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Löst Syrien die Ukraine-Krise?

Ein möglicher Schulterschluss zwischen Russland und dem Westen nach den jüngsten Terroranschlägen könnte auch Auswirkungen auf die Ukraine-Krise haben. Was hieße das für den Status der Krim, die Sanktionen gegen Russland, den Kurs der NATO? Kann es gar zu einer raschen Entspannung der Lage in der Ostukraine kommen? Arkadi Mosches dekliniert in EJ die Szenarien durch und bleibt skeptisch.

(Der Originaltext wurde vor dem Abschuss des russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei am 24.11.2015 veröffentlicht.)

Источник Ej

Die weitaus meisten Beobachter sind sich einig, dass die schrecklichen Anschläge der letzten Tage den Kontext der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen wesentlich verändert haben. Objektiv betrachtet ist das der Fall, weil eine gemeinsame Bedrohung zur Einigkeit zwingt. In dieser Hinsicht sind die Worte Wladimir Putins, der die Franzosen als Verbündete bezeichnete, von großer Bedeutung. Aber auch auf subjektiver Ebene stimmt es, denn jene Politiker und professionelle Lobbyisten im Westen, die auch schon zuvor dazu aufgerufen hatten, die durch die Ukraine-Krise entstandenen „Missverständnisse“ in den Beziehungen zu überwinden und zu „Dialog und Zusammenarbeit“ zurückzukehren, erhalten damit ein schlagkräftiges Argument. Im übertragenen Sinne haben Nicolas Sarkozy und der derzeitige deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel, die diesen Standpunkt vertreten und im Oktober Moskau besucht hatten, in ihrer Auseinandersetzung mit den französischen und deutschen Staatsoberhäuptern François Hollande und Angela Merkel die Initiative übernommen.

Daher sollte man bereits in allernächster Zukunft erwarten, dass Bewegung in diese Diskussion kommt, und wahrscheinlich auch, dass praktische Schritte um den sogenannten Abtausch von der Ukraine und Syrien erfolgen. Es ist allerdings alles andere als selbstverständlich, dass ein solcher Abtausch tatsächlich Ergebnisse bringen wird.

Erstens ist nicht wirklich klar, worin er bestehen könnte. Soll es um eine Änderung der Positionen des Westens zur Krim gehen? Diese Frage steht derzeit faktisch nicht auf der Tagesordnung. Formhalber abgegebene Verlautbarungen zählen nicht, und eine juristisch verbindliche Anerkennung der Zugehörigkeit der Halbinsel zur Russischen Föderation ist für den Westen unmöglich, was allen Beteiligten, auch dem Kreml, klar sein sollte. Geht es um eine Abkehr von der Osterweiterung der NATO und der EU? Wiederum: Da ohnehin weder Washington noch die europäischen Hauptstädte einen besonders starken Wunsch nach einer Erweiterung verspüren, könnten inoffiziell bestimmte Zusicherungen gegeben werden. Aber zum einen ist fraglich, ob Moskau ihnen Glauben schenken würde, zum anderen: Was soll mit dem Programm der schrittweisen Integration der Ukraine, Moldawiens und Georgiens in die EU geschehen, um das es sich ja beim Assoziierungs- und Freihandelsabkommen handelt? Soll sich Europa die russische Sichtweise mit einer Zukunft des Donbass' als Teil der Ukraine zu eigen machen? Berlin und Paris üben ohnehin schon maximal möglichen Druck auf Kiew aus, um von der Ukraine eine einseitige und vorgreifende Umsetzung des Minsker Abkommens in einer Auslegung zu erreichen, die für die DNR und LNR vorteilhaft ist. Weiterer Druck und Einmischungen in den konstitutionellen Prozess könnten dazu führen, dass das politische System der Ukraine destabilisiert wird und dass an die Stelle Petro Poroschenkos ein radikalerer Führer tritt, womit sich der Konflikt nur verstärken würde.

