Der Schauspieler und Comedian Wolodymyr Selensky hat die Präsidentschaftswahl in der Ukraine gewonnen. Über 61 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an der Wahl teil, Hochrechungen am Montag zufolge bekam Selensky rund 73 Prozent der Stimmen, Petro Poroschenko etwa 25 Prozent. Damit hat der Polit-Neuling den bisherigen Amtsinhaber haushoch besiegt.
Was bedeutet der Sieg von Selensky für Russland? Was könnte sich in den ukrainisch-russischen Beziehungen ändern? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte in russischen Medien.
Wie die Ukraine gewählt hat – unsere interaktive Ukraine-Wahlkarte.
Zargard.tv: Der Präsidenten-Stuhl
Wladimir Solowjow, polarisierender Moderator im Staatsfernsehen, ruft dazu auf, die ukrainische Wahl nicht anzuerkennen. In einem Gespräch mit dem Fernsehsender Zargrad sagt er, dass er vom neuen Präsidenten nichts erwarte:
Deutsch
Original
Wie irgendein ausländischer Diplomat ganz richtig sagte: Statt Selensky hätte auch ein Stuhl antreten können. Selbst der hätte gegen Poroschenko gewonnen.
как правильно говорил кто-то из иностранных дипломатов, вместо Зеленского мог быть стул. И то он победил бы Порошенко
erschienen am 22.04.2019, Original
Facebook/Lilija Schewzowa: Wenden wir uns wieder uns selbst zu!
Die Ukraine beherrschte die russischen Schlagzeilen – gerade in kremlnahen Sendern wurde sehr kritisch über die Entwicklungen berichtet. Auf Facebook beurteilt Politologin Lilija Schewzowa die Folgen des ukrainischen Wahlausgangs für Russland auch vor diesem Hintergrund:
Deutsch
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Die russische Fraktion rätselt, was für ein Präsident Wolodymyr Selensky wohl werden wird. Was für einer auch immer er wird, er wird die nationalen Interessen der Ukraine verteidigen. Andernfalls wird ein neuer Maidan über sein Schicksal entscheiden. Außerdem wird Selensky nicht das einzige Zentrum der Macht sein in der Ukraine, die es vermochte, ein System der checks and balances aufzubauen. Möglicherweise ist entscheidender, wie die Machtverhältnisse in der Rada sind und wer der neue Premier wird. Das ist eine uns völlig unverständliche Realität. Wir, die wir an Alleinherrschaft gewöhnt sind, fühlen uns verloren, wenn wir viele widerstreitende Kräfte sehen, und empfinden sie als Chaos. [...]
Klar, es ist peinlich, ein ausgestoßener Staat zu sein. Noch peinlicher ist es, auf Gleichgültigkeit zu stoßen. Aber wenn Russland seine Würde und Zukunftsperspektive zurückerlangen will, müssen wir das Leiden an der Ukraine überwinden und uns endlich mit unseren Angelegenheiten beschäftigen.
Российская тусовка гадает, каким президентом станет Владимир Зеленский. Каким бы он ни стал, он будет защищать украинские национальные интересы. Иначе новый Майдан решит его участь. Причем, Зеленский не будет единственным центром власти в Украине, которая сумела создать систему противовесов. Возможно, важнее будет новое соотношение сил в Раде и кто станет новым премьером. Это непонятная для нас реальность. Мы, привыкшие к единовластию, теряемся, когда видим множество противоборствующих сил, считая это хаосом.
[...]
Конечно, быть отвергнутой державой обидно. Встречать равнодушие еще обиднее. Но если Россия хочет вернуть себе достоинство и видение будущего, придется переболеть Украиной и заняться своими делами.
erschienen am 22.04.2019, Original
Kommersant: Neue Rhetorik?
Die unabhängige Zeitung Kommersant zitiert den berühmten Staatsjournalisten Dimitri Kisseljow: Dieser bemerkte, dass Selensky die Separatisten aus dem Donbass „Aufständische“ nenne:
Deutsch
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Für sich genommen, bedeutet das Wort „Aufständische“, dass es ein innerukrainischer Konflikt ist, dass es ein innerukrainischer Krieg ist. Moskau ist kein Teil dieses Konflikts. Poroschenko fürchtete das Wort „Aufständische“ wie der Teufel das Weihwasser. Selensky hat keine Angst davor. [...] Selensky verspricht, im Normandie-Format zu handeln und den Minsker Prozess fortzusetzen. Für seine erstrangige Aufgabe hält er, so wie er sagt, die Rückkehr aller Verhafteten in die Ukraine. Auch ein Waffenstillstand gehört zu den prioritären Aufgaben des neuen Leaders der Ukraine.
Само по себе слово "повстанцы" обозначает, что конфликт внутриукраинский, а война внутригражданская. Москва стороной конфликта не является.[...] Порошенко боялся "повстанцев" как черт ладана. Зеленский этого слова не боится. [...] Зеленский обещает действовать в нормандском формате и продолжить минский процесс. Своей первостепенной задачей считает возвращение на Украину, как он выразился, всех заключенных и пленных. Прекращение огня в Донбассе также остается приоритетной задачей для нового лидера Украины.
erschienen am 22.04.2019, Original
Republic: Begrenzt positive Agenda
Politologe Wladimir Frolow überlegt auf Republic noch vor der Stichwahl am Sonntag, wie sich die ukrainisch-russischen Beziehungen unter einem Präsidenten Selensky wohl gestalten würden. Sein positives Szenario fällt nur kurz aus:
Deutsch
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Bislang kann man aus dem, was Selensky im Wahlkampf öffentlich sagte, den Schluss ziehen, dass er womöglich von aggressiver Rhetorik absehen und eine ruhigere Diskussionsatmosphäre aufbauen wird, etwa, was Fragen nach Verkehrsverbindungen angeht (Wiedererrichtungen direkter Flugverbindungen, des Güterverkehrs), das Aufheben einzelner Sanktionen, den Zugang zu Märkten bestimmter Güter. [...]
