpunkte der Berufsgruppe deutlich:

Erstens wird die Arbeit durch das Risiko der politischen Verfolgung sowie durch die Wahrscheinlichkeit, dass Angehörige Repressionen ausgesetzt werden, behindert. Zweitens generiert die journalistische Tätigkeit kein ausreichendes Einkommen, um im Ausland normal leben zu können. Diese Antworten gaben 67,3 Prozent beziehungsweise 62 Prozent der Befragten. 40 Prozent beklagten zudem eine sehr hohe Arbeitsbelastung.  

Diese Statistik bestätigen auch die wiederkehrenden Meldungen über die desaströse Lage ganzer Redaktionen. Ende November schlugen Nowy Tschas und Malanka Media Alarm. Beide wählten den üblichen Weg – sie starteten eine Spendensammlung auf der Plattform des Solidaritätsfonds Bysol

Die Belarussen reagierten zwar auf den Hilferuf, Spenden gehen bisher aber nur langsam ein. Auf diesem Weg wird man die großen Förderer, die mit jedem Jahr weniger werden, wohl kaum völlig ersetzen können. Im Laufe des Jahres machten bereits andere Medien auf ihre finanzielle Notlage aufmerksam: Reform, Plan B, Ex-press. Einige haben aus diesem Grund bereits ihre Arbeit eingestellt: KYKY, die belarussische Redaktion des polnischen Radio Wnet (Радыё Ўнэт), The Village Belarus. Schmerzhaft und nicht ohne Konflikte verläuft auch die Reformierung des Fernsehsenders Belsat, des größten belarussischsprachigen Medienoutlets im Ausland. 

Zu den professionellen Herausforderungen kommen automatisch auch persönliche hinzu. 49,3 Prozent der Teilnehmenden der BAJ-Umfrage gaben an, psychische Probleme zu haben, 34,6 Prozent andere gesundheitliche Probleme, 33,2 Prozent Schwierigkeiten mit der Legalisierung im Ausland. Für 39,3 Prozent der Befragten erschwert die Sprachbarriere das Leben in der Emigration. „Die Umfrage zeigt, dass Journalistinnen und Journalisten eine ernsthafte professionelle und existenzielle Krise durchmachen“, erklären die Autoren der Studie. „Das liegt nicht nur an den politisch motivierten Repressionen und Risiken der Berufsausübung, der erzwungenen Emigration und der Trennung von Angehörigen und Arbeitskollegen, sondern in vielen Fällen auch am Fehlen einer stabilen Arbeit und Gesundheitsversorgung.“ 

Die Machthaber nahmen den Medien die Möglichkeit zum Geldverdienen 

Alexander Lukaschenkos Regime führt seinen Krieg gegen die unabhängigen Medien auf breiter Front. Neben der Stigmatisierung durch den „Extremismus“-Status und Repressionen gegen Mitarbeiter werden die Informationsplattformen auch weitestgehend von ihrem Publikum abgeschnitten.  

Die Webseiten sind seit Langem blockiert, für das Abonnieren von Social-Media-Kanälen wird man in Belarus verhaftet, dazu werden unablässig Handys kontrolliert. Für finanzielle Unterstützung gibt es im Strafgesetzbuch gleich mehrere Artikel mit schweren, langjährigen Haftstrafen. All das führte dazu, dass man mit journalistischen Medieninhalten kein Geld mehr verdienen kann.  

Bis 2020 verdienten die unabhängigen Medien nicht schlecht mit Werbung und steckten die konservativen Staatsmedien dabei locker in die Tasche. Werbekunden gingen viel lieber zu den privaten Anbietern, die ein breiteres Publikum hatten und qualitativ hochwertige, kommerziell erfolgreiche Spezialprojekte anbieten konnten. Deshalb konnten die nichtstaatlichen Redaktionen ohne einen Cent aus dem Staatsbudget und trotz Steuerlast finanziell auf eigenen Beinen stehen.  

Dieser Boden wurde den Medien nun unter den Füßen weggezogen, von Eigeneinnahmen kann keine Rede mehr sein. Der belarussische Werbekunde kann nicht zu einer „extremistischen“ Plattform gehen – das wäre der direkte Weg in den Knast. Durch die Verbote sinkt die Zahl der Lesenden. Der Zugang zu den Informationsquellen ist nur eingeschränkt möglich. Deshalb stützt man sich nun hauptsächlich auf Spenden und Fördergelder.  

In der demokratischen Welt mit ihren starken horizontalen Beziehungen ist diese Unterstützung gut ausgeprägt. Die Vertreter der Demokratiebewegung kämpfen bei internationalen Treffen ständig um ihren Erhalt. 