Zweitens muss innerhalb der EU in einer ganz bestimmten Richtung gearbeitet werden. Es geht hier nicht um die berüchtigte „wertebasierte Politik“: Dass vor Kurzem die Sanktionen gegen Minsk ausgesetzt wurden beweist, dass Geopolitik und Pragmatismus Brüssel ganz und gar nicht fremd sind; nein, es geht um Prozeduren, auf denen die Union basiert. Im März 2015 hat der Europarat nämlich einen Beschluss gefasst (Paragraph 10 für jene, die es ganz genau wissen wollen), der unmissverständlich besagt, dass die gegen Russland gerichteten Sanktionen von der vollständigen Umsetzung des Minsker Abkommens abhängen, sprich, von der Rückgabe der Kontrolle über die Grenze an die Ukraine. Selbstverständlich ist dieses Dokument nicht in Stein gemeißelt, es kann durch ein anderes ersetzt werden. Doch dies kann nicht schnell geschehen. Zunächst wird eine öffentliche Diskussion entbrennen, dann schaltet sich das Europaparlament ein, und irgendwann werden sich die europäischen Führer überlegen, dass ihnen persönlich der politische Preis für die Aufhebung der Sanktionen zu hoch sein könnte.

Drittens ist der Westen nicht mit der EU gleichzusetzen. Selbst wenn man für eine Sekunde die USA, Kanada und Australien außer Acht lässt, kann man doch eine andere überaus machtvolle politisch-bürokratische Maschinerie nicht ignorieren: die NATO. In den letzten anderthalb Jahren ist die transatlantische Allianz, wie man sagt, „zu ihren Wurzeln zurückgekehrt“ und orientiert sich nun gründlich in Richtung Abwehr von Sicherheitsrisiken ihrer Mitgliedsländer, die deren Ansicht nach vom Osten ausgehen. In einem Klima des gegenseitigen Misstrauens wird es sehr schwierig sein, die in Fahrt gekommene Allianz aufzuhalten. Moskau seinerseits wird wie gewohnt Gegenmaßnahmen ergreifen. Damit hätte eine Einigung in einzelnen Fragen der nahöstlichen Agenda keinerlei signifikante Bedeutung.

Zuletzt das Wichtigste: Der russisch-ukrainische Konflikt an sich wird nicht einfach verschwinden. Selbst wenn eine weitere Eskalation im Osten der Ukraine vermieden werden kann, bekommt es der Westen, allen voran die EU, mit russischen Sanktionen gegen Kiew zu tun, die im Januar eingeführt werden, wenn die bereits erwähnte Freihandelszone zwischen der Ukraine und der EU in Kraft tritt. Hinzu kommt die Umschuldung, der Gastransport durch die Ukraine und der Ankauf von russischem Gas für den innerukrainischen Bedarf, Fragen von europäischen Bürgern und Unternehmen zur Krim, gegen die die Sanktionen ganz sicher nicht aufgehoben werden etc. Sollte dann jemand die Nerven verlieren und der Osten wieder in Flammen aufgehen, so kann man sämtliche Entwürfe einer möglichen Aussöhnung sofort zu Grabe tragen.

Leider hat der Konflikt zwischen Russland und dem Westen für den heutigen Tag systemischen Charakter und geht weit über die Grenzen der Meinungsverschiedenheiten zur Ukraine und zu Syrien hinaus. Dieser Konflikt schwelte schon lange und er wird nicht schnell überwunden werden können, schon gar nicht durch irgendeinen „Abtausch“.

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Sanktionen

Als Reaktion auf die Annexion der Krim und Russlands militärisches Eingreifen in der Ostukraine beschlossen sowohl die USA als auch die EU im Jahr 2014 diplomatische und wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Diese umfassten zunächst nur Einreiseverbote für unmittelbar in den Konflikt involvierte russische Politiker und Wirtschaftsführer sowie das Einfrieren von Vermögenswerten. Hinzu kam ein umfassendes Wirtschaftsembargo der annektierten Krim. Wegen russischer Unterstützung für die in der Ostukraine kämpfenden Milizen beschloss die EU Ende Juli und im September 2014 einen weitgehenden Finanzierungsstopp für russische Staatsbanken, Öl- und Rüstungskonzerne, sowie Einschränkungen beim Export von militärischen und militärisch verwendbaren Gütern.