Klar, die Rede ist keinesfalls von der Rückkehr in die Zeiten vor 2014 und von Beziehungen „brüderlicher Länder”. Selensky kann die russische Hoheit über die Krim nicht anerkennen. [...].
Selensky fordert [aber] auch, die künstlichen Beschränkungen für den Gebrauch des Russischen in der Ukraine zu beseitigen. [...] Solche Schritte, wenn sie denn gemacht werden, bringen das Eis zum Schmelzen und sie werden vom Kreml angemessen bewertet werden. [...]
Doch das ist eine begrenzte positive Agenda. Sie basiert unweigerlich darauf, dass Fortschritte im Donbass erzielt werden oder bricht wieder in sich zusammen, sobald unüberwindliche Differenzen bei der Umsetzung des Minsker Abkommens auftreten.
Пока из того, что публично наговорил Зеленский в ходе кампании, можно сделать вывод о возможном отказе от агрессивной риторики и создании более спокойной атмосферы для обсуждения, например, нормализации транспортного сообщения (восстановление прямых авиарейсов, транзита грузов), снятия отдельных санкционных ограничений, доступа на рынки по отдельным товарным позициям. [...]
Разумеется, ни о каком возвращении к временам до 2014 года и отношениям «братских стран» речь не идет. Зеленский не сможет признать российский суверенитет над Крымом [...]. Зеленский призывает также к снятию искусственных ограничений на использование русского языка на Украине [...]. Такие шаги, если они будут сделаны, растопят лед и будут правильно оценены Кремлем. [...]
Но это ограниченная позитивная повестка. Она неизбежно упирается в достижение прогресса по Донбассу или же вновь рушится при возникновении непримиримых разногласий вокруг реализации Минских соглашений.
erschienen am 19.04.2019, Original
Facebook/Konstantin von Eggert: Leb wohl, Ukraine!
Der unabhängige Journalist Konstantin von Eggert resümiert über die Wahl in der Ukraine auf Facebook:
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Die Ukraine hat sich als Demokratie vollständig etabliert. Einen Moskau-nahen Präsidenten wird es dort nicht geben, denn das wird die Gesellschaft nicht zulassen. Wenn Selensky nicht gefällt, werfen sie ihn raus und wählen den nächsten, sei es ein Karpaten-Ungar, eine Frau, ein Zahnarzt, der ehemalige Botschafter in Kairo oder ein Schwuler. Und uns mit unserem ewigen Putin werden sie nicht fragen. Wie Sergej Medwedew sagt, „die Nation ändert die Realität”. Leb wohl, Ukraine! Danke dir. Wir werden uns auch bemühen.
Украина полностью состоялась как демократия. Никакого промосковского президента там не будет, потому что не позволит общество. Если Зеленский не понравится, выгонят и изберут себе карпатского венгра. Женщину. Дантиста. Бывшего посла в Каире. Гея. И нас с нашим вечным Путиным не спросят. Как говорит Сергей Медведев, “нация меняет реальность». Прощай, Украина! Спасибо тебе. Мы тоже будем стараться.
erschienen am 21.04.2019, Original
Facebook/Sacharowa: Die Möglichkeit eines Resets
Auf Facebook zeigt sich die Außenamtssprecherin nach wochenlanger Kritik an dem Wahlkampf zwar versöhnlicher, dennoch spart Maria Sacharowa nicht an Spitzen:
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Auch wenn ich das Backstage der Weltpolitik verstehe, sage ich dennoch: Die Ukraine kann einen Reset vollziehen. Nicht im Sinne der Umverteilung von Geldflüssen aus der einen in die andere Tasche. Sondern einen richtigen Reset, der dem Bewusstsein geschuldet ist, dass eine Konsolidierung des Volkes nicht mit Gewalt, sondern durch das Herausarbeiten einer Agenda für die ganze Nation zustande kommt. Damit es nächstes Mal nicht nötig sein wird, so wie jetzt Millionen eigener Bürger von den Wahlen auszuschließen.
При понимании всего мирового закулисья, всё равно скажу: Украина может осуществить перезагрузку. Не в смысле перераспределения денежных потоков из одних карманов в другие. А настоящую, основанную на осознании необходимости консолидации народа не на основе силы, а на основе выработки общенациональной повестки. Чтобы в следующий раз не пришлось как сейчас отключать от голосования миллионы собственных граждан.
erschienen am 21.04.2019, Original
Facebook/Ossetinskaja: Heikle Frage
Auf Facebook stellt die renommierte Investigativ-Journalistin Jelisaweta Ossetinskaja eine delikate rhetorische Frage:
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Verzeihen Sie bitte – etwas Heikles: Wie können die Propagandisten die Ukraine jetzt noch als faschistischen Staat bezeichnen, wenn der Präsident nun ein Jude ist?
Извините, я о деликатном. А как пропагандисты теперь будут называть Украину фашистским государством, если там президент - еврей?
erschienen am 22.04.2019, Original