Aber die Zeiten sind schwierig: In der Ukraine herrscht Krieg, in der EU sind auch russische Medienschaffende unterwegs, die vor Putins Repressionen geflüchtet sind. Sie sind auf Unterstützung aus denselben Quellen angewiesen. Auch georgische Journalisten werden womöglich demnächst Hilfe benötigen, wenn die herrschende prorussische Partei die Daumenschrauben weiter anzieht. Eine Kürzung der Unterstützung für belarussische Medien ist in dieser Situation und im fünften Jahr der Emigration also keine Sensation. Aus geopolitischer, strategischer Sicht begehen die internationalen Förderinstitutionen damit jedoch einen großen Fehler.  

Die belarussische Propaganda übernimmt russische Praxis 

Der grundlegende Unterschied in der Mediennutzung zwischen Belarus und Russland liegt in der Anfälligkeit der Bevölkerung für Staatspropaganda. In der belarussischen Medienwelt dominierten bis zu den Wahlen 2020 de facto unabhängige Ressourcen (die Auflagen der staatlichen Printmedien wurden durch Zwangsabonnements aufgeblasen, dem Staatsfernsehen glaubten viele nicht). Das erkannten die Machthaber später an, indem sie die Medien zum Sündenbock für die Massenproteste machten. Das Vertrauen in die Propagandisten war gering, da die Belarussen in den Jahrzehnten der Lukaschenko-Herrschaft gelernt hatten, nur dem zu trauen, was sie mit eigenen Augen gesehen hatten, und nicht der agitprop-artigen Fernsehberichterstattung. 

In Russland arbeitete die Propaganda derweil raffinierter und mit größeren finanziellen Mitteln. Im Bereich der oppositionellen Medien entstanden keine wirklichen Flaggschiffe mit einem Publikum, das mit dem Fernsehpublikum vergleichbar wäre. Es war nicht zuletzt diese Gehirnwäsche der Bevölkerung, die Präsident Wladimir Putin die stabilen Wahlergebnisse brachte, die den Angriffskrieg gegen die Ukraine möglich machten. 

Nach 2020 bewaffneten sich die belarussischen Machthaber mit der russischen Praxis, das Publikum zu Zombies zu machen. Indem es die unabhängigen Medien zerschlägt und die propagandistischen Medien stärkt, versucht Lukaschenkos Regime, die Bevölkerung zu seiner primitiven Lehre zu bekehren. Wird das gelingen? Bislang sieht es nicht danach aus, aber hier spielt die Zeit eine wichtige Rolle. 

Ungeachtet aller Bemühungen des Regimes kämpfen die unabhängigen Medien gegen deren Agitprop an. Die Publikumszahlen bleiben beachtlich, die Redaktionen verbreiten ihre Inhalte in verschiedenen Formaten, es entstehen immer neue Youtube-Kanäle, TikTok wird aktiv genutzt. Insgesamt zeigen die Medien im Exil gute Überlebensstrategien in Extremsituationen. Wenn sich aber die Trends fortsetzen, die sich in der BAJ-Umfrage abzeichnen, wird in der Informationsarena über kurz oder lang die Propaganda den Sieg davontragen. Damit würde die belarussische Gesellschaft, die vor vier Jahren den Willen zu demokratischen Veränderungen zeigte, der russischen immer ähnlicher – mit ihrer dominierenden Mentalität von Untergebenen anstelle von Staatsbürgern. 

Den Medienmanagern sind Grenzen gesetzt 

Am 30. November behauptete der Chef des staatlichen Rundfunkunternehmens Belteleradiokompanija, Iwan Eismont, das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Medien nehme zu. Die Zahlen, die er nannte, verdienen im Prinzip nicht mehr Vertrauen als jeder andere Propagandainhalt, dennoch haben sie Unterhaltungswert. 

„Diesen Daten der Soziologen zufolge vertrauen bereits mehr als 50 Prozent der Bevölkerung den staatlichen Medien. Ich ziehe diese gut 50 Prozent nicht in Zweifel, weil wir das schwarz auf weiß auf feindlich gesinnten Plattformen sehen, wir sehen über die letzten Jahre ein großes Vertrauenswachstum“, sagte der Beamte. 

Damit bestätigt er zumindest zwei Dinge: Erstens gibt er zu, dass bis vor Kurzem die Belarussen den offiziellen Medien nicht vertrauten. Zweitens erklärte er faktisch, dass nach vier Jahren vernichtender Repressionen, trotz Zerschlagung und Verboten, die unabhängigen Medien weiterhin gefragt sind und einen ernsthaften Einfluss auf die öffentliche Meinung in Belarus haben. Wäre es auch nur geringfügig anders, hätte Eismont bereitwillig 70 oder 80 Prozent Unterstützung vermeldet. Man kann es ja doch nicht überprüfen. Aber aus irgendeinem Grund spricht er von „gut die Hälfte”.  