Im August 2017 unterschrieb der US-amerikanische Präsident Trump zudem ein vom Kongress ausgearbeitetes Gesetz, das die Sanktionen gegen Russland verstetigte und verschärfte. Die US-Linie unterscheidet sich bei den Sanktionen seitdem von der EU-Politik. Der US-Präsident ist nun verpflichtet, auch sekundär zu sanktionieren. Wenn ausländische Unternehmen bei der Umgehung von Sanktionen helfen, laufen sie nun Gefahr, selbst sanktioniert zu werden (US-amerikanischen Unternehmen drohen ohnehin strafrechtliche Konsequenzen). Am 6. April 2018 beschlossen die USA neue Sanktionen gegen russische Unternehmen und Individuen, darunter die drei Oligarchen Oleg Deripaska, Suleiman Kerimow und Viktor Wexelberg. Diesem Schritt waren keine unmittelbaren Aggressionen Russlands vorausgegangen. Die weit gefasste Begründung für die Maßnahme nannte die Besetzung der Krim, die Destabilisierung der Ostukraine, die Versorgung von Syriens Regime mit Waffen, die Einmischung in westliche Demokratien und Hackerangriffe. Die Finanzmärkte in Moskau taumelten, der Rubel verlor zwischenzeitlich rund zehn Prozent an Wert. Manche Analysten sprachen vom Schwarzen Montag an der Moskauer Börse.

Als Reaktion auf die Angliederung der Krim beschlossen sowohl die USA als auch die EU1 im März 2014 wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Inhalt dieser ersten Stufe der Sanktionen waren vor allem Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögen.2 In den folgenden Monaten wurde die Liste der betroffenen Individuen mehrfach ausgeweitet. Die USA zielten dabei früh auch auf einflussreiche Unterstützer Putins (und die Bank Rossija)3, während die EU zunächst unmittelbar in den Konflikt involvierte Personen mit Sanktionen belegte. Geschäfte mit auf der Krim ansässigen Unternehmen wurden untersagt.4

Aufgrund russischer Unterstützung für die in der Ostukraine kämpfenden Milizen erließ die EU Ende Juli 2014 ein separates Sanktionenpaket, das die Finanzierung russischer Staatsbanken in Europa einschränkt. Im September wurden diese Einschränkungen dann auf russische Rüstungs- und Ölkonzerne ausgedehnt. Daneben wurde der Export von Erdöl-Technik sowie von militärischen und militärisch einsetzbaren dual use-Gütern nach Russland verboten.5 Die Sanktionen wurden im August 2014 von Russland mit Gegensanktionen beantwortet, die vor allem die Einfuhr westlicher Agrarprodukte betreffen. Da die Beschlüsse des Abkommens von Minsk zur friedlichen Regulierung des Konflikts in der Ostukraine bislang nicht umgesetzt sind, verlängert die EU turnusmäßig ihre Wirtschaftssanktionen.6

Die US-Sanktionen gegen die Bank Rossija machten sich schnell bemerkbar: Von dieser Bank ausgegebene Visa- und Mastercard-Kreditkarten wurden gesperrt.7 Daneben musste die russische Lowcost-Airline Dobrolet, mit der die Krim an Russland angebunden werden sollte, in Folge der westlichen Sanktionen aufgelöst werden.8 Fehlende Technik aus dem Westen zwang den Ölproduzenten Rosneft, Bohrprojekte um Jahre zu verschieben9. Die von den Kapitalbeschränkungen betroffenen russischen Konzerne konnten ab Herbst 2014 auslaufende Kredite nicht mehr durch neue, langfristige Anleihen aus der EU oder den USA ersetzen. Ausländische Investoren legten auch Projekte in nicht sanktionierten Branchen auf Eis.10 Durch die Überlagerung mit dem Sinken des Ölpreises lassen sich die Folgen der Sanktionen nur sehr schwer quantifizieren. Verschiedenen Schätzungen zufolge reduzieren die Sanktionen das russische BIP um 0,4 Prozent bis 0,6 Prozent (laut einer Studie russischer Ökonomen) beziehungsweise 1 Prozent bis 1,5 Prozent pro Jahr (laut Internationalem Währungsfond).11

Tragen die mehrmalig verlängerten Sanktionen wie geplant zur Deeskalation in der Ukraine bei? Die finanziellen Einschränkungen beschleunigten Ende 2014 den Kapitalabfluss aus Russland, was den Druck auf den Rubel erhöhte. Außerdem zwangen sie den Kreml zur Unterstützung der betroffenen Banken und Unternehmen und belasteten damit den Staatshaushalt und die Reserven. Sie entfalteten vor allem in der Anfangsphase Druck und lasten seither auf den Wachstumsaussichten.

