Nasta Mancevich, 1983 in der belarussischen Kleinstadt Wilejka geboren, debütierte als Lyrikerin und Autorin im Jahr 2012 mit dem Buch Ptuschki (dt. Vögel), das in Belarus für viel Aufsehen sorgte, weil es unter anderem gleichgeschlechtliche Liebe thematisierte. In diesem Text für unser Projekt Spurensuche in der Zukunft umkreist sie die schwierige Situation in ihrer Heimat Belarus, die seit den Protesten im Jahr 2020 in einer schweren und lähmenden historischen Krise feststeckt. Dabei verbindet sie persönliche Beobachtungen und Reflexionen mit Erinnerungen an ihren Vater und an schmerzhafte Ereignisse, die man durchstehen muss, um womöglich zu einer lebensbejahenden Zukunft zu gelangen.
Russisches Original auf Colta.ru
Als ich geboren wurde, hast du mir ein Gedicht geschrieben:
für naszja
es ist dezember. schnee fällt dicht,
der erste schnee, mein kind,
auf dein gesicht,
dein lachen spielt mit warmem lächeln,
noch fern dein erstes wort,
dein erster satz.
doch jetzt schon wärmt an diesem wintertag
dein lächeln unsere gesichter.
12.12.83
du – der mensch, der mir dieses gedicht geschrieben hat – hebt mich als fünfjährige mit seinen großen händen über seinen kopf und wirft mich mit aller kraft zu boden, weil ich zum rausgehen kein kleid anziehen will
von deinen schlägen mit dem gürtel oder dem schlauch des staubsaugers bleiben noch lange spuren auf meinem kleinen körper zurück
du, der in rage alle poster von den wänden meines zimmers reißt – ich weiß den grund nicht mehr –
und du, der mich nun(mehr) 38-jährige nach mutters geburtstag zum bahnhof begleitet, leicht betrunken, und meinen rucksack auf den gepäckträger des fahrrads legt, das du neben dir her schiebst
ich sage: „komm papa, ich trag ihn selbst, er ist nicht schwer“, aber du glaubst mir nicht. dir erscheint er schwer, weil all dein schmerz, deine schuld und deine liebe darin liegen.
Jetzt weiß ich, Papa, was du wohl fühlen musst.
Ich weiß, wie es ist, einem nahestehenden Menschen Schmerz zuzufügen. Hätte dir jemand am Anfang, als du dieses Gedicht schriebst, von diesem Schmerz erzählt – um nichts in der Welt hättest du es geglaubt. Ich weiß, wie unerträglich groß der Wunsch ist, die Zeit zurückzudrehen, alles wieder an den rechten Platz zu rücken, sich selbst zu betrügen, zu tun, als sei nie etwas geschehen – nur um diesen Schmerz nicht spüren zu müssen.
Nachdem du mich auf den Boden geworfen hattest, konnte ich einige Minuten lang nicht atmen – offenbar war ich auf den Solarplexus gefallen, sodass mir der Atem stockte – ich weinte aus allen Gründen auf einmal – Schreck, Schmerz, Kränkung, aber allen voran – aus Angst, nicht mehr atmen zu können. Ich verstand nicht, was vor sich geht, wusste nicht, wann das aufhören würde, wie lange ich aushalten muss, ob meine Zeit dafür reicht, ob meine Kinderlunge groß genug ist, um den Moment noch zu erleben, an dem ich wieder Luft holen kann.
Auch jetzt schnürt es mir die Luft ab, da ich mich entschließe, endlich darüber zu sprechen, überzieht mich mit eisigem Schauer, als würde ich, wenn ich diese Dinge ausspreche, dich und unsere Familie verraten, und dazu habe ich kein Recht. Und ich weiß nicht, ob meine Luft jetzt ausreichen wird, um weiterzusprechen, aber ich möchte es versuchen, auch wenn es eine zerrissene, verworrene Geschichte wird – ich brauche dich bei mir, um sie durchzustehen, um sie beenden zu können und nicht vor Scham und Angst zu sterben. Ich brauche dich. Bleib stehen. Lauf nicht weg. Bleib stehen und zähle, wie lange ich die Luft anhalten kann. Bleib stehen und zähle, während ich dich erstarrt mit erschrockenen Augen anblicke, während ich allein durch die gepeinigte und unerträglich schöne Herbststadt laufe und laufe, während ich diesen Text schreibe.