Aus dieser Perspektive stellt sich die Lage der Medienbranche überhaupt nicht kritisch dar. Eine andere Sache ist, dass es für die unabhängigen Journalisten in ihrer fragilen Lage immer schwieriger wird, mit der privilegierten Staatspropaganda zu konkurrieren. „Die belarussische Medienbranche erlebt eine kritische Zeit und bedarf infrastruktureller Veränderungen, neuer Herangehensweisen und Ressourcen zur Solidarisierung der Berufsgemeinschaften, technologischer und finanzieller Unterstützung“, heißt es in der erwähnten Studie des BAJ. Von so weit unten ist es schwer, positiv in die Zukunft zu blicken.  

Der Vorsitzende des BAJ, Andrej Bastunez, sagte bei der Präsentation der Studie auf eine Frage von Pozirk, derzeit könne in Bezug auf den belarussischen Journalismus im Exil niemand Prognosen anstellen. Mit Verweis auf Experten meinte er, dass 2025 die Situation etwa auf dem heutigen Niveau bleiben werde, dabei aber eine Kürzung der Mittel um zehn Prozent möglich sei. „Was dann im Jahr 2026 sein wird, weiß man nicht“, sagte Bastunez. 

Der stellvertretende Vorsitzende des BAJ, Boris Gorezki (belaruss. Barys Harecki), findet Zukunftsprognosen über die unabhängigen Medien ebenfalls schwierig: „Ausgehend von den vorliegenden Daten ist die Prognose unerfreulich. Die Probleme sind groß und bislang gibt es, sagen wir mal, keinen Grund zu der Annahme, dass da plötzlich irgendein Faktor ins Spiel kommt, der das Ruder herumreißt. Positiv betrachtet kann man sagen, dass es immerhin Medienorganisationen wie den BAJ gibt, die diese Probleme wahrnehmen. Und die Programme, die wir aufbauen, setzen direkt bei diesen Problemen an“, unterstrich der Medienmanager.

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Alexander Lukaschenko

Im Jahr 2024 feiert Alexander Lukaschenko zwei runde Jubiläen: Seinen 70. Geburtstag und 30 Jahre im Amt. Er wurde 1954 geboren. Über seinen Vater ist nichts bekannt, seine Mutter, Melkerin in einer Kolchose, hat ihn allein aufgezogen. Sie lebten in Armut. Auf die Frage eines Journalisten: „Wie lebten Sie als Kind?“ sagte Lukaschenko, damals bereits Präsident: „Bettelarm war ich!“1 Allem Anschein nach wurde die alleinstehende Mutter von den Dorfleuten gepiesackt. Uneheliche Kinder waren damals gesellschaftlich nicht akzeptiert. Der Publizist Alexander Feduta, nunmehr aus politischen Gründen inhaftiert, beschreibt Lukaschenko folgendermaßen: „Wir haben es mit einem typischen komplexbehafteten Dorfjungen zu tun, vaterlos oder, wie es auf dem belarussischen Land heißt, ein bajstruk.“2  

Wie schaffte es dieser Dorfjunge aus dem Osten von Belarus an die Spitze der Macht in seinem Land, die er als Diktator schließlich an sich riss? Wie gelang es Lukaschenko, ein System zu errichten, das die belarussische Gesellschaft bis heute unter Kontrolle hat? Waleri Karbalewitsch, Autor einer Lukaschenko-Biographie, über das autoritäre Machtgefüge in Belarus. 

Der Weg zur Macht 

Anhand der Bruchstücke, die Lukaschenko über seine ersten Lebensjahre preisgibt, gewinnt man keineswegs den Eindruck einer glücklichen Kindheit, ganz im Gegenteil. Wir sehen Neid auf andere Kinder, die mit mehr Wohlstand gesegnet waren, den Komplex eines zu kurz gekommenen Menschen. „Die 1950er Jahre waren eine schwere Zeit, eine furchtbare Not. Ich weiß noch, was für ein Kampf bei uns im Dorf herrschte. Wer stärker war, überlebte, Familien mit kräftigen Männern und Vätern hatten es leichter. Ich hab meinen Teil wegbekommen …“, sagte Lukaschenko.3 
 

