„Liebes Tagebuch, übrigens ist gerade irgendwas mit der Wiedervereinigung mit der Ex-DDR. Was genau versteh ich nicht ganz, geht mir zu schnell. Ciao Bussi“
Das schrieb ich am 3.10.1990 als 13-Jährige teenie-cool ins Tagebuch. Dennoch, die Ereignisse von 1989 bis 1991 waren gefühlstechnisch eine zumindest bei mir ziemlich nachhaltige Mischung aus Exotik, Euphorie und Verheißung, die mich in gewisser Weise 30 Jahre später zu dekoder katapultieren sollte.
In der dekoder-Textlandschaft zum Jahrestag der Deutschen Einheit geben wir den Russlanddeutschen einen besonderen Platz. Weil bis heute rund 2,4 Millionen Russlanddeutsche nach Deutschland kamen, der größte Teil seit den 1990er Jahren. Sie haben sich mit-vereinigt in das, was Deutschland heute ist und ausmacht. Und weil man an dieser extrem vielseitigen Gruppe viel übers Deutschsein lernen kann. Zum Beispiel:
Warum man Deutscher sein kann, aber irgendwie auch Russe oder zumindest ein Kind der Sowjetunion.
Warum man Deutscher sein kann, der in Russland lebt und kein Deutsch spricht.
Warum man Deutscher sein kann und gleichzeitig Migrant, der nach Deutschland kommt.
Zu 30 Jahren Deutsche Einheit dekonstruiert unser Dossier Russlanddeutsches Diarama in zunächst sechs unterschiedlichen Beiträgen essentialistische Konzepte vom (Russland-)Deutschsein. Auf Deutsch und auf Russisch. Gestaltet haben wir das Dossier zusammen mit dem IKGN und Studierenden eines Lehrprojekts der Universität Hamburg, gefördert wurde es vom BKM.
Ach, du Deutsche Einheit, Zweiheit, Dreiheit, du Europäische Vielheit, ick liebe dir.
So viel Pathos darf heute doch mal sein, oder?
Ciao Bussi
Eure Tamina und die anderen dekoderщiki