Im Jahr 2000 zog ich nach Minsk, mit 17 Jahren. In eine fremde Stadt, zu der ich keine Geschichten oder Erinnerungen hatte, mit der mich nichts verband. Mein gesamtes Gedächtnis war in Wilejka geblieben, doch jetzt ist auch hier ein Ort für mich gewachsen – ich lebe nun schon 21 Jahre in Minsk, den größeren Teil meines Lebens. Die Fenster meiner Wohnung gehen zur Banja hinaus, aus der im September 1999 Viktor Gontschar und Anatoli Krassowski traten und seitdem nie wiedergesehen wurden. Ich denke jedes Mal daran, wenn ich aus dem Haus trete, zur Metro oder zum Einkaufen, und an der Banja vorbeilaufe. Ich weiß, wo das passiert ist, weil mein Papa mir diese Geschichte erzählt hat, als ich zum Studium nach Minsk zog – als etwas, das ich wissen sollte. Wir saßen in der Küche und er sagte es genau so: „Du solltest das wissen ...“ Vor einem Jahr tauchte an dem Gebäude in der Fabritschnaja Straße 20 in Minsk die Aufschrift auf „Wir werden nicht vergeben, wir werden nicht vergessen ...“ Heute prangen an dieser Stelle auf einer weißen Mauer zwei sorgfältig gemalte, blass-beige Quadrate. Ich weiß, was sich darunter befindet.
Jetzt ist ganz Minsk für mich voll solcher Spuren. Ich fahre mit dem Fahrrad durch die menschenleere Stadt, der Wind verweht die herabgefallenen Blätter, hebt sie mutig und selbstbewusst in die Luft, sie wirbeln vor mir herum, als würden sie mir voll Ergriffenheit alle durcheinander von etwas erzählen wollen – ich fahre über die kleine Brücke über die Swislotsch, die Brücke ist rot-grün angemalt, und ich erinnere mich, dass sie vor nicht allzu langer Zeit noch in anderen Farben gestrichen war – doch jetzt fällt es mir sogar leichter, über diese rot-grüne Brücke zu radeln, als wenn gar keine Spuren geblieben wären. Ich weiß, was diese Spuren bedeuten. Für mich symbolisieren sie unseren Schmerz. Es tut mir weh, über diese Brücke zu fahren. Und das ist besser, als gar nichts zu spüren; als so zu tun, als wäre gar nichts geschehen.
Wir sitzen in der Küche meiner Minsker Wohnung, und während das Wasser im Kessel aufkocht, beschließe ich, dich zu fragen – warum hast du mich geschlagen? Es ist eine rhetorische Frage, wahrscheinlich steht eher das Bedürfnis nach einer Bestätigung dahinter, dass du dich ebenfalls daran erinnern kannst. Deine Antwort berührt mich, und ich glaube sie dir, ob sie ehrlich war – ich weiß es nicht. Dann stelle ich die zweite Frage – wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, würdest du mich wieder schlagen? Diese Frage ist auch unsinnig, weil die Zeit zurückzudrehen das einzige ist, was wir in unserem Leben nicht tun können. Doch du beantwortest sie. Du sagst – nein. Wir schweigen. In dieser Pause spüre ich, wie etwas Lebendiges auftaucht, wie Bedeutung anwesend ist, die das Schweigen und die Leere ausfüllen, bis Worte herausfließen ... Du sagst – ich wurde auch geschlagen. Du bist mein Papa. Ich bin dein Kind. Doch entgegen jeder Logik und allen Gesetzen der vergehenden Zeit erkenne ich deinen Schmerz jetzt, wenn ich in deine mit Tränen gefüllten Augen schaue.