„Die junge Generation wählt Alexander Lukaschenko.“ Wahlwerbung zu den Präsidentschaftswahlen im Jahr 1994 / Foto © Archiv/Tut.by 

Nach der Wahl zum Präsidenten im Jahr 1994 nahm Lukaschenko seine Frau bekanntlich nicht mit nach Minsk. Nach ein paar Monaten machte ein Witz die Runde, von dem böse Zungen behaupten, er sei die reine Wahrheit: Frau Lukaschenko habe auf die Frage von Nachbarn, warum sie ihm nicht hinterherfahre, geantwortet: „Ach, mein Saschka bleibt doch nie irgendwo länger als zwei Jahre.“ 

Tatsächlich beeindruckt sein Lebenslauf, bevor er Präsident wurde, durch häufige Arbeitsplatzwechsel. Paradoxerweise ist der einzige Posten, den er jemals länger innehatte, das Präsidentenamt.  

Die häufigen Jobwechsel zeugen von Lukaschenkos Unverträglichkeit. Fast überall war seine Tätigkeit von Konflikten begleitet. Seine Frau erinnerte sich: „Wo auch immer er war, immer und überall schlug er sich mit seiner Sturheit und Direktheit die Nase an. Natürlich war das störend. Misserfolge und Kränkungen vertrug er ganz schlecht.“4 Der psychologische Begriff hierfür ist Fehlanpassung, also, die Unfähigkeit, sich an soziale Normen anzupassen, die es in jeder Gesellschaft gibt. Das hinderte ihn daran, Karriere zu machen und im sowjetischen System ein hohes Amt zu ergattern. Er wirkte eher wie ein Außenseiter, ein Loser.  

Doch mit Beginn der Perestroika, mit Glasnost und Demokratisierung, waren diese Charakterzüge, die ihm früher so im Weg gestanden hatten (weil sie zu Konflikten mit der Obrigkeit führten), plötzlich von Vorteil. In dieser Zeit des Kampfes gegen die Parteinomenklatur, die sich mit Händen und Füßen gegen Reformen sträubte, erfreuten sich mutige Akteure, die sich entschlossen zeigten, immer größerer Beliebtheit. Und Lukaschenko passte reibungslos ins Bild eines Kämpfers für Gerechtigkeit, eines Siegers über das System. Außerdem entdeckte er sein Talent zum Politiker, der in der Öffentlichkeit steht, vor Publikum spricht, dessen Aufmerksamkeit er bannt. Also stürzte er sich Hals über Kopf in die Politik, eine für ihn ganz neue Sphäre, in der er sich bald zu Hause fühlte. 1990 machte er den Schritt vom Direktor einer Provinz-Sowchose zum Abgeordneten des Obersten Sowjets der BSSR. Die Sitzungen dieses Machtorgans wurden damals live im Fernsehen übertragen. Lukaschenko trat häufig auf, hatte zu allen Themen etwas zu sagen. Bald kannte ihn das ganze Volk.  

Wie so oft in der Geschichte ging es auch hier nicht ohne Zufall. Um einen politischen Höhenflug zu schaffen, muss einer auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde der Oberste Sowjet zum Parlament des unabhängigen Belarus, und Lukaschenko wurde zum Vorsitzenden einer parlamentarischen Kommission zur Bekämpfung der Korruption gewählt. Diesen Posten wusste er höchst effektiv für sich zu nutzen, nannte sich gar den obersten Korruptionsbekämpfer des Landes. Unter anderem deswegen konnte er bei den Präsidentschaftswahlen 1994 einen triumphalen Sieg einfahren. Lukaschenko war der Inbegriff des „Volkskandidaten“. Seine ganze Erscheinung, seine Kultur, seine Sprache und seine Art zu sprechen, das war dem Volk alles sehr nah und vertraut. Viele Menschen konnten sich mit ihm identifizieren. 

Natürlich war er nicht sofort ein Diktator. Anfangs waren seine Reden von Enthusiasmus und dem aufrichtigen Wunsch geprägt, dem Volk zu dienen und das Land so schnell wie möglich aus der Krise zu führen. Er sagte: „Schweißausbrüche bereitet mir nur der Gedanke, die Versprechen nicht einlösen zu können, die ich den Menschen bei den Wahlen gegeben habe.“5 Für den Fall seines Scheiterns zog er sogar einen freiwilligen Rücktritt in Betracht. 

 

Lukaschenko bei seiner Inauguration am 20. Juli 1994 im Obersten Sowjet, noch neben der weiß-rot-weißen Fahne, der damaligen Staatsflagge, die heute verboten ist.