Die im August 2017 und April 2018 beschlossenen Verschärfungen der US-Sanktionen könnten für Russland aber noch schmerzhafter werden. Die wirtschaftlichen Kosten für weitere Aggressionen in der Ukraine wären außerordentlich hoch – das dürfte im Kreml angekommen sein. Das Aufheben der Sanktionen gegen Russland würde die wirtschaftliche Lage hingegen nur mittel- oder langfristig verbessern12, was ihren Wert als Verhandlungsmasse einschränkt.13


Zum Weiterlesen: The Economic Sanctions Against Russia, Swedish Defense Research Agency, September 2015

1.Einige weitere Länder führten ebenfalls Sanktionen ein, darunter die Ukraine, Kanada und Japan. Für Kanada und Japan siehe: Oxenstierna, Susanne / Olsson, Per (2015): The economic sanctions against Russia: Impact and prospects of success
2.Official Journal of the European Union: Council Decision 2014/145/CFSP
3.The New York Times: Private Bank Fuels Fortunes of Putin's Inner Circle
4.Official Journal of the European Union: Council Decision 2014/386/CFSP
5.Official Journal of the European Union: Council Decision 2014/512/CFSP
6.Zuletzt im März 2017. European Council: EU prolongs sanctions over actions against Ukraine's territorial integrity until 15 September 2017
7.BBC: Visa and MasterCard block Russian bank customers
8.World Airlines News: Dobrolet is forced to shut down due to European sanctions
9.The Moscow Times: Russia's Rosneft Won't Resume Sanctions-Struck Arctic Drilling Before 2018 – Sources
10.Forbes: Major Investments At Risk As Russian Sanctions Become More Nerve Wracking, wobei einige Investoren den günstigen Rubel als Chance sahen, siehe dazu: The Wall Street Journal: Schlumberger to Pay $1,7 Billion for Stake in Russia᾿s Eurasia Drilling
11.Vedomosti: Ėkonomika Rossii lišilasʼ 8,4 % rosta
12.Auch ohne Sanktionen würden die russischen Unternehmen derzeit kaum westliches Kapital finden.
13.Im Gegensatz zu den Export-Sanktionen gegen den Iran, deren Aufheben unmittelbar wirtschaftlich spürbar ist.
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Gegensanktionen

Als Reaktion auf die westlichen Sanktionen, die nach der Angliederung der Krim gegen Russland verhängt wurden, reagierte Russland mit Gegensanktionen. Das russische Handelsembargo beinhaltet vor allem Einfuhrverbote für Lebensmittel. Während westliche Hersteller Exportverluste erlitten, verteuerten sich in Russland, nicht zuletzt durch die umstrittene Vernichtung von Lebensmitteln, die Preise für zahlreiche Nahrungsmittel.

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Krieg im Osten der Ukraine

Zum ersten Mal treffen sich Wladimir Putin und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selensky heute persönlich in Paris. Thema ist der Krieg im Osten der Ukraine, der trotz internationaler Friedensbemühungen seit April 2014 anhält. Er kostete bereits rund 13.000 Menschen das Leben. Steffen Halling zeichnet die Ereignisse nach.

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Es war kein Zufall, dass die russische Präsidentschaftswahl 2018 am 18. März stattfand. Die Wahlbeteiligung und die rund 90-prozentige Zustimmung für Putin auf der Krim stellt der Kreml als eine Art zweites Referendum über die Zugehörigkeit der Halbinsel zu Russland dar. Gwendolyn Sasse über die mythenumwobene Region, das Narrativ der „russischen Krim“ und die Selbstwahrnehmung der Krim-Bewohner nach der Angliederung an Russland. 

 

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Donezker Volksrepublik

Die Donezker Volksrepublik ist ein von Separatisten kontrollierter Teil der Region Donezk im Osten der Ukraine. Sie entstand im April 2014 als Reaktion auf den Machtwechsel in Kiew und erhebt zusammen mit der selbsternannten Lugansker Volksrepublik Anspruch auf Unabhängigkeit. Seit Frühling 2014 gibt es in den beiden Regionen, die eine zeitlang Noworossija (dt. Neurussland) genannt wurden, Gefechte zwischen den Separatisten und der ukrainischen Armee.

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Krim-Annexion

Als Krim-Annexion wird die einseitige Eingliederung der sich über die gleichnamige Halbinsel erstreckenden ukrainischen Gebietskörperschaft der Autonomen Republik Krim in die Russische Föderation bezeichnet. Seit der im Frühjahr 2014 erfolgten Annexion der Krim ist die Halbinsel de facto Teil Russlands, de jure jedoch ukrainisches Staatsgebiet und somit Gegenstand eines ungelösten Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland.

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