Man muss lernen zu warten. Das ist das Schwierigste – zu warten ohne die Hoffnung, dass das Warten sich lohnt, man muss Demut lernen, aber nicht resignieren, – nur dann entsteht die Möglichkeit der Verbindung mit etwas Unbekanntem – dem, was man nie im Detail zu betrachten vermag, was immer einen Augenblick eher wegrutscht, als einzelne Eigenschaften für dich sichtbar werden. Mir fällt es unglaublich schwer, diesen Text zu schreiben, ich schlage mich gleichsam bis aufs Blut durch dorniges, dichtes Gestrüpp; und immer, wenn es scheint, als sei irgendwo vor mir ein Licht in Sicht, und die Geschichte beginnt, eine scheue Gestalt anzunehmen – erschrecke ich wieder und erstarre vor Entsetzen. Mein Atem reicht nicht aus, um diesen versprengten Erinnerungen Struktur zu geben, um alles zusammenzufügen. Und dann bitte ich für mich selbst um Geduld und Vertrauen – den Raum und die Zeit.
Ich habe zwei Familienerinnerungen, die als Bilder in meinem Kopf zum Leben erwachen – in denen wir zusammen sind, zu viert, wie auf einem Foto.
Das erste dieser Bilder trägt das Datum Mai 1986; Papa läuft aus einem Wäldchen auf uns zu. Als das Atomkraftwerk von Tschernobyl explodierte, war ich fast drei Jahre alt. Mit Mama und der noch ganz kleinen Shenja waren wir für den Sommer zu Oma und Opa, Mamas Eltern, in das Dorf Radkow in die Oblast Gomel gefahren. Nach drei Tagen kam Papa, um uns zurück nach Wilejka zu holen. Selbst kann ich mich an diese Geschichte nicht erinnern, doch aus Mamas Erzählungen kenne ich sie in allen Einzelheiten – es ist eine jener Familiengeschichten, die ich so oft gehört habe, dass es mir scheint, als hätte ich das alles auch gesehen:
„Wir waren ja für den Sommer da, zur Erholung, wir dachten – es ist Sommer, wir sind im Dorf – Gras, frische Luft. In der Stadt waren wir arm, es gab nicht so viel zu essen, aber im Dorf gab es alles, aus den Gärten, überall ... Wir wollten den ganzen Sommer bleiben. Aber dann kam es anders – am 26. fuhren wir hin, und drei Tage später schon wieder zurück. Am ersten Mai waren wir dabei, irgendwas auf dem Hof zu graben oder zu pflanzen, vielleicht machten wir die Beete oder verbrannten Abfall ... Da schaue ich, und sehe jemanden aus dem Wäldchen zu uns laufen, sieht aus wie Sascha. Dabei weiß ich doch, dass er erst gestern oder vorgestern noch weggefahren ist. Und ich denke – warum ist er zurückgekommen? Und er rennt, da aus dem Wäldchen, ganz sicher ist er es ... Das kann er nicht sein, denke ich mir ... Warum sollte er? Und er fliegt ... Und sieht genau aus wie unser Papa. Da kommt er näher – und er ist es! Als er in Wilejka angekommen war, hatte er Radio Svaboda gehört. Und die sagten was ganz anderes. Und als er genug gehört hatte, ist er noch am selben Tag sofort zu uns gefahren – hat freigenommen und ist los zu uns. Damals gab es ja noch nicht diese Telefone, du konntest nicht Bescheid sagen – am besten bist du selbst hingefahren. Ich war so erschrocken. Warum bist du hier? Was bist du hergekommen? Und er sagt: „Schnell, packt zusammen, wir fahren.“ Er war ja verantwortungsvoll, er kam, um uns zu holen. Wir hatten da noch von nichts gehört. Und er war gekommen und nahm uns mit. Als wir in Minsk ankamen, war dort schon alles voll mit Menschen, riesige Schlangen, und wir standen, alle wurden überprüft – die Schilddrüse, die Kleidung ... Alle, die aus dem Zug kamen, wurden überprüft. Ich weiß noch, manche warfen sogar ihre Schuhe weg, die Kleidung musste man auch ausziehen. Bei uns war alles in Ordnung. Der Akzjabrski-Rajon war sauber geblieben. Dort zog es einfach vorbei. Aber Sascha hatte das alles im Radio gehört ... Er konnte ja nicht wissen, dass der Akzjabrski sauber ist. Damals dachten alle – je näher, desto schlimmer.“