Machthunger und Gewaltenteilung 

Bald nach seinem Amtsantritt stieß Lukaschenko auf das, was man Gewaltenteilung nennt. Völlig überraschend für ihn: Es gab ein Parlament und ein Verfassungsgericht, die ebenfalls einen Teil der Macht für sich beanspruchten. Für Lukaschenko war das inakzeptabel. In seiner Vorstellung ist wahre Macht nur absolute Macht. Der neue Präsident wies also ein allgemein anerkanntes Element der Demokratie wie die Gewaltenteilung, die Checks and Balances einer Regierung, entschieden von sich. 1996 verkündete er, das Prinzip der Gewaltenteilung sei „eine Bedrohung für unseren Staat“6 geworden. „Werft dieses Gleichgewicht, diese Balance und Kontrolle aus euren Köpfen!“; „Ich will, dass der Staat ein Monolith ist“7, sagte Lukaschenko. 

Ganze zwei Jahre war er damit beschäftigt, andere Zentren der Macht zu beseitigen und zu zerstören. Das geschah unter anderem mithilfe eines gefälschten Referendums über eine neue Verfassung, das Politiker und Juristen einen Staatsstreich nannten. Ende 1996 hatte er ein personalistisches autoritäres Regime installiert, in dem nur eine einzige staatliche Institution tatsächlich Einfluss hat: Alexander Lukaschenko. Wahlen wurden zur Fiktion, die Opposition wurde aus allen staatlichen Einrichtungen geworfen, und der Staat erhielt das Monopol auf alle TV- und Rundfunksender.        

Lukaschenkos dominanter Charakterzug, die Kernidee seiner Weltanschauung ist ein grenzenloser Machthunger, der vor nichts haltmacht. Allem Anschein nach ist dieses Streben nach Allmacht der Grund dafür, dass Lukaschenko sich strikt weigert, die Todesstrafe abzuschaffen oder ein Moratorium darüber zu verhängen. Denn das Recht, einen Menschen bis hin zur Tötung zu bestrafen oder auch zu begnadigen, galt schon in alten Zeiten als einer der wichtigsten Faktoren der Macht. Deswegen ist Belarus das einzige Land Europas, in dem die Todesstrafe zur Anwendung kommt. 

An Lukaschenkos Äußerungen sieht man, dass für ihn die Frage nach der Macht eine Frage von Leben und Tod ist. Wenn er seinen Opponenten vorwirft, ihn seines Amtes entheben zu wollen, so ist das für ihn dasselbe wie ein Mordanschlag. Der Führer hat keinen Zweifel: Verliert er die Macht, rechnet er mit einem schrecklichen Gericht für sich. Ein Leben ohne Macht kann Lukaschenko sich nicht vorstellen: Es verliert seinen Sinn. Als er 2020 dem ukrainischen Talkmaster Dmytro Gordon ein Interview gab, sagte Lukaschenko auf die Frage, ob er nicht zurücktreten wolle: „Ich kenne ja nur diese Lebensart … Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Gut, also schön, ich bin nicht mehr Präsident – und was mach ich dann morgens nach dem Aufstehen?“8 An den kritischen Tagen der Massenproteste 2020 wiederholte Lukaschenko immer wieder, er werde an der Macht bleiben, solange er lebe. Bei einem Auftritt in der Radschlepperfabrik am 17. August 2020 verkündete er: „Solang ihr mich nicht umbringt, wird es keine anderen Wahlen geben.“9     

Die Abgeordneten der BNF während des Hungerstreiks aus Protest gegen Lukaschenkos umstrittenes Referendum im Jahr 1996 / Foto © Archiv/Tut.by 

Die Ideologie des Systems 

Das Lukaschenko-Regime ist auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR das prosowjetischste. Lukaschenko betont immer wieder, dass seine Vorlage für den Aufbau eines Staats die sowjetische Gesellschaftsordnung sei, und Lenin und Stalin nennt er „Symbole unseres Volkes“10. Als Wappen und Fahne der Republik Belarus bestimmte er die Symbolik der zur Sowjetunion gehörigen BSSR in leicht abgeänderter Form. Die Namen von Straßen und Plätzen sowie die Denkmäler sind seit der Sowjetzeit unverändert geblieben. Belarus ist das einzige postkommunistische Land, in dem der KGB noch immer KGB heißt.  

Lukaschenko lehnte von Anfang an die Ideologie des belarussischen ethnokulturellen Nationalismus ab. Mit Hilfe eines Referendums drängte er die belarussische Sprache an den Rand und tauschte die weiß-rot-weiße Flagge und das Wappen in Folge eines weiteren umstrittenen Referendums aus. Die staatliche Propaganda setzt belarussischen Nationalismus mit Nazismus gleich. Und das nicht nur, weil Lukaschenko Moskau nicht reizen will, dem jeglicher Nationalismus in seinen Nachbarländern ein Dorn im Auge ist. Lukaschenkos traditionelle Wählerschaft ist russischsprachig, für sie existiert ohnehin keine belarussische Identität. Sein wichtigster politischer Gegner war lange die Partei BNF mit ihren nationalistischen Losungen.  

Der Hauptgrund für Lukaschenkos Aversion gegen Nationalismus ist aber, dass man damit eine Gesellschaft mobilisieren kann. Er formt eine Zivilgesellschaft, fördert horizontale Verbindungen, stimuliert die Solidarität. Lukaschenko aber braucht eine atomisierte Bevölkerung, die nur durch staatliche Institutionen zusammengehalten wird. Er braucht keine Gesellschaft als selbständiges Subjekt, das Verantwortung für das Schicksal ihres Landes übernimmt. 

Insgesamt kann man wohl sagen, dass dieses System keine greifbare Ideologie zu bieten hat. Die Narrative der Propaganda sind eklektisch, da mischen sich Elemente der sowjetischen Vergangenheit mit Ideologemen von Russki Mir, mit der Ablehnung von Liberalismus und westlichen Werten und so weiter. In gewissem Sinne ist dieser Mangel an Ideologie dem Regime sogar zuträglich, denn so kann es seine politische Linie je nach Konjunktur verändern. In Belarus gibt es keine Regierungspartei, die eine faktische Macht ausübt. Denn Lukaschenko hatte immer die Sorge, sie könnte eine von ihm unabhängige Elite konsolidieren. 

Gründe für die lange Herrschaft 

Wie ist es Lukaschenko gelungen, so lange an der Macht zu bleiben? Hier sind mehrere Faktoren zu bedenken. Erstens entsprach das belarussische Gesellschaftsmodell lange Zeit den Bedürfnissen und Vorstellungen, die die Mehrheit der Bevölkerung in Bezug auf Politik hatte. Es basierte auf staatlicher Dominanz in Wirtschaft und Sozialwesen – ein wirksames Instrument zur Kontrolle über die Gesellschaft, zur Umgehung der Gewaltenteilung und zur Herrschaft eines Einzelnen –, auf einer Partnerschaft mit Russland und einem Konflikt mit dem Westen. Der Großteil der Bevölkerung (Staatsbedienstete, Angestellte staatlicher Betriebe, Rentner) war finanziell vom Staat abhängig. Die Hemmung marktwirtschaftlicher Reformen führte zur Konservierung sozialer Strukturen.  

Zweitens spielte Lukaschenkos ausgeprägte politische Intuition eine Rolle, sein angeborenes Gespür, mit dem er das richtige Vorgehen oder eine Bedrohung erkennt, sein Charisma und auch sein Populismus, sein Talent, zum Volk in einer für sie verständlichen Sprache zu sprechen. Dem politischen Triumph des Diktators liegt in hohem Maße seine erstaunliche Fähigkeit, ja geradezu Kunstfertigkeit zugrunde, die Menschen zu manipulieren. Er ist ein begabter Schauspieler mit vielen Rollen im Repertoire, ein faszinierender Verwandlungskünstler. Je nachdem, wem er gerade gefallen will, kann er äußerst liebenswürdig sein. Seinen hauseigenen Stil macht aus, dass er bei ein und derselben Gelegenheit, oft sogar im selben Satz, widersprüchliche, manchmal sogar einander ausschließende Thesen formuliert. Und jeder Zuhörende hört das heraus, was ihm lieber ist, was ihm besser gefällt. 

Drittens hat Lukaschenko alle Mechanismen zum Machtwechsel komplett ausgeschaltet. Die Wahlen sind zum reinen Dekor geworden, sie beeinflussen nichts, und ihr Ergebnis ist im Voraus bekannt. Auf legalem Weg kann es in Belarus keinen Machtwechsel mehr geben. Und zu einer Revolution war die belarussische Gesellschaft vor 2020 nicht bereit. Außerdem hat Lukaschenko jede politische Konkurrenz in den Machtorganen verunmöglicht. Sobald irgendein Beamter an politischer Bedeutung gewann, wurde er seines Amtes enthoben.    