Das zweite Erinnerungsbild entstand 20 Jahre später, im März 2006. Wir gingen zum Platz, Papa, Shenja und Lena, das Mädchen, das ich liebte und mit der ich damals zusammen war. Mama und Papa waren nach Minsk gekommen, um an der Wohnungstür zu stehen und meine Schwester und mich nirgendwo hinzulassen. Aber weil das nicht funktionierte, wurde vom Familienrat beschlossen, dass Papa mit uns geht, und Mama zu Hause bleibt und die Nachrichten verfolgt. Ich weiß noch, wie Mama Shenja und mir vorm Hinausgehen half, Zeitschriften in den Hosenbund zu stecken, die die Schläge der Schlagstöcke abmildern sollten. Später erfuhr ich, Lenas Freundin habe erzählt, ihr sei klar gewesen, dass wir uns bald trennen würden, als sie uns beide damals zusammen auf dem Platz sah – weil ich Lena so angesehen hätte, wie sie mich nicht ansah. Manchmal wünschte man sich die Fähigkeit zu haben, in die Zukunft zu schauen, um richtige Entscheidungen zu treffen, um zu wissen, worauf man sich einstellen oder wie lange man noch warten muss; ich hätte sie also damals in Lenas Augen sehen können (ihre Freundin konnte es ja), doch ich habe überhaupt nichts gemerkt. Als könnte man die Zukunft nur erkennen, wenn man in die Vergangenheit schaut. So wie ich jetzt.
Ein Schneesturm ist aufgezogen. Die unvermittelt niederbrechende Naturgewalt lässt alles leicht irreal erscheinen, es fühlt sich an, als öffne sich eine Art Portal – und wir alle, die jetzt auf dem Platz stehen, sind in eine andere Dimension versetzt, haben die Möglichkeit, uns selbst als andere wahrzunehmen, als die, die wir sein könnten, oder die wir in Gedanken sind, oder die wir vielleicht irgendwo noch sind. Gerade eben war da noch nichts, und mit einem Male ist alles ringsum mit einem weißen Schneeschleier bedeckt, ich schaue jetzt durch ihn hindurch und versuche zu erkennen ... Eine meiner Kindheitserinnerungen, die mit Papa verbunden sind, ist wie wir zusammen Fotos entwickeln. Wir schlossen uns in der kleinen Küche unserer Wilejker Wohnung ein, ein zauberhaftes rotes Licht erfüllte den ganzen Raum, durch die Schüssel mit dem Entwickler zogen wir eins nach dem anderen die leeren Blätter des Fotopapiers und begannen zu zählen, bis wir Zeugen des Wunders wurden – wenn aus dem Nichts auf dem weißen Papier das Bild erkennbar wurde ... So schaue ich jetzt in mein Gedächtnis und sehe wie aus dem Nebel langsam Silhouetten auftauchen, wie auf einer aus leichten, weißen Körnchen aufgeschütteten Fotografie ... Vielleicht ist da Shenja, die auf Papas Schultern sitzt wie in der Kindheit, um weiter als alle anderen sehen zu können. Vielleicht bin da ich, die daneben steht und fragt – Und? Vielleicht antwortet sie mir: „Sehr viele“. Vielleicht ruft Papa plötzlich: „Es lebe Belarus!“, und ich schaue ihn an als würde ich ihn nicht wiedererkennen, oder vielleicht ist es auch umgekehrt – überwältigt vom plötzlichen Erkennen denke ich – warum schreibst du eigentlich keine Gedichte mehr, Papa?
Im März dieses Jahres habe ich begonnen, Tagebuch zu führen, um mir klar zu werden, wie ich meine Stummheit überwinden kann, wie ich mir selbst das Sprechen erlauben kann, wenn um mich herum so furchtbare Dinge geschehen, wie ich das Unaussprechliche lernen kann auszusprechen? Schreiben ist peinlich. Jedes Wort, das du jetzt in dem Moment schreibst, während um dich herum weiterhin Menschenleben zunichte gemacht werden, erscheint überflüssig und fehl am Platz. Es scheint, als hätten meine inneren, internalisierten Aufseherinnen einen Weg gefunden, mir endlich ganz legal den Mund zu stopfen. Vielleicht muss ich gerade deswegen und genau jetzt versuchen weiterzuschreiben. Seit Beginn meiner Tagebuchaufzeichnungen haben die Jahreszeiten gewechselt – ich habe beobachtet, wie der Frühling kam und alles ringsum mit Leben erfüllt, und wie der Herbst mit der erneuten Mahnung anbrach, dass alles irreparabel endlich ist. Ich erinnere mich gut an diese Verbindung mit den Jahreszeiten, weil in meinem Tagebuch Kerben geblieben sind …
Am 29. März waren in Belarus 322 Menschen als politische Häftlinge anerkannt.
Am 12. August waren in Belarus 631 Menschen als politische Häftlinge anerkannt.
Am 29. September waren in Belarus 702 Menschen als politische Häftlinge anerkannt.
Am 28. Oktober waren in Belarus 833 Menschen als politische Häftlinge anerkannt.
Gerade ist ein wunderbarer goldener Herbst, seine Schönheit tut fast ein wenig weh, ebenso die Unmöglichkeit, diese Schönheit vollkommen aufzunehmen, sie mit jemandem zu teilen, und das Vorgefühl ihrer Endlichkeit. Ich sage „ein wenig“ nicht, weil dieses Wort den Grad meines Gefühls beschreibt, sondern weil es das Gefühl mildern und mit seiner sachten Anwesenheit umhüllen soll. „Ein wenig weh“ – das sagst du, wenn du nur Wörter zu Hilfe rufen kannst. Es ist unmöglich, zwei Wirklichkeiten gleichzeitig zu fassen – den Frühling, der unausweichlich kommt und alles ringsum mit Leben erfüllt und gleichzeitig den Terror im Land, wenn alles Menschliche und Lebendige weiter vernichtet wird. Man kann dieser Aufspaltung unmöglich entkommen, nur so kann die Psyche sich retten – indem sie Teile von sich abspaltet. Diese Spaltung gibt es auch in mir – das Leben, das aus mir erwächst, trotz allem, und das Konzentrationslager, dem ich nicht entfliehen kann.
Noch eine mit Papa verbundene Kindheitserinnerung ist, wie er die Sekunden zählt, während ich beim Baden in der Wanne tauche. Das war unser Ritual, das den langweiligen Vorgang des Badens spannend und interessant werden ließ. Papa nahm die Uhr vom Handgelenk, gab mir ein Zeichen, ich holte tief Luft und tauchte unter ... Mit aller Kraft versuchte ich, es länger auszuhalten, wollte meine Stärke beweisen – schau, wie lange ich die Luft anhalten kann, wie stark und geübt ich bin, schau, Papa, was ich alles kann. Alle Ungeheuer, alle Monster, alle bösen Menschen verschwanden, wenn ich auf dem Grund des Schaumbads lag, das Zimmer von heißem Dampf erfüllt, und Papa dastand und beobachtete, und ich wusste, dass er auf mich wartet.
Auch jetzt liege ich wie unter Wasser und halte die Luft an, manchmal scheint mir, dass mir kaum noch Luft geblieben ist, dann stelle ich mir vor, dass du wie in der Kindheit neben mir stehst und weiterzählst – während ich auf dem Grund der von Schmerz und Leid gefluteten Stadt liege, mir Raum zu geben versuche und diesen Text schreibe – ungeschickt, wie es nur einem Kind gelingt, und solange die Kraft und der Platz in meiner Lunge ausreicht – ich weiß, dass du weiterzählst, mir Zeit verschaffst – um hier zu sein, wenn ich endlich auftauchen kann, wenn ich endlich wieder Luft holen kann.