Lukaschenko hat alle Mechanismen zum Machtwechsel komplett ausgeschaltet. Die Wahlen sind zum reinen Dekor geworden /Foto © Natalya Talanova/Tass Publication/Imago

Lukaschenkos politische Stütze ist der Staatsapparat. Während der akuten politischen Krise im Jahr 2020 kam es nicht zu einer Spaltung der Eliten, was eine wichtige Bedingung für den Sieg der Revolution gewesen wäre. Und zwar deswegen, weil es in Belarus keine einzige staatliche Institution gibt, die vom Volk gewählt wird, dem Volk Rechenschaft schuldet, vom Volk kontrolliert wird.  

Und natürlich verlässt sich Lukaschenko auf seine Silowiki. Daraus macht er auch keinen Hehl: „Die Vertikale ist stabil. Sie stützt sich auf den KGB und das MWD11. „Der KGB ist die Basis für eine starke Präsidialmacht.“12 

Viertens kann das wirtschaftlich ineffiziente belarussische Gesellschaftsmodell nur dank der Unterstützung aus Russland überleben. In manchen Jahren betrug die russische Wirtschaftshilfe rund 15 bis 20 Prozent des belarussischen BIP.  

Der Ego-Kult 

Lukaschenko hat ein Selbstbild, als verfügte er über übernatürliche Fähigkeiten. Er suhlt sich in Größenwahn und Überlegenheitsgefühl. Immer wieder erzählt er bei öffentlichen Auftritten Geschichten davon, wie jahrelang bettlägerige Kranke dank ihm, dem Führer, wieder gesund wurden. So erzählt er über Boris Jelzin, den ehemaligen Präsidenten Russlands: „In Jelzins Umfeld hieß es immer: Boris Nikolajewitsch fehlt irgendwie der Elan, wir sollten wieder mal den belarussischen Präsidenten einladen. Der verleiht dem russischen Präsidenten dann wieder für drei, vier Monate Flügel. Es hieß, Jelzin würde von mir eine ordentliche Ladung Energie bekommen.“13 Lukaschenko begann von sich zu sprechen wie von einem Heiligen: „Ich bin makellos“14; „Ich bin der (seelen)reinste Präsident der Welt!“15 

Die bizarrsten Formen nimmt Lukaschenkos Drang zum Größenwahn an, wenn er an Sportwettkämpfen und Eishockeyspielen teilnimmt und immer den Sieg davonträgt. Sein Kindheitstraum, Sportstar zu werden, ein Idol für Tausende Fans, die ihn von den Tribünen herunter bejubeln, wird nun auf groteske Weise wahr. Dank der staatlichen Behörden sind diese Wettkämpfe Ereignisse von nationaler Bedeutung. Es werden Unsummen ausgegeben, um berühmte Sportler einzuladen. Und um den Präsidenten mit vollbesetzten Tribünen zu erfreuen, werden Schüler und Studenten vom Unterricht befreit und reihenweise unter Aufsicht ihrer Lehrer ins Stadion oder in die Eishalle gekarrt. Die ganze Führungsriege des Landes wohnt solchen Events bei. Und die staatlichen Medien berichten darüber mit einer Ernsthaftigkeit, als ginge es um wichtige politische Nachrichten.  

Lukaschenkos Hang zum Populismus und der Wunsch, seiner anspruchslosen Wählerschaft zu gefallen, führen dazu, dass er nie ein Blatt vor den Mund nimmt und Sachen sagt, die so gar nicht zu einem Staatsoberhaupt passen. Sein politischer Stil lässt sich nicht ins Konzept von Political Correctness zwängen.     

Ein Protestmarsch im August 2020 in der belarussischen Hauptstadt Minsk / Foto © Homoatrox/Wikimedia unter CC BY-SA 3.0

Das Jahr des Umbruchs  

Zu Beginn seiner Präsidentschaft wurde Lukaschenko tatsächlich von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Doch während seiner 30-jährigen Amtszeit ist eine neue Generation herangewachsen. Die Massenproteste 2020 zeigten, dass das archaische sozioökonomische und politische System sowie die autoritären Regierungsmethoden bei den meisten Leuten Abscheu erregen. In Belarus haben wir heute auf der einen Seite eine immer moderner werdende Gesellschaft, die auf Veränderungen abzielt und sich vom staatlichen Paternalismus befreien will, und auf der anderen Seite die Staatsmacht, die am Status quo festhält. Die Gesellschaft wächst über den Staat hinaus, in dessen Rahmen es ihr zu eng geworden ist. Doch Lukaschenko merkt nicht einmal, dass er und sein Land in unterschiedlichen historischen Epochen leben.

Und auch hier ist passiert, was praktisch allen Diktatoren passiert, die zu lange an der Macht sind: Die Staatsmacht hat den Draht zur Gesellschaft verloren. Im Laufe dieser 30 Jahre hat Lukaschenko es nicht geschafft, mit seinem Volk und dessen Problemen wirklich in Berührung zu kommen. Begegnungen mit der Bevölkerung werden gründlich vorbereitet und durchinszeniert, die Teilnehmer sorgfältig ausgewählt. So verliert selbst ein talentierter Politiker das Gefühl für das Volk. Seine Wahrnehmung der Welt wird inadäquat. Und dann sind ihm in Krisenzeiten, sei es aufgrund der Covid-Pandemie oder im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen, ein Fehler nach dem anderen unterlaufen. In jenem denkwürdigen Jahr 2020 traf er die schlechtesten aller möglichen Entscheidungen. Zum Beispiel ließ er alle Präsidentschaftsanwärter, die ihm gefährlich werden konnten, verhaften, die vermeintlich „schwache“ Swetlana Tichanowskaja jedoch kandidieren, in der festen Überzeugung, es würde sowieso keiner eine Frau wählen, schon gar nicht eine Hausfrau. Der Protest wurde mit roher Gewalt niedergeschlagen. Lukaschenko erlitt selbst wohl ein psychisches Trauma: Zerstört war sein Image als „Volkspräsident“, das er jahrzehntelang so gepflegt hatte. Dabei hatte er ernsthaft an seine Mission geglaubt, das Volk zu vertreten. „Ich glaube, dass nichts und niemand in der Lage ist, einen Keil zwischen den Präsidenten und das Volk zu treiben, das ihn gewählt hat“16, sagte er mal zu Beginn einer neuen Amtszeit.   

Wahrscheinlich dachte er, sein Volk hätte sich von ihm abgewandt. Hatte er doch in den letzten Jahrzehnten immer wieder seine enge Beziehung zum belarussischen Volk betont. Als die Proteste gegen ihn begannen, hatte Lukaschenko ein paar Wochen lang Angst, im Auto durchs Land zu fahren, und flog mit dem Hubschrauber. Als sich seiner Residenz eine Menschenmenge näherte, zog er sich eine kugelsichere Weste an, nahm ein Maschinengewehr, stieg mit Sohn Kolja in einen Hubschrauber und flog von dannen. Die Bilder des flüchtenden Präsidenten sah ganz Belarus. 
 

Lukaschenkos Rache: Oppositionelle wie Maxim Snak und Maria Kolesnikowa wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt / Foto © Imago/Itar-Tass

Die erlittene seelische Verletzung drängte auf Revanche. Diese entlud sich in politischem Terror. In Belarus gibt es heute rund eineinhalb tausend politische Gefangene. Es gibt Folter. Im ganzen Land gibt es weiterhin Razzien, Verhaftungen und Strafverfahren. Die Menschen werden nicht wegen oppositioneller Tätigkeiten festgenommen, sondern weil sie eine andere Meinung haben und entsprechende Kommentare oder auch nur Likes in sozialen Netzwerken hinterlassen. Viele Oppositionelle werden zu Haftstrafen von über zehn Jahren verurteilt, wie es unter Stalin üblich war. Lukaschenko gibt offen zu, dass auf seinen Befehl hin Verwandte von Oppositionellen oder politischen Häftlingen verfolgt werden. Die Evolution eines autoritären hin zu einem totalitären System läuft. Um an der Macht zu bleiben, unterstützt Lukaschenko in vollem Umfang Russland im Krieg gegen die Ukraine und macht Belarus damit zum Beteiligten der Aggression. Für die Präsidentschaftswahlen 2025 hat Lukaschenko seine abermalige Kandidatur bereits angekündigt.


1.Imja, 6. November 1997 
2.Belorussija i Rossija: obschtschestwa i gossudardstwa, Moskau 1998, S. 260 
3.Sowerschenno sekretno, 1997, Nr 9 
4.Nemiga, 2000, Nr. 2, S. 35 
5.Sowetskaja Belorussija, 1. September 1994 
6.Femida, 22. Januar 1996 
7.Swaboda, 12. November 1996 
8.https://news.tut.by/economics/695690.htm 
9.Nasha Niva: Abstrukcyja, zroblenaja Lukašėnku rabotnikami MZKC, stala najmacnejšym psichalagičnym udaram 
10.Komsomolskaja prawda w Belorussiji, 20. Juni 2006 
11.Femida, 1995, Nr. 3 
12.Belorusskaja delowaja gaseta, 23. Dezember 1996 
13.Sowerschenno sekretno, 1997, Nr. 9 
14.Belorusskaja delowaja gaseta, 6. März 2002 
15.Fernsehauftritt am 17. September 2002 
16.Sowetskaja Belorussija, 20. Oktober 1